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Der Räuber und seine Gespielin

Die Weiterwanderung Alberts und Ägids ging durch das üppige Baden, das burgenschöne Württemberg. Auch in verängstete Schwesterklöster kehrte Albert ein, rief auch da zu Mut auf. Durch das wiesenweite Bayernland, durch die felsige Lieblichkeit Frankens führte der Weg zum Norden, die Bergtannen Thüringens waren noch mit dem letzten Schnee bedeckt.

Manches Mal wurden die beiden Wanderer vor allzu einsamen Wäldern gewarnt, überall sollten Räuber darin ihr Nest haben.

In einem einsamen Wald, sagte Albert, findet ein Räuber keine Beute, er wird also bald daraus gehen. Was aber sollte er auch bei uns rauben? Wir besitzen ja weniger als er!

Er und sein Begleiter zögerten bei solchen Warnungen nie, es hatte ihnen auch noch niemand etwas angetan außer Spott und der kümmerte sie nicht. Meist warteten am Eingang eines verrufenen Waldes Leute, bis Gesellschaft kam, um dann in größerer Zahl hindurch zu gehen. Sahen solche Leute die beiden Mönche ohne Zögern in den Wald eintreten, so warteten sie nicht länger, sondern folgten ihnen auf den Fersen, im Vertrauen auf den Schutz des Himmels.

Auf all diesen Wegen vergaß der Meister nicht seines früheren Amtes, Seelsorger zu bilden, und gab seinem Gefährten Unterweisung in der gewohnten Form von Frage und Antwort, nie aber kam es zu rechtem Kampfgespräch, dafür war Ägid zu sehr ein Sohn der Natur.

Vor allem gab Albert auf dieser langen Reise sich der Tierbeobachtung hin. Daran nahm Ägid eifrig Anteil, oft schlichen sie auf Zehen oder Knieen durchs Gebüsch wie schulentlaufene Knaben. Abends allerdings sprach der Meister das, was er an diesem Tag mit Tieren erlebt und an Pflanzen bemerkt hatte, seinem Gefährten in die Feder vor. Dann staunte der junge Mensch, wieviel mehr sein Lehrer gesehen hatte als er.

In einem Wald, vor dem sie besonders eindringlich gewarnt wurden, sahen sie wirklich einen wildbärtigen Kerl, der sich hinter einem Baumstamm versteckte. Bald danach trat ein junges sauberes Weib aus dem Gebüsch hervor und kam zu ihnen heran. Es fragte Albert nach seinem Namen, er nannte ihn.

Ich kenne Euch von Namen lieber Vater, ich bitte Euch, daß Ihr mir die Beichte abhört. Sie kniete und nahm Alberts Hand: Ehrwürdiger Vater, ich bin nicht allein im Wald, es ist ein Mann bei mir, das ist ein rechter Räuber. Er nimmt den Leuten Geld und Gewand, schlägt sie auch und verwundet sie, wenn sie sich wehren. Er hat mich mit List hier zurückbehalten und ich muß sein Weib sein. Flieht nicht ihr beiden, denn er hat euch bald erlaufen und geht dann nur schlimmer mit euch um.

Albert und Ägid spürten einen Frost im Rücken, doch nahm der Meister dem Weib die Beichte ab, Ägid wartete einige Schritte abseits.

Danach ging die Frau zu dem Mann hin, der jetzt aus dem Schutz des Baumes heraustrat. Sie kamen beide heran, es war zu hören, wie die Frau auf den Mann einredete: Geh lieber Gesell zu dem Mönch und beichte auch. Die Leute sind des Glaubens, daß ihm die Gottesmutter besonders freund ist und ihm manches durch ihre Fürbitte gelingt. Sie erreicht es, daß, wer ihm gebeichtet hat, wie sündig er auch sei, Gott dem doch vergibt. Darum tu es, vielleicht kommt dir Gott einmal seinetwegen in deinem letzten Seufzen zu Hilfe.

Der Mann näherte, sich, er hielt einen Spieß in der Hand, im Gehen hob er die Waffe, als käme er zum Raub.

Ägid trat neben seinen Meister, Albert aber bedeutete ihn, abseits zu bleiben.

Der Mann stellte sich breitbeinig vor ihn hin und sagte: Mönch, mir ist so viel Gutes von Euch gesagt worden, dafür will ich Euch und Eurem Gesellen das Gewand lassen. Ich bin auf dem Weg aus dem Wald hinaus, ich will des Weibes wegen dies Handwerk meiden und anderswo ein rechtschaffen Gewerb anfangen, wenn es auch in dieser Zeit mehr Räuber als Rechtschaffene gibt. Doch habe ich hier viel geraubt und auch einen Mord begangen, wovon das junge Weib nichts weiß. Ihr aber bittet die Himmelsmutter und versprecht mir, daß Gott in meiner letzten Stunde mir durch Euch zu Hilfe kommt.

Albert, nicht ohne Grauen, versprach ihm, daß er noch in dieser Nacht mit Maria im Gebet um ihn ringen wolle.

Darauf warf der Mann seine Waffe von sich ins Gebüsch und ging mit seinem Gespiel davon.

Die halbe Nacht kniete Albert im Quartier, das sie in einem Dorf gefunden hatten, und rang und kämpfte mit Maria um jenen Mann, daß der Herr ihn um seines guten Glaubens nicht verdammen möge – bis ihm in der Frühe ein solcher Gegenruf von oben kam, daß er keinen Zweifel mehr hatte, der Mann werde zu Gnaden kommen.


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