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Emerentias Liebe glaubte, was Rucciopuccios Liebe beschworen hatte, besonders da der Eid auf den Affen Hannemann abgelegt worden war, der in Hindostan eines noch größeren Ansehens genießt, als je einem Affen in Europa, wo sie doch auch viel gelten, zuteil geworden ist. Alles hatte sich nun in den schönsten Einklang gesetzt; die Bestimmung der Tochter aus dem Gesamthause Schnuck, das Nußknacker-Ideal und der Fürst von Hechelkram unter der Hülle des kaiserlich birmanischen Kriegsbeamten aus Siena. Man konnte in diesem Falle sagen, die Erfüllung habe die Erwartung überflügelt.
War Emerentia in das tiefste Geheimnis ihres Rucciopuccio eingedrungen, so konnte sie sich dagegen nicht entschließen, ihm ihren wahren Namen zu entdecken. Der Geliebte war arglos und schwatzhaft; das merkte sie nach kurzer Bekanntschaft. Wie leicht war es möglich, daß er das Geheimnis ausplauderte, daß es über die Alpen zu den sechs feurigen Landjunkern drang, daß diese ihr Wort lösten, und nachgesprengt kamen, und dann – ade, du stilles Himmelsglück in Nizza! Für Rucciopuccio blieb Emerentia daher die Freiin von Schnurrenburg-Mixpickel, und hieß Marcebille, weil ihr dieser Taufname besonders süß und romantisch klang.
Es waren nun für beide Liebende die herrlichen Tage angebrochen, in welchen die Leute einander beständig beim Kopfe haben, Lippen auf Lippen pressen, in welchen, wenn die Geliebte nieset, der Liebende Äolsharfen und Engelsgesang zu vernehmen meint, und wenn der Geliebte ein Gähnen verbirgt, die Liebende einen neuen himmlischen Ausdruck in seinen teuren Zügen entdeckt, in welchen, lustwandeln sie miteinander, Sonne, Mond und Sterne beschworen werden, auf ihr Glück herabzuschauen, wenn sie sonst nichts zu sprechen wissen. Rucciopuccio und Emerentia machten alle diese Krisen der Liebe gründlich durch; besonders gingen sie viel miteinander spazieren. Er führte sie an das Meer, er führte sie auf die Alpen, er führte sie in Gärten, er führte sie in Olivenwäldchen, er führte sie bei Tage, er führte sie bei Nacht, und zärtlich rief sie oft, noch nie sei sie so anmutig geführt worden.
Ein leichtes Wölkchen am Horizonte ihrer Freuden war es, daß der Prätendent von Hechelkram nie Geld hatte. Er versicherte sie, er habe so und so viel tausend Lack Rupien vom Birmanen-Kaiser an rückständigem Solde zu beziehen, die jeden Posttag eintreffen könnten; indessen bis zum Eingange dieser Zahlung mußte sie ihm freilich mit ihrer Sparbüchse aushelfen. Als diese erschöpft war, sagte er, es müsse nun durchaus ein Wechsel des Schicksals vor der Tür stehen, und um diesem gleichsam symbolisch vorzuarbeiten, wolle er kleine Papierstreifen beschreiben, die in der Welt auch Wechsel genannt würden, weil sie die wunderlichsten Abwechselungen von Freiheit und Notwendigkeit hervorzubringen pflegten.
So flossen abermals einige Wochen in Liebesglück und Wechselverfertigung hin. Eines Abends gingen sie wieder in einer paradiesischen Gegend spazieren, angeweht von jenen Lüften dort, welche in die Brust des Kranken wie Balsam dringen, und der Wange des Gesunden gleich seidnen Händchen schmeicheln. Sie hatten sich ganz in hohe Ahnungen über Gott und Unsterblichkeit verloren, sie sprachen, daß es gleich in den Stunden der Andacht hätte abgedruckt werden können, da standen plötzlich acht Juden und sechszehn Häscher, denn jeder Jude hatte sich zwei Häscher auf den Leib gemietet, vor dem seligen Paare. Die Juden hielten Rucciopuccion ganze Hände voll symbolischer Papierstreifen unter die Augen, und die Häscher riefen auf italienisch: »Marsch!« indem sie ihre Spieße wie wegweisend ausstreckten.
»Um alle Heiligen, Geliebter!« rief Emerentia, »was ist dieses?« »Nichts, meine Teuergeschätzte, als eine höllische Kabale, Wechselarrest geheißen«, versetzte Rucciopuccio, der keinen Augenblick seine Fassung verlor. »Der Kaiser aller Birmanen ist ein Tyrann. Ein Tyrann, sage ich; ein schmählicher Tyrann! Er kann mich nicht entbehren, er reklamiert mich; ich soll ihm auch die siebente, achte und neunte Elefantenkompanie, die er inzwischen gebildet hat, organisieren helfen. Auf gradem Wege setzt er es nicht durch, da spielt er denn mit den ruppigen Juden unter einer Decke, (o wie klein für einen Kaiser!) die müssen mich hier in Wechselarrest setzen, und von da komme ich auf den Schub von Gefängnis zu Gefängnis, bis nach Hinterindien; ich sehe es voraus. O Fürstendienst! Fürstendienst! ******** Verlasset Euch nicht **** auf die Kinder der Menschen, weil bei ihnen kein Heil zu hoffen ist!«
Rucciopuccio hob bei diesen Worten die Augen gen Himmel und legte die Hand auf sein Herz, wie der Graf von Strafford, als man ihm ankündigte, daß Karl Stuart es sich gefallen lassen wolle, daß er, Strafford, sich für den König köpfen lassen wolle.
Emerentia aber näherte sich ihm zitternd, und rief: »Du verlässest mich, da – –« Sie flüsterte ihm etwas in das Ohr. Über das hellrotglänzende Antlitz Rucciopuccios legte sich eine Totenblässe, worauf ein Farbenspiel in demselben sichtbar ward, welches von allen sonst in menschlichen Gesichtern vorkommenden Färbungen so sehr abwich, daß selbst die Juden und Häscher erstaunt zurücktraten, und Emerentia außer sich hätte geraten müssen, wäre sie nicht mit sich und ihrem Geschick zu sehr beschäftigt gewesen.
Rucciopuccio erholte sich aber bald wieder, und sagte zu Emerentien mit ruhiger Freundlichkeit: »Dieses sind natürliche Folgen natürlicher Ursachen, die kein weiser Mann bestaunt. Verlasse dich auf mich, Marcebille, ich sprenge die Ketten des Tyrannen, ich komme wieder als Hechelkramischer Fürst, und hole dich ab von dem Schlosse deiner Väter zu Schnurrenburg. Der Geist legt mir ein Trostlied auf die Lippen, bewahre es im tiefsten Schrein des Herzens als heiliges Gemütsgeheimnis; daran wollen wir uns einst wiedererkennen:
Einst liebtest du den Nußknacker, Nach dem Nußknacker liebtest du mich; Nun holet das Schicksal, der Racker, Erst den Nußknacker, dann holt es mich! Der Nußknacker sank auf den Kehrich, |
Die Häscher verhinderten die Fortsetzung dieser Ode, indem sie ihn abführten. Emerentia sank in Ohnmacht. Zwei Juden brachten sie ihren bestürzten Eltern.