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Es begab sich, vielgeliebter Leser, daß ich mit zweien meiner Freunde von dem berühmten Flecken Esquivias zurückkam, berühmt ist er aus mehreren Ursachen, erstlich wegen seiner edeln Familien, und zweitens durch seine noch edleren Weine.
Da hörte ich, wie uns Jemand in großer Eile nachgeritten kam, der, wie es schien, den Wunsch hatte, uns einzuholen, und diesen auch dadurch zu verstehen gab, daß er uns laut zurief, wir möchten nicht so schnell reiten. Wir warteten; da nahte sich auf einer Eselin ein grauer Student, er war nämlich ganz in Grau gekleidet. Er trug Stiefletten, runde Schuhe, einen Degen mit beschlagener Scheide und einen glatten, gesteiften Kragen, mit Bändern von derselben Art; freilich waren nur zwei daran, denn der Kragen hob sich immer auf die eine Seite, und er hatte viele Mühe und Noth, ihn immer wieder in Ordnung zu bringen. Als er uns eingeholt hatte, sagte er:
»Eure Gnaden wollen wol um ein Amt oder eine Präbende bei Hofe anhalten, der Erzbischof von Toledo und Seine Majestät befinden sich dort; ich schließe dies aus Eurem schnellen Reiten; denn meine Eselin war sonst auf Reisen oft der beste Renner.«
Einer meiner Begleiter antwortete darauf: »Das Roß des Herrn Miguel de Cervantes ist Schuld daran, es hat einen starken Schritt.«
Kaum hörte der Student den Namen Cervantes, so sprang er von seinem Thiere, indem das Sattelkissen von der einen, und der Mantelsack von der andern Seite herunterfiel, denn mit so großer Pracht war er ausgestattet. Er eilte auf mich zu, ergriff meine linke Hand und rief:
»Ja, wahrlich, er ist es, der verstümmelte Gesunde Cervantes hatte in der Schlacht bei Lepanto (1571) die linke Hand verloren. ( Anm.d.Hrsg.), überall Berühmte, der heitere Schriftsteller, mit Einem Wort, der Liebling der Musen.«
Da ich in so wenig Worten ein so großes Lob über mich aussprechen hörte, schien es mir unhöflich, mich nicht dankbar zu bezeigen; indem ich also den Hals des Fremden umfaßte wobei der Kragen nun völlig los ging, sprach ich:
»Dies ist ein Irrthum, in den viele, freundschaftlich Verblendete verfallen sind. Ich, Sennor, bin Cervantes; aber kein Liebling der Musen; auch gebühren mir die Artigkeiten nicht, die der Herr zu sagen beliebten. Sattelt Euer Thier wieder und steigt auf. Wir wollen das kleine Stück Weges, das uns noch übrig ist, in Gesellschaft zurücklegen.«
Der höfliche Student that, was ich ihm sagte, wir hielten unsere Pferde etwas schärfer im Zügel, und setzten in gemäßigtem Schritt unsern Weg fort. Die Rede kam auf meine Krankheit, und der freundliche Student sprach mir sogleich alle Hoffnung ab, und sagte:
»Eure Krankheit ist die Wassersucht, und es würde Euch kein Weltmeer von Getränk heilen können. Ihr müßt das Trinken mäßigen, mein Herr Cervantes, und Euch an das Essen halten, so werdet Ihr bald, ohne alle Medicin genesen.«
»Das haben mir schon Viele gerathen,« antwortete ich; »aber leider bin ich gezwungen, nach meinem Gelüste zu trinken, als wenn ich nur dazu geschaffen wäre. Mein Leben naht seinem Ende, und mein immer schwächer schlagender Puls wird wol künftigen Sonntag stille stehen, und ich meine Laufbahn beschlossen haben. In einem ungünstigen Zeitpunkt habt Ihr meine Bekanntschaft gemacht; denn es bleibt mir keine Frist, Euch für das mir bewiesene Wohlwollen meine Dankbarkeit zu bezeigen.«
Indem kamen wir an die Brücke von Toledo, ich ritt hinüber, und er nahm also Abschied von mir:
»Das Gerücht wird dafür sorgen, viel von diesem Zusammentreffen zu erzählen, meine Freunde werden es mit vielem Vergnügen verbreiten, und ich werde mit noch größerer Lust davon reden hören.«
Ich umarmte den Studenten noch einmal, und er wiederholte seine Freundschaftsversicherungen. Er spornte seine Eselin und wir trennten uns, ich in eben so schlechtem Befinden, als er schlecht beritten war, auf seinem Esel, der meiner Feder wol Gelegenheit gegeben hätte, etwas Ergötzliches zu schreiben; aber die Zeiten sind sich nicht gleich. Doch vielleicht kommt noch einmal die Zeit, wo ich diesen abgerissenen Faden wieder anknüpfen und Das erzählen kann, was noch fehlt und hieher gehört.
Lebe wohl, Scherz! Lebe wohl, Fröhlichkeit! und lebt ihr wohl, ihr heitern Freunde! Denn ich sterbe, und hoffe euch bald und freudig wieder zu sehen, in einem andern Leben.