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O Lamm Gottes, unschuldig ...
Der italienische Christus-Film

Italia hätte eine geschmackvollere Rache für die verlorenen Isonzoschlachten nehmen können, als daß es uns diesen Film überlieferte. Das schönste Märchen der Weltgeschichte wird in [eine] Reihe unklarer, unscharfer Bilder zerhackt, die willkürlich folgen. Billige Stimmungsmacherei ohne Stimmung, mystagogischer Aufputz mit Sphinxen und ägyptischen Götterbildern, Kreuzesschatten und Gespenstertänzen. Sehr viele Kamele; die heiligen drei Könige kommen wie Barnum. Nirgends Sammlung, Innigkeit, Fühlen. Gelegentlich fesseln ein paar Silhouetten. Doch hat man dann das Gefühl, daß die Regie es nicht bemerkt und deshalb gelassen hat. Die besten Bildmöglichkeiten sind nicht ausgenutzt: die Bergpredigt fehlt; das Wandeln auf dem Wasser, die Auferstehung, selbst das Abendmahl reizen zum Lachen. Die Komparserie stürmt treppauf, treppab. Alles huscht vorüber und man freut sich, daß es so schnell geht. Nur die Geißelung wird breit ausgesponnen und in peinlichster Gegenständlichkeit vorgeführt. Man wünscht den Regisseur an den Pfahl.

Eines steht fest: an einen solchen Stoff, der eben für jeden religiös fühlenden Menschen mehr als »Stoff« ist, darf nur herangegangen werden, wenn man Energie und Geschmack genug hat, den Glanz des Mythos nicht durch plumpen Materialaufwand verdrängen zu lassen. Und wenn man Künstler zur Hand hat, die nicht jede Illusionsmöglichkeit unbarmherzig umbringen. Dem Darsteller des Christus kam die sonst ärgerliche Überdunkelung der meisten Bilder zugute: man konnte seine Züge durchweg nicht erkennen. Auch Maria Magdalena profitierte davon. Judas und einige andere Herrschaften mit Kaftan und dicken Fußsäcken unterm Kinn waren nicht Judäa, sondern Schmiere. Dagegen erinnerten die Römer Augustus und Pilatus in ihren langen weißen Laken an die Masseure aus der Naturheilanstalt.

Berliner Volks-Zeitung, 29. Oktober 1921


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