Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Justinus Kerner an Friederike Ehmann

[Tübingen, 1807,] Dienstag nachts 11 Uhr.

Schön ist's, wenn zwei Sterne beieinander stehen, ach, man sieht sie so gerne an, sie geben auch viel helleren Schein. Schön ist's, wenn zwei Blumen beieinander stehen, man freut sich ihrer, sie geben auch viel süßeren Duft. Doch, wenn zwei, die sich lieben, beieinander stehen, wie schön ist das! Sie leuchten heller als zwei Sterne, sie duften süßer als zwei Blumen. Daß ich Dich wieder sah, du teueres Mädchen! Deine Liebe macht mich so glücklich. Doch ach, was fühlt dieses Herz? ist es Leiden, ist es Liebe? Ob Liebe Leiden sei, ob Leiden Liebe sei, weiß ich zu sagen nicht, aber ich klage nicht, lieblich das Leiden ist, wenn Leiden Liebe ist. Der Duft ist die Liebe der Blume, die Liebe ist der Duft des Mädchens! Eine Blume ohne Duft, so schön sie auch sein mag, steckt man nicht gern an das Herz. Ein Mädchen ohne Liebe, so schön es auch sein mag, ist ein totes Spielwerk. Duft gibt der Blume Leben und Sprache, Liebe Leben und Sprache dem Auge des Mädchens. Der Jüngling verhält sich zum Mädchen wie der Stern zur Blume, rastlos schweift der Stern durch Wolken und Stürme. Die Blume duftet still auf häuslicher Flur, an die Mutter, die Erde, gebunden; der Stern, von düsteren Wolken umzogen, verliert seinen hellen Glanz. Die Blume duftet auch unter Stürmen ruhig fort. – Liebe, unser Tagwerk ist vollbracht, laß uns jetzt recht ruhig aneinander denken. Wie fern ist der Stern von der Blume, und doch wird sie von ihm erhellt. Wie fern ist die Blume vom Stern, und doch duftet sie zu ihm empor. Wie fern bist Du von mir, und doch fühl' ich Deine Liebe, ach so innig, als wenn ich Dich an mein Herz gepreßt hätte. Wie fern bin ich von Dir, und doch fühlst Du, ich weiß es, meinen Strahl in Deinem Herzen.

Das schwarze Band von Dir trage ich fest auf dem Herzen.

Schwarzes Band, o du mein Leben!
Ruh' auf meinem Herzen warm;
Liebe hat dich mir gegeben,
Ohne dich, wie wär' ich arm!

Fragt man mich, warum ich trage
Dieses schwarze, schlechte Band,
Kann ich's nicht vor Weinen sagen,
Denn es kommt von Liebeshand.

So ich sollte ruhig schlafen
In dem Bettlein, kann's nicht sein;
Habe stets mit dir zu schaffen,
Schwarzes Band! du liebe Pein!

So ich sollte zu mir nehmen
Etwas Speise oder Trank,
Kann ich nicht vor lauter Grämen
Sagen Dank: denn ich bin krank.

Krank sein, es nicht dürfen klagen,
Ist wohl eine schwere Pein;
Lieben, es nicht dürfen sagen,
Muß ein hartes Lieben sein!

*


 << zurück weiter >>