Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Zenotia löst den Zauber, und der junge Antonio wird geheilt; sie räth aber zugleich dem König Polykarp, Arnaldo und seine Begleiter nicht zu entlassen.
Nur dadurch, daß Arnaldo und Polykarp Auristela mit Freude anschauen und betrachten konnten, so wie Sinforosa Periander, hatten sie die Geduld, seine lange Erzählung anzuhören, von der Mauricio und Ladislao meinten, sie sei etwas zu weitläuftig und nicht zum Ziele führend; auch habe man, um selbst erlebte Leiden zu erzählen, nicht nöthig, eine Beschreibung von den Freuden Anderer einzuflechten. Bei alle dem hatte die Geschichte ihnen Vergnügen gemacht, und sie freuten sich auf die Fortsetzung derselben, schon wegen des guten Vortrags und der schönen Sprache Perianders.
Antonio der Vater fand endlich Zenotia, die er selbst bis in den Gemächern des Königs gesucht hatte. Er zückte den Dolch so wie er sie erblickte, ergriff mit spanischem Feuer und in blindem Zorn die Zauberin mit der linken Hand, erhob den Dolch in der rechten und sprach:
»Gib mir meinen Sohn wieder, Du Hexe, lebend und gesund; denn wenn Du es nicht den Augenblick thust, so sei überzeugt, daß die Stunde Deines Todes gekommen ist. Hast Du sein Leben in eine Verhüllung gewickelt, und mit Nähnadeln ohne Auge und Stecknadeln ohne Knopf begraben, Du Verfluchte? oder hast Du es in einen Thürpfosten, oder an einem andern Platz verborgen, den Du allein kennst?«
Zenotia war entsetzt, da sie den entblößten Dolch in der Hand eines wüthenden Spaniers ihre Brust bedrohen sah, und versprach ihm zitternd Leben und Gesundheit seines Sohnes; ja, sie hätte ihm in diesem Augenblick versprochen, die ganze Welt gesund zu machen, wenn er es verlangte, so war ihre Seele von Angst ergriffen, und sie rief:
»Laß mich los, Spanier! und stecke Dein blankes Eisen in die Scheide, denn ähnliche Mordwerkzeuge Deines Sohnes haben ihn in diesen Zustand gebracht. Da Du weißt, daß wir Weiber von Natur rachsüchtig sind, und vorzüglich wenn verschmähte Liebe unsere Rachgier reizt, so wundere Dich nicht, daß die Härte Deines Sohnes auch mein Herz verhärtet hat. Rathe ihm, daß er hinfort menschlich sei gegen Überwundene, und Die nicht verschmähe, welche sein Mitleid anflehen. Geh' in Frieden, denn schon morgen sollst Du Deinen Sohn außer dem Bette und frisch und gesund sehen.«
»Geschieht dies nicht,« entgegnete Antonio, »so wird weder mein Bemühen nachlassen, bis ich Dich gefunden, noch meine Wuth, bis ich Dir das Leben genommen habe.«
Damit verließ er die Zauberin, die so voll Angst war, daß sie, der erlittenen Kränkung vergessend, aus einem Thürpfosten sogleich den bereiteten Zauber herauszog, der nach und nach das Leben des kräftigen Jünglings verzehren sollte, dessen Schönheit und liebliche Blüte ihr Herz gewonnen hatte. Kaum hatte Zenotia ihre teuflischen Präparate aus der Thüre gezogen, so kam auch die verlorne Kraft Antonio's wieder, sein Angesicht blühte wie zuvor in den schönsten Farben, seine Augen wurden hell und die Ohnmacht wich der jugendlichen Stärke, worüber alle seine Freunde eine große Freude empfanden. So wie sein Vater mit ihm allein war, sprach er zu ihm:
»Alles, was ich Dir jetzt vorstellen werde, mein Sohn, soll Dich ermahnen, nie gegen Gott zu sündigen. Das habe ich Dir, wie Du weißt, stets eingeschärft, seit funfzehn oder sechzehn Jahren, nämlich seit ich Dich in dem von meinen Vätern erlernten, wahren, katholischen Glauben unterwies, durch den Alle zum Heile gelangen, die in das Himmelreich eingehen, oder noch darin eingehen werden. Dieser heilige Glaube lehrt uns aber, daß wir nicht verpflichtet sind, Die zu strafen, welche uns beleidigten, sondern sie zur Besserung ihres Lebens zu ermahnen; denn die Strafe kommt dem Richter zu, die Ermahnung aber einem Jeden, wenn sie unter Bedingungen geschieht; die ich Dir nennen werde. Wenn Dich Jemand verleiten will, Etwas zu thun, wodurch Du Gott beleidigst, so ist es nicht an Dir, Deinen Bogen zu spannen und Deine Pfeile abzuschießen, noch Schmähungen auszustoßen. Befolgst Du nur den bösen Rath nicht, und entfliehst der Versuchung, so gehst Du als Sieger aus dem Kampf hervor, und frei und sicher vor einer ähnlichen Gefahr. Die Zenotia hatte Dich mit einem Zauber verhext, der in einer bestimmten Zeit, nach und nach, und ehe zehn Tage vergingen, Dir das Leben geraubt hätte, wenn nicht Gott und meine Vorsicht Dich retteten. Aber komm nun mit, erfreue Deine Freunde durch Deinen Anblick und laß uns Periander zuhören, der heut Abend seine Geschichte endigen wird.«
Antonio versprach dem Vater, mit dem Beistand Gottes alle seine Rathschläge zu befolgen, allen Schlingen der Verführung, die ihm noch bereitet werden könnten, zum Trotz.
Zenotia war ergrimmt, beleidigt und gekränkt durch den lieblosen Stolz des Sohnes, wie durch die Wuth und Verwegenheit des Vaters, und wollte ihren Schimpf nun durch eine fremde Hand rächen, ohne jedoch der Gegenwart des lieblosen Wilden zu entsagen. Mit diesen Gedanken beschäftigt und fest in diesem Entschluß ging sie zum König Polykarp und sprach zu ihm:
»Du weißt, Herr, daß ich, seit ich in Dein Haus und Deine Dienste kam, stets mit treuem Fleiß für Dich gearbeitet habe. Du weißt auch, wie Du meiner geprüften Redlichkeit vertrauend, alle Deine Geheimnisse bei mir niederlegtest. Als einem verständigen Manne wird es Dir ferner nicht unbekannt sein, daß in eignen Angelegenheiten, vorzüglich wenn verliebte Wünsche sich darein mischen, der Klügste zu irren pflegt; und deshalb wage ich, Dir zu rathen, Du mögest Deinen Vorsatz, Arnaldo und seine Gefährten ziehen zu lassen, nicht ausführen, da Dies völlig zwecklos und unvernünftig wäre. Denn sage mir: kannst Du jetzt Auristela's Einwilligung nicht erlangen, da Du sie hier hast, wie wirst Du sie erringen, ist sie erst fort? Und wird sie wol zurückkehren, ihr Wort zu halten, und die Gattin eines alten Mannes zu werden, denn das bist Du doch in der That, und in diesem Punkt kann Keiner sich über sich selbst täuschen, wird sie, sage ich, zurückkehren, da sie den Periander bei sich hat, der denn doch vielleicht ihr Bruder nicht ist, und Arnaldo, einen jungen Prinzen, der nichts Höheres wünscht, als sie zur Gemahlin zu gewinnen? Gestatte nicht, o Herr, daß die Gelegenheit, die Dir jetzt entgegenkommt, Dir den kahlen Hinterkopf statt des Stirnhaars biete. Leicht kannst Du ja einen Vorwand finden, die Fremden zurückzuhalten: als wolltest Du die Kühnheit und Verwegenheit dieses wilden Unmenschen bestrafen, den sie bei sich haben, und der es wagte, in Deinem Palast Jenen zu ermorden, den sie Clodio nannten. Thust Du dies, so wirst Du den Ruhm erlangen, daß nicht Parteilichkeit, sondern Gerechtigkeit Deine Handlungen leitet.«
Polykarp hörte aufmerksam auf Das, was die boshafte Zenotia ihm sagte. Jedes ihrer Worte durchbohrte sein Herz mit tausend Schmerzen, und er beschloß, ihren Rath so schnell als möglich zu befolgen. Schon glaubte er Auristela in Perianders Armen zu sehen, in welchem er nicht mehr den Bruder, sondern den Geliebten erblickte. Schon sah er sie mit der königlichen Krone Dänemarks auf dem Haupte, und wie Arnaldo seine Leidenschaft nur verspottete. Kurz der Wahnsinn jener höllischen Pest der Eifersucht ergriff seine Seele auf eine Weise, daß er schon laut rufen wollte, um Rache zu fordern an Menschen, die ihn nie beleidigt hatten.
Als Zenotia sah, wie er ganz nach ihrer Absicht gestimmt war, und bereit Alles zu thun, was sie ihm nur anrathen wollte, bat sie ihn, sich für jetzt zu beruhigen und am Abend Perianders Erzählung anzuhören, damit man Zeit gewinne, um nachzudenken, was zu thun sei.
Polykarp dankte ihr, und sie, eben so grausam als verliebt, schmiedete Ränke, wodurch ihre und des Königs Wünsche zugleich in Erfüllung gehen sollten.
Am Abend versammelten sich Alle, und Periander wiederholte mit wenig Worten das zuletzt Vorgetragene, um den Faden einer Erzählung wieder anzuknüpfen, der bei dem Wettstreit der Fischer abgebrochen ward.