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Berlin, den 4. September 1799.
Möchte die ewige Gerechtigkeit mir vergönnen, daß ich vernehmlich die Wahrheit sage, wie ich sie stark in meiner Seele fühle! Einmal habe ich dem, was ich für recht erkenne, das ungeheuerste Opfer gebracht, welches Menschen zu bringen fähig sind. Nur ich kann es beurteilen, und ich wünsche einen Gott an meiner Seite, der es auch kann: Menschen wissen voneinander nichts. Es ist mir nicht gelungen: dem Schicksal selbst schien es nicht zu gefallen, es nahm es nicht an; und ganz schleuderte es mich auf die Stelle zurück, wo ich Kraft in mir aufgeregt hatte, es bringen zu können. Nie tue ich dergleichen wieder: das gelobe ich Dir bei dem, was Dir das furchtbar Heiligste sein mag! so wie ich es mir gelobt habe. Nur einmal kann es den Göttern gefallen, wenn man sich vernichtet, aus Achtung für das Heiligste; zum zweitenmal kann es nie der Ruf von einem Gotte sein! zum zweitenmal tue ich es nie! – So wahr ich mir meine Existenz nicht ableugnen kann, so wahr ich es einmal getan habe! Ich werde nie wieder die erste sein, die sich von Dir trennt, und wenn Himmel und Hölle, die Welt und Du selbst mir gegenübersteht. Tätig werde ich nie mehr sein; leiden will ich alles. Dieser Brief ist das letzte Tätige, was je Deine Augen von mir sehen oder ein Sinn von Dir soll ergründen können. Es ist ein Vorschlag. Es spricht ihn die Vernunft, die Klugheit, die Tugend sogar. Mein Herz, mich selbst vernehme ich nicht dabei: dies schweigt, und ich kann ihm selbst nicht nachspüren, wenn ein höheres Interesse spricht. Ich beschwöre Dich beim Glück von Karolinen – Höheres kenne ich Dir nicht –, sei stark und wahr!
Du hast mir gesagt, Fräulein von Berg liebt Dich. Dazu muß sie Hoffnung haben. Sie ist jung, hübsch, liebenswürdig, reich; alles vereinigt sich für sie; ihr Glück wäre das Deinige, und das Glück, die Zufriedenheit beider Familien. Ich habe nichts dem entgegenzusetzen, was man nennen könnte; und ich schweige. Fühlst Du, weißt Du in irgendeiner Tiefe Deiner Seele den Wunsch, den Vorsatz, den Gedanken, Dich mit ihr vereinigen zu wollen, so kehre ihn heraus; und tue es gleich. Das bleibt Dir für mich zu tun übrig. Dazu fordere ich Dich zum letzten Male auf. In ein, in zwei, in drei Jahren wäre es niedrig und schlecht. Dann – hielt' ich mich für eine vom Schicksal Angespiene; und stehe nicht mehr für mich selbst –, was Menschen immer können sollten. Dann – bin ich keiner mehr. Untersuche Dich, habe Mut! Stehe nicht mit jedem Fuß auf einem anderen Ufer. Schreite über. Ich kann nicht mehr für Dich handeln. Einmal konnte ich es nur. Noch ist es Zeit. Du bleibst einen oder zwei Tage länger in Drehnow, alles arrangiert sich. Halte es für keine Drohung. Kenntest Du meine Seele! Den Kelch, den mir mein Gott reicht, ich will ihn leeren; selbst nur nehm' ich ihn nicht wieder. Ich habe tief in Deine Seele gesehen, und jedes Wort von Dir senkt sich tief in die meinige, jede leise Zuckung Deines Herzens weiß ich zu deuten. »Wer hätte das denken sollen!« sagtest Du die Nacht vom 1. September; Du dachtest an den Anfang unserer Bekanntschaft und fühlst Dich geschlossen durch sie: Du bist es nicht. Frei bist Du, wenn Du den Mut hast, es zu sein. – Ich habe beim ganzen Brief nicht geweint; keine Träne, kein Wort, keine Nachricht solltest Du von mir hören. Jetzt sprach ich zu Dir wie etwa eine Verwandte von ihrer lieben Angehörigen; ich will für mich sorgen. Es sprach Deine Freundin nicht. Ich will Dich ermahnen, mich nicht so unglücklich zu machen, als es Dir möglich ist. Nicht erst in zwei, drei, vier Jahren tue es. Sei stark! und erschrecke nicht; und verstehe jedes Wort. Mehr habe ich Dir nicht zu sagen! O! Verstehe es! Keinen zweiten Gedanken, keine zweite Alternative weiß ich in meiner Seele aufzubringen. Dies ist das letzte, und es ist nicht schlecht. Habe Mut! Ich empfehle mich Dir nicht! keinem Gott! Nichts. Kein Gebet ist in meiner Seele. Ein völliger Stillstand. –
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