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Frankfurt, September 1773.
Wenn einen seligen Biedermann,
Pastorn oder Ratsherrn lobesan,
Die Wittib läßt in Kupfer stechen
Und drunter ein Verslein radebrechen,
Da heißt's:
Seht hier von Kopf und Ohren,
Den Herrn ehrwürdig, wohlgeboren,
Seht seine Mienen und seine Stirn!
Aber sein verständig Gehirn,
So manch Verdienst ums gemeine Wesen
Könnt ihr ihm nicht an der Nase lesen!
So, liebe Lotte, heißt's auch hier.
Ich schicke da mein Bildnis Dir!
Magst wohl die lange Nase sehn,
Der Augen Blick, der Locken Wehn,
's ist ohngefähr das
garst'ge Gsicht,
Aber meine Liebe siehst Du nicht!
Frankfurt, den 26. bis 31. August 1774.
Wer geht den Augenblick aus meiner Stube? Lotte, liebe Lotte, das rätst Du nicht. Rätst eher von berühmten und unberühmten Leuten eine Reihe als die Frau Katrin Lisbet, meine alte Wetzlarer Strumpfwaschern, die Schwäzzern, die Du kennst, die Dich liebhat wie alle, die um Dich waren Dein Leben lang, sich nicht mehr in Wetzlar halten kann, der meine Mutter einen Dienst zu schaffen hofft. Ich hab' sie mit heraufgenommen in meine Stube, sie sah Deine Silhouette und rief: »Ach, das herzelieb Lottchen!« In all ihrer Zahnlosigkeit voll wahren Ausdrucks. Mir hat sie zum Willkomm in voller Freude Rock und Hand geküßt und mir erzählt von Dir, wie Du so garstig warst, und ein gut Kind hernach und nicht verschwätzt hättest, wie sie um Dich hätte Schläge gekriegt, da sie Dich zum Leutnant Meyer führte, der in Deine Mutter verliebt war, und Dich sehn und Dir was schenken wollte, das sie aber nicht litt pp. alles, alles. Du kannst denken, wie wert mir die Frau war, und daß ich für sie sorgen will. Wenn Beine der Heiligen und leblose Lappen, die der Heiligen Leib berührten, Anbetung und Bewahrung und Sorge verdienen, warum nicht das Menschengeschöpf, das Dich berührte, Dich als Kind aufm Arm trug, Dich an der Hand führte, das Geschöpf, das Du vielleicht um manches gebeten hast? Du, Lotte, gebeten! Und das Geschöpf sollte von mir bitten. Engel vom Himmel! Liebe Lotte, noch eins. Das machte mich lachen. Wie Du sie oft geärgert hast mit denen schlocker Händchen, die Du so machst, auch wohl noch; sie machte sie mir vor, und mir war's, als wenn Dein Geist umschwebte. Und von Karlinen, Lehnchen, allen, und was ich nicht gesehn und gesehn habe, und am endlichen Ende war doch Lotte und Lotte und Lotte und Lotte, und Lotte und ohne Lotte nichts und Mangel und Trauer und der Tod. Adieu, Lotte, kein Wort heut mehr. 26. August.
Ich habe gestern, den 26., einen Brief an Dich angefangen; hier sitz' ich nun in Langen zwischen Frankfurt und Darmstadt, erwarte Merken, den ich hierher beschieden habe, und mir ist im Sinn, an Dich zu schreiben. Heut vor zwei Jahren saß ich bei Dir fast den ganzen Tag; da wurden Bohnen geschnitten bis um Mitternacht, und der 28. feierlich mit Tee und freundlichen Gesichtern begonnen. O Lotte, und Du versicherst mich mit all der Offenheit und Leichtigkeit der Seele, die mir so wert immer war an Dir, daß Ihr mich noch liebt, denn sieh, es wäre gar traurig, wenn auch über uns der Zeiten Lauf das Übergewicht nehmen sollte. Ich werde Dir ehestens ein Gebetbuch, Schatzkästchen, oder wie Du's nennen magst, schicken, um Dich morgens und abends zu stärken in guten Erinnerungen der Freundschaft und Liebe ...
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