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Nach diesen unzweideutigen Worten kehrte mein Gebieter mit seinem zweiten Freunde von den Hyazinthen zurück. – ›Wie ich Euch sagte, Mynheer van Streef‹, sprach Mynheer van Toll, ›es hält sich auf Vrouw Elizabeth seit einigen Tagen ein fremder Maler und Chemikus auf, der eine besondere Mischung der Farben entdeckt hat, wodurch auch auf dem Porzellan das vollkommene Helldunkel von Rembrandt sich erzielen läßt. Ich wollte durch ihn eine große Vase in dieser Manier malen lassen, und alle Anstalten des Glühens und Einbrennens sind auch schon gemacht, nur war ich über den Gegenstand noch verlegen, weil ich einen ganz neuen für die neue Manier zu haben wünschte. Gar gerne möchte ich nun den sogenannten Bockaffen in Helldunkel auf meiner Vase sehen, weil den gewiß noch niemand hat, und ich bitte Euch daher, daß Ihr mir die nachbarliche Gefälligkeit erzeigen wollet, meinem Chemikus diese Nacht den Zugang zur Menagerie zu verstatten. Er soll an dem Tiere bei Laternenlicht seine Studien machen und in dieser Beleuchtung eine Farbenskizze von ihm entwerfen.‹
›Nein, Mynheer van Toll, das geht nicht an‹, versetzte der Hausherr. ›Die nächtliche Ruhe von Welgelegen darf unter keiner Bedingung gestört werden. Ihr könnet bei Tage dieses fremde Tier durch Euren Chemikus in Helldunkel abzeichnen lassen.‹ – Gertruid ging mit dem Teegeräte nach dem Lusthäuschen. – ›Kommt hinein‹, fuhr Mynheer van Streef fort, ›ich will Euch, meine Freunde und Nachbarn eine neue Sorte Tee zu kosten geben.‹
›Wieder also sollst du gestohlen werden!‹ dachte ich für mich. ›Bist du denn so kostbar?‹ – Inzwischen war es im Lusthäuschen sehr lustig geworden, freilich nur auf niederländische Weise. Offenbar hatte das Wasser der Hippokrene durch die Reise seine Kraft nicht verloren. Die drei Freunde waren nach der ersten Tasse vom Teetische aufgestanden und gingen, phantastisch erregt, ohne sich umeinander zu bekümmern, im Stübchen auf und nieder. De Jonghe versuchte, während er ging, einen Pas aus der ›Menuet à la Reine‹ zu bewerkstelligen, van Toll sang in einem sonderbaren Falsett das Nationallied, van Streef zog den Vorhang des Kanalfensters auf, öffnete letzteres selbst und vergaß, die eben vorbeifahrende sechste Schuite am schwarzen Brette zu notieren.
Statt eines drei holländische Schwärmer! Wunderbares Wasser! Selbst eine Stunde von Amsterdam wirktest du Zeichen, obschon zu Tee verkocht! – Bald sollte die Schwärmerei wieder mich in ihre Kreise reißen, mich, den schicksalbezeichneten Helden der abenteuerlichsten Bildungsgeschichte, welche jemals die Erde sah. Van Toll trat an das Menageriefenster des Lusthäuschens und flüsterte hinunter: ›Nach Mitternacht schicke ich den Chemikus mit einem Nachschlüssel her, dich abzureißen. Du sollst, und du sollst mir auf die Vase in Rembrandtschem Helldunkel.‹ – Er trat zurück, de Jonghe näherte sich hierauf dem Fenster und rief, mit einem sehnsüchtigen Blicke auf mich, halblaut hinaus: ›Stehlen laß' ich dich noch vor Mitternacht und dann auf der Stelle ausstopfen!‹
›Ausstopfen!? – – Nein, nein, das geht in das Ungeheure! Du sublime au ridicule – –‹ Meine Sinne schwanden.
Als ich wieder zu mir selbst kam, stand Mynheer van Streef allein vor meinem Verschlage und Sebulon neben ihm. – ›Sebulon‹, sagte mein Gebieter, ›der Besuch ist nun fort, und da kann also etwas geschehen, was sich vor Fremden nicht ziemt. Ich bin durch das Teetrinken wieder in die helikonische Stimmung gekommen. Ich möchte der ganzen Welt helfen und rasch! Sage der Griete, sie könne auf der Stelle mit dem fremden Tiere hier verrichten, was nach meinem früheren Befehle erst morgen vorgenommen werden sollte.‹
›Wird wohl nicht mehr nötig tun‹, versetzte Sebulon trocken. ›Es scheint wieder munter zu sein, seht nur, Mynheer, welche lustige Sprünge es macht.‹
Ach nein, es war nicht mehr nötig! – Die gräßliche Perspektive, ausgestopft zu werden, hatte mit einem Schlage alle selbstmörderischen Gedanken in mir vernichtet, mich dem Leben in jeder Beziehung wiedergegeben und die gewaltigste Lebenslust in mir angefacht. Ich sprang wie unsinnig im Verschlage umher, das nannte jener holländische Hausknecht Lustigkeit, ich stieß entsetzliche Töne aus, mich verständlich zu machen, meinem Gebieter den Verlust seines Teuersten anzukündigen, darüber lachten die Blinden!
Sie gingen, es wurde dunkel, Sebulon schloß die Pforte. ›Unglücklicher, lege auf die Mauer, über welche Mynheer de Jonghe seine Mordknechte steigen lassen wird, Selbstschüsse und Fußangeln! Durch die Pforte kommt höchstens der unschuldige Chemikus, Euren armen kleinen Bockaffen im Helldunkel seiner harmlosen Laterne abzureißen!‹ schluchzte ich. ›Wie wird er sich betrüben, der Getäuschte, wenn er statt seines Studienobjektes nur die leere Stätte findet! Jammer über dich Welgelegen, wenn du morgen erwachest, und dein Kleinod dir gestohlen siehst! Traure, traure, Vrouw Elizabeth, deine Vase bleibt unbemalt!
Warum kann der Chemikus nicht vor Mitternacht kommen, und die Bande de Jonghes nach Mitternacht? So würde der Chemikus noch bei Laternenlicht zeichnen, wenn die Bande anlangte, sie verscheuchen, und diese Nacht wäre wenigstens gewonnen. Zufall, Zufall, du betrunkener Würfelspieler! Tolles Rätsel des Daseins, grimmiger Wust chaotischer Verwirrung! O mein Vater, mein Vater, wo weilest du? Eile herbei, deinen dir so sauer gewordenen Wurm vor dem Letzten, Schrecklichsten zu erretten! Du bist wißbegierig und reisest viel, mein guter Vater, vielleicht besuchst du einmal auch das Kabinett von Mynheer de Jonghe, und welch ein Augenblick wird es dann sein, wenn du deinen unglücklichen Sohn vielleicht zwischen einer Fischotter und einem sibirischen Eichhorn siehst! – Zwar ich vergesse, wer ich bin, ich rede irre – du wirst mich nicht erkennen!
Ausgestopft zu werden! – Gedanke, der das Hirn sieden macht, und alle Sehnen krachen! Nichts als Balg zu sein und Werg! Aus gläsernen Augen dumm und starr zu schauen, und ewig den Draht in Rücken und Beinen zu fühlen, als einzigen haltenden Grundsatz! Neben sich nur Bälge zu haben, und diese ganze trockene Unsterblichkeit lediglich auf Kampfer und Spieköl gegründet!‹
In solchen jämmerlichen Betrachtungen ging mir ein Teil jener merkwürdigsten Nacht meines Lebens hin. Ich fühlte zugleich, daß die äußerste Beängstigung in meinem Körper Folgen hervorbrachte, denn ich konnte, da ich im Verlauf meines Kummers als Mensch mir vor die Stirn schlagen wollte, wunderbar genug, dies mit meinen Vorderbeinen bewerkstelligen, ich konnte an mein Fell fassen, und die Haare fielen ab, so wie ich sie nur berührte, endlich schien in meinem Antlitze ein förmliches Umziehen und Quartierverändern von Maul, Nase und Augen vor sich zu gehen, so rückten und knackten dort die Knochen. Aber auf alles dieses hatte ich weiter nicht acht, ganz verloren in die Furcht vor dem Ausstopfen.
Gegen Mitternacht Geräusch draußen vor der Mauer, Klimmen, Herabwerfen einer Strickleiter! Ein Kerl steigt an ihr nieder, tappt zwischen Biber und Schildkröte vorsichtig hindurch – – Ich sitze (denn ich vermochte auch schon wieder zu sitzen;) stumm da, und raufe mir vollends alles Fell ab; seine rauhe Tatze ergreift mich – hui und davon mit mir über die Mauer! Ich hange schlotternd und an allen Gliedern gebrochen in seinen Armen. – ›Was, zum Teufel, habe ich denn da gefaßt? Das ist ja kein –‹ murrt er, während er einige Schritte längs des Kanals nach dem Landhause Schoone Zicht zu macht. Ehe er zu Ende gesprochen, stürzt ihm ein Mann entgegen, ruft mit einer von der Tugend selbst gebildeten Stimme heftig: ›Steh du Dieb, ich sah dich über die Mauer steigen!‹ und haut auf ihn mit einem Degen ein. Der Dieb – Sünde gibt keinen Mut – läßt mich fallen und läuft davon. Ich falle in den Kanal, jener unbezahlbare Retter springt, immer den Degen in der Faust, mir nach, holt mich heraus, ruft: ›Wie, ein nacktes Kind?‹ und trägt mich, dem von diesen jähen Abwechselungen das Haupt schwindelt, zu einer Laterne hin, die etwa hundert Schritte von der Stelle am Kanale brannte. Bei dem Schimmer dieser Blendlaterne sehe ich meinem Retter in das Antlitz, und – wer faßt's, wer glaubt's, wer sagt's, was ich empfinde? – Es ist – – mein Vater, mein sogenannter Vater!
Was die Furcht und der Jammer nicht gekonnt, die Freude vollbringt es. Ich finde die Sprache wieder, und, zwar noch immer etwas meckernd, aber doch verständlich, ist: ›Vater! Vater! Dein Kind!‹ mein erstes Wort. Mit heißen Tränen stürze ich an seine Brust, er erkennt mich, wie ich ihn erkannt, und – doch schweige, Lippe! falle, Vorhang über diese unbeschreibliche Szene!
Stumm vor Rührung steckt er mich ohne weiteres wieder in seine linke Rocktasche. Darin finde ich ihn ganz. Alle lieben Erinnerungen gehen mir in jener Tasche auf; es ist noch ein Rest Frühstück darin; ich versuche, es zu essen. Es gelingt; ich kann wieder Brot und Wurst essen! Ich bin ein Mensch wieder, das gebildete Kind gebildeter Eltern! Aber wie ging das zu? Mein Vater trägt mich in das Lusthaus Vrouw Elizabeth. Er ist's ja, er ist der gute Chemikus, der sich dort aufgehalten, der mit dem Nachschlüssel zu mir kommen, mich nach Mitternacht bei Laternenlicht abreißen wollte, aber von einer unerklärlichen Unruhe getrieben, (sein Vaterherz war's, das so stürmisch geklopft hatte!) vor Mitternacht sich aufmachte, einen Degen zu sich steckte, weil das Abenteuer immer einige Gefahr hatte, und so am Kanal Zeuge des Diebstahls wurde.
Wie ich diese ersten Erklärungen der wunderbaren Geschichte empfangen, ich weiß es nicht mehr zu sagen. Mein Vater stammelte nach der Tasche hinunter, worin ich saß, ich stammelte hinauf, wir begriffen uns durch Naturlaute. – ›Aber warum machtest du nicht Lärmen, mein Vater, als du den Dieb über die Mauer steigen sahst?‹ fragte ich in einem ruhigen Augenblicke. – ›O Sohn‹, versetzte er, ›um einen Menschen zu retten, haben sich wohl schon größere Unwahrscheinlichkeiten begeben müssen, als daß man einen Dieb erst einsteigen und dann wieder herauskommen läßt. – Du konntest nur gerettet werden, wenn diese Unwahrscheinlichkeit vorfiel, denn machte ich früher Lärmen, so erwachte das Landhaus Welgelegen, die Pforte wurde besetzt, du bliebst mir unsichtbar und in den Händen von Mynheer van Streef.‹ – Diese Antwort stellte mich vollkommen zufrieden.
Wir waren unter solchen und ähnlichen Gesprächen vor Vrouw Elizabeth angekommen; mein Vater zog die Klingel und weckte dadurch den Portier, der ihm sein Zimmer auftat. In der Helligkeit, welche durch Wachskerzen und Alabasterlampen hervorgebracht wurde, umarmten wir uns nun erst bei voller Muße. ›Vater, wie sehe ich aus?‹ war meine erste Frage.
›Abscheulich, mein Sohn‹, versetzte er. ›Deine Züge sind in einer wunderbaren Unordnung, es ist, als wären Nase, Mund und Augen bei dir berauscht gewesen und erwachten nun in Winkeln, wohin sie nicht gehören. Die Ohren müssen wir vor allen Dingen stutzen, sie haben sich etwas zu üppig gen Himmel erhoben, an den Extremitäten sind dir überflüssige Haarbüschel gewachsen, auch deine Sprache schmettert sonderbar; warst du etwa bei einem Trompeter in der Lehre? Du kommst mir vor wie eine durcheinandergeworfene Bibliothek oder Garderobe, die einzelnen Bestandteile deiner Totalität sind richtig vorhanden, aber es fehlt die Harmonie.‹
›Alles nichts, mein Vater‹, sagte ich, nachdem ich vor den Spiegel getreten war, und mich wieder so ziemlich menschlich gesehen hatte. – Er brannte, meine Geschichte zu vernehmen. Ich gab sie ihm in großen Umrissen. Er glaubte, ich habe geträumt. ›Sieh mich an‹, versetzte ich, ›und sage dann noch einmal, daß dies Träume gewesen seien. Das letzte Wunder‹, so schloß ich meinen Bericht, ›war das größte. Hat man auch nur noch ein Fünkchen Humanität in sich, und soll man ausgestopft werden, so nimmt sich bei diesem Gedanken jenes Fünkchen zusammen und man restauriert sich von innen heraus. In den Tiefen von Angst, Grauen, Verzweiflung habe ich mich sozusagen als Menschen zum zweiten Male geboren und die Tierhülle durch Seelenkämpfe abgestreift.‹
›Streife jetzt nur auch eine anständige Hülle über!‹ rief mein Vater, ging zu einer Kommode und holte daraus die weißen Pumphöschen, das rote Collet, den kleinen blechernen Säbel und den Turban hervor. Großer Gott! die Janitscharenkadettenuniform war auch da! ›Wo fandest du sie?‹ fragte ich ihn. ›Im griechischen Gebirge, welches ich nach dir verzweiflungsvoll, wie Ceres Proserpinen suchte, durchrannte‹, antwortete er. ›Ich fand die Stücke auf einem Felsenabhange und glaubte, daß dich ein Raubtier gefressen habe.‹ – ›Aber mein Vater‹, sagte ich, indem ich die Hosen anzog, ›an den Kleidungsstücken war ja kein Blut, woher also dieser Glaube?‹ – ›Konnte dich das Raubtier nicht rein herausgefressen haben?‹ erwiderte er, etwas verstimmt über meine kritischen Zweifel. – Er mußte mir nun auch seine Geschichte erzählen. Sie war einfach. Aus Schmerz über meinen Verlust hatte er, nachdem er jede Hoffnung aufgegeben, mich wiederzufinden, sich noch eifriger den chemischen und physikalischen Studien ergeben, wie früherhin, und unter anderem auch jenes Farbenbereitungsgeheimnis entdeckt, welches ihn dem Holländer van Toll so wert machte. In der Heimat litt ihn der Kummer nicht, er reiste durch die Lande Europas als düsterer, zerrissener Porzellanmaler. Unterwegs traf er mehrere Kollegen. Durch die allerseltsamste Fügung brachte uns das Schicksal wieder zusammen. Er ging bei Nacht aus, einen Bock zu zeichnen und traf seinen Sohn.
Wir machten uns noch vor Tagesanbruch von Vrouw Elizabeth fort, denn mein Vater fühlte wohl, daß, da er dem Eigentümer das fremde Tier nicht auf die Vase liefern könne, seine Rolle im Landhause ausgespielt sei. Wir benutzten die erste Schuite nach Amsterdam, und dort die erste Gelegenheit nach Bodenwerder. Als wir im Wagen saßen, ich wie in den ersten Zeiten in der Tasche, fiel mir der Gedanke an Frau von Münchhausen, die Gemahlin meines Vaters, schwer auf das Herz. Ich teilte ihm die Besorgnis mit und setzte hinzu: ›Wird es uns nicht gehen, wie Mynheer van Streef, der in der Pforte seines Landhauses zum zweiten Male auf Reisen geschickt werden sollte?‹
›Nein, mein Sohn‹, erwiderte er, ›die vortreffliche Frau ist bereits vor sechs Monden gestorben, von mir begraben und hinlänglich beweint worden.‹ – Ich zollte ihrem Andenken ebenfalls einige nachträgliche Zähren.
Auf Bodenwerder widmete sich mein Vater nun ganz dem Werke meiner Ausbildung. Denn obgleich ich, wie aus dem Verlaufe dieser Geschichte erhellt, schon als kleines Kind wie ein Buch sprach, so fehlte es doch meinem Wissen an Zusammenhang, der jetzt erzielt werden mußte. Einen Augenblick dachten wir daran – denn ich gab zu meinem Bildungswerke auch jederzeit meine Stimme – mich nach Lorinsers Ideen ohne Griechisch und Lateinisch bloß durch Haus- und Wirtschaftskenntnisse zum Manne zu machen, allein es entstand die Besorgnis, daß ich bei dieser Methode leicht wieder in meinen früheren Zustand versinken könnte, und es dann vielleicht nicht einmal bis zum Bock, sondern nur bis zum Schöps brächte. Wir ließen also Lorinser Lorinser sein und mein Unterricht wurde in der Art geregelt, welche ich in einer meiner früheren Erzählungen zu schildern versucht habe.
Noch oft unterredeten wir uns über die Einzelheiten meiner außerordentlichen Geschichte. – ›Sage mir nur, mein Sohn‹, sprach mein Vater eines Tages, ›welche historische Lehre ziehst du aus allen diesen unglaublichen Vorfällen?‹ – ›Vater‹, versetzte Münchhausen das Kind, ›die Geschichte ist erhaben über alle Lehren. Willst du aber aus der meinigen durchaus einen Satz ziehen, so ist es die einfache Wahrheit, welche jeder Student fühlt – daß die Söhne auf die Taschen ihrer Väter angewiesen sind.‹«
Hier machte der alte Baron noch einen letzten Versuch, den Strom Münchhausens zu hemmen, denn seine Kräfte waren schon halb gebrochen. Der Freiherr hatte aber auch jetzt Rat und Stärke, ihm zu begegnen, denn ehe der Schloßherr seinen Spruch vorbringen konnte, war bereits das zweite Manuskript entfaltet und die Geschichte »von den Poltergeistern in und um Weinsberg« angefangen.
Als der Freiherr auch diese zu Ende gelesen hatte, schlief der alte Baron, erschöpft von den Anstrengungen der letzten vierundzwanzig Stunden und den ausgezeichnet albernen Erzählungen seines Gastes einen festen und gesunden Schlummer. Der Freiherr stellte sich triumphierend neben den Sessel des Schlafenden und rief mit gedämpfter Stimme: »Habe ich dich endlich unter mir, du alter Nachtschwärmer und Ruhestörer?
Übrigens ist meine Lage auf diesem Schlosse bedenklich geworden«, fuhr er ernsthaft fort. – »Theoretisch darf man den Leuten so viele Dinge, welche der Pöbel Lügen nennt, vorsagen, als man will, aber wehe dem, der ihnen etwas in den Kopf setzt, woran sich ihr Eigennutz heften kann! Sie glauben's, sie glauben's, und die Schüler treiben den Meister in die Enge. Ich fürchte, daß ich einen Fehler begangen habe, als ich die Luftverdichtungsaktienkompanie hier zur Sprache brachte, und der würde schlimmer sein, als ein Verbrechen.«