Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Einleitung.


In Bezugnahme auf die Vorrede zum Don Quixote, wollen wir über vorliegendes Werk nur Folgendes hinzufügen.

Man sieht aus dem ersten Theile jenes einzigen und nie wieder erreichten Romanes, daß es seinem großen Verfasser nicht allzufern lag, sich selbst in einer Rittergeschichte zu versuchen; den man muß den gelehrt und mit Geschmack redenden Canonicus, in jenem Gespräch mit Don Quixote gegen Ende des ersten Theiles, wol für einen Repräsentanten halten, der die Einsicht und die Urtheile des Autors selbst vortragen soll. So verstanden auch die Zeitgenossen jene Capitel.

Die eigentliche Ritter- und Liebes-Poesie des dreizehnten Jahrhunderts war, so sehr sie auch in Frankreich, Deutschland, Italien und zum Theil in England verbreitet gewesen war, früh erloschen. Diese Gedichte, die fast andächtige Leser erwarten, wurden nach einiger Zeit abgekürzt und, vorzüglich in Frankreich und England, in Prosa aufgelöset, gewiß um sie allen Sinnen und auch dem weniger Gebildeten zugänglich zu machen. Italien nahm ebenfalls willig diese prosaischen Bearbeitungen auf, und jeder Abschreiber oder Ueberarbeiter zog zusammen, fügte hinzu, gruppirte die bekannten Helden der Abenteuer und erfand nach Gelegenheit neue Wunder und Seltsamkeiten. So zieht sich durch die ältere italienische Literatur der Sagenkreis von Arthur und Karl Magnus wie immerdar neu sich gestaltende Legende, in welcher die Knospen und Blüthen der ächten alten Poesie immerdar mehr abgestreift, oder unkenntlich werden.

Heitere Episoden, Witz und Scherz, auch üppige Schilderung waren jener wahren Ritterpoesie nicht fremd gewesen. Der Haus-Marschall des Artur, Herr Kay, ist immerdar mehr oder weniger eine lustige Person. Die Heldengesänge, die sich unsern Nibelungen anschließen, verschmähen das Possierliche nicht. Wie früh und wo einige Gedichte aus Karl Magnus Sagenkreis den fröhlichen, schon parodirenden Ton angenommen haben, in welchem der große Kaiser oft komisch, selbst verächtlich erscheint, ist noch nicht ausgemittelt.

Als Pulci und andere italienische Dichter sich der Ritterlegenden wieder bemächtigten, war es fast nothwendig geworden, den Ernst mit Scherz zu vermischen, und im heitern Übermuth das Gedicht selbst gewissermaßen zu parodiren. In diesem zweifelnden Schweben zwischen Poesie und Prosa, Ernst und Ironie, in dieser naiven Heiterkeit, welche religiösen Glauben, Tapferkeit, verliebte Leidenschaft und grelle Thorheiten mit der gleichen Liebe behandelt, liegt der Zauber des Bojardo und Pulci, und selbst geringere Autoren haben sich einige freundliche Strahlen dieses Lichtschimmers aneignen können.

Nun hat der Glanz des großen Ariost alle diese Lichter verdunkelt, mögen ihn jene auch in Erfindung, Mannichfaltigkeit und alterthümlicher Naivetät übertreffen. Fortinguerra und neuere parodirende Dichter der Italiener haben bei überwiegendem Muthwillen und in Sucht zum Phantastischen mit dem Ernst und der Leidenschaft auch den Garten der Poesie fast ganz verlassen, wenn gleich Witz, Schärfe der Charakteristik und die Eigenthümlichkeit der komischen florentinischen Sprache sehr zu loben sein mögen.

Nach Spanien scheinen sich die Rittergedichte aus Artus Sagenkreise weniger verbreitet zu haben. Der Sagenkreis der Nibelungen und des deutschen Heldenliedes scheint die Pyrenäen nicht überschritten zu haben. Die Sprache selbst bildete sich später aus, und die Romanzen der Mauren, die Geschichte des Landes, die Helden der Nation, Ronceval und die Pairs von Frankreich, vor allen aber der spanische Cid erklangen in den Liedern und erregten die Begeisterung der Nation.

Wann der berühmte Roman vom Amadis entstanden, und von wo er ausgegangen ist, ist noch immer nicht mit völliger Gewißheit ausgemacht. Man weiß aber, daß dieses Buch und Tirante der Weiße die ältesten Ritter-Romane sind, die, ohne sich an frühere Sagen oder Geschichten zu lehnen, sich ganz frei und ungezügelt einer phantasirenden Erfindung überlassen. Wenn der Tirante nur in einem engern Kreise von Lesern sich geltend machen und Freunde finden konnte, so hatten im Gegentheil die ersten und ältesten Bücher des Amadis sehr bald Freunde und Bewunderer in allen Ländern. Auf der pyrenäischen Halbinsel hemmte keine andere Lieblingsdichtung den Eingang für diese Verwicklungen, Leidenschaften, Liebe und Kampf: hier entzündete sich die Begeisterung am schnellsten, denn Sehnsucht und Phantasie mochten schon längst diese Töne erhofft und solchen Wundern entgegengesehen haben. Die Gesinnung dieser reichen Erfindung war offenbar die der Nation.

In andern Ländern war man der Verse, ihrer Monotonie, des Aufwandes an Poesie gleichsam müde geworden, und man erquickte sich an dieser vollen, tönenden und oratorischen Prosa. Das Bedürfniß, in dieser Melodie fortzuträumen, war so groß, daß dieser Amadis von verschiedenen Verfassern in vielen Büchern fortgesetzt wurde, in ungleicher Manier, bald mehr, bald weniger phantastisch, und die spätesten Bücher, mehr als ein Jahrhundert nach den ersten geschrieben, nehmen wieder aus Ariost und andern Dichtern wörtlich Stellen und Beschreibungen auf, welche sie in Prosa auflösen. So besitzen wir die Geschichten der Enkel und Urenkel des berühmten Amadis, ein weitschichtiges Werk, das heut zu Tage kaum irgend ein Liebhaber lieset, sondern Alle es nur durchblättern, und das schwer zu beurtheilen ist und gründliches Studium erfordert, um die Stelle auszumitteln, welche es im Zusammenhange und der Geschichte der Poesie einnehmen kann. Manche dieser Bücher sind dürr und unerfreulich, andere glänzen von sinnreicher Erfindung und reißen durch poetische Schilderung und glühende Leidenschaft hin. Die ersten vier Bücher, wenn sie auch nüchterner und mäßiger sind, stehen den Nachkömmlingen doch gleichsam als classisch voran. Diese genossen auch damals einer so großen Autorität, daß Bernhard Tasso, der Vater des berühmteren Torquato, jenen ersten Amadis in hundert Gesängen, zur Freude seines Fürsten und der Zeitgenossen, poetisch bearbeitete. Auch dieses Werk wird schon seit lange nur wenig beachtet. Dieser Freund des Ariost und Zeitgenosse des Macchiavell hat einen großen Fleiß und ein außerordentliches Talent, unendlich viele schöne und wohllautende Verse darauf verwendet, um diesen undankbaren Gegenstand mit allen bunten Farben aufzuschmücken. Sein Werk sank bald in Vernachlässigung und halbe Vergessenheit und die Liebhaber des Amadis wendeten sich zur alten Prosa und den prosaischen Übersetzungen.

In Spanien wurden nach diesem frühesten Vorbilde viele Rittergeschichten geschrieben, in allen Manieren. Keine erreichte den Amadis. Manche sind ganz dürr, in andern erlaubt sich eine kalte, willkürliche Phantasterei die tollsten Erfindungen. Wiederholungen, Nachahmungen, Entstellungen früherer Geschichten fehlen nicht. Manche, wie die Geschichte vom Reynold von Montalban (eins der bessern Bücher) nehmen wieder den Sagenkreis der Pairs von Frankreich auf, einige sind religiös und theologisch, und manche ergeben sich so dem Aberwitz, daß sie sich, unwissend, fast bitter parodiren.

Alle diese Caricaturen gefielen dem ernsten phantasiereichen Spanier über die Gebühr. Als man nur noch wenige Dichter im Lande zählte, hatte man eine überreiche Literatur dieser monotonen Erfindungen in vielen Folianten. Zum Theil ward durch diese allgemeine Verirrung des Geschmacks die Laune des großen Cervantes angeregt, und er dichtete, begeistert, seinen einzigen Don Quixote, in welchem, neben der Parodie jener Werke, die edelste Poesie, Patriotismus, Weisheit, tiefe Kenntniß der Menschen und der Welt, mit fröhlicher Lust und dem feinsten Scherz und Tiefsinn verbunden auf jeder Seite dieses herrlichen Werkes sprechen.

So wenig aber war er ein Gegner jener Ritterpoesie selbst, daß er noch in seinen letzten und reifsten Jahren, nach den Novellen und dem zweiten Don Quixote, diesen hier vorliegenden Persiles ausarbeitete und vollendete, den er vielleicht schon früher begonnen hatte.

Dieses bunte, seltsame Werk, Reiseabenteuer zweier Liebenden, ist wie eine Abzweigung jener prosaischen Ritterpoesie, oder jener steifen und unwahrscheinlichen Heldenromane anzusehen. Cervantes führt die wunderbare Geschichte in die vertrauliche Nähe seiner Leser; Spanien, das Vaterland, wird geschildert, berühmte Namen werden genannt und merkwürdige Begebenheiten angedeutet. Auf eine ähnliche Art, wie im Don Quixote, bindet er sich nicht genau an eine Chronologie, er nimmt die Zeit frei und poetisch, wenn gleich viele Stellen andeuten sollen, daß die Begebenheit sich während der Regierung Karl des fünften zuträgt. Dem widerspricht aber schroff die Figur der Rosamunde, die von England kommt, und an jene berühmte Rosamunde Clifford, die Geliebte Heinrich des Zweiten, erinnert. Ganz fabelhaft sind jene Inseln, auf welchen die Geschichte beginnt, aber Dänemark wird nicht weniger märchenhaft behandelt, wie es wol noch jetzt für viele Spanier in phantastischen Regionen liegen mag. Nun häufen sich im Buche die Drangsale und die Wunder. Im Eismeer eingefrorne Schiffe, ungeheure Wallfische, die mit ihrem Wasserstral das Schiff überschwemmen, astrologische Prophezeihungen, welche eintreffen, Piraten, brennende Inseln, unerhörte Lebensrettungen, Eifersucht und Liebe, Bosheit und Thorheit, Alles verschlingt sich so seltsam, daß Zauberer und Wehrwölfe, und ein leichtsinniger Tanzmeister, der mit seiner unnützen Kunst nach dem hohen Norden verschlagen wird, nur als Nebensachen sich geltend machen können. Die Erfindung ist oft so seltsam, und streift mehr wie ein Mal in das Unwahrscheinliche hinüber, daß es der launige Cervantes nicht unterlassen kann, sein Gedicht selbst ironisch zu betrachten und über die Unmöglichkeit der Begebenheiten zu scherzen. Auf den Reiz vieler Scenen, z. B. das Fest der Fischer, welches die Seeräuber benutzen, um die Bräute zu entführen, auf den Adel der Auristela, die frische Lieblichkeit der Constanza und so vieler Scenen und Figuren braucht man den aufmerksamen Leser nicht hinzuweisen.

Ton und Sprache sind höchst mannichfaltig. Sehr häufig hört man in wohlgerundeten Perioden das Pathos der Tragödie, die oratorische Kunst jener Ritterbücher ist nicht verschmäht. Anmuth der Landschaft, sanfte Regung der Liebe und des Wohlwollens lockt jene Töne hervor, die so zart von der beredten Lippe fließen. Oft, wie in der Geschichte der falschen Sklaven und der spanischen Alcalden, wird man unmittelbar an den Witz der reizenden Novellen des Cervantes erinnert.

Es ist zu wünschen und zu vermuthen, daß dies seltsame, reich ausgestattete Buch auch in unsrer verwöhnten Zeit noch Freunde und Leser finden werde.

Der Übersetzer hat es nicht an Fleiß und Mühe fehlen lassen, und mir scheint (so schwer, ja unmöglich es nicht selten ist), er hat den Schmuck und Reiz des Originales nicht entstellt. Immer ist unsere Sprache jener südlichen zu wenig verwandt, als daß man den Autor allenthalben in ganzer Schönheit der Rede hätte wiedergeben können.

Als Persiles erschien, wurde er in Spanien und Frankreich mit großem Beifall aufgenommen. In Frankreich las damals jeder gebildete Mann die spanischen Autoren, eben so in Italien. Auch in England hatte man Freude an diesen Dichtungen, und es ist sonderbar, zu bemerken, daß nach hundert Jahren etwa, oder noch früher, man in Deutschland, Italien und Frankreich die Dichtungen der Spanier gewissermaßen vergessen hatte. Karl der Zweite von England ließ aus Erinnerung einige berühmte Komödien der Spanier bearbeiten, die in seinem Lande Niemand kannte, der Franzose Le Sage durfte seine Nachahmungen der spanischen Komödien in seinen Erzählungen als Originale gelten lassen, und in Italien, wo das Theater eine Zeit lang fast nur freie Übersetzungen nach dem Spanischen gegeben hatte, waren jene nachgeahmten Originale wenigstens ganz vernachlässigt. Gegen den Schluß des dreißigjährigen Krieges ahmte ein Deutscher die Träume des Quevedo mit vielem Talent und Gewandtheit der Sprache nach, und Harsdorf und wenige Gelehrte hatten noch einige Kenntniß der Literatur, die früher den europäischen Gebildeten so mächtig angezogen hatte. Nur Don Quixote blieb über den Wellen und bezauberte die verschiedenartigsten Gemüther und Leser, jeden auf seine Weise.

Wie wir Deutsche uns erst den Calderon in neueren Zeiten wieder angeeignet haben, welche Verdienste um diesen sich W. v. Schlegel, wie um alle Literatur, erwarb, ist bekannt. Das Wiederauffinden dieses großen Dichters, Schlegels musterhafte Übersetzung einiger Meisterwerke berauschte die Jugend und erglühte manches Talent zu ungeziemenden Nachahmungen. Die musterhaften Arbeiten unsers Gries haben dann kräftig beigetragen, die Größe jenes verkannten Dichters wieder zu fassen. Man muß wünschen, der fleißige Übersetzer, welcher als Meister die Sprache so ganz in seiner Gewalt hat, möchte sein Unternehmen fortsetzen, sowie wir bedauern müssen, daß ein zu früher Tod v. Malsburg uns entriß, dessen Begeisterung für spanische Poesie auch außer seinen gelungenen Übertragungen des Calderon sich den Lope anzueignen versuchte, der bei uns noch wenig bekannt ist, obgleich früher Linguet und in unsern Tagen Lord Holland, auch Richard in Aachen uns durch Übersetzung wie Kritik den großen wundersamen Dichter haben erläutern wollen. Ein Deutscher, Faber, hat in Spanien selbst für die spanische Poesie viel gethan, und es ist sonderbar genug, daß durch deutsche Bemühungen jene einst so reich begabte Nation auf ihre Schätze wieder aufmerksam geworden ist, und wieder angefangen hat, die Vortrefflichkeit ihrer verkannten Dichter, besonders der dramatischen, von neuem einsehen zu lernen. Auch literarische Kämpfe haben diese rückschreitenden Vorschritte dort erregt, bevor jenes unglückliche Land in jenen politischen Streit und Bürgerkrieg gerieth, der es jetzt auf so elende Weise zerrüttet. Die durch französische Literatur Gebildeten wollten sich nämlich als Vertheidiger des sogenannten Classischen diesem fremden Einfluß widersetzen, und waren so aller Einsicht wie Patriotismus entfremdet, daß sie diese Würdigung ihres Calderon als eine einbrechende und zerstörende Barbarei behandelten.

» The Custom of the country« vom alten englischen Dramatiker Fletcher, ist zum Theil aus dem Persiles entlehnt, aber nur ungeschickt bearbeitet, die Geschichte des Polen und der großmüthigen Mutter, die Verwickelungen in Rom durch den Juden, wie auch die vornehme und reiche Curtisane, sind nicht poetisch benutzt, sondern eben nur als gewöhnliche Theater-Verwickelungen behandelt. Das Schauspiel an sich selbst ist wegen seiner Ausgelassenheit merkwürdig genug.

Im 29. Bande von spanischen Komödien, in Valencia gedruckt (eine seltne Sammlung), der 1636 erschien, also nur zwanzig Jahre nach Cervantes Tode, finden wir schon ein Schauspiel von Persiles und Sigismunda, welches dem Roman nachgeahmt ist. Es rührt von Zeitgenossen und dem Nebenbuhler Calderons her, Francesco Roxas, und wurde vermuthlich schon einige Jahre vor dem Drucke gespielt. Es ist eine der schwächsten und gewiß eine der frühesten Arbeiten dieses ausgezeichneten Dichters, dessen Wenceslaus, welchen der alte Rotrou, ein Freund des Pierre Corneille, einem Schauspiele des Roxas entlehnte, und welches sich noch gegenwärtig auf dem Repertoir des Théatre francais befindet Im Spanischen heißt das Stück: No ay ser padre siendo Rey. S. den 6. Bd. der großen Sammlung..

Der erste Act der spanischen Komödie von Persiles spielt ganz auf jener fabelhaften Insel, welche abbrennt, indem sich die streitenden Barbaren gegenseitig im Kampfe ermorden. Im zweiten Akte finden sich die Liebenden bei einem jungen Könige wieder, dem Sigismunda zur Gemahlin versprochen war, so wie sich früher Periander seiner Schwester verlobt hatte, bevor er Sigismunda kennen lernte. Fremde Meuterer wollen den König ermorden, und da der Verdacht mit einiger Wahrscheinlichkeit auf Persiles fällt, so wird er an Ketten in einem Gefängnisse einige Jahre grausam behandelt. Endlich erweicht sich das Gemüth des Königs, er läßt ihm die Ketten abnehmen, gewährt ihm einige Freiheit und nimmt sich vor, ihm völlig zu verzeihen, als Persiles in der Nacht Mittel findet, das Dach und die Zinnen des Palastes zu ersteigen. Sigismunda befindet sich auf einem andern Thurm, der Geliebte will zu ihr, sie geht ihm entgegen, um ihm zu helfen, und Beide stürzen von der Höhe herab und werden unten als Leichen gefunden. Ein Schluß, der den Leser um so mehr überrascht, da nichts vorher in Anordnung oder in der Darstellung, in Sprache oder Leidenschaft diesen völlig tragischen Ausgang irgend andeutet. Die Manier, die Antithesen der Scenen und Zufälle, Alles ist schon die ausgearbeitete Form des Calderon, welche sich schon in den letzten Lebensjahren des Lope gebildet hatte: doch ist dieses Schauspiel eines der schwächsten jenes Jahrzehnds, muß aber doch populär gewesen sein, da es in dieser Sammlung abgedruckt wurde.

Längst schon hätten die Spanier eine kritische Ausgabe der Schriften des Cervantes besorgen sollen, wie sie deren einige des Don Quixote versucht haben, die, wenn sie auch ungenügend sind, doch Lob verdienen, vorzüglich die des Pellicer. Auch die berliner Ausgabe, welche Ideler besorgte, klärt Manches auf und ist mit großer Sprachkenntniß ausgearbeitet. Aber die Galatea, die Komödien, wo Vieles ganz dunkel ist, die vortrefflichen Novellen, so wie gegenwärtiger Persiles, entbehren noch immer der Noten und Nachweisungen. Vorzüglich aber das witzige und satyrische Gedicht el Viage al Parnasso. Im Persiles gäbe es Vieles zu erläutern. Cervantes spielt auf manche Vorfälle an und deutet auf Menschen, die wir jetzt nicht mehr genau zu bezeichnen wissen. Da er an vielen Stellen des Buches zu verstehen gibt, oder ausdrücklich sagt, daß die Geschichte sich unter Karl dem fünften zuträgt, so läßt er prophetisch von Don Juan d'Austria und der Schlacht von Lepanto sprechen, ein großes Ereigniß, dessen er sich, da er selbst bei diesem Siege zugegen war, immer mit Rührung und Enthusiasmus erinnert; ebenso ist jener jugendliche Held ein Gegenstand seiner liebenden Verehrung.

Im ersten Theil des Don Quixote spricht er viel von den Kriegen der Spanier, so wie er im zweiten die Vertreibung der Morisken zu einer reizenden Novelle benutzt. Er preiset dort diese unglückliche Maßregel als nothwendig, weise und heilsam, die mit dazu beitrug, Spanien zu entvölkern und seinen Wohlstand zu vermindern. Diese Verblendung des Königs und einiger Räthe erhebt er auch, wieder im prophetischen Gesicht (da diese grausame Maßregel erst unter Philipp dem Dritten genommen wurde), als ein künftiges großes Glück. Man sieht, daß diese Lobpreisungen keine leeren Schmeicheleien sind, sondern daß er nur seine ernste Überzeugung ausspricht, und man kann sich nicht eines tiefen Bedauerns erwehren, daß auch so große klare Geister, wie Cervantes, von Vorurtheilen geblendet sich so weit verirren können. Er sah es so wenig ein, wie so viele seiner Zeitgenossen, daß der Verlust der Armada, die grausamen Kriege in den Niederlanden, der theure Besitz von Amerika und diese unmenschliche Vertreibung der Morisken, Spaniens furchtbare Macht schon gebrochen hatten, und den ehemals mächtigen Staat, zugleich durch unweise Regierung, der Schwäche und Verwirrung überlieferten.

Eine unverständliche Anspielung ist jener Pilger, der in einem der letzten Capitel in einem Album die verschiedenartigen Sentenzen sammelt. Gewiß ist ein wirkliches Buch und dessen Autor gemeint. Auch jener spanische Dichter ist mir unbekannt, der ein bitteres Sonett auf Rom dichtete, und dadurch jenes schöne und feierliche des Cervantes veranlaßte. Als künftigen großen Poeten preiset er den Torquato Tasso (Lib. V. Cap. 6.) und neben ihm den Franc. Lopez de Zarate. Dieser war damals jung und wahrscheinlich ein Freund des Cervantes. Nic. Antonius, der nicht freigebig ist in Preisen der Dichter, ergeht sich in seinem Lobe. Er starb, etwa im siebenzigsten Jahre 1658, war also, als Persiles erschien, noch nicht 30 Jahre alt. Schon 1619 erschienen von ihm lyrische Poesien, Romanzen und Eklogen, welche 1651 vermehrt und verbessert herauskamen. Lope de Vega erwähnt in seinem Laurel de Apolo (1630) mit Ruhm des Zarate; er schrieb langsam und feilte seine Arbeiten sehr. Ein rasender Herkules, eine Tragödie, wie sie der Autor nennt, und zwar ganz nach der Strenge der Regel (wie er sich einbildet), erscheint auch in dieser Sammlung. Sein Hauptwerk aber, welches die Spanier am höchsten stellen, und welches schon Cervantes kannte, ist sein Poema Heroyco de la Invencion de la Crux por el Emperador Constantino Magno. Madrid, 1648 in 4. Bis jetzt habe ich keine Gelegenheit gehabt, dieses Epos kennen zu lernen. Ein anderer, späterer D. Fernando Zarate hat dramatische Gedichte, Komödien, in der herkömmlichen Form geschrieben, von denen manche populär waren, und von denen sich mehrere in der großen Sammlung (48 Bände) befinden.

L. T.


Zueignung
an
Don Pedro Fernandez de Castro,

Grafen von Lemos, Andrade und Villalva, Marques von Sorria, Kammerherrn seiner Majestät, Präsidenten des obersten Rathes von Italien, Comthur der Comthurei von La Zarza, vom Orden von Alcantara.

Jene alten, zu ihrer Zeit gepriesenen Reime, welche anfangen: »Schon im Bügel mit dem Fuße«, passen besser, als ich es wünsche, zu diesem meinem Schreiben; denn, mit denselben Worten beginnend, mochte ich sprechen:

Schon im Bügel mit dem Fuße,
Und dem Tod entgegenschauend,
Schreib' ich, Herr, Dir dies zum Gruße.

Gestern empfing ich die letzte Ölung, und heute schreibe ich diese Worte. Die Zeit ist kurz, der Tod tritt näher und die Hoffnung vermindert sich; bei alle dem möchte ich mein Leben eines Wunsches wegen fristen, und mein Ziel nur noch so weit hinausrücken, daß ich Eurer Excellenz die Hände küssen könnte. Dann wäre es vielleicht möglich, daß die Freude, Eure Excellenz wohlbehalten in Spanien zu sehen, mein Leben erneuerte; ist es aber also über mich verfügt, daß ich jetzt sterben soll, so möge der Wille Gottes geschehen. Mindestens erfahre Eure Excellenz diesen meinen Wunsch, und zugleich, wie ich Denselben ein so ganz ergebener Diener war, daß ich auch nach meinem Tode einen Beweis meiner Treue zurücklassen wollte. Mit prophetischem Auge erfreue ich mich der Ankunft Eurer Excellenz, und sehe begeistert das allgemeine Entzücken. Es beglückt mich, daß meine Erwartung erfüllt, ja übertroffen ward, in dem Ruhm der Tugenden Eurer Excellenz. In meinem Gemüthe bewahre ich den Plan und einige Bruchstücke der Gartenwochen und des berühmten Bernardo. Sollte mir vielleicht der Himmel zu meinem guten Glücke das Leben noch erhalten, was ich eher für ein Wunder als ein Glück ansehen würde, so wollte ich Eurer Excellenz diese Werke sowol, als die Fortsetzung der Galatea, die sich, wie ich weiß, Eures Beifalls erfreut, zu Füßen legen, um Euch dadurch meine unveränderte Ergebenheit zu bezeugen. Gott möge Eure Excellenz in seinen heiligen Schutz nehmen.

Madrid, d. 19. April 1616.

Eurer Excellenz ergebener Diener
Miguel de Cervantes.


 << zurück weiter >>