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Friedrich und kein Ende

Ein Historienmaler, Georg Schöbel mit Namen, hat sich zu einem »patriotischen« Bilde inspirieren lassen, dessen Reproduktion heute in sehr vielen Schaukästen zu sehen ist und deutschnationale Gemüter, deren historisches Wissen geringer ist als die Sehnsucht, sich deutschvölkisch auszuleben, in Wallung versetzt.

Da sieht man den alten Fritz mit rollenden Augen, in der einen Hand den Degen, in der anderen Standarte, und zu seinen Füßen liegt ein enormer Lorbeerkranz, mit schwarzweißrotem Bande geziert.

Das Bild ist spottschlecht. Zudem bedeutet das Schwarzweißrot einen blutigen Anachronismus. Oder ist diese Kranzspende als Huldigung jener Zeitgenossen gedacht, die auf eine Wiederkehr des großen Fritz warten?

Er würde euch bitter enttäuschen, wenn er wiederkäme. Denn er fühlte sich wahrlich nicht als Deutscher. Seine Bildung war französisch; die deutsche Sprache verschaffte ihm Bauchgrimmen. Er würde euch nicht passen, denn er war aufgeklärt.

Seine Politik war nicht deutsch, sondern preußisch-dynastisch; er führte den Krieg gegen das Reich und mit Hilfe der Engländer, die damals in Hannover saßen.

Nein, ein deutschnationaler Säulenheiliger war er nicht. Aber ein ganzer Kerl, der sich weder vor Gott noch vor dem Teufel fürchtete und vorurteilslos genug war, bald mit dem einen, bald mit dem andern zu paktieren. Und heute sollten ihn die Herren Parteisekretäre, die ihn mit Hilfe von allerhand Kunstgenossen der Balduin Bählamm und Kuno Klecksel für ihre Plakatpropaganda mißbrauchen, endlich in Ruhe lassen. Als der alte Ziethen einst an der Hoftafel in ein kleines Nickerchen verfiel, das nicht ganz dem Zeremoniell entsprach, wies der König die entrüsteten Hofschranzen mit den Worten zurück: »Laßt ihn schlafen, er hat genug für uns gewacht!«

Heute schläft er selbst seit langem, und deshalb respektiert seinen Schlaf und bemüht ihn nicht zu einem Werk, das er verachtet hätte.

Berliner Volks-Zeitung. 11. Juni 1921


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