Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Wieland an Sophie von Laroche

[1752.]

Ich bitte Sie, unschätzbare Freundin, sich nimmer über sich selbst und über Ihren Verstand zu beschweren. Weil Sie es zu oft und zu sehr tun, so könnte es scheinen, es geschähe nicht mit aller möglichen Lauterkeit; und ich möchte meine in allem so vollkommene Geliebte gern von allem Schatten einer vermeidlichen Unvollkommenheit frei wissen. Ich wiederhole meine Ihnen so oft wiederholte Versicherung. Sie haben eine so liebenswürdige Seele, daß ich keine denken kann, welche würdiger wäre, einen so annehmlichen und schönen Leib, als der Ihrige ist, zu beleben. Und die Übung wird Sie so verschönern, daß Ihnen alle Französinnen weichen werden. Wie freue ich mich schon im Geiste, daß das Bildnis meiner Geliebten einst das Porträt einer Chatelet, Bassi, Gottschedin usw. so sehr überstrahlen wird.

Sie machen mir unendlich viel Vergnügen, wenn Sie sich in der Dichtkunst immer mehr üben, wie auch in der deutschen Sprache, welche viel schöner als die französische ist. Die Fabel, welche Sie mir geschickt haben, ist ganz artig, außer daß die Wörter »verbande«, »fande«, »erführe« wider die deutsche Grammatik verstoßen. Es muß »verband«, »fand« heißen, das e ist unerlaubt. Doch dieses ist eine Kleinigkeit, die ich meiner liebenswürdigen Schwäbin gar gern vergebe. Ihre Prosa ist unvergleichlich, mein Engel, und ich bin gewiß, daß es Ihre Verse auch bald sein werden.

Sie verbinden mich unendlich, allerteuerste Seele, wenn Sie so fleißig, als Sie aus Liebe zu mir können, an Dero Lebensbeschreibung arbeiten und sie so genau und richtig machen, als ich mir von Dero vollkommen redlichem Herzen versprechen kann. Die schönen und geistreichen Betrachtungen und Anmerkungen, welche Sie so artig anzubringen wissen, werden diesem Aufsatz eine große Zierde geben. Eilen Sie ja damit, mein liebstes Herz, ich erwarte es wenigstens auf Michaelis, auf die Zeit, an die ich allemal mit einer Entzückung denke, die nur von der übertroffen werden wird, die ich vorfinden werde, wenn ich Sie wieder umarmen werde.

Den 4. und 5. Gesang vom »Messias« werde ich Ihnen selbst bringen. In diesem ist eine unendlich schöne Beschreibung einer Liebe, wie die unsrige ist, nur daß das Herz des Liebhabers in ein Licht gesetzt ist, welches das meinige sehr verdunkelt. Ich bin gewiß, daß der Herr Klopstock liebt, und ich glaube, daß seine Geliebte Ihnen sehr ähnlich, aber doch unvollkommener als Sie ist. So ist es bei uns vieren gerade umgekehrt. Ich weiche unstreitig dem Herrn Klopstock an vortrefflichen Eigenschaften, und seine Geliebte weicht Ihnen. Um sie, die Geliebte des Herrn Klopstock, vollkommener zu machen, gab ihr die Vorsehung einen Liebhaber, der sie übertrifft, und um mich glückselig zu machen, erlaubt mir der Himmel, meine Sophie zu lieben, welche mir in allen Stücken vorgeht. Ist das nicht artig eingeteilt?

Ich beschwöre Sie, mein Engel, der Satire nicht gute Nacht zu geben, sondern ihr nur nicht zu erlauben, sich an derjenigen, die ich anbete, zu üben, wie sie bisher, ohne auf mein Bitten Reflexion zu machen, getan hat. Ihre Satire scheint mir hierin den französischen Marquisen zu gleichen, von welchen Herr von Voltaire versichert, so schön sie auch sein mögen, und so künstlich sie auch aufgesetzt sind, doch beim ersten Antritt in ein Zimmer gleich vor den Spiegel laufen und sagen, sie sähen aus, daß man vor ihnen laufen möchte. Vergeben Sie mir diese etwas boshafte Vergleichung, aber haben Sie mir dieselbe nicht gleichsam abgenötigt? Soll ich leiden, daß man mit einer Seele, die ich so unendlich hochschätze, so übel umgehe? Wie weit meinen Sie denn, daß sich die christliche Liebe erstrecke?

Ich danke Ihnen nochmalen unendlich für Dero schönes Porträt, Dero unvergleichliches Schreiben und die sehr artige Fabel Sie gefällt mir immer besser, je öfter ich sie lese. Ich habe die kleinen Fehler der schwäbischen Mundart verbessert, und sie ist nunmehr ganz fehlerfrei. Sie hat alle guten Eigenschaften einer Fabel. Sie ist sinnreich, natürlich, edel ausgedrückt, und das Morale fließt sehr ungezwungen. Ich danke Ihnen nochmals für dieses artige Stück.. Ich küsse Ihnen die Hand mit der zärtlichsten Ehrerbietigkeit und Hochachtung und bitte Sie, mein Schreiben zu entschuldigen. Ich war zu vergnügt, als daß ich etwas Dero schöne Gedanken Würdiges hätte schreiben können. Hören Sie nicht auf, mich glücklich zu machen, als bis ich aufhöre, Sie zu lieben und anzubeten. Doch beides ist gleich unmöglich. Ich küsse Sie millionenmal und bin ewig der Ihrige ...

*


 << zurück weiter >>