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Ludwig Börne an Henriette Herz

Donnerstag, den 21. April (abend 8 Uhr).

... Daß ich glaube, der Herzin alle Falten meines Herzens aufgedeckt zu haben, das ist ein Selbstbetrug ohne Ende. Ich war doch zuweilen so von mir eingenommen, daß ich glaubte, ich wär' ein Feind der Schmeichelei. Das ist kein Mensch.

Ich sagte der Herzin, heute wäre ich fleißig gewesen, und ich war es nicht. Ich wollte nicht lügen, ich hatte nur nicht Geistesgegenwart genug, die Wahrheit zu sagen.

(¾ auf 10 Uhr.)

Das ist eine kalte, sehr unpoetische Nacht, und ach, ich Sentimentaler weiß gar nicht, was ich machen soll.

Wir sprachen gestern bei einer Gelegenheit, die Sie nicht werden vergessen haben, von sentimentalen Seelen. Wahre, echte Sentimentalität gleichet dem reinen kräftigen Kornbranntwein, der, mäßig genossen, den Gesunden stärkt und erwärmet. Aber die herrschende Sentimentalität unsrer nervenschwachen Jünglinge und schwindsüchtigen Mädchen macht schläfrig und erhitzt, wie unsre überzuckerte Modeliqueurs nur erschlaffend sind.

Wenn Sie nicht wären, meine liebe, liebe Mutter, daß mir dieses Leben auch dann immer noch würde lieb sein, das ist menschlich, und ich gestehe es wohl; doch lächeln mußte ich dann, daß mir so viel gelegen sein könnte an einem elenden Kinderspiel, wie es wäre.

Louis.

*


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