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Köln, am Tage Johannes des Täufers 1808.
... Geliebtester, wie sehr sehne ich mich, von Dir zu hören! Ich weiß bestimmt, daß ich unter vierzehn Tagen keinen Brief von Dir zu erwarten haben kann, denn wahrscheinlich schreibst auch Du mir erst heute, da Du in den ersten Tagen Deines Aufenthaltes in Wien wohl keine Ruhe dafür gefunden haben wirst; und dennoch meine ich, ungeduldig werden zu müssen, wenn wieder der Briefträger vorbeigeht ...
Wir haben Goethes »Faust« hier, und ich habe ihn auch schon gelesen. Es sind viele neue Sachen darin, doch hängt es bei alledem nicht mehr zusammen als auch das erste, es sind nur noch mehrere Fragmente. Die Walpurgisnacht ist zwar ausgelassen genug, doch dünkt sie mich nicht so leicht phantastisch und so bedeutend genialisch wie die Szene mit den Katzen und der Hexe. Dag Bedeutende in der Walpurgisnacht ist störend, als ob es Persönlichkeit wäre; der Nicolai etc. ist auch wirklich dort mal-à-propos. Das Verhältnis des Menschen zum Bösen ist, meine ich, auch gar nicht klar und bestimmt genug dargestellt; denn mich dünkt, bei einer solchen besonnenen Überlegenheit des Menschen kann das Böse nicht siegen. Fausts Monolog über die ersten Worte des Evangeliums Johannis: »Im Anfang« etc. ist zwar recht schön, aber Calderon hat in seinem Monolog über denselben Gegenstand (die erste Szene in Los dos Amantes del cielo) viel mehr Tiefe und Reichtum. Ergreifenderes aber und so bis ins Tiefste erschütternd habe ich nie etwas gelesen als die letzte Szene von Gretchen im Gefängnis. In dieser Szene glaube ich ganz Calderons Geist wehen zu fühlen, aber doch ganz deutsch, so daß es jedes deutsche Gemüt erschüttern muß; sie ist romantisch-tragisch im allerhöchsten Sinn. Mit welchen Worten soll ich mir nur den Unterschied machen zwischen der Rührung in dieser Szene und jener in der »Genoveva«, wie sie sterben will im Walde, und die Engel Gottes treiben den Tod von ihr fort. Wie kann zwischen der Bitterkeit und der Süßigkeit eine solche Verwandtschaft der Gefühle stattfinden? Hier die leidende Unschuld, gegen die ganze Hölle kämpfend, gebunden unterliegend; dort die erhabene Schuldlosigkeit, den Schmerz besiegend, ruhig ergeben; und beide gerettet durch den Ruf von oben! Es wird mir aber doch klar bei diesem »Faust«, daß Goethe wohl nicht so glücklich ist, als man in den Werken seiner mittleren Zeit ihn wohl halten möchte. Es ist doch eine rechte Bitterkeit darin trotz der anscheinenden Lustigkeit; kommt er Dir nicht auch so vor? Indessen ist diese Stimmung gerade die rechte zur Darstellung der Hölle ...
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