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Frau Roland an Henri Bancal

[1793.]

Was ist aus Ihnen geworden, lieber Freund? Ich kann mir Ihr Schweigen nicht erklären. Es scheint mir gegen andere Pariser Freunde ebenso groß wie mir gegenüber zu sein. Ich bin darüber mehr beunruhigt und betrübt, als ich Ihnen sagen kann.

Die Wahlen müssen bei euch beendigt sein, aber selbst wenn sie es noch nicht wären, dürften Sie und nicht so lange ohne eine Nachricht belassen. Haben Sie schon vergessen, wie lieb uns eine solche ist? Dies kann ich nicht glauben, und ich kann von jetzt ab Ihr Schweigen mit nichts anderem als mit einer körperlichen und ohne Krankheit unerklärlichen Unmöglichkeit begründen.

Beeilen Sie sich, mich aus meiner Besorgnis zu befreien, die Sie sich zur Schuld anrechnen sollten, wenn Sie eine Nachlässigkeit trifft. Ich erwarte meinen Gatten für morgen, er mußte am 19. aus der Hauptstadt abreisen; er hat sie wohl zur allgemeinen Betrübnis der Patrioten verlassen. Lieber sie im Rücken, den Zeugen des unbeständigen Leichtsinns und der Abgötterei ihrer unbegreiflichen Einwohner, die der König mit seiner »Annahme« berauscht hat, so daß sie sich allen erdenklichen Gemeinheiten hingeben.

Mir fehlt die Zeit, Ihnen von Lyon zu erzählen, jenem Herd aristokratischer Gesinnung, dessen Niedrigkeit selbst in meinen Zufluchtsort mit seinen außerordentlichen Verleumdungen gedrungen ist. Ich fand hier eine Menge Leute, die unsere lange Abwesenheit auf eine Gefangensetzung meines Gatten als vermutlichen Gegenempörers zurückführt. Und so Sinnloses konnte bei Menschen Glauben finden, die unsere Vaterlandsliebe und unsere Hingebung an das allgemeine Wohl und an ihr Wohl im besonderen mit angesehen haben! Einige Übelgesinnte haben sich sogar bis zu schädlichen Plänen und drohenden Reden fortreißen lassen. Ich hörte hinter mir »die Aristokraten an die Laternen« singen. Verwundern Sie sich darnach über nichts mehr!

Allerdings haben diese grausamen Torheiten die größere Zahl nicht verführen können; ihre Spuren müssen sich bald verlieren; doch erhält man ein hoffnungsloses Bild von der Torheit des Volkes ... Ich war oder bin von wirtschaftlichen Sorgen so sehr eingenommen, daß ich keinen Augenblick für mich frei habe; ich fürchte, ich habe dabei selbst die Fähigkeit, zu schreiben, eingebüßt. Mein Papier habe ich versehentlich zerrissen.

Leben Sie wohl, geben Sie mir ein Lebenszeichen ... Sie wissen, daß Brissot ernannt wurde, was mich höchlich erfreut hat. Wenn er doch das Gute so durchführen könnte, wie er es anzustreben versteht!

*


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