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Vor einigen Tagen brachte die »Deutsche Tageszeitung« eine Sonderbeilage heraus, aus der hervorgehen soll, wie systematisch Frankreich seine Jugend »zu Haß und Krieg erzog«.
Aber wenn man Bilder und Texte näher prüft, stellt es sich heraus, daß nur ein Teil aus eigentlichen Schulbüchern stammt, der weitaus größte Teil ist jener »Jugendliteratur« entnommen, die gewiß zuweilen in Schulen verwandt wurde, für die aber die Schule als solche nicht verantwortlich gemacht werden kann. Die französischen Volksschullehrer, die sich zu einem starken pazifistischen Syndikat zusammengeschlossen hatten, werden gewiß für die Verbreitung solcher Schandprodukte nichts getan haben.
War aber derartige Literatur auf Frankreich beschränkt? Denken wir doch zurück an die Bücher unserer Kinderjahre mit den grellen bunten Bildern, auf denen der »Erbfeind« allemal schlecht wegkam. Das strotzte von Parteilichkeiten, Geschichtsfälschungen und Roheiten.
Viel gemeingefährlicher als dieser Schund aber war die Jungdeutschlandliteratur, die von etwa 1909 an unter die reifere Jugend geworfen wurde. Die Kinderbücher waren durchweg herzlich dumm – aber die Broschüren, Zeitschriften, Kalender, die mit dem Segen des Alldeutschen Verbandes und der Wehr- und Flottenvereine unter das junge Volk gebracht wurden, waren raffinierteste Mache.
In der »Jungdeutschland-Post« (herausgegeben vom Bunde Jungdeutschland und der Deutschen Turnerschaft!) Nr. 4 vom 25. Januar 1913 feiert der wohl auch der »Deutschen Tageszeitung« nicht ganz unbekannte Herr Otto von Gottberg den Krieg als die »hehrste und heiligste Äußerung menschlichen Handelns«. Und weiter: »... still und tief im deutschen Herzen muß die Freude am Krieg und ein Sehnen nach ihm leben.« Und den Schluß dieses Elaborats macht eine Vision des alldeutschen Himmels: Da sitzen allerhand berühmte Schlachtenlenker ... »die Männer der Tat ... aber nicht die Stubenhocker, die uns den Krieg verleiden wollen.«
Wenn Herr v. Gottberg nicht etwa falsch gesehen hat, dann haben die Redakteure der »Deutschen Tageszeitung« alle Chancen, dermaleinst in den Himmel zu kommen, denn den Krieg haben sie uns, weiß Gott, niemals verleiden wollen. Vielleicht werden sie dort oben im Paradiese der Kriegshetzer die französischen Gevattern wiederfinden. Denn sie gehören zusammen, ob sie sich auch nach Herzenslust katzbalgen.
Tartüff kontra Tartüff!
Berliner Volks-Zeitung, 13. März 1921