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Jeanne Mallerys Stimmung bewegte sich in grellen Gegensätzen. Zwischen exaltierter Lustigkeit und trüber Schwermut war kein Übergang. Wenn Marie und Schwester Else sie aufsuchten und mit ihr in den Park gingen, war sie wie berauscht und schwatzte ununterbrochen wie ein Wasserfall, in einer zusammenhanglosen, oft sogar verworrenen Art; Ließ man sie dann fünf Minuten allein, so war sie wie ausgewechselt, alle Lebensgeister erloschen, sie drückte die Schultern zusammen, stierte ausdruckslos vor sich hin und erbebte beim geringsten Laut.
Daß sie nie vorher an Sinnestäuschungen gelitten hatte, war ziemlich sicher, obwohl im allgemeinen Sträflinge, die sich in jahrelanger Einzelhaft befinden, häufig von Gehörs- und Gesichtshalluzinationen befallen werden. Man wußte jedenfalls in der Anstalt nichts davon. Kerkhoven erkundigte sich eigens beim Gefängnisarzt, der ihm mitteilte, er habe keinerlei derartige Erscheinungen beobachtet, zweifle auch, daß sich je welche eingestellt hätten, da Jeanne Mallery während der ganzen sechs Jahre in einem Zustand vollkommener seelischer Erstarrung hin vegetiert habe; Ähnliches sei ihm in seiner Praxis kaum vorgekommen.
Es ließ sich also nur annehmen, daß die Befreiung aus dem Zuchthaus etwas bewirkt hatte, was dem Aufbrechen und Abfallen einer Kruste zu vergleichen war, ein Vorgang, der in der Sprache der Fachleute als rückläufige Erregung der Sinnesstätten bezeichnet wird. Kerkhoven legte aber keinen Wert auf die Einordnung in die Kategorie, er hielt sich an das Bild, versenkte sich in den einen, einzigen Menschen und schloß, phantasiemäßig schon, alles Generelle aus. Und da sah er die in der Freiheit jäh erwachte Seele, von einer gespensterhaften Hand in die Vergangenheit zurückgeschleudert. Nichts war abgebüßt, nichts vergessen, der furchtbare Kampf, den sie gegen das dämonisch-böse Weib um den Geliebten geführt, setzte sich fort, als wären die Jahre im Kerker nicht gewesen, als hätte sie den Tod der Frau nur geträumt; sie war wieder da, die unversöhnliche Heischerin und heischte Rechenschaft und Sühne; die Anklage, die sie erhob, übertönte in Jeanne Erinnerung und Gegenwart und statt sich endlich, wiedervereinigt mit dem Mann, ohne den es für sie kein Leben gab, dem langerstrebten Glück hinzugeben, erschien ihr dieses Glück als Einbildung und Trug, und die alte Schuld, die alte Angst, die alte Verfolgung würgten sie. Ein Beweis für die übermenschliche Gewalt, die von den Willensbesessenen selbst dann noch ausgeht, wenn sie zu Schatten geworden sind und den irdischen Schauplatz ihrer Taten verlassen haben.