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Otto Ludwig an seine Braut Emilie Winkler

Reudnitz, den 9. März 1844.

Mein Milchen! Dein lieber Brief hat mir viel Freude gemacht, und ich hätte Dir schon längst geantwortet, wenn ich nicht versprochen gehabt hätte, Blums Rede und Ronges Rechtfertigung mitzusenden, die ich ausgeliehen und noch nicht wieder zurück habe. Und nun hab' ich mich doch drüber hinweggesetzt; denn wer weiß, wie lang' ich da noch warten müßte, eh ich schreiben dürfte!

Es scheint, als woll' es diesmal gar nicht Frühling werden. Soviel Schnee hat in dem alten Leipzig und so lange selten gelegen. Vor meinen Fenstern schellt und klatscht es unaufhörlich; in der Stadt ist man, besonders abends, seines Lebens nicht sicher vor Schlitten, die von allen Seiten, auch wie geschneit, auf einen loskommen. Weiße Ostern sind uns dies Jahr gewiß. Wenn nur ein schöner Sommer darauf folgt!

Mit Deinem »kräftigen, in vollster Blüte dastehenden Baum« ist's nicht soweit her, mein Lieb. Er war wieder einmal umgefallen. Wie Du schon weißt, war ich einigemal diesen Winter unwohl; Erkältung, geistige Anstrengung, und wer weiß, was noch; ich hatt' es auf die leichte Achsel, wie die Deutschen sagen, genommen und lebte so fort; dazu kam noch ein Schnupfenfieber und Gemütsbewegung. Meinen letzten Brief schrieb ich in dieser Stimmung (das Gemüt ist meine Gesundheit und meine Krankheit). Wenige Tage nachher bekam ich nachts einen bedeutenden Anfall (es war eine Blutkongestion nach dem Herzen, mit Krampf verknüpft), so daß ich einen Arzt holen lassen mußte. Ich stand auf der obersten Sprosse der Leiter und wußte nicht, ob ich vorwärts oder rückwärts fallen würde; will sagen, ich dachte, expediert zu werden. Sonderbar. In diesen Augenblicken dacht' ich, obschon ich zu sterben glaubte, wenig an ein künftig Leben überm Tod, oder es war mir wenigstens ganz gleichgültig, ob ein Jenseits sei oder nicht, und wie es beschaffen sein möge; ebenso war ich für alles andere gleichgültig. Nur an Dich dacht' ich und wünschte nur noch, Deine Briefe packen, versiegeln und an Dich adressieren zu können, damit sie nicht in unrechte Hände fallen möchten. Dann war mir, als würd' ich gesund sein, wenn Du nur bei mir wärst, und zuletzt freut' ich mich, daß Du nicht bei mir warst und nichts davon wußtest. Ich habe eine wahre Kindernatur an Elastizität; so war ich bald wieder auf und bin nun, ein bißchen Reizbarkeit abgerechnet, wieder so wohl, als ich je war.

Du glaubtest, ich wollte Dich mit meinem Geständnis in meinem vorigen Briefe auf die Probe stellen? Nein; es war mein völliger Ernst und ist weder Einbildung, noch ein bloßes Vorgeben. Dem sei, wie ihm wolle; ich will Dich so liebhaben, als ich irgend kann – geliebt werden ist eine Wonne – es ist auch Eitelkeit und Selbstsucht dabei; aber lieben ist eine stille, heimliche Seligkeit, weil es ein bloßes Geben ist, wofür man nichts zu nehmen verlangt. Aber das ist dummes Zeug, ich wollte, es wäre Frühling und ich wäre bei – nun rate, bei wem? Sei mir nur achtsam auf Deine Gesundheit; folgst Du mir nicht, so komm' ich nicht; ist das nicht eine entsetzliche Strafe? Ich habe doppelten Grund, diese Achtsamkeit von Dir zu verlangen, weil ich solch ein Hansdampf bin, der mit krank wird, wenn jemand, dem er gut ist, krank ist.

Nun über meinen Aufenthalt in Deiner Nähe. Logier' ich bei Grells, so darf ich nur schlechte Kleider mitnehmen, des Mehlstaubs, Schmutzes und deswegen, weil ich keinen Wichsier dort haben kann; NB. Wichsier ist einer, der die Kleider rein macht pp. Dann möcht' ich auch mehr in der Nähe der löblichen Arzneikunde wohnen – aus Vorsicht. Dann hat mich mein Arzt gewarnt, in einem schaurigen Grunde zu wohnen. Schreib mir doch, was Du darüber denkst, aber bald!

Versalze nur den Braten nicht! laß die Sauce nicht zu braun werden; ich will nämlich damit zu verstehen geben, daß ich jetzt im Geiste bei Dir in der Küche bin. Aber es ist, wie mir eben einfällt, heute Sonntag; da könntest Du freilich auch in der Kirche sein. Nimm Dich nur bei jetzigem Wetter damit in acht; geh' lieber gar nicht in die Kirche, bis es warm wird.

Eben sieht mir die Sonne zum Fenster herein und sagt tröstend: laß du nur gut sein; was kann all der Schnee, so tief er auch liegt, wenn ich mich ins Zeug lege? Fort muß er, du sollst dich wundern, wie schnell! Und hab' ich nur einmal das weiße Zeug fortgekehrt, dann breitet mein Vetter (damit muß sie den Frühling meinen, dacht' ich) seine grünen Teppiche wieder aus und heftet sie an mit roter, gelber und blauer Seide; die Bäume will ich so lang kajolieren, bis sie ihre Kinder, die Knospen, Blüten und Blätter, vor die Türe lassen, um da mit den neckischen, kleinen Lüftchen Haschens zu spielen, und was ihnen sonst gefällt; aber das alles tu' ich nicht etwa nur deinetwegen; sondern da ist ein liebes Mädchen in – wie heißt's doch? In Meißen, sagt' ich, meinen Sie, Madame; haben Sie doch die Güte, das Mädchen zu grüßen von mir. Will sehn, sagte die Sonne; da sind die Gassenjungen am Himmel, die Wolken, die umlagern einen manchmal so, daß man keine hundert Schritt weit sehn kann. Aber ich habe keine Zeit. Ihre Dienerin. Dabei nahm sie ihr goldstoffenes Kleid so hoch in die Höhe, daß es sie nicht hinderte, über das Haus hinwegzusteigen, in dem ich wohne, und nickte mir noch einen flüchtigen Gruß zu.

Baldigst ein Mehres nebst Ronges und Blums versprochenen Schriften. Grüße Deine lieben Eltern und Geschwister auf das freundlichste und bleib gut

Deinem
Otto.

Dresden, den 9. April 1850.

Liebe Emilie! Heut war ich bei Auerbach, weil mir gestern mein Wirt sagte, er sei zweimal bei mir gewesen und habe mich zu sprechen gewünscht. Ich erfuhr nun, weshalb. Julius Hammer in Leipzig, der Dramen vorliest, wollte den Erbförster in Leipzig lesen; er, Auerbach, hatte sein Exemplar vom Erbförster schon eingepackt, es ihm zu schicken, wenn ich einwillige. Da er mich aber nicht zu Hause traf, ging er zu Devrient, und da auch dieser, ohne meine Meinung zu kennen, zu nichts raten wollte, unterblieb das Schicken, womit auch nichts verloren ist. Auerbach verehrte mir einen Hofer, den ich Dir zuschicken werde, sowie er gebunden ist; er scheint mir außerordentlich zugetan; will mir vor des Teufels Gewalt zur Selbständigkeit helfen. Ich soll bis zum Herbst ein Stück liefern; die Marie, die er noch nicht gelesen hat, schätzte er (für die Novellenzeitung) auf 300, zum allerwenigsten 200 Taler. Ich sehe nun allerdings ein, daß ich, wenn ich nur jetzt, wo das Eisen heiß, meinen Namen so bekannt mache als möglich, in Zeit von ¾ bis zu einem ganzen Jahr auf ein schönes Einkommen bei nicht übermäßiger Arbeit rechnen kann. Den Advokaten Peschel, der meinen Erbförster in der Augsburger Allgemeinen so günstig rezensiert, hat er gestern abend gesprochen; da hat Peschel gegen ihn geäußert, daß er für mich alles zu tun imstande sei, ohne mich zu kennen. Auerbach bringt heut noch seine Erbförsterkritik für das Dresdener Journal fertig; es kommt in die morgen abend erscheinende Nummer. Er will bald mit mir nach Meißen; lies doch seine Dorfgeschichten, wenigstens: Joo, der Hairle; Der Tolpatsch; Die Frau Professorin.

Wenn ich einmal für den Bogen 25 Taler bekomme, und ich denke, bis künftiges Jahr will ich es noch höher treiben, dann sind jährlich ein 900 Taler nicht zu mühsam zu erobern. Das wären 36 Bogen, monatl. 3 Bogen, also alle 10 Tage 1 Bogen. Oder ein Stück (Schauspiel) und so und so viel Bogen Novellistisches. Da könnten wir bald unter die Haube kommen. Auerbach meint: alles stehe seltsam günstig für mich; ich selber müßt' es verderben; wenn ich's nicht zu was Ordentlichem brächte, müßt' ich es selbst verschulden.

Devrients Schwägerin ist sehr krank; sie hat stellenweise die Vorstellung, sie sei wahnsinnig und werde in eine Anstalt gebracht werden. Devrient selbst hab' ich noch nicht gesprochen.

Wegen des Ausziehens ist noch nichts entschieden. Soviel für diesmal. Viele Grüße an Mama und Mariechen.

Mein schwarzseiden Halstuch schicke mir doch mit; eine neue Frühlingsweste könnt' ich auch brauchen; auch meine Oper. Sollt' ich mein Logis ändern, erhältst Du sogleich meine neue Adresse.

Wie bist Du nach Hause gekommen? Ich ganz glücklich; 9 Uhr war ich schon zu Haus gewesen und saß im Trompeterschlößchen.

Bleib gesund und gut

Deinem Otto.

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