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Für ihre Versammlung hatten die deutschen Kurfürsten eine kleinere Kirche gewählt, aber die Besucher kamen in größerer Zahl herbei als gedacht, sodaß der Raum bald überfüllt war – Bänke, Stühle, Schemel aus andern Kirchen wurden in Eile herbeigeschafft.
Die Fülle der Zuhörer gab ein Bild farbiger Pracht, heutigen Menschen kaum vorstellbar. Aber nicht nur die Farbe der Kleider, auch ihre Stoffe, ihr Zuschnitt, die Kunst der Erfindung, die sich in keinem Stück wiederholte, und schließlich die gemessene Haltung und Bewegung eines jeden, die sich in einer unerklärlichen Verbindung von den Kleidern ihren Trägern mitteilte: das alles wirkte, vom Licht aus den hohen Fenstern und den Schatten der Säulen wechselnd getroffen, zu diesem festlichen Bilde mit.
In der langen ersten Reihe saßen die höchsten Geistlichen aller Nationen, denn diese deutsche Frage ging die ganze Christenheit an, die sieben Kurfürsten ebenso wie Albertus in seiner Würde als Bischof hatten ihre Stühle hier. In der Mitte der Reihe war ein Hochsitz für den Papst und Stühle zu beiden Seiten davon noch frei.
Das Geschwirr der Stimmen betäubte die Ohren, trotz der gemessenen Haltung jedes einzelnen. Endlich kam Papst Gregor mit einer Schar von Begleitern, denen in der ersten und den nächsten Reihen von Ordnern Plätze angewiesen wurden.
Eine Stille entstand, sie wirkte nach dem anfänglichen Lärm wie eine plötzlich aufgerissene Himmelsöffnung in dichter Wolkendecke, worin der Glanz Deutschlands neugeboren aufscheinen oder aus der er zerrissen für ein Jahrhundert herniederstürzen konnte, je nach der Schicksalsgewalt, die sich in dieser Stunde enthüllen mußte, vielleicht lenkbar durch das Wort eines armen Mönches – war Gott bei ihm, so war er mächtig.
Die sieben Kurfürsten, nach ihrem Rang, gingen vor den Papst hin, sowie er Platz genommen hatte, sie begrüßten ihn ehrfürchtig, auch Albert tat so. Der Papst gab jedem die Hand zum Kuß hin, sein Gesicht war klug und voll entschlossener Kraft, auch lebendig erregt von der Erwartung des Kommenden, die Einladung zu diesem Konzil im Konzil hatte ihn überrascht.
Nur Engelbert, der Erzbischof und Kurfürst von Köln, Kanzler des Reichs, ging nicht zu seinem Platz zurück, er blieb stehen, wandte das Gesicht dem Papst und der Versammlung zu und sprach:
Heiliger Vater, wir danken dir, daß du auf unsere, der sieben deutschen Kurfürsten Bitte hierher gekommen bist, um zu hören, was wir dir zu sagen wünschen. Wir haben dich nicht ohne Grund aus der Überfülle deiner Arbeit auf diesem wichtigen Konzil für eine Stunde herausgeholt. Denn auch unsere Sache ist wichtig, wie denn die Völker des Abendlandes für Deutschland, aber Deutschland auch für die Völker des Abendlandes wichtig ist. Fürchte keine Klage, ich habe Erfreuliches zu künden. Wir Deutschen, nach dem Dahinschwinden des allzu traumverlorenen Hohenstaufengeschlechtes, konnten noch zu keiner Einigung über den neu zu wählenden Herrn und Kaiser zurückfinden, nicht einmal wir sieben Kurfürsten, denen die Nennung zuerst obliegt. Nicht daß wir um einen neuen Herrn verlegen gewesen wären, im Gegenteil, wir hatten deren drei zur Verfügung, aber über den einen, der es zuletzt doch nur sein konnte, stritten wir und die drei unter einander, nicht nur mit Worten, du weißt es, Not und Blut gab es, Jahrzehnt um Jahrzehnt, mehr als du weißt. Mit Recht wartest du schon lange ungeduldig auf unsere endliche Einigung, und wir müssen es hinnehmen, daß du auch jetzt, nachdem wir Sieben zu dieser Einigung gekommen sind, unserer Entscheidung mißtraust, wie uns ja zu Gehör gekommen ist. Du hast recht dich vorzusehen, denn es ist dein Amt, dem von uns bezeichneten König die Kaiserkrone vorm Altar aufzusetzen und ihn dadurch zum weltlichen Schutzherrn der Kirche zu machen. Um die Redlichkeit und vernünftige Überlegung unserer Wahl dir nachzuweisen, haben wir einen beredteren Mann, als wir selber sind, gebeten hier zu dir zu sprechen, verzeih uns die kleine List. Er ist einundachtzigjährig zu Pferde weither gekommen, Bruder Albertus von Köln, den dein Vorgänger zum Bischof gemacht hat. Er hat damals deinem Vorgänger geholfen, wie er heute hier uns hilft und überall hilft, wo Gutes zu wirken ist, ein Ratgeber uns allen. Und allen, die uns durch ihre Gegenwart zu Dankbarkeit stimmen, nenne ich jetzt laut den Mann, den wir, wie das Gerücht euch wohl schon gesagt hat, gewählt haben, die Kaiserkrone zu tragen: König Rudolf von Habsburg.
Nach einer fast beunruhigend langen Pause stand Albert auf und trat vor den Papst und die Versammlung hin. Es war ein Anblick von bewegendem und dramatischem Gegensatz: dort die tausend Männer, die ihre hohe Stellung durch festliches Gewand ehrten, ein Stück Himmelsglanz auf die Erde zwingend, und hier vor ihrer Spannung und geübtem Urteil dieser eine verwitterte Greis im Gewand des Bettelmönchs, der allen irdischen Besitz von sich getan hatte und seit vierzig Jahren zu Fuß unter allen Jahreszeiten durch das volle Leben gewandert war, ein Sinnbild selbstlos tätiger Liebe, der aber zugleich durch sein Wissen, seine Kühnheit, Innerlichkeit, Überzeugungskraft die Stellung des Christentums in allen Ländern mit befestigt und erhöht hatte.
Albert, dem das weiße Haar dicht und wellig unter der hohen schwarzen Mütze hervordrängte, spürte das erregte Gefühl, das sein Bild in jedem Zuschauer hervorrief. Er vermochte in die Dichte der Erwartung, die den Raum erfüllte, nicht sogleich mit seiner Stimme einzudringen. Er begann leise, anfangs für die ferner Sitzenden kaum vernehmbar.
Heiliger Vater! Es ist so, wie du eben gehört hast. Wie ich im Sinn meines Ordens auch den Ärmsten helfe, wenn ich kann, wie ich einst meinem Orden ungehorsam wurde, um auf Wunsch deines Vorgängers der Kirche als Bischof in Regensburg zu dienen, so stehe ich auch heute hier, zu helfen gerufen, nicht den sieben Kurfürsten allein, nicht nur dem neuen König Rudolf, sondern in ihnen einem ganzen Volk, das nicht schlechter ist als andere Völker, nur schicksalsbeladener, denn Gott hat es ihm schwerer gemacht, seinen Weg zu finden, wir wissen den Sinn nicht warum, aber wir lieben es wie den einzelnen suchenden und sich immer wieder zum Hohen aufraffenden Menschen dafür umso mehr.
Es wäre zu wenig geholfen, wenn ich hier nur mein Fürwort einlegen wollte auf Grund meiner Kenntnis des gewählten Mannes. Ich muß mehr tun, ich muß einen Kampf aufnehmen, niemand einzelner ist mein Gegner, am wenigsten du, heiliger Vater, wenn du auch dem Wunsch der Kurfürsten nicht günstig gesinnt bist, wie man mir sagt. Meine Gegner sind auch nicht eine Anzahl von Männern, dieser oder jener, ich bekehre die doch nicht, die nicht bekehrt sein wollen. Sondern mein Gegner ist etwas, das kaum faßbar ist, das aber in seiner Ungestalt ich dennoch, zu greifen versuchen will: der böse Geist des Mißtrauens.
Er hat auch in dir Wohnung zu nehmen verstanden, laß es mich offen sagen, heiliger Vater. Du bist mißtrauisch gegen die Kurfürsten, erst einmal in dem Sinn, sie könnten sich in ihrer Wahl irren und bald wieder so uneins sein wie vorher. Da der von ihnen bezeichnete Mann keine Macht hinter sich hat noch sonst einen Einfluß, keine Erfahrung, keine Erprobung, so zweifelst du natürlich: wie könnte er, wenn die Sieben wieder in Zwist geraten, ihnen und neuem Unglück Einhalt gebieten?
Über diesen Zweifel wäre es leicht, dich zu beruhigen, aber das Nest deines Mißtrauens sitzt tiefer. Dein Mißtrauen ist ein ganz anderes, viel schlimmeres, es ist von andern in dich gesät als ein Unkraut, das aus unheimlicher eigener Kraft in dir wuchert und gegen dessen fressende Gier selbst du dich nicht einmal wehren kannst: Man hat dir gesagt und sagt es dir wahrscheinlich heute noch: die sieben Kurfürsten hätten sich auf diesen einen Mann geeinigt, gerade darum weil er ohne Macht ist, sie wollten keinen starken Herrn über sich, der, hätte er einmal die Kaiserweihe, sich unerwartet gegen die Sieben selbst wenden könnte, sie wollten nur einen unmächtigen Mann, der sie in ihrem Tun, gehe es um was immer, nicht hindern kann und gewähren lassen muß. Das könnte glaublich scheinen, ja es könnte wirklich so gedacht sein unter anderen Umständen – aber, heiliger Vater, nicht nach dieser langen Notzeit, die ja auch die Landgebiete der Sieben nicht zur Blüte, geschweige zur Reife kommen läßt, sondern wie ein schäumendes Meer an ihren eigenen Ufern frißt. Jede ruhige Überlegung muß dir sagen, daß heute niemand sehnlicher als gerade diese Sieben ein Ende dieser Not wünschen muß, ihre Furchtbarkeit und Verderbnis nicht nur für Land und Gut, sondern auch für die Seelen könnte ich dir gar nicht schildern.
Darum haben die Sieben ausgeschaut, darum hat ihre Wahl so lange gedauert, darum haben sie sich endlich auf den geeint, der ihnen der Kräftigste scheint eine Wende zu schaffen, nicht durch Reichtum, nicht durch Sippe und Anhang, sondern durch freudigen Mut und raschen Zugriff. Gib jede andere Annahme auf, heiliger Vater, glaube nur diese letzte, es ist so, es ist die Wahrheit und sie kann nicht anders sein als so – du hast es schon eingesehen, ich würde dich kränken, spräche ich noch ein Wort weiter darüber.
Aber nun hast du noch jenes erste, zunächst liegende Mißtrauen in dir, das du mit noch viel mehr Leuten teilst und das gerade in diesem Augenblick wächst, die Frage: ob die Wahl der Kurfürsten, wenn schon redlich, auch richtig sei, ob sie sich in dem von ihnen bezeichneten Manne nicht irren? Immerhin sind es sieben kluge, von dir selbst in ihr hohes Amt bestellte Männer, die sich hier nach langem Widerspruch in einer Meinung treffen, das will doch wohl etwas bedeuten. Und es will etwas bedeuten, daß ich selbst dieser Meinung nicht nur beitrete, sondern sie wahrscheinlich noch übertreffe – weil ich diesen Mann seit langen Jahren kenne, er wurde mein Freund vom ersten Blick, vom ersten Wort an. Ich habe damals nicht nach seinem Reichtum, nicht nach seiner äußeren Macht gefragt, es war dazu kein Anlaß. Umso besser habe ich den absichtslos gezeigten Wert erkannt, den dieser Mann in sich selbst trägt, ja, ich staunte darüber und verehrte ihn: Trauer um unser Volk und umso größere Liebe, da es im Unglück ist, Bereitschaft zur Hingabe an das Ganze, vollkommene Aufrichtigkeit, wohl weniger äußere Frömmigkeit, ich will es offen sagen, aber dafür – wie es Gott und auch dir, heiliger Vater, lieber ist – Zuverlässigkeit, Treue, Opferwille für die Mitmenschen, Tatlust, Mut, Entschlossenheit, Ausdauer, Härte, wo sie angebracht ist, gesunden Leibes, wie es notwendig ist zu hohem Amt, und das Höchste von allem: unablenkbaren, unzerbrechlichen Sinnes für das Recht, der vielleicht Unrecht ertragen, aber nicht tun kann.
So lernte ich den Mann in vielen, freilich weniger bedeutenden Dingen kennen, aber alles Große fängt klein an und immer war der Wunsch nach höherem Wirken in diesem Mann bei aller Schlichtheit unablässig tätig – und Leidenschaft des Wunsches ist ja schon Bestimmung, Vorgefühl künftigen Auftrages von Gott!
Hier, da er die Sprache auf Gott brachte, tat sich in Alberts Herzen jene Tür auf, die zur tiefsten Kammer führte, die nur Gottes Einwilligung in ihm selbst öffnen konnte und aus der die Gefühle, Gedanken, Worte heraufstiegen, die nötig waren in schweren Kampfstunden. Er spürte, daß der Widerstand des Papstes und der meisten Zuhörer noch nicht durchbrochen war, aber auch daß nun Gott auf ihn merkte und ihm nicht entgegen war, auf die letzte Gnade zwar mußte er noch warten.
Jetzt fliegt Alberts Stimme hell und klar durch den Raum:
Nicht unbeachtet von dir, heiliger Vater, war dieser Mann. Du hast seit langem von ihm gehört und warst anfangs sogar bereit, ihm gerade seiner Schlichtheit wegen deine Neigung zu schenken, fern noch war das Mißtrauen, aber da kamen die Widersacher, die einen ehrlich aus gutem Glauben, das beste zu wollen, sie brachten dich zu Überlegung. Solche Feinde sind im Grunde Freunde, wertvoll und zuverlässig wie diese, ja zuverlässiger, sie arbeiten mitfördernd, wie an einer gemeinsamen Sache, auch wenn sie gegen uns sind. Andere Widersacher, ich will auch ihren guten Glauben annehmen, halten in Staatsfragen alle Waffen für angebracht und setzen ihren Stolz daran, auch solche niederer Art ohne Scheu anzuwenden: Verleumdungen, phantastisch aufgebauscht auf Grund geringer Ereignisse, aber auch eben so oft erfunden, die, von vielen ausgesprochen, bald von Unwissenden wiederholt werden und so an Kraft zunehmen. So wurde hier aus einem weinfrohen Mann ein Trunkenbold gemacht, ein Raufbold, Gewalttäter, Spieler, Schuldenmacher. Gott hat die Welt so gemacht, wohl damit wir kämpfen und ausharren lernen. Dieser Mann spürt verwundert die Wortpfeile in Schild und Rüstung schlagen, manchmal taumelt er unter dem Anprall, doch er sieht die Feinde nicht. Er will umsonst die Pfeile von Schild und Rüstung abschütteln, sie haften und Schild und Rüstung werden schwer, die Zahl der unsichtbaren Feinde wächst, manchmal will er müde werden. Aber zur rechten Zeit sind auch im Leben immer Freunde da, ja, es genügt einer.
Nun muß ich von mir selber sprechen, da du, heiliger Vater, vielleicht auch mir in irgendeiner Hinsicht mißtraust. Ich muß mich loben: wohl habe ich mich während eines langen Lebens in manchen Menschen getäuscht. Aber es gibt eine Art Menschen, die eine Vorstrahlung der Zukunft um sich haben, die mir gegeben ist zu erkennen: in einem solchen habe ich mich noch nie geirrt, ich erinnere dich an Thomas von Aquino.
Aber ich muß dir auch zeigen, wieviel mir aus einem mich allein betreffenden, aber darum doch tief wirkenden Grunde daran liegen muß, wer der ist, den du zum Kaiser weihst. Das schwäbische Geschlecht der Hohenstaufen, unter dem das deutsche Land und damit manch anderes Volk geblüht hat; es hat für mich eine besondere Bedeutung, mein Vater war Lehnsherr auf einer ihrer Burgen, meine Jugend war umglänzt vom Stolz auf diese enge Verbundenheit. Als dieses hohe Geschlecht nach allzu viel Traum und Fernschweifung versank, traf mich der Schmerz darum noch besonders. Ermiß an diesem Geständnis, mit welch prüfenden Augen ich den ansehen muß, der nun unser Volk leiten soll, damit sich der gleiche Traumglanz und damit das gleiche Unheil für alle nicht wiederholt. Festen Willen, festes Auge, festen Fuß auf der wirklichen Erde: nichts muß ich meinem Volk inbrünstiger wünschen.
Und gerade das hat dieser Mann. Unseres Volkes Neuwerdung muß beginnen mit innerer Einkehr – und gerade das hat dieser Mann erkannt. Er hat auch erkannt, daß Deutschland sich selber aus innerer Kraft hochziehen muß – so wie der einzelne Mensch, der auf den Weg zu Gott will. Er will keinen Krieg, er will nicht erobern, er will nur mit starker Faust Ordnung schaffen im eigenen Land. Er hat keinen Ehrgeiz nach äußerer Macht und Glanz. Er ist demütig vor Gott. Dafür verbürge ich mich mit meinem Wort.
Nun bete ich zu dem Vater unser aller, daß er bei mir sei mit seiner Gnade. Gott, du hast Auge und Ohr auf so viele Stellen dieser Erde zu richten, vernimm in dieser Stunde dennoch meine Stimme einmal vor andern, denn sie ruft dich an aus einer übermächtigen Not und darum übermächtigen Liebe.
Und du nun, heiliger Vater aus Rom, denke daran, wie mir dein Vorgänger vertraute, da er mich zu einer ungewöhnlichen Aufgabe als Bischof nach Regensburg schickte: ich habe ihn nicht enttäuscht. Vertraue auch du mir, ich werde auch dich nicht enttäuschen. Vertraue den Kurfürsten, vertraue Rudolf, vertraue auch dem in Not großen Volk der Deutschen. Was du ihm tust, tust du der Menschheit. Verwelkt es, so werden alle Völker des Abendlandes mit krank: bedenke das. Vertraue dir selbst, heiliger Vater! Mißtrauen tötet, Vertrauen belebt. Ich packe dein Herz in der Brust mit beiden Händen: Papst Gregor, vertraue!
Albert stand da, entfernt, streckte die Hände aber zu Gregor hin.
Gregor saß noch unbewegt, seine Augen hingen an Alberts Gesicht, konnten nicht loskommen. Er vergaß darüber die Wirklichkeit, bis ihm blitzhaft die Erinnerung zurückkehrte. Er stand auf, ging mit raschem Schritt zu Albert hin, der ihm entgegen kam.
Gregor ergriff seine Hände: Sei bedankt Bischof Albertus!
Heiliger Vater, es ist an mir zu danken.
Wofür?
Für deine Zustimmung.
Ich habe noch nicht zugestimmt.
Doch, Gott sagt es mir.
Gregor tat einen tiefen Atemzug, lang stand er, die Augen geschlossen, es war nicht zu erkennen, ob er Albert oder ob dieser ihn bei den Händen festhielt, er sprach wohl mit Gott. Auffordernd sah er über seine Begleiter hin, erkannte das Einverständnis in ihren Gesichtern, freudigen Auges sagte er endlich: Ja, Bischof Albertus, obwohl ich, wie du annahmst, wirklich in anderer Meinung hergekommen bin, kann ich nicht anders als dir zustimmen. Dennoch möchte ich deinen Freund Rudolf erst sehen, ist er unter uns?
Geschwind rief Erzbischof Engelbert in die Reihen: König Rudolf, bist du unter uns? Dann komm her zum heiligen Vater, vernimm mit uns seine Entscheidung!
Unter vollkommener Stille stand in der Mitte der Kirche ein Mann auf, groß, breit, blonden Haares, im Kettenhemd, den Helm trug er auf dem Arm. Die Zuhörer, die dicht gedrängt den Gang füllten, machten ihm Platz, indem sie ihm neugierig und bewegt ins Gesicht starrten, er ging ohne Schüchternheit, verhaltenen Schritts an den Stuhlreihen vorbei, die Augen der ganzen Versammlung auf sich fühlend, nach vorn, wo Engelbert den Meister Albert zu seinem Stuhl zurückführte und der Papst auf seinem Sessel wieder Platz nahm.
Rudolf beugte das Haupt vor dem Papst, küßte die dargebotene Hand lange, denn dieser Kuß bedeutete den Dank und das Gelöbnis für ein ganzes, nun vor ihm geöffnetes Leben, beides zugleich für ein ganzes Volk.
Gregor, in väterlicher Güte und fast schalkhaft, hob ihm mit der Hand das Kinn und betrachtete dieses helle Gesicht: seine Entscheidung war getroffen, er stand auf. Rudolfs Hand in seiner, wandte er sich mit ihm um und zeigte ihn der Versammlung.
Erzbischof Engelbert, in der erregten Freude, daß er, der den ersten Ruf in den Raum getan, nun auch den letzten tun konnte, der Sieg hieß, rief: König Rudolf ist vom Heiligen Vater gewählt!
Rudolf selbst rief laut und klar über die Versammlung hin: An dieser Stelle, in dieser Stunde verzeihe ich allen, die mir Schaden getan. Es sollen frei sein alle, die mit den Waffen in der Hand meine Gefangenen wurden. Wer aber ferner Gewalt und Raub am eigenen Volk übt, den trifft mein Schwert. In alle Zukunft werde ich ein Freund des Friedens unter den Völkern bleiben. Das sage ich aus meinem innersten Sein und Wesen!
Beifallsrufe unzähliger Bekehrter, Überzeugter, Befreiter, Erlöster erfüllten das Gewölbe, Rudolf ließ auf dem eckigen reinen Gesicht seine Ergriffenheit erkennen. Der Papst legte ihm segnend beide Hände aufs Haar.
In der Nacht vor dem Zelt unter dem Sternenhimmel mußte Ägid Gottfried wecken: drinnen stöhnte Albertus, war er krank? Gottfried eilte ins Zelt, Alberts Gesicht war naß vor Schweiß, sein Atem rasselte. Ägid hatte ihn immer nur gesund gesehen, er hätte allein nicht zu helfen gewußt. Gottfried, an solche Erscheinungen gewöhnt, vermochte einige Genugtuung nicht zu unterdrücken, daß er nun einmal zeigen konnte, wie nötig er dem ehrwürdigen Alten war und wie wenig Ägid dann nutzte.
Fieber, es will nicht viel bedeuten, sagte er, das hat unser Meister nach jeder größeren Anstrengung seelischer Art. Nur muß er einen Tag ausruhen, wir können morgen früh nicht gleich auf die Reise gehen. Wie ein wirklicher Arzt traf er diese Anordnung, zum ersten Mal spürte auch Ägid Unterlegenheit und damit eine Regung der Eifersucht, wie er sie bisher lustig dem Jüngeren bereitet hatte. Gottfried wusch den Meister behutsam am ganzen Leibe mit warmem Kamillenwasser ab.
Am Morgen wachte Albert ohne Erinnerung an die Nacht auf, er fühlte sich frisch und kräftig, weckte seine jungen Brüder und saß nach kurzem Frühstück mit ihnen zu Pferde. Er vermochte im äußeren Leben nur noch die Entscheidungsstunden mitzumachen, die Zeiten dazwischen mußte er in sich und seine Arbeit versunken bleiben, um seine Kraft zu bewahren.
Doch erreichte ihn schon bald ein glänzender Reiterzug, in seiner Mitte König Rudolf, den goldenen Reif der Kaiserkrone gleichsam schon unsichtbar um den bloßen besonnten Scheitel.
Wären wir eine Stunde später aufgebrochen! Hätten das unsere Zeltnachbarn gesehen! dachte Gottfried.
Den ganzen Vormittag ritten die beiden Freunde neben einander her, viele Fragen über Land, Städte, Menschen mußte Albert beantworten.
An einem Kreuzweg schieden sie, die Holzfigur Marias mit dem Kinde auf dem Knie, bunt über der Tür einer Kapelle, sah dem Abschied zu. Im Sonnendunst trabend und klirrend verschwand der Reiterzug nach Süden, die kleine Schar Alberts ritt langsam dem Rhein zu, Ägid und die beiden Roßknechte wechselten ab in frohem Gesang.
Als um die Mitte des letzten Reisetages in der Ferne die Türme der Stadt Köln sichtbar wurden, auch der Unterbau des gewaltigen neuen Domes wuchs über den Dächern schon auf, und als die Pferde den Stall witternd wieherten und einen schnelleren Schritt annahmen, sagte Albertus zur Verwunderung seiner Gefährten mit Tränen, glücklichen, in den Augen: O Vater im Himmel, nun gib deinem Sohn Albertus endlich Feierabend!