Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Eilftes Capitel.

Sie kommen zu einer andern Insel, wo sie eine gute Aufnahme finden.


Periander lief hinzu und fand ihn völlig starr und todt. Alle hatte diese traurige, unglaubliche Geschichte in Schreck und Staunen gesetzt, und Auristela sagte:

»Dieser Schlaf macht es dem Jüngling unmöglich, uns zu erzählen, was ihm in der vergangenen Nacht träumte, und welch ein Schicksal ihn in dieses Elend und die Gefangenschaft der Barbaren gebracht hat; denn das mußten gewiß eben so traurige als seltsame Begebenheiten sein.«

Der Barbar Antonio erwiederte: »Unglück gibt es überall, und es trifft nicht den Einzelnen nur; auch kommt ein Leiden selten allein, und alle sind auf eine oder die andere Weise schwer zu ertragen; nur dann nicht, wenn sie dem Leben des Leidenden ein Ende machen.«

Es wurden sogleich Anstalten getroffen, den Ritter so gut als möglich zu bestatten. Sein eigner Mantel diente ihm zum Leichentuch und der Schnee zum Grabhügel, auf den sie das Kreuz pflanzten, das sie in einem Scapulier auf seiner Brust fanden, und woran sie erkannten, daß er ein Ritter vom Christusorden war. Aber dieses ehrenvollen Zeichens bedurfte es nicht, um seine edle Abkunft zu beweisen, die aus seinem adeligen Betragen und seiner klugen Rede hervorleuchtete. Auch Thränen fehlten seinem Leichenbegängniß nicht; denn das Mitleid erweichte alle Herzen und machte die Augen fließen.

Unterdessen brach der Tag an und sie zogen die Barken wieder in die Fluth, da das Meer eine ruhige Fahrt zu versprechen schien. So fuhren sie denn weiter, zwischen Furcht und Hoffnung, halb fröhlich und halb traurig, ohne zu wissen, wohin die Woge sie trug.

Alle diese Meere sind mit Inseln übersäet und die meisten derselben unbewohnt. Leben hin und wieder Menschen, so ist es ein rohes, fast ganz wildes Volk, ohne Menschlichkeit und von hochfahrender Gemüthsart. Bei alle dem wünschten die Reisenden doch irgendwo auf Menschen zu stoßen; denn sie meinten, diese würden doch nicht so hart und ungastfreundlich sein, als die Schneegebirge und die schroffen Klippen, welche sie hinter sich ließen.

Zehn Tage schifften sie noch fort, ohne irgend eine Bucht, ein flaches Ufer oder einen Landungsplatz zu finden. Rechts und links sahen sie wol viele kleine Inseln liegen, diese schienen aber alle menschenleer.

Auf einen hohen Berg lossteuernd, der sich ihnen in der Ferne zeigte, ruderten sie nun aus allen Kräften, um so schnell als möglich dahin zu gelangen; denn ihre Barken schöpften schon Wasser, und auf dem weiten Wege fingen die Lebensmittel an zu fehlen. Mehr durch den Beistand des Himmels, als die Kraft ihrer Arme, erreichten sie endlich die ersehnte Küste und sahen zwei Menschen am Ufer wandeln, die Transila mit lauter Stimme fragte, welch Land dies sei, wer es beherrsche, und ob katholische Christen hier wohnten.

In einer Sprache, die sie verstand, wurde ihr geantwortet: diese Insel heiße Golandia und gehöre unter katholische Herrschaft, sei aber eigentlich unbewohnt, denn es seien so wenige Menschen darauf, daß nur ein einziges Haus auf der Insel sich finde, welches Fremden zur Herberge diene, die in den Hafen einlaufen, der hinter einem Felsen liege, auf welchen der Sprechende mit der Hand deutete. Wenn ihr, fuhr er fort, wer ihr auch sein möget, euch von euren Beschwerden erholen wollet, so merket, wohin wir gehen, denn wir wollen euch nach dem Hafen führen.

Alle Schiffenden dankten Gott und folgten auf dem Meere Denen, die ihnen am Ufer voranschritten. Als sie um den Felsen bogen, sahen sie eine geschützte Bucht, die wol ein Hafen heißen konnte und worin ungefähr zehn bis zwölf Schiffe lagen, kleine, mittlere und große. Ihre Freude bei diesem Anblick war unbeschreiblich; denn sie faßten nun Hoffnung, ein besseres Fahrzeug zu erlangen und die gewisse Aussicht, diese öden Gegenden zu verlassen.

Sie landeten, und es kamen aus den Schiffen und aus dem Hause ihnen Menschen entgegen, sie zu empfangen. Auf den Schultern Perianders und der beiden Barbaren, Vater und Sohn, ward die schöne Auristela ans Land getragen, mit den Kleidern und dem Schmuck geziert, worin Periander von Arnaldo den Barbaren war verkauft worden. Ihr folgte die muthige Transila, die liebliche Constanza mit Ricla, ihrer Mutter, und alle Übrigen aus den Schiffen begleiteten diese herrliche Schaar, über welche Alle auf dem Meer und am Ufer in ein solches Staunen und solche Bewunderung geriethen, daß sie sich zur Erde warfen, als wollten sie Auristela ihre Huldigung darbringen. Sie betrachteten sie schweigend und ehrfurchtsvoll und ließen keine Sylbe vernehmen; denn ihre Seele war ganz in ihren Augen. Die schöne Transila, welche schon bemerkt hatte, daß sie ihre Sprache verstanden, brach zuerst das Stillschweigen und sagte:

»Zu eurer Gastfreundschaft führt uns das bisher uns so ungünstige Geschick. An unserer Tracht und Demuth könnt ihr erkennen, daß wir Friede suchen und nicht Krieg, da Frauen und schwer gebeugte Männer nicht zu kämpfen pflegen. Nehmt uns auf in eure Gastfreundschaft und eure Schiffe; denn so weit von diesen Fahrzeugen geführt, verläßt uns hier Zuversicht und Muth, uns von Neuem mit ihnen dem ungetreuen Meere anzuvertrauen. Können wir hier für Gold oder Silber das Nothwendige bekommen, so wollen wir euch reichlich belohnen für Alles, was ihr uns gebt und sei der Preis auch noch so hoch, werden wir es doch als ein Geschenk ansehen.«

Einer, der zu Denen zu gehören schien, die aus den Schiffen kamen, antwortete, o höchst wunderbar! in spanischer Sprache: »Sehr unverständig müßte Der sein, schönste Frau, welcher die Wahrheit dessen bezweifeln wollte, was Ihr sagt; denn kann die Lüge sich auch verstellen und die Hinterlist sich mit der Larve der Wahrheit und Redlichkeit bedecken, so ist es doch unmöglich, daß sie sich mit einer solchen Schönheit wie die Eurige verkleiden könnte. Der Besitzer dieser Herberge ist menschenfreundlich, und Alle, die in diesen Schiffen kommen, sind es nicht minder. Es steht bei euch, ob ihr sogleich diese Fahrzeuge besteigen oder euch in das Haus begeben wollt, an beiden Orten werdet ihr bedient sein, wie es solchem Adel geziemt.«

Da der Barbar Antonio seine Muttersprache vernahm, rief er aus: »Nun der Himmel mich an einen Ort geführt hat, wo die lieblich tönende Sprache meines Volkes meine Seele erquickt, so glaube ich das Ende meiner Leiden vor mir zu sehen. Laßt uns in die Herberge gehen, meine Freunde, und wenn wir uns ausgeruht haben, so wollen wir uns wieder auf den Weg begeben, mit größerer Sicherheit als bisher.«

Indem kam ein Schiffsjunge gelaufen, der in einem Mastkorbe gesessen hatte und sagte auf englisch: »Es zeigt sich ein Schiff, das mit geschwellten Segeln und günstigem Winde sich nach dieser Bucht wendet.«

Alle erschraken und ohne sich von der Stelle zu entfernen, erwarteten sie das Schiff, das ihnen angekündigt war. Als es näher kam, sahen sie auf dem ausgespannten Segel ein rothes Kreuz und erkannten auf einer Fahne, die von der Segelstange des größten Mastes wehte, das englische Wappen. Das Schiff feuerte zwei Kanonen und darauf noch ungefähr zwanzig Flinten ab, vom Lande ward ihnen das Friedenszeichen durch ein Freudengeschrei gegeben, denn man hatte kein Geschütz, um ihnen mit diesem zu antworten.

 


 << zurück weiter >>