Jakob Wassermann
Joseph Kerkhovens dritte Existenz
Jakob Wassermann

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Es war die alte Geschichte vom »Volksfeind«, die sich erneuerte, die Erfahrung aller aufrichtigen Diener und Helfer der Menschheit. In einer großen Stadt wäre Kerkhoven vor Anfeindungen geschützt gewesen, die sich hier gegen seine Vereinzelung richteten. Er war eine zu überragende Persönlichkeit, um nicht durch sein Dasein und seine Sinnesrichtung allein den Haß der Unwissenden, den Widerstand der Masse herauszufordern. Hätte er sich auf die ärztliche Tätigkeit beschränkt, das bloße »Doktern«, niemand hätte ihm einen Stein in den Weg gelegt. Doch das Eingreifen ins Außerleibliche, die Einbeziehung von Kräften und Erscheinungen, die nach allgemeiner Ansicht mit seinem »Fach« nichts zu schaffen hatten, zum Beispiel die Sache mit der Hellseherin Thirriot, die so viel Aufsehen erregt hatte, war Anlaß genug, ihn zu verdächtigen. Moralisch-geistige Beeinflussung ist dem Arzt nicht verstattet, dazu hat ihm der Staat nicht das Diplom verliehen. Er hat bei seinem Leisten zu bleiben. Es nützt ihm nichts, wenn er aus der Überschreitung seiner Kompetenzen kein Geschäft macht. Die Öffentlichkeit duldet die Überschreitung nicht, ihre Wächter haben dafür eine so feine Witterung wie Jagdhunde für das Wild. Hätte er nur ein Geschäft daraus gemacht, das wäre ihm noch eher verziehen worden; Marktschreierei, Kurpfuscherei, Wunderheilerei mit Anpreisung und Erfolgsattesten: alles besser als die Staats- und gesellschaftsfeindlich wirkende Bemühung um verlorene Existenzen, um allerlei Flüchtlingsvolk und Verschwörerpack, das den Landsässigen das Brot wegfraß. Da war Vorsicht am Platz und Mißtrauen Bürgerpflicht.


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