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Albert war längst im Konvent von Straßburg.
Eine Nachricht voll Aufregung kam: der Hochmeister des Ordens, Jordan von Sachsen, war gestorben, unerwartet früh, nicht an einer Krankheit, sondern kühn und ungewöhnlich, wie er gelebt hatte: trotz Sturm von Akkon in Syrien aufs Meer hinausgesegelt, zerbrach sein Schiff an einem Fels und mit vielen Fahrgästen versank auch Jordan, während er einen andern mit seinen mächtigen Armen über Wasser halten wollte, in den Wellen.
Die Nachricht von diesem Tod brachte den gesamten Orden in Bewegung, denn hinter der Trauer erhob sich sofort die Frage: wer wird Nachfolger werden, wer kann die Urkraft dieses Mannes ersetzen?
Albert empfing die Kunde mit besonderem Gefühl. Ein heller Stern, zu dem er in Zweifelsnächten hochgesehen, war ihm erloschen, wenn auch der Quell der Zuversicht, das Wort: »Gerade du, ich habe Wichtiges mit dir vor!« in seiner Seele fernerhin wurzeln und grünen wird. Aber ein zweiter Anlaß machte, daß die Todesbotschaft ihn von Grund auf erschütterte.
Es war ihm einst hier in Straßburg eines Nachts ein Traum gekommen, er erzählte später diesen Traum oft selbst und schrieb ihn in einem seiner Bücher nieder. Seine geliebte Jesusmutter erschien ihm, mit der er ja seit seinem ersten Buch so besonders vertraut war, wie jeder im Orden aus manchen Ereignissen wußte. Hold und gut, mit dem Gesicht, das Albert vom Weg nach Hildesheim und aus den Wäldern kannte, stand sie von einem Schein umgeben in seiner Zelle und sagte deutlich: Albert, du hast mir mit deinem Gedicht und damals, da ich auf dem lieben Zotteltier neben dir ritt und tat, als ob ich deinen Kampf um das Wort Gut verstände, so viel Freude gemacht, ich will dich auch erfreuen und dir schon sagen, was Gott mit dir vor hat: Du wirst der Nachfolger Jordans werden!
Am Morgen hatte Albert gedacht: Was war das für ein Traum? Was für Worte? Meister Jordan ist ja jünger als ich, er wird noch lange leben, und wie käme ich zu dieser Höhe, ich wünsche sie nicht, sie erschreckt mich. Ich habe das nicht geträumt, ich weiß nicht, wie ich zu diesem Irrwahn komme.
In der nächsten Nacht erschien Maria wieder, stand näher an seinem Lager und sagte laut und klar dieselben Worte. Diesmal wachte Albert so schnell auf, daß er noch das Gewand der Entschwebenden hätte ergreifen können.
Nun mußte er glauben, er durfte den Traum auch nicht als einen Zufall nehmen, sondern in Wahrheit als Offenbarung der obersten Welt. Er war zuerst einmal beglückt über den Gedanken, daß Maria ein Geheimnis Gottes nach Art der Frauen jemand, dem sie freund war, preisgab. Dann setzte seine Vernunft ein. Daß die Verheißung sich in irgend einer Zukunft erfüllen werde, war ihm nun gewiß, wie alle biblischen Verheißungen wahr geworden sind. Seit diesem Traum kam er sich als ein heimlich Geweihter vor, der noch mehr Last auf sich nehmen mußte, ein geistiger Lastträger – er dachte an die Männer, die Lasten mit ihren Schultern trugen und denen er im Hafen am Ufer in Köln so oft zugesehen hatte, wenn sie in Geduld, gebückt unter Kisten und Säcken, über hohe und schwankende Bretter schritten, die von den Schiffen ans Land gelegt waren, der Schweiß troff ihnen von der nackten Brust.
Er fing, neben seiner Tätigkeit als Lesemeister eine Arbeit an, die nur der Wissenschaft zu dienen schien, die aber bestimmt war, das immer noch junge Christentum durch ein Gedankenwerk zu stützen. So umfangreich ist diese Arbeit, daß sie zwanzig Jahre dauern wird.
Nun aber, gegen alle Erwartung, war Hochmeister Jordan dahingegangen. Wen hätte die Erschütterung darüber tiefer packen können als diesen Lesemeister im stillen Konvent zu Straßburg? Ungestüm begann sein Herz zu klopfen.
Aber schon, da es Albert war, begannen auch die Gegenregungen, die Bedenken. Sollte ihn wirklich der Ruf treffen, obwohl er ja nur wenig über ein Jahrzehnt dem Orden angehörte? Und obwohl es doch manche Zwischenstelle gab vom Amt eines Lesemeisters bis zum Hochmeister für das gesamte Abendland, aus 40 Klöstern waren in den wenigen Jahren 59 geworden?
War die Weissagung Marias nicht vielmehr so zu verstehen, daß er in irgend einer Zukunft einmal, im hohen Alter, als Nachfolger eines oder mehrerer anderer Nachfolger zu diesem höchsten Amt berufen werde? Und war nicht das schon der Ehre kaum ausdenkbar viel?
Träfe ihn jetzt schon der Ruf, das wäre wahrhaftig nichts anderes als ein Wunder, ein unmittelbarer Ruf Gottes. Womit hätte er den bereits verdient?
Aber was war das? Wider seinen Willen, gleich einem Unwesen, brach ein nie gespürter Ehrgeiz in ihm auf und trieb ihn der einzigen Vorstellung zu: dem Traum von Maria. Er sah sie doch vor sich, er hörte doch ihre Stimme wie damals: wie konnte er zweifeln, daß sie ein nahe bevorstehendes Ereignis meinte? Warum hätte sie ihm erscheinen sollen, wenn es noch Jahrzehnte brauchte, um wirklich zu werden?
Schon reckte er das Haupt, nahm einen stolzen Schritt an, sein Name wird adlergleich durch die Länder fliegen.
Sünder Albert, wirst du noch jemals Demut predigen können? Aber war nicht auch Jesus voll freudigen Stolzes, als er in die ersehnte Stadt einritt, ein König mit Palmzweigen begrüßt? Nein, Jesus ritt auf einer mageren Eselin und sein erstes Wort war eine düstere Klage über den Tod dieser Stadt.
Ach, sagte die fremde Stimme in ihm, unerwartet war der Tod Jordans, unerwartet die Verheißung durch Maria, du selber, Bruder Albert, mußt nun auch unerwartet kühn sein und an dich glauben, wenn doch sogar Gott an dich glaubt.
Es geht doch Tag und Tag hin, rief Albert gequält in das Kopfkissen seines Lagers, in schlafloser Nacht, es kommt kein Bote, es kommt kein Brief!
Am Morgen beugte der Bote das Knie und übergab den Brief.
Lange stand Albert und hielt das Schreiben in der Hand, durch [das] der Orden ihn als Nachfolger Jordans nach Paris rief: er solle kommen und sich den Vorständen des Ordens aus allen Ländern, aber auch den vielen Mitgliedern fremder Orden und den Einwohnern der Stadt in einer Predigt feierlich vorstellen.
Nicht im geringsten zitterte Alberts Hand, er hatte schon die harte Ruhe, die das höchste Amt forderte. Nur der eine Wunsch tauchte flüchtig in ihm auf: hätte doch der Ohm in Padua, der inzwischen verstorbene Ungläubige, diese Botschaft noch erlebt.
Sein Freund und Bruder Ulrich kam stürmisch in die Zelle, vor ihm hatte Albert kein Geheimnis, es gab keinen Gedanken, keinen Zweifel, den sie nicht mit einander tauschten. Er nahm den Brief, auf den auch er so ungeduldig wie Albert gewartet, und las ihn bewegt. Tränen der Freude in den Augen, umarmte er den älteren Freund.
Ein Wunder bricht über mich ein, sagte Albert, die Erkenntnis, daß ich ein Werkzeug Gottes bin, begnadet vor Tausenden, nicht ich selbst führe mein Leben, sondern Gott, solches Leben aber, das weiß ich wohl, heißt Opfer vom Morgen zum Abend, selbst der Schlaf der Nacht muß noch mehr abgekürzt werden, um tätig zu sein für Gottes Kinder, die Menschen.
Ulrich sagte: Das Wunder ist nicht gar so groß. Wohl hast du nur in der Stille abgelegener Klöster gewirkt, aber der Orden sieht und hört weit, fast so weit wie Gott. Deine Predigten sind gehört worden, auch von Leuten, von deren Anwesenheit du nicht wußtest, die aber dem Orden ihr Urteil sandten. Deine ersten Schriften sind als Rufe eines freudigen Lebens mit Gott über das Abendland verbreitet und haben dem Orden und dir Ruhm eingebracht: es ist deine Bescheidenheit, daß du darum zu wenig weißt. Außerdem aber, Bruder, hast du in der Straßburger Stille dir doch selbst ein Amt geschaffen, das weit über dein Ordensamt hinausgreift: jene Arbeit, für die du zwanzig Jahre vorsiehst, also wohl dein ganzes Leben, und die den griechischen Weltweisen gilt.
Wie gering kommt mir nun all das vor!
Deine Seele verlangt nach Betätigung, sagte Ulrich, ich will sie dir geben und dir den Entwurf eines Briefes vorlesen, den ich in Erwartung deiner Berufung, einem Zweifler senden wollte.
Er zog ein gefaltetes Blatt aus der Tasche. Ich halte dir einen Spiegel vor, Bruder Albert, daß du dich selbst erkennst und stolz auf dich wirst, höre: »Bruder Heribert, du fragst nach meinem Freund Albertus und meinst, die Beschäftigung mit den griechischen Weltweisen, der seine Arbeit gelten soll, habe doch wenig mit dem Christentum zu tun. Du bist im Irrtum. Wie haben diese Weisen in rastlosem Kampf der Gedanken Erkenntnis gesucht! Sie sind ja auch bis zur Stufe einer Schöpfung vorgedrungen, nur noch nicht bis zur Stufe eines Schöpfers. Das junge Christentum sucht für den Dom seiner Weltordnung Anfügung an diese vergangenen Denker, damit eine Kette da ist, Glied an Glied ohne Riß. Der sich zu weit aus der Wirklichkeit der Erde vorgewagt hat, der edle Schwärmer Plato, war bisher unser Licht auf dem Weg, lange genug. Der drohende Islam – unterschätze diese Gefahr nicht, die uns vom arabischen Spanien und Byzanz her immer näher kommt – hat mit Scharfsinn und Spott die Weltfremdheit dieser Lehre zu unserm Schaden aufgezeigt, das alles kann dir Bruder Heribert nicht fremd sein.
Unser Bruder Albert nun sah ein anderes Licht, wie ein Bergmann im Dunkeln wühlte er sich zu ihm vor: zu dem Allweisen Aristoteles, dem Lehrer Alexander des Großen, der, als er die Schöpfung in Gesetz und Ordnung brachte, die Wirklichkeit der Erde nicht wie Plato unter den Füßen verlor. Fest und in ungebrochenen Linien stand der Tempel seiner Welt, von Markt und Straßen der Menschen in ihrer irdischen Tätigkeit umdrängt.
Aber der Tempel mußte zum gotischen Dom werden, der auch im Gewühl der Menschen zum Himmel aufwies, der nicht mehr den Statuen spielerischer Götter Raum bot, sondern den schmerzlichen Gestalten des gekreuzigten Jesus und der klagenden Mutter, aber auch den triumphierenden des auferstehenden Jesus und der holden Mutter mit dem Knaben.
Albert grub und gräbt sich täglich in die erhabene Lehre des Aristoteles ein, er begegnet der Gefahr, die der Islam schnell wendig aus dieser neu erkannten Möglichkeit zu machen versteht, indem er viele durch diesen überklaren Ordner vom noch suchenden Christenglauben weglockt, packt den Stier unerschrocken bei den Hörnern, macht auch hier, wie es immer die Kunst seines Lebens bleibt, aus dem Feind einen Freund, übersetzt in mühevollen Jahren die vergessenen Schriften neu, erklärt sie auf neue Art und nimmt daraus, was er zur Stütze der abendländischen Weltordnung gebrauchen kann: er hat einen denkgewaltigen Vorbereiter entdeckt, der wohl den einen Gott noch nicht sah, aber Gott sah und begnadete ihn.
Die Liebe zur Welt, wie sie ist, die das Herz der Alten schon ahnend ergriffen hatte, findet nun auch unwiderstehlichen Zugang in die Kampfscharen des neuen Geistes.
Unser abseitig schaffender Bruder Albert hat damit mächtig fördernd in die Zeitwende eingegriffen.
Diese Kunde des Predigerordens darf nach der Erkenntnis des erhabensten der alten Denker doppelt freudig sein, ihr freudigster Künder heißt Albert von Köln. Wer es noch nicht erkennt, wird es noch erkennen.
Zum Zeichen unseres neuen Ja zur Schöpfung und ihrem Schöpfer recken sich immer zahlreicher die gotischen Kathedralen über die Schar niederer Dächer in die Höhe auf, die hohen Fenster lassen das volle Gotteslicht ein.
Den Brief aus Paris in der Hand, stand Albert nach dem Gefühl des Glücks wieder schwankend und niedergeschlagen: Gerade du mein Bruder Ulrich zeigst mir, daß es besser ist, dem Ansturm der Außenmacht auszuweichen? Ich habe doch meine Arbeit hier in der Stille, sie kommt doch auch von Gott.
Aber kommt denn nicht auch Ehrgeiz von Gott? rief Ulrich. Wäre es nicht Mangel an Mut, dich dem Ruf zu versagen? Wäre ein besserer Mann da, warum ruft der Orden nach dir? Verlangt es nicht gerade die Demut vor Gott: zu gehorchen? Hat Gott nicht Stärke und Schwäche verschieden verteilt? Gehört zur Stärke nicht Ehrgeiz? Falsche Scham, wenn sich der Starke nicht vorwagt, um die Schwachen nicht zu kränken! Aber wie? Was grübelst du denn lange? Gehorsam heißt das Gelübde, das du dem Orden getan hast.
Eine unbändige Freude packte Albert: Ja, so war es! Sein Gelübde! Die Zelle wurde ihm zu eng, er mußte hinaus unter den freien Himmel, da kann er mit lauter Stimme Gott danken.
Die spitze Mütze vom mittäglichen Wind schräg verweht auf dem Haar, der Überwurf zurückgeschlagen und ihm nachflatternd, sodaß er in der weißen Kutte und beglänzt von Sonne einher ging, eine steile Flamme, sang er zu Gott empor, nicht mehr fragend, nicht länger denkend. Wie fühlt er tief in sich die Befreiung: ja, nun in diesem höchsten Amt kann er die Kraft seiner Natur entfalten!
Der Bote wartete mit seinem Pferd im Klosterhof und nahm Alberts schnell geschriebene Zusage mit.
In seiner gewohnten Wanderkleidung, nur den Schritt geschwellt von einem Stolz, über den er nicht Herr werden konnte, machte Albertus sich auf den Weg.
Demut! rief er von Zeit zu Zeit sich selber zu, dazwischen glaubte er die Last des kommenden Amtes schon steinern auf seinen Schultern zu spüren. Endlich, nach vielen Nächten mit gutem Schlaf in Klöstern und Dörfern, wuchsen in der Ferne die Türme von Paris auf, nicht zu zählen. Sein Staunen über den Umfang der Stadt nahm mit jeder Stunde zu.
Was er in der Annäherung sah an Büschen, Bäumen, Hügeln, Kapellen war vom selben silbernen Duft umwittert wie die Dinge am Rhein, doch schien hier, dem atlantischen Meer näher benachbart, der Schleier noch zarter.
Vor der Stadt verdichtete sich der Strom und Gegenstrom von Karren, Wagen, Reitern, Fußgängern. Mönche fremder Orden, die vor dem Tor zu zweien und mehreren sich ergingen, begegneten ihm, man begrüßte sich stumm. Niemand erkannte ihn oder ahnte auch nur, wer sich in dem staubigen verknitterten Gewand da der Stadt nahte und zu welch bedeutendem Ereignis.
Albert fühlte sich der großen fremden Stadt gegenüber so kindlich befangen, daß er diese Mönche, denen die Stadt etwas Gewohntes war, mit mehr Achtung grüßte als sie ihn.
Als er wieder an einer Gruppe von Mönchen vorüberschritt, unter denen ein wohl nordafrikanischer mit dunkler Hautfarbe war und Albert sich umwandte, stand diese Gruppe ebenfalls und schaute ebenso neugierig ihm nach. Ihnen war doch die mächtige Stirn und der eindringliche Blick der blauen Augen aufgefallen.
Dicht vor dem Tor traf Albert einen Novizen seines eigenen Ordens. Vor ihm machte er Halt und fragte ihn nach dem Kloster Sankt Jakob im Quartier Latin, in dem er Wohnung nehmen sollte.
Der junge Bruder gab willig Auskunft, endete aber seine Worte nicht, staunte dem älteren ins Gesicht und sagte in freudigem Schreck: Du bist Meister Albertus, ich erkenne dich nach einem Bild, ich habe es in meiner Zelle an die Wand geheftet.
Ja, ich bin Albertus, da du mich nun kennst, so bitte ich dich, führe mich doch zu meinem Quartier hin, mich verwirrt die Menge von Wagen und Menschen.
Der Novize riß erst geschwind ein Büschel Gras aus und säuberte Alberts Schuhe und Rocksaum.
Nimm Dank, bei euch muß man sich ja wohl ein wenig putzen.
Es war eine vielköpfige Ansammlung von Ordenspriestern im Kloster, das geräumige Gebäude war überfüllt. Aber wäre es auch leer gewesen, Albert hätte doch keine andere Unterkunft gefunden als in einer Zelle, völlig gleich den übrigen Zellen. So sah er, daß auch in dieser Stadt der Pracht, wie er sie auf dem Weg durch die Straßen angestaunt, der herbe Geist des Ordens sich ebenso ungemildert wie in den heimatlichen Klöstern hielt, entgegen seiner Erwartung.
Es waren auf Treppen und Fluren, in Sälen und Höfen, in dem weiten Garten nicht so viele Sprachen zu hören wie Länder vertreten waren: das Latein vereinte die gelehrten Barfüßermönche aller Nationen.
Albert wurde von vielen begrüßt, aber nur seines bisherigen Wirkens wegen, von der bevorstehenden Wahl sprach niemand mit ihm, auch die Höchsten vom Amt nicht, es war, als ob es gar keine Wahl gäbe. Nur der stellvertretende Hochmeister lud ihn am nächsten Morgen auf sein Zimmer, bot ihm einen Stuhl an, schwieg eine Weile, als müsse er Kraft fassen, dann sagte er ernst: Die Politik hat sich eingemengt, Bruder Albertus. Der Orden entschuldigt sich bei dir. Es handelt sich, unser geliebter Bruder, bei der Predigt, die du der Vorschrift nach hier halten mußt, diesmal leider nicht um eine bloße Form, dich der Welt in deiner Person vorzustellen, wie es bisher Brauch war. Unsere Klöster in anderen Ländern haben sich beklagt, daß wir nach Jordans Tod wieder einen aus derselben Nationalität für das höchste Amt bestimmt haben. Du weißt, daß in unserm Orden, der das ganze Abendland umfaßt, die Frage der Nationalität keine Bedeutung hat. Doch um des Friedens willen haben wir zugesagt, einen zweiten Bewerber neben dir aufzustellen. Gegen unsern Wunsch ist so die Ernennung für unser höchstes Amt zu einem Wettkampf geworden. Außer dir predigt also ein zweiter und es wird nach den beiden Predigten abgestimmt werden. Wir sind überzeugt, daß du dich dadurch nicht abschrecken läßt und die Kanzel besteigst in dem Mut und der Zuversicht, die wir an dir kennen.
Ja, Albert nahm diese Änderung auf sich, innere Bedenken hatten ihn in Straßburg anfangs gehemmt, aber dieser Wettkampf kann seine Kraft nur vermehren, auch kann Gott nur bei einem sein und bei wem sollte er sein, wenn nicht bei ihm, den er zuerst rufen ließ? Und hat er das Wort Jordans nicht im Ohr? Das liebliche Bild der Himmelsmutter nicht in sich?
Albert traf viele an, die ihm wahre Brüder im Geist geworden über große Fernen. Mit manchen hatte er Briefe gewechselt, jeder wußte um die Werke des andern bis ins einzelne Wort. Gruppen dieser oder jener Richtung innerhalb des Ordens bildeten sich, überall fanden sich die Freunde, ebenso auch die Gegner. Man freute sich auf den Kampf um die eine oder andere Frage, ja, begann schon damit, als ob das der Zweck der Zusammenkunft sei.