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Schneesturm

Albert ging schnell den Berg hinan, kam über den Weinbergen in Wald und bald in Schnee, der sich hier oben von kürzlichem Fall noch in dünner Decke hielt. Der Weg war von Schlitten geglättet, die das im Sommer geschlagene Holz zu Tal brachten.

Tiefer im Wald begegnete ihm ein solcher Schlitten, vorn saß der Holzfäller, in Wolfsfell gepackt, den Bart weiß von gefrorenem Atem, eine Pelzmütze über die Ohren gezogen, die Schuhe auf die Kufen gestemmt.

Es klang als eilige Begrüßung, während der Schlitten vorbeiflog, der Warnungsruf: »Zurück, Mönch, Schnee!«

Albert sah, wo das Geäst Durchblick ließ, zum Himmel, der mit Gewölk, das gegen den Schnee finster wirkte, mehr und mehr herabsank, eine riesige Pelzmütze über dem Land. Albert dachte nicht an Umkehr, sondern schritt umso geschwinder aus. Doch die Luft wurde schwer und er spürte zum ersten Mal seine bald fünfzig Jahre, dann und wann mußte er Halt machen.

Das war zugleich immer ein Verharren in Andacht.

Wie? dachte er, der Schwarzwald ist nach dem Sommerdunkel seiner Tannen benannt! Aber sein winterliches Weiß: von welch unerwarteter Herrlichkeit! Der Schnee vereinfacht die Form der Bäume und macht sie wuchtiger, auch unbesonnt ist er nicht tot, sondern sendet blendendes Licht aus.

Zugleich brachte der Schnee, mit der Erhebung des Weges an Tiefe zunehmend, eine vollkommene Lautlosigkeit mit sich, kein Vogel sang, kein Ast am Boden knackte unter Alberts oder irgendeines fernen Tieres Schritt, kein Wasser rauschte, die einzige Bewegung in dieser Stille war das Emporschnellen eines Zweiges, von dem die Schneelast abfiel, auch das geschah lautlos.

Steil stieg der Weg an, gefurcht von den Schlitten, aber von der gleichen makellosen Weiße wie der Wald selber. Dennoch hatte auch dieser Weg wie der Schnee sein Leben, freute sich seines Anstiegs, strebte mit starkem Willen nach oben und wußte klug die Steilheit in Windungen zu mindern, die ihm dafür mit immer neuen Einblicken in das Waldinnere lohnten.

Ein zweiter Schlitten jagte vorbei. Schnee! Kehr um! rief es. Doch Albert setzte die Füße weiter vor, ließ die Augen sehen, wie hätte er aus dieser nie geschauten Pracht weichen wollen!

Überall, wo an unbewölkten Tagen die Sonne hatte eindringen können, war der Schnee auf dem Gezweig wie an Feuer geschmolzen, aber von neuem beschattet oder gegen Abend mitten im Schmelzen wieder erstarrt. Lange Eiszapfen hatten sich ausgetan, in Reihen hingen sie herab. An anderen Stellen war der Schnee im Erweichen über seine eigene Breite hinaus gequollen und hatte, wieder erfrierend, seinen Ast von beiden Seiten umfaßt, ja tierhaft umklammert, mit unzähligen Eiskrallen – auch hier im Schweigen ein unablässiges Leben.

Durch Schnee und Eiszapfen wurden solche Bäume zu Gebäuden, ja manche glichen eingefrorenen Schiffen im Eis des Nordens, über deren Ränder auch der Schnee quillt und deren Rahen mit Eiszapfen behängt sind. Vor einem dieser Bäume stand Albert in Ehrfurcht, mit Kreuzeszeichen und gefalteten Händen, ganz vom frommen Geheimnis umfangen.

Da, wie eine Erscheinung, lautlos herangekommen, stand ein Mensch neben ihm – der junge Bruder Beat, der ihm und dem er der liebste geworden war. Er brachte ihm einen Brief nach, der kaum nach Alberts Abschied angekommen war. Albert steckte den Brief ein, ohne ihn zu lesen, nicht einmal den Absender versuchte er aus der Anschrift zu erkennen, solche Dinge waren zu menschlich für diese Stunden der Größe, hier im Schoß der Schöpfung.

Dennoch mußte er es dulden, daß eine menschliche Stimme zu ihm sprach – da sie mit Gefühl beseelt war, wirkte sie doch nicht zu gering: Laß mich dich begleiten, Meister Albert. Wir haben einen wetterkundigen Mönch in einem Nachbarkloster, ich bin zu ihm gelaufen, er sagt ungewöhnlichen Sturm und Schnee voraus und wollte mich sogar abhalten, dir den Brief nachzutragen.

Ich danke dir, Bruder Beat, mach dich also gleich auf den Heimweg.

Ich bin wieder heimlich über die Mauer, um dir den Brief zu bringen. Nimm mich darum weiter durch den Wald mit, dann werde ich nicht bestraft.

Der Himmel war hier nicht mehr zu sehen, die Wetterdrohung nicht zu erkennen. Ich danke dir noch einmal für deinen guten Willen, sagte Albert, ich werde mich eilen, du aber geh zurück, sonst hast du wochenlang versperrten Weg vor dir, das will ich nicht.

Meister, ich möchte nicht an mich denken, sondern an dich, ich kenne diesen Weg genau.

Wenn eine Gefahr ist, warum denn unnötig einer mehr hinein? Geh um.

Die Augen Beats baten leidenschaftlich, er hatte noch etwas gut zu machen an diesem Mann: Ich bin jung, vielleicht wird dir die Kraft eines jüngeren nötig!

Ich bin stärker als du glaubst, versäumen wir die Zeit nicht, ich wünsche, daß du zurückgehst. Auch, mein Bruder, habe ich eine Schuld zu sühnen, ein Unwille, in die befohlene Stadt zu gehen – mit Recht wird mir nun dafür der Weg erschwert!

Meister, sagte der junge Mönch mit wahrer Traurigkeit in den Augen, in einer Lichtung, nach einigen Stunden, kommt die Hütte eines Waldwärters, laß mich bis dahin mitgehen! Er faßte Albert flehend an den Arm.

Albert machte sanft seinen Arm frei. Du weißt, wem ich vertraue, Bruder, er führt mich noch sicherer als du! Er begann weiter zu steigen.

Schmerzbewegt stand Beat da: Gott mit dir, Meister! Er wandte sich und ging den Berg hinab.

Sage deinem Prior, er möge dich nicht strafen, das sei mein Wunsch, rief Albert ihm nach.

Nun war er wieder allein mit dem Wald. Gut, daß ich allein bin, dachte er, dieser Weg ist wahrhaft ein Glück, keine Buße.

Wie als Antwort kam ein tiefes Seufzen aus dem Wald. Schnee fiel von vielen Ästen zugleich und beschüttete den Wanderer lustig – es wehte wohl schon in den höchsten Wipfeln ein noch unhörbarer Wind. Ein Rabe flog wie ein Geistervogel auf, schwarz in dem endlosen Weiß.

Besser, dachte der Meister, der Sturm überfällt mich im schützenden Wald als in der offenen Lichtung. Sowohl der Schneefall als der Wind sind doch zwischen den Bäumen spärlicher.

In beiden Annahmen täuschte er sich. Ein zartes Raunen der zugleich wärmeren Luft begann, dabei ein beständiges Rieseln von den Zweigen, das schon einem gelinden Schneefall gleich kam.

Das Raunen wurde zum Rauschen, das Rauschen zum Brausen, hohnvoll und triumphierend. Der Wind kam nicht von einer Richtung, sondern wand sich um jeden Baum und trat sich so selber kampflustig entgegen. Von allen Seiten stöhnte das Geäst, aus seiner wochenlangen Ruhe gebracht. Armdicke Eiszapfen brachen ab, von unsichtbarer Hand losgerissen, wie in Absicht immer da, wohin der Wanderer schritt – wer wollte denn seiner spotten? Ihr Klirren fügte der dumpfen Musik des anhebenden Sturms helle Paukenwirbel hinzu.

Der Druck der Luft wurde beklemmend, das Atmen schwerer, Albert mußte häufig stehen bleiben, um Kraft zu sammeln.

Jetzt packte ihn der Wind wie eine Faust in den Rücken. Ja, Wind, blas mich nur tüchtig von hinten an, so schiebst du mich den Berg hinauf! Doch glaubte er den Himmel entfernter, unbekannte grollende Waldgeister näher zu fühlen. Er, der sich mühte, den Rest des heidnischen Glaubens an die Urgötter und ihre Scharen aus den Menschen zu rotten! Aber sie errieten ja seine Gedanken; der Wind schnob ihn jäh von vorn an, zugleich so stark geworden, daß er den Schnee in dichten Wolken von den Bäumen jagte, dennoch minderte er in Wirbeln, deren Mittelpunkt der Wanderer war, nicht seine Kraft vom Rücken her, so daß der Schub von hinten und der Widerstand von vorn sich aufhoben und Albert an seiner Stelle festgehalten wurde, von Flocken umstäubt. Sogar vom Boden trieb der Wind ihm den Schnee jetzt aufwärts ins Gesicht.

Wie ein dünnes Bäumchen schwankte er zwischen den dicken Stämmen, er stellte sich hinter einen solchen, um Halt und Atemluft zu finden, Kind hinter dem Vater. Schon griff der Wind um den Stamm herum und jagte den Wanderer weiter, in offenbarer Verfolgungslust.

Gut, Albert darf sich ja auch nicht aufhalten, er muß zur Höhe, zur Hütte.

Im Anstieg, um atmen zu können, mußte er den Mund offen halten, unsichtbare Fäuste warfen ihm Schnee hinein.

Das waren wohl nur die Fäuste spielender Götterkinder, das Gefolge der Götter selbst schien in einem anderen Teil des Waldes tätig zu sein. Dort war der Wind zum Sturm geworden, es war zu hören, wie er begann, junge Stämme umzuwerfen. Wenn ein Baum im Sturz mit seinem Geäst hart am Geäst eines Nachbarstammes vorbeiglitt, tönte es wie gellender Notschrei.

Welche Stunde mochte es sein? Wohl schon tief in den Vormittag. Albert hatte jedes Zeitgefühl verloren, doch wühlte er sich gewiß schon viele Stunden durch den Schnee bergan. Und nun erst wurde der Weg wirklich schwer. Der Schneefall wurde so dicht, daß die Stämme nur noch als Schatten sichtbar blieben. Schon brachen große Äste unter der Last des Schnees krachend ab, zu Alberts Füßen sammelte er sich schon zu solcher Höhe, daß jeder Schritt tief einsank. Der Weg verlor sich, der Schnee füllte ihn bis zu seinen Rändern gleichmäßig aus, vor und hinter Albert war er nicht mehr zu erkennen.

Mit dem Weg war der letzte Freund, der letzte Zusammenhang mit der Welt der Menschen verschwunden, der Wandrer war allein mit der Natur, mit der Natur als Feind, mit einer bösen Natur – durfte er böse nennen, was ihm nicht genehm war, was ihn bedrohte? Nun erlebte er die Antwort auf eine Frage seines Buches am eigenen Leibe.

Wie die Richtung finden? Jetzt wollte es bereits etwas bedeuten, nicht schwach zu werden, der Leib muß bald verzagen, wenn die Seele ihn nicht aufrecht hält. Aber sie hält ihn aufrecht, dieser Wanderer wird die Hütte finden, die es zu suchen gilt, weil er will, nein, weil er glaubt, er vertraut Gott. Und wenn es noch zu früh ist, Gott zu bemühen, so glaubt er an Maria, seine himmlische Vertraute. Was jeder Vernunft unmöglich scheint, in diesem endlosen Weiß eine kleine Hütte finden – wie gut, daß er es sich und den Menschen einmal zeigen kann, daß der Glaube alles vermag.

Dieser Mönch blieb hochgemut im Anstieg, nie hat er einen Sturm im Wald erlebt. Kann es für einen Beobachter der Natur, der auch ein Buch über Meteorologie zu schreiben im Sinn hat, eine günstigere Gelegenheit geben, einmal eine Naturgewalt in ihrer Aufwühlung zu sehen?

Kaum war dieser Gedanke gedacht, da heult der Sturm wie ein zorniger Gedankenleser auf, dicht neben Albert stürzt ein Baum. Albert kann sich nicht retten, der Schnee hält seinen Schritt so fest wie Erz, Albert bleibt bewahrt, der Stamm fällt neben ihn, nur die Enden einiger Äste streifen sein Gesicht – doch ist kein Zweifel mehr, die Naturgeister des Waldes sind da, nicht zum Spiel, sie wollen über den Eindringling herfallen, der sich unter sie gewagt hat, den Eindringling eines neuen Glaubens.

Rechts und links, vor und hinter ihm stürzen Bäume, mächtig ist das Getöse, wenn sie von der Wurzel brechen und mit einem rauschenden Zischen, dem eines starken Wasserfalls ähnlich, niederschmettern, der Fall in den Schnee ist so lautlos wie Sterbende sich in ihrem Bett hinneigen und ausstrecken.

Alberts Herz, der Seele spottend, droht still zu stehen, es schmerzt, er greift öfter darnach. Ja, nun ist der Weg wirklich eine Prüfung geworden, so hart hatte er ihn nicht gedacht. Albert ist jetzt wahrlich einem einsamen Seefahrer im Sturm gleich, den niemand sieht und hört, nicht einmal mehr Gott, auf dem Meer nicht, weil der eine Mensch zu winzig ist, hier im Wald nicht, weil der Wald vom Schneefall zugedeckt ist, sodaß selbst Gottes Auge nicht durchdringt.

Bei jedem Versuch eines Schrittes sinkt Albert bis an die Brust ein, kommt die Hütte nicht bald, so muß er sich, eng den Mantel umgewickelt, in den Schnee hinlegen und warten, ob nicht nach dem Sturm wegkundige Brüder von unten kommen und ihn suchen – mag es Morgen werden, bis sie ihn finden, so lange hält er aus.

Eiszapfen brechen unter gellem Klirren ab, gleich einem teuflischen Gelächter der Geister als Antwort. Albert sieht hinter sich, seine Spur ist schon zugeschneit. So wird, wenn er da liegt, der Schnee ihn selbst zudecken, lautlos und schnell.

Und doch steht selbst im Anblick des fast gewissen Todes der Trotz in dem Menschen auf, der Albertus heißt. Eine Frau war zu schwach, die Gottesmutter konnte nicht helfen, jetzt mußte er selbst angerufen sein: Hilf Gott, ich lebe ja für dich!

Fremd und verwunderlich klang ihm selber diese einsame Menschenstimme in der entfesselten Naturgewalt. Läßt du mich hier sterben, was ist der Sinn davon? Ich bin an der Grenze der Kraft angelangt, ich bitte nicht, ich fordere von dir: Hilf!

Er erschrak, als er diesen Ausruf getan, über sich selbst.

Doch sieh, vielleicht wichen die Geister zurück vor dem Namen Gottes, vielleicht freute sie der Trotz eines Menschen gegen Gott – das Geheul im Walde verstummte, kein Baum stürzte mehr. Nur ein großartiges Tönen blieb über den Wipfeln am Himmel selbst stehen. Und nur die Äste schlugen, peitschten, fegten noch wie riesige Besen nach allen Seiten um sich, griffen nach dem Menschlein, das da keuchend, aber doch aufrecht aus dem Wald zur Höhe strebte und sich schon gerettet glaubte.

Verzeih mir, Gott, ich vertraue dir, du führst mich zur Hütte, rief Albert.

Bald darauf hatte er den Wald hinter sich, hier war eine Lichtung – war es die gesuchte? Sie war schneefreier als der Wald, denn der Sturm hatte den Schnee von ihr fort in den Wald gefegt. Aber sein Braus war umso lärmender, von nichts mehr gehemmt. Es mußte später Nachmittag sein, Alberts Augen waren von dem weißen Licht des Schnees geblendet, er mußte sie oft schließen.

Nun war er wirklich an der Grenze der Kraft angelangt, er brach nieder, nun ist er bereit, hier zu liegen und, wenn es sein muß, zu sterben, mit den letzten Atemzügen wird er tapfer Gott loben. So, während er ausgestreckt da liegt und nicht einmal seinen Mantel um sich zusammenzieht, sondern im Winde flattern läßt, hat er die wahre Demut erreicht, dafür war ihm dieser Weg bestimmt.

Da! Was hört er? Bellt da ein Hund? Fern? Nah?

Sein Ohr ist geschwächt, nur die Richtung nimmt er wahr und in diese Richtung wirft er sich mit neu erwachter Hoffnung. Sieh, und nun hilft ihm doch Gott, der über allen Geistern ist.

Wieder bellt der Hund und nun ohne Ende.

Albert, vor Erschöpfung der Geistesverwirrung nah, konnte sich später an dieses letzte Stück des Weges nicht mehr erinnern.

Einmal, immer blind taumelnd, öffnet er die schmerzenden Augen: da liegt die Breite einer beschneiten Straße vor ihm und auf ihrer anderen Seite, ein Traumbild, unwirklich, ein Märchen, die Hütte mit Fenstern und Tür. Der angekettete Hund, das Fell gesträubt vom Wind, der von beiden Seiten um das Haus fegt, heult ihm wütend entgegen und sucht vergebens, ihn zu erreichen.

Albert wird erst wieder wach, als er auf einem Lager unter niederm Dach gebettet ist, in einem Halbdunkel, aus dem ein Mann und jetzt eine Frau zu ihm hintreten.

Erst nach einer Weile kann er fragen: Welche Stunde?

Abend!

Er hat also für einen Weg von einigen Stunden einen langen Tag von der Morgendämmerung an gebraucht. Er richtet sich auf, die Frau hilft ihm, aber er bleibt noch stumm, er hat noch zu sehr den Schrecken des Sturms in sich, den er draußen vor den Fenstern hört.

Er nimmt behutsam den Suppenteller in die Hände, den ihm die Frau reicht, und betet, die Hände um den Teller gefaltet. Aber seine Hände zittern, die Frau setzt sich neben sein Lager auf eine Fußbank und führt ihm den Löffel an den Mund. Er ißt wie ein Kind, eifrig, fast gierig dieser Tätigkeit hingegeben.

Dann ruht er aus, wieder hingestreckt, sieht glücklich die arme Stube an, das wenige, was da steht, Herd, Tisch, Stühle, Geschirr, dann die Menschen, Mann und Frau noch jung, ein Kind aus dem Halbdunkel hervor lacht ihn an vor Freude, daß er erwacht ist und fromm seinen Teller geleert hat, es kommt und zeigt ihm sein Spielzeug.

War die Suppe gut? fragte die Frau.

Wie noch keine Suppe in meinem Leben, sagte er wahrheitsgetreu und dann: Ich habe den Hund bellen hören, laßt ihn doch zu mir kommen.

Der Mann ging den Hund holen, der den Gast nun mit wedelndem Schweif begrüßte und seine Hand leckte. Der Mann klopfte ihm den Rücken: Du hast es gemacht.

Albert streichelte das Tier: Gott hat es gemacht, er braucht mich noch! Er sagte das mit strahlender Genugtuung, die Leute verstanden ihn nicht.

Er fragte nach der Lage der Hütte, der Mann nach dem Sturm, wie er ihn bestanden und ob's viele Bäume umgerissen.

Viele, und bestanden habe ich's schwer.

Der Waldhüter lachte zufrieden: Mir spart der Sturm Arbeit und du, Mönch, hast jetzt unsern Wald kennen gelernt wie nicht viele, warst tapfer.

Nun aßen auch die Leute ihre Suppe, Albert sah ihnen zu, in einem unbeschreiblichen Wohlgefühl, daß er lebte und dieses Bild des Lebens ansehen konnte. Er bat um seine Reisetasche, holte Brot hervor, weißeres als das der Leute, und Äpfel, die ihm die Brüder mitgegeben hatten. Er gab erst dem Hund, dann den Leuten von dem Brot und die Äpfel dem Kind. Für sich selbst nahm er den Brief heraus.

Während er mit der einen Hand auch dem Hund, der neben seinem Lager saß, liebkosend über das Fell streichelte, las er. Sieh, das Glück nahm noch kein Ende! Was hätte er versäumt, wenn er im Schnee umgekommen wäre!

Äbtissin Almudis, die in allen Klöstern verehrte Dichterin, schrieb ihm aus dem Kloster im Wesergebirge Dank für das Buch Marienlob, das ihr zugekommen war. Sie fügte ihrem Gruß zwei Visionen bei, Albert las früher bereits Gedichte dieser Schwester und fühlte sich immer mit rätselhafter Gewalt in die Kraft ihrer Worte hineingezogen.

Albert hatte sich schon manches über diese schwärmerische und doch lebensweise Frau erzählen lassen, im Gefühl einer seelischen Verwandtschaft. Er hielt den Geistesgruß, der ihm gerade an diesem Abend des neu geschenkten Daseins kam, hoch atmend in den Händen. Aber er will heute nicht lesen, er ist zu erschöpft, heute ergreift ihn schon die Gabe an sich genug. Wie sollte sie ihn nicht ergreifen, ihn, der damit vielleicht die geistige Fernfreundin gefunden hat, nach der er verlangt, seit Hochmeister Jordan ihm in Padua aus den Briefen seiner Freundin in Bologna vorlas. Aber die neue Freundin soll ihm noch mehr sein, so wünscht und denkt er sich. Maria sendet sie ihm, die er aus Bescheidenheit nicht immer bemühen kann: er wird in lautem Gespräch mit Almudis unter freiem Himmel fortan das, was ihn Gott zu schreiben heißt, überdenken.

In dieser Nacht wird er die mehrfarbigen Pergamentblätter in beiden Händen halten, sie sollen, während er schläft, auf seinem Herzen liegen.

So, des Geschenk an die Brust gedrückt, schlief er ein.

Inzwischen bereiteten die Eltern sich und dem Kind an der Stubenwand gegenüber das Lager und hielten den Hund zur Ruhe an, wegen des Sturmes und weil Albertus ihn so dankbar gestreichelt hatte, durfte er diese Nacht bei den Menschen bleiben. So ward ihm ein Glück, in Tieresart dem des Meisters ähnlicher als seine Leute dachten.


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