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Zehntes Capitel.

Der junge Antonio verfällt in eine Krankheit.


Antonio zürnte seiner Hand, wegen des verfehlten Schusses; denn obwol er aus Irrthum richtig getroffen hatte, wußte er doch Clodio's Vergehen nicht und kannte Zenotia's Bosheit; deshalb wünschte er das eigentliche Ziel erreicht zu haben. Er nahte sich Clodio, um zu sehen, ob er noch ein Lebenszeichen an ihm fände, aber er war starr und regungslos. Er dachte über Das nach, was er gethan hatte, und hielt sich nun wirklich für einen Wilden. Sein Vater kam, und da er das Blut und Clodio's Leiche erblickte, erkannte er an dem Pfeil, daß die Hand seines Sohnes diesen Mord begangen. Er befragte ihn darum, und der Jüngling leugnete es nicht; er gestand auch dem Vater die Ursache, der voll Entsetzen und Erbitterung zu ihm sprach:

»Aus meinen Augen, Barbar! Wenn Du Denen das Leben raubst, die Dich lieben, was wirst Du gegen Jene beginnen, die Dich hassen? Bist Du so stolz auf Deine Sittsamkeit und Tugend, so vertheidige Deine Keuschheit und Ehre durch Duldsamkeit; denn dergleichen Angriffe lassen sich nicht mit den Waffen abwehren, noch dadurch, daß man dem Feind entgegengeht, sondern nur durch die Flucht. Kennst Du nicht die Geschichte des jungen Hebräers, der seinen Mantel in den Händen der wollüstigen Gebieterin zurückließ? Unbesonnener! Hättest Da doch lieber dies zottige Fell, das Dich bekleidet, fahren lassen und diesen Bogen weggeworfen, mit dem Du Dir einbildest, die Tapferkeit selbst besiegen zu können, statt ihn gegen ein wehrloses, verliebtes Weib zu spannen, die, wenn sie so weit gegangen ist, jede Schranke durchbricht, die sich ihren Wünschen entgegenstellt. Wenn Du mit dieser Gemüthsart durch das Leben gehst; wirst Du bis zu Deinem Tode ein Wilder sein, für Alle, die Dich kennen. Ich verlange nicht, daß Du gegen Gott sündigen sollst; sondern daß Du Diejenigen ermahnst und nicht bestrafst, die Dein reines Herz in Versuchung führen wollen. Du magst Dich immer auf manchen Kampf gefaßt machen: die Blüthe Deiner Jahre und die Schönheit Deiner Gestalt bedrohen Dich mit mannichfachen Gefahren. Wähne aber nicht, daß Du stets der Gefeierte sein wirst. Auch Du wirst lieben, und der Tod wird Dich vielleicht ereilen, ehe Du das ersehnte Ziel erreichst.«

Antonio hörte mit niedergeschlagenen Augen dem Vater voll Scham und Reue zu und erwiederte endlich: »Vergiß was ich that, mein Vater, denn ich bereue, es gethan zu haben. Ich, werde mich bemühen, mich zu bessern, und zwar auf solche Art, daß mich weder meine Härte zur Wildheit, noch die Weichheit zur Wollust verleite. Laß uns Anstalten zu Clodio's Beerdigung treffen, und ihm geschehe so viel Ehre als möglich.«

Unterdessen hatte sich die Nachricht von Clodio's Tode schon durch den ganzen Palast verbreitet, nicht aber die Veranlassung desselben; denn die verliebte Zenotia verschwieg sie sorgfältig, und sagte nur, der junge Barbar habe Clodio getödtet, und sie wisse nicht, weshalb.

Diese Begebenheit gelangte auch zu Auristela's Ohr, die Clodio's Brief noch in der Hand hielt, mit der Absicht, ihn Periander oder Arnaldo zu zeigen, auf daß sie diese Verwegenheit bestraften. Als sie nun hörte, wie der Himmel selbst dies Strafgericht übernommen hatte, zerriß sie das Blatt, um die Schuld des Todten nicht an's Licht kommen zu lassen, eine Gesinnung, die eben so klug als christlich war.

Obwol die Begebenheit den König Polykarp erschreckt hatte, und er es für eine Beleidigung ansah, daß irgend Jemand in seinem Hause wegen einer Kränkung sich zu rächen wagte, wollte er doch die Sache nicht untersuchen, sondern überließ Dies dem Prinzen Arnaldo, der auf Auristela's und Transila's Fürbitte dem Antonio verzieh, und Clodio beerdigen ließ, ohne die Veranlassung seines Todes zu untersuchen; denn er glaubte dem Antonio, welcher versicherte, er habe Jenen aus Irrthum getödtet, seine Zusammenkunft mit Zenotia aber verschwieg, um nicht für durchaus wild und unbarmherzig zu gelten.

Es wurde nicht mehr über den Vorfall gesprochen. Clodio war begraben, und Auristela konnte sich für gerächt halten, wenn sie in ihrem edlen Herzen einem Gefühl der Rache Raum gegeben hätte. Zenotia hingegen lechzte nach Rache und hatte keinen andern Gedanken, als wie sie den grausamen Bogenschützen bestrafen könne, der sich nach einigen Tagen krank fühlte und wegen zunehmender Schwäche das Bett bald nicht mehr verlassen konnte, so daß die Ärzte sagten, er sei nicht zu retten, ohne daß sie doch den Grund seiner Krankheit erkannten. Seine Mutter Ricla weinte, und seinem Vater Antonio blutete das Herz; Auristela und Mauricio konnte nichts erheitern, und Ladislao und Transila waren nicht minder bekümmert.

Polykarp nahm in dieser Noth seine Zuflucht zur Zenotia, seiner Rathgeberin, und bat sie, irgend ein Mittel für Antonio's Krankheit zu erdenken, da die Ärzte sie nicht heilen konnten, und nicht einmal ihren Ursprung erkannten. Sie gab dem König Hoffnung und versicherte, die Krankheit sei nicht tödtlich, die Genesung werde aber langsam erfolgen. Polykarp vertraute ihrem Wort, als wäre es der Spruch eines Orakels.

Alle diese Begebenheiten bekümmerten Sinforosa wenig, weil, wie sie hoffte, Perianders Abreise dadurch verzögert ward, dessen Anblick das Leben ihrer Seele war; und obwol sie wünschte, er möge abreisen, weil er nicht wiederkommen konnte, wenn er nicht ging, so beglückte seine Gegenwart sie doch so sehr, daß sie sich nicht entscheiden konnte, seine Abreise zu betreiben.

 

Einst fanden sich. Polykarp und seine beiden Töchter, Arnaldo, Periander, Auristela, Mauricio, Ladislao, Transila und Rutilio. zusammen. Dieser, seit er den Brief an Polykarpa geschrieben, war obwol er ihn zerrissen hatte, aus einem Gefühl der Beschämung, beständig traurig und nachdenklich, wie ein Verbrecher, der von Jedem, der ihn ansieht, meint, er errathe seine Schuld. Alle diese hatten sich im Zimmer des kranken Antonio eingefunden, wohin sie sich auf Auristela's Bitte begaben, die ihn und seine Eltern verehrte und liebte, der Wohlthat eingedenk, die der junge Mann ihr und ihren Begleitern erzeigte, als er sie aus der Feuersbrunst auf der Insel rettete und ihnen eine Zufluchtsstätte bei seinem Vater anbot. Da nun ein gemeinschaftlich ertragenes Leiden die Seelen verknüpft und Freundschaft erzeugt, und Auristela so Vieles mit Ricla, Constanza und den beiden Antonio's gemeinsam ertragen hatte, liebte sie diese Familie jetzt nicht mehr blos aus Dankbarkeit, sondern auch aus Wahl und Bestimmung.

Da sie also, wie gesagt, Alle versammelt waren, bat Sinforosa Periander sehr dringend, er möge ihnen Einiges von den Begebenheiten seines Lebens erzählen, vorzüglich wünsche sie zu erfahren, von wo er gekommen sei, als er zuerst auf der Insel landete und alle Preise in den Spielen und Festen gewann, die an jenem Tage, dem Jahrestage der Thronbesteigung ihres Vaters, gefeiert wurden. Periander antwortete, er wolle gern ihre Bitte erfüllen, wenn ihm gestattet würde, sein Lebensgeschichte nicht vom Anfang an zu erzählen, weil er Vieles nicht eher entdecken dürfe, als bis er mit seiner Schwester Auristela nach Rom gekommen sei.

Alle sagten, er möge hierin ganz nach seinem Willen vorfahren; ihnen würde Alles Freude machen, was er erzählen könne und wolle. Am begierigsten war Arnaldo auf diese Mittheilungen, denn er hoffte aus Perianders Erzählung vielleicht zu erfahren, wer er sei. Nachdem Periander die begehrte Erlaubniß erhalten hatte, begann er folgendermaßen.

 


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