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Das Projekt
»Purzel tuts«, fuhr heftig Vult in die Stube des Notars, der freudig versetzte: »Das gebe Gott, und was denn?« – »Ich erkläre alles, und Purzel ist der Theaterschneider, mein Hausherr« – erwiderte Vult mit den Blitzen der Laune im Auge, weil er eben die Digression über den Adel für den Doppel-Roman zu Papier gebracht. – »So viel gibst du zu, daß du einige Heft- oder Demantnadeln zur Bundes-Naht mit Klothar – was eben mein Projekt sein will – vonnöten hast. Handlungen freilich galten von jeher für die besten Fähren zum Herzen, für die rechten Kernschüsse zur Brust, da Worte nur Bogenschüsse sind, oder was man will. Einem einen Uhrschlüssel abkaufen, oder sonst ein Kauf, das sperret mehr am bedeckten Gehäuse eines Menschen auf als dreißig déjeûners in einem Monat von 31 Tagen. Wolltest du also dem Grafen z. B. nur einen Stein ins Fenster werfen oder an das Schulterblatt: so kämest du sogleich mit ihm in Handlung und darauf leicht in nähere Verbindung; oder ebenso auch, wenn du im Finstern auf ihn losfahren, ihn bei den Rockklappen packen und nicht loslassen wolltest, weil du ihn für deinen Bruder gehalten hättest, den du so unbeschreiblich liebtest, gäbest du vor. Da aber das nicht geht, so höre: mein Hausherr Purzel hat jetzt viele turnier- und tafelfähige Kleider in Arbeit, die er für das Theater kehrt und wendet; ich staffiere dich mit einem vollständigen aus – habe vorher dem Grafen, da ich ihn kenne, in einem Billet geschrieben, ich wünschte sehr, eines Abends vor ihm zu blasen – bringe dich dann mit (sprich noch nicht) und lasse dich von ihm ohne besonderes artikuliertes Lügen für einen Edelmann ansehen, bloß weil du (das macht man ihm weis) mein Freund bist und wir miteinander umgehen. Dann kann sich das Adels-Pergament unmöglich mehr als Scheide- und Brand-Mauer und Ofenschirm zwischen eure Flammen ziehen; und falls der Graf wirklich nicht, wie ein Eisstück, ebensoviel Eis unter dem Wasser verbirgt, als er daraus vorhebt: so seh' ich euch, weil du unter und hinter der Flöte ihm alles sagen und zeigen kannst, vielleicht am Altar der Freundschaft verbunden stehen, und ich bin freudig das KopuliermesserWomit man bekanntlich Zweige pfropft. . – – Jetzt sprich!«
»Göttlich, göttlich!« rief Walt und umhalsete Vulten. »Ich stehe dann auf dem Wagenstern der Liebe und rolle durch Himmel. Aber wenn ich ihn habe, den Lieben, ja dann muß ich durchaus – noch denselben Abend – meinen dürftigen Namen sagen; nicht nur ein heißes Herz, auch ein offnes muß ich ihm bringen; es tut dann nichts mehr.« –
Allein der bunte Zauberrauch verzog und senkte sich bald, womit seinen romantischen Geist anfangs das Wagstück berauschte. Das Gewissen stellte sich kalt mit der Waage hin und wog nach Skrupeln. Er konnt' es nicht recht finden, die Freundschaft mit einem Blendwerk anzufangen, wenn er dieses auch nachher vertilge. Der Bruder versicherte darauf, er woll' ihn bloß für seinen Verwandten desselben Namens ausgeben, was ja wahr sei, ferner das von im Feuer der Rede vergessen. »Aber wenn ich nun zuletzt sage, ich bin dein Zwillingsbruder, was sagst denn du?« sagte Walt. – »Herr Graf, sag' ich,« – versetzte Vult – »er ist allerdings der Bruder, ja Zwillingsbruder meines Herzens, und geistige oder kanonische Verwandtschaft, dächt' ich, gälte wohl hienieden, da ja unser Herrgott selber eine dergleichen mit uns Bestien im allgemeinen verstattet und sich unsern Vater nennen läßt. – Ist diese Verwandtschaft nicht wahr?«
Walt schüttelte. »Was,« fuhr der Flötenspieler fort, »es wäre nicht so, nämlich daß wir uns geistig verbrüderten? O Zwilling, wer ist verwandter? bedenke! Wenn Körper Seelen ründen und Herzen gatten, so dächt' ich, ein Paar Zwillinge – um neun Monate früher einander verschwistert als alle andere Kinder – in ihrer zweischläferigen Bettstelle des ersten Schlafes ohne Traum – teilend alle und die frühesten und wichtigsten Schicksale ihres Lebens – unter einem Herzen schlagend mit zweien – in einer Gemeinschaft, die vielleicht nie im Leben mehr vorkommt – gleiche Nahrung, gleiche Nöten, gleiche Freuden, gleiches Wachsen und Welken – beim Teufel, wenn ein solcher Fall, wo im eigentlichsten Sinn zwei Leiber eine Seele ausmachen, wie ja der alte und erste Aristoteliker, nämlich Aristoteles selber, begehrt zur Freundschaft, zum Sakerment, wenn von solchen Personen nicht der eine Zwilling sagen dürfte, er sei mit dem andern geistig genug verwandt, Walt, wo wäre denn noch Verwandtschaft zu haben auf Erden? Kann es denn, du ordentlicher Bruder-Mörder, frühere, nähere, ältere, peinlichere Freundschaften geben als bei solchen Zwillingen? O Gott, du lachst ja über Gerührte!« schloß er wild und fuhr heftig mit der ganzen breiten Hand über die Augenknochen.
»Da wär' ich ja der Hölle wert«, rief Walt und fing dessen Hand, um sie auf sein nasses Auge zu decken – »O Bruder, Bruder, weißt du es denn nie, wie ich dich fasse und deinen weichen Geist im stärksten Scherz? Ach, wie ist dein Inneres so schön und mild, und warum weiß es denn nicht die ganze Welt? – Darum aber, was wär' ich, wenn ich es litte, was du bei Klothar wagen wolltest für mich? Nein, fremde Opfer mag man wohl annehmen, um von Martern loszukommen, aber nie, um mit ihnen Freuden einzukaufen. Die Sache geht nicht, guter Vult!«
Aber hier war dieser schon die Treppe hinab. Indes, je mehr der Notar nachsann, desto unbilliger fand ers, auf Vultens Kosten den Himmel der Freundschaft zu erstehen. Zuletzt schrieb er ihm bestimmt, sein Gewissen leid' es unmöglich.
Wenige Stunden darauf antwortete Vult folgendes:
p. p.
Fraterkul! Eben erhalt' ich des Grafen Jawort mit deinem Neinwort; du mußt also mit, oder meine Ehre leidet gewaltig. Fleuch und flieh' in einer guten Stunde zu mir. Dein Umkleid oder Masken-Charakter liegt schon auf dem Stuhl. Der Friseur ist bestellt mit Vorsteck-Locken. Sporen und die Steifstiefel darzu stehen auch fertig. Glaube mir aber auf Ehre, daß ein Bühnen-Habit für dich ausgelesen ist, der nicht simuliert, sondern nur dissimuliert. Ein anders – als was ich tue und miete – wäre, wenn ich dich in einen Berghabit oder in eine Mönchskutte oder in einen Waffenmantel oder in ein Bischofs-Pallium oder in englische Kapitäns-Uniform oder in den Satan und seine Großmutter steckte; so hingegen fällest du proper aus und unkenntlich, und dabei doch sittlich und wahr. Versuch' ihn nur bei mir an, deinen polnischen Rock und Mantel der Liebe für Klothar. Purzel denkt gut, ja wohlfeil. – Ich schmachte freudig nach dem Spaß. Der Abend macht dich noch unkenntlicher, des Puders gar nicht zu gedenken, den du weglassen mußt. Dir zu schreiben vergess' ich ganz, daß ich nämlich – als ich den guten Grafen anfangs ins Rosental eingeladen zu einem matten Souper, natürlich ohne deiner Erwähnung – von ihm umgekehrt in seinen Garten invitieret worden. Komme bestimmt, ich brenne. Denn dieser Abend fället Definitiv-Sentenzen und Mandate ohne Klauseln über 40 bis 50 tausend Abende nachher. Gegenwärtiges schreib' ich fast gerührt; – Garrick wußte das bloße Alphabet so herzusagen, daß die Leute dazu tränten; aber woraus besteht denn alles, was angreift, als aus Alphabeten? – Herzen gleichen Gänse-Eiern: die, so in lauem Wasser nicht sich bewegen, sind faule und tote – Gott, ich werde heute so blasen, so trillern! Ich freue mich freilich zu sehr.
P.S. Ich muß dir doch berichten – anfangs wollt' ich nicht –, daß dein künftiger Freund Klothar morgen früh um 3 Uhr auf und davon reiset, wie er sagt, nach Dresden – eigentlich aber wohl, wie ich sage, nach Leipzig, um durch die protestantische Mutter die katholische Braut sich anzuöhren. Bist du nicht der vollständige Schomaker II.: so kommst du heute und schlägst als Bürger mit dem Edelmann den Pedal-Triller der verwobenen Freundschaft. Denn wo wäre Lüge, sobald ich nicht sage – und du ohnedies nicht –, daß du ein Edelmann bist, sondern ich nur anfangs, daß du mein Freund – und du zuletzt, daß du ein Notarius bist – wo, frag' ich?
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»Ach, ich komme freilich!« schrieb Gottwalt zurück.