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Braunschweig, Oktober 1800.
Ich habe den Himmel recht gebeten, mich zu erleuchten und mir gute Gedanken zu verleihn, ehe diese Post abginge, und er hat mich auch erhört. Wenn ich Dir wollte oder vielmehr vermöchte alles hinzuschreiben, was in mir vorgegangen ist, es würde so tief und so wehevoll werden wie Deine Blätter, aber ich muß mich schonen und gebe Dir nur den Frieden von Gott, in dem sich mein Herz aufgelöset hat, voll fester Hoffnung, daß ich ihn Dir auch mitteilen werde. Ich habe Dich innig lieb. – Wenn ich Dir auch könnte lange Vorstellungen erwidern über Deine Vorstellung und eine Menge begeisterte Vernunft gegen Deine irrigen Ansichten setzen, es wäre eine bloße Redeübung – genug, daß ich meinem Freunde verspreche, daß ich leben will, ja daß ich ihm drohe, ich werde leben, wenn er so zur unwahren Stunde den Tod sucht. Du liebst mich, und sollte die Heftigkeit des sich in Dir bewegenden Wehes Dich auch einmal mit Haß täuschen und mich damit zerreißen, Du liebst mich doch, denn ich bin es wert, und dieses ganze Universum ist ein Tand, oder wir haben uns innerlich für ewig erkannt.
Ich wiederhol' es noch einmal, warum kann ich dem Goethe nicht sagen, er soll Dich mit seinem hellen Auge unterstützen. Er wäre der einzige, der das nötige Gewicht über Dich hätte. Gib Dich wenigstens seiner Zuneigung und seinen Hoffnungen auf Dich ganz hin und denke, daß Du doch liebe Freunde hast – so gut wie das Jahrhundert sie vermag. Schreib mir, was Du eigentlich jetzt arbeitest, am Journal, das errat' ich wohl, weiß aber nicht, welches Thema. Friedrich seine Querspiele haben mich sehr amüsiert. Ich habe hier beiläufig von Wilhelm vernommen, er sehe seine Vorlesungen aus einem sehr sublimen Standpunkt an, nämlich er könne sich der Ironie nicht dabei enthalten, die Studenten wären gar zu dumm. Die Ironie ist doch zu allen Dingen nütze. Euer Konservatorium wird übrigens zu allerlei Parteiwut, Streichen, Nücken und Tücken Anlaß geben, deswegen hat es mir gleich nicht besonders gefallen. Gib Du dem Wickelmann immer nur ein humanes gutes Wort, damit er Deine Divinität wieder bekennt. Man muß nichts vernachlässigen im Spiel. Paulussens sind ein jüdisch und judassisches Volk, aber ihnen ganz aus dem Wege gehn solltest Du doch nicht. Über die Veit denkt Wilhelm nun nach und nach fast wie wir – ich habe ihm auch gesagt, daß sie so über das Innre unseres Hauses geschwatzt und gelogen hat, was er als einen sehr schlechten Dienst gegen sich selber erkannte.
Hast Du das neueste Stück der »Propyläen« schon gesehen?
Sei nur nie besorgt, was Deine Briefe betrifft; ich bekomme sie aus der Hand des Briefträgers immer zu eignen Händen, beantworte sie aber nur manchmal so überzwerch, wie Friedrichs Philosopheme sind. Ich muß doch auch probieren, ob ich nicht aus Tod/Schmerz X Wonne/Liebe Leben und Frieden herausbringen kann. Woher mir die Ursätze kommen, darum wirst Du mich wohl nicht so scharf befragen. Es ist doch arg, wenn man etwas gewiß hat und soll nun auch noch Rechenschaft geben, woher man es nimmt.
Goethe tritt Dir nun auch das Gedicht ab, er überliefert Dir seine Natur. Da er Dich nicht zum Erben einsetzen kann, macht er Dir eine Schenkung unter Lebenden. Er liebt Dich väterlich, ich liebe Dich mütterlich – was hast Du für wunderbare Eltern! Kränke uns nicht! Und hast Du wohl bei Deinen letzten Vorsätzen an Deinen guten Vater und die gute Mutter gedacht, die einfältiger, aber ebenso kraftvoll und liebreich Dir das erste Leben gaben? O welch ein schwarzer Nebel hatte das Haupt meines Freundes umzogen.
Ich wollte Dir selbst schon vorschlagen, ob ich Dir etwas für Dein geplagtes Schwesterchen schicken sollte. Nur daß ich gar nicht ausgehe, hat mich verhindert, es schon zu tun. Ich möchte wohl wissen, ob Du ihr lieber etwas zum Anzug oder zum Andenken gäbest, und ob sie Ohrringe trägt.
Es ist vielleicht ein seltsamer Kontrast, daß ich Dir so heiter schreibe nach einem solchen Brief. Aber ich habe viel gelebt in diesen wenigen Tagen, und das ist mein innerstes Wesen, daß ein Lächeln grenzen kann an die unsäglichste Not. Du hast mich wieder geweckt, und gewiß, wir quälen uns nun wohl recht mit Hin- und Herschreiben, und tausend Widersprüche fallen vor, aber am Ende werden wir doch uns etwas bilden, das alle löset. Verlaß mich nicht, ich liebe Dich, ich wollte, ich könnte Dir sagen, wie sehr ...
Braunschweig, März 1801.
Wenn ich nur zu Dir kommen könnte diesen Abend und liebreich mit Dir schwatzen. Die Sonne und der blaue Himmel lockten mich heute unwiderstehlich an und mahnten mich an meinen Freund; ich wünschte zuletzt nur, es möchte recht schlecht Wetter sein und bleiben bis zum wahren Frühling, dann ist doch alles rundherum zu, und man weiß, daß man nicht hinauskann. Ich bin vor dem Tore gewesen in einem protestantischen Jungfrauenkloster, wo Jerusalems Tochter Domina ist. Es ist da noch einige Freundlichkeit der Aussicht und vor allen Fenstern herrliche Pflanzungen, Reseda, Heliotropium, und was es Liebes in der Art gibt, dessen Gemüt in Duft besteht. – Süßer Freund, Dein Brief hat diese Nacht mit mir geruhet; ich bekam ihn gestern sehr spät; halb mit Schmerz habe ich alle seine Liebe in mich gesogen. Wenn Du es nun sehr gewaltsam nimmst, was ich Dir gestern geschickt habe – ach, wie wirst du mich noch bekümmern. Es ist doch gar nicht gewaltsam – im Anfang war ich erschüttert, aber alles hatte sich gelegt, und die Seele meiner Entschließung wurde von dem Anfang ganz unabhängig. Im Grunde haben wir uns oft gedacht, daß es so mit uns werden sollte, Du hast es mir auch geschrieben. Glaube nur, ich werde nie etwas eingehen, wo ich nicht ganz Deine Freundin bleiben kann.
Den Freund will ich nicht lassen,
Noch läßt er auch von mir.
Tausendmal hab' ich mir heut schon dieses einfältig liebe Lied vorgesagt. Freund ist ein allgemeines Wort gegen das, was ich meine, Liebling, Du, den ich wie ein teures Kind an mein Herz drücke und verehre als Mann. Du weißt, ich tue beides, muß ich gleich Dich zuweilen hart tadeln. Mein lieber Joseph, ob ich mich freuen werde, Dich wiederzusehen? Ja wahrlich mehr, wie ich Dir sagen kann, eilt meine Freude schon der Zeit voraus, die uns noch trennt, und ich überlasse mich ihr jetzt ohne Furcht; ich bin so sicher in mir selber geworden, weil ich weiß, was ich will.
Mit Wonne werd' ich Dich sehn,
O nimm mich auch so auf!
Gott führe Dir ein Herz zu, das Dir seine Treue reiner beweisen darf, aber ein treueres – nein, Du kannst es nicht finden, und darum leg' ich auch einigen Wert darauf, daß Du dieses aus dem Sturme dennoch davonbringst. Stoß es zurück im Augenblick des Unmuts – es hofft auf die Stunde der rückkehrenden Liebe und bleibt Dir. Sag', hab' ich Dich nicht immer geliebt, und wenn ich mich gegen Dich auflehnte, weil ich nicht anders konnte, dennoch geliebt? ...
Wenn nur die Sorge erst ein wenig gemildert wäre in mir, daß ich Dich störe in Deinen Gedanken und Worten durch das, was ich Dir geschrieben habe. – Erst mit Ungewißheit, nun vielleicht durch Gewißheit, – denn Du wirst sie Dir vielleicht schneidender denken, als sie ist, nämlich gewiß ist sie, aber was ist denn so sehr Bittres daran? Wir wollen uns bloß unabhängig wissen von uns selber und der Welt ...
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