Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Rutilio erklärt Polykarpa seine Liebe durch einen Brief, und Clodio Auristela. Rutilio sieht ein, daß sein Erkühnen zu groß ist und zerreißt, was er geschrieben; Clodio hingegen beschließt, seinen Brief abzugeben.
Rutilio und Clodio waren also darauf bedacht, ihr Geschick zu verbessern; der Erste seinem Witz und der Zweite seiner Unverschämtheit vertrauend, bildeten sie sich ein, ihre Blicke zu Polykarpa und Auristela erheben zu können. Rutilio fand ein besonderes Wohlgefallen an Polykarpa's schöner Stimme und ihrem muntern Wesen, und Clodio behagte Auristela's unvergleichliche Schönheit. Beide suchten Gelegenheit, ihre Neigung zu erklären, und ihnen fiel gar nicht ein, wie unanständig es für einen geringen Menschen aus niederm Stande ist, wenn er sich erkühnt, einer vornehmen Frau Das zu entdecken, was er nicht einmal wagen sollte zu denken.
Es trifft sich wol, daß das freie Betragen einer nicht sehr sittsamen, wenn auch vornehmen Frau einen niedrig gebornen Mann veranlaßt, seine Wünsche auf sie zu richten und ihr seine Absichten zu eröffnen. Einer vornehmen Frau muß es gar nicht möglich sein, sich anders als würdig, ernst und zurückhaltend zu betragen, ohne jedoch deshalb stolz, abstoßend und achtlos zu sein. Um so höher eine Frau durch ihren Rang steht, um so mehr Würde und Demuth soll sich in ihrem Wesen zeigen.
In diesen beiden neuen Liebhabern entsprang aber die Liebe nicht daraus, daß es ihren Damen an Sittsamkeit und würdiger Haltung fehlte. Mag sie nun entstanden sein, woraus es sei, kurz und gut, Rutilio schrieb an Polykarpa, Clodio an Auristela, und hier folgen beide Briefe.
Rutilio an Polykarpa.
Prinzessin, ich bin ein Fremder, und wenn ich Dir auch außerordentliche Dinge von meiner Abstammung sagen wollte, würden sie doch, da ich keine Zeugen habe, die sie bestätigen, vielleicht keinen Glauben in Deinem Herzen finden; obwol es zur Beglaubigung meiner vornehmen Herkunft keines andern Beweises bedarf, als daß ich die Kühnheit habe, Dir zu sagen, wie ich Dich anbete. Verlange welche Proben Du willst, um Dich von dieser Wahrheit zu überzeugen; an Dir wird es sein zu befehlen, und an mir zu gehorchen. Da ich Dich nun zu meiner Gemahlin begehre, so erwäge, daß meine Wünsche meinen Verdiensten angemessen sind, und deshalb Erhörung verdienen; denn nur ein hoher Sinn strebt nach hohen Dingen. Nur mit den Augen gib mir eine Antwort auf diesen Brief; in der Sanftmuth oder Strenge Deiner Blicke werde ich das Urtheil meines Lebens oder Todes lesen.
Rutilio versiegelte den Brief in der Absicht, ihn Polykarpa zu übergeben; denn er vertraute dem Sprichwort: Frisch gewagt ist halb gewonnen. Er zeigte aber Clodio noch vorher, was er geschrieben hatte, und Clodio zeigte ihm seinen Brief an Auristela, den wir hier gleichfalls unsern Lesern mittheilen.
Clodio an Auristela.
Einige werden durch den Köder der Schönheit in das Netz der Liebe gelockt, Andere durch Witz und Liebenswürdigkeit, und Andere wieder bewundern das hohe Gemüth Derjenigen, welcher sie ihr Herz ergeben. Aber ich habe aus einem ganz andern Beweggrunde meinen Nacken unter das Joch der Liebe gebeugt, mein Haupt dem Zügel dargeboten, meine Freiheit ihrem Gebot unterworfen und meinen Fuß in ihre Fesseln schmieden lassen. Das Mitleid war dieser Beweggrund; denn wo wäre ein Herz so verhärtet, das nicht gerührt würde, o Allerschönste, indem es Deine Leiden betrachtet, wie Du verhandelt und als Sklavin gekauft wirst, und in so große Bedrängniß geräthst, daß Du mehr wie einmal die Grenzen des Todes erreichst. Der erbarmungslose Stahl bedrohte Deine Kehle und das Feuer versengte schon den Saum Deines Kleides. Im Frost bist Du erstarrt, der Hunger hat die Rosen Deiner Wangen gebleicht, und zuletzt hat Dich das Meer verschlungen und wieder ausgeworfen. Bei allen diesen Leiden begreife ich nicht, woher Du Kraft nimmst, sie zu ertragen; denn die Liebe eines umschweifenden Königs ist doch ein geringer Trost, der Dir nur aus Selbstsucht nachfolgt, um Deine Gunst zu gewinnen; auch der Beistand eines Bruders, wenn er dies ist, kann Dein Elend nicht erleichtern. Vertraue nicht, Gebieterin, fern liegenden Versprechungen, sondern stütze Dich auf die Hoffnung einer nahen Hülfe, und erwähle ein Geschick, in welchem das Leben, das Dir der Himmel noch verleihen will, in Sicherheit kommt. Ich bin jung, und habe Talente, mit denen ich mir auch an den fernsten Grenzen der Erde meinen Unterhalt erwerben kann. Ich werde eine Veranstaltung treffen, Dich von hier zu führen, und den lästigen Bewerbungen Arnaldo's zu entziehen. Aus diesem Egypten will ich Dich befreien und in das Land der Verheißung führen, welches Spanien, Frankreich oder Italien sein wird; denn nach England, meinem geliebten Vaterlande, darf ich nicht zurückkehren. Vor Allem aber biete ich mich an zu Deinem Gemahl, und betrachte Dich von diesem Augenblick an als meine Gattin.
Als Rutilio Clodio's Brief gelesen hatte, sagte er ihm: »Wahrhaftig, wir Beide sind verrückt, da wir uns einbilden zum Himmel steigen zu können ohne Flügel, denn diese, welche unsere Verwegenheit uns ansetzt, sind die der Ameise. Sieh, Clodio, ich bin der Meinung, daß wir diese Blätter zerreißen, da nicht die Gewalt der Liebe uns gezwungen hat zu schreiben, sondern eine eitle müßige Laune; da die Liebe nur entstehen und wachsen kann, wenn sie von der Hoffnung unterstützt wird, fehlt ihr aber diese, so muß sie sterben. Wozu wollen wir uns also in diese Gefahr begeben, da wir nur verlieren und nichts gewinnen können? Denn uns erklären und Strick oder Messer an unserer Kehle fühlen wird ganz Dasselbe sein. Auch zeigen wir uns durch diese Leidenschaft nicht nur als Undankbare, sondern auch als Verräther. Begreifst Du nicht den Abstand, der zwischen einem Tanzmeister, der seine Lage dadurch verbesserte, daß er die Goldschmiedekunst lernte, und der Tochter eines Königs ist? und den Unterschied zwischen einem verbannten Verläumder, und einer Frau, die Königreiche verschmäht? Wir wollen uns auf die Zunge beißen, und unsere Reue soll eben so groß sein, als unsere Albernheit es war. Mein Brief mindestens soll eher dem Feuer oder Winde als Polykarpa übergeben werden.«
»Mache was Du willst mit Deinem Briefe, antwortete Clodio, »den meinigen, wenn ich ihn auch nicht Auristela gebe, denke ich zur Ehre meines Talents aufzuheben; obwol ich fürchte, daß ich, sollte ich ihn nicht abgeben, es Zeit Lebens bereuen werde, diese Reue empfunden zu haben; denn nicht immer bringt das Wagniß in Unglück.«
Diese Gespräche führten die beiden eingebildeten Liebhaber, die in der Wirklichkeit nur frech und thöricht waren.
Der Augenblick erschien nun, in dem Periander allein mit Auristela sprechen sollte, und er ging in der Absicht zu ihr, den geschriebenen Brief zu übergeben. So wie er sie erblickte vergaß er aber alle Reden und Entschuldigungen, die er ersonnen hatte, und rief aus:
»Erkenne mich wieder, o meine Geliebte! denn ich bin Periander, der ich einst Persiles war, und mich nun, weil Du es wolltest, Periander nenne. Das Band, mit dem unsere Seelen verbunden sind, kann Niemand zerreißen als der Tod. Wie magst Du mir also Etwas anrathen, was unsern heiligen Gelübden widerspricht? Beim Himmel beschwöre ich Dich, und bei Dir selbst, die Du schöner bist als der Himmel, nenne Sinforosa nie wieder, und wähne nicht, daß ihre Schönheit oder ihr Reichthum mich vermögen könnte, Deiner Tugend nicht mehr zu gedenken, oder die Schönheit Deines Körpers und Deiner Seele je zu vergessen. Alles was ich bin und habe, ist Dein, ich opfere es Dir von Neuem, ganz eben so, wie ich den ersten Tag, da ich Dich erblickte, meine Seele Dir hingab; denn stärker kann das Gefühl nicht werden, mit dem ich Dir ergeben war, seit dem Augenblick, da meinem Geiste der Glanz Deiner Tugenden zuerst leuchtete. Gott schenke Dir Gesundheit, meine Gebieterin, dann werde ich es möglich machen, dies Land zu verlassen, und so gut ich es vermag für unsere weitere Reise sorgen: obwol Rom der Himmel auf Erden ist, so ist es doch nicht im Himmel, und keine Mühe noch Gefahr soll uns abhalten, es endlich zu erreichen, wenn sie auch unsere Ankunft verzögern. Halte Dich an den Stamm und die Äste Deines hohen Muthes, und denke nicht, daß irgend Etwas in der Welt diesen zu erschüttern vermöchte.«
Während Periander sprach, betrachtete ihn Auristela mit Rührung, indem ihr Angesicht von den Thränen der Eifersucht und des Mitleids benetzt ward. Endlich aber siegten die feurigen Reden Perianders, sie erkannte die Wahrheit, welche aus jedem Worte leuchtete, und antwortete ihm:
»Es wird mir nicht schwer, Dir zu glauben, mein geliebter Freund, und ich bitte Dich voll Vertrauen, laß uns bald von diesem Lande scheiden; denn an einem andern Orte werde ich vielleicht von der Krankheit der Eifersucht genesen, die mich an dies Lager fesselt.«
»Hätte ich,« erwiederte Periander, »auf irgend eine Weise diese Krankheit veranlaßt, so würde ich geduldig Deine Klagen anhören, und in meinen Entschuldigungen fändest Du dann ein Mittel gegen Deine Leiden; da ich Dich aber nicht gekränkt habe, so ist nichts zu entschuldigen. Um Dein selbst willen flehe ich Dich an: erfreue die Seelen Derer, die Dich verehren, und thue es bald, damit der Schmerz um Deine Leiden mich nicht tödte. Ich werde thun, was Du mir befiehlst, und wir wollen dies Land so bald als möglich verlassen.«
»Um Deinetwillen beschleunige die Abreise, Periander,« sprach Auristela; »denn wisse, mit Schmeicheleien werde ich umstrickt und mit Versprechungen geängstigt, und nicht etwa sind diese von geringer Art, vielmehr ein Königreich wird mir angeboten. Polykarp, der König, wünscht mich zur Gemahlin und läßt durch Sinforosa, seine Tochter, um meine Hand werben; sie aber hofft, wenn ich ihre Mutter bin, durch meine Verwendung auch Deine Liebe für sie zu erringen. Ob dies möglich ist, weißt Du selbst am besten, und ob unsere Lage hier gefährlich wird, gebe ich Dir zu bedenken. Berathe Dich nun mit Deiner eignen Klugheit, und schaffe uns Rettung aus dieser Noth. Vergib mir, denn die Qualen des Argwohns haben mich gezwungen, Dich zu kränken; aber die Liebe verzeiht ja leicht, was die Liebe sündigte«
»Von ihr heißt es,« antwortete Periander, »sie könne ohne die Eifersucht nicht bestehen, welche, wenn sie aus unbedeutenden Ursachen entspringt, die Liebe wachsen macht und das Verlangen anspornt, damit es nicht in einem zu sichern Vertrauen erschlaffe, oder mindestens zu ermatten scheine. Deshalb bitte ich Dich, um Deines klaren Verstandes willen, betrachte mich künftig, nicht mit hellerem Blick, denn strahlender als der Deine gibt es keinen in der Welt, aber mit einer einfacheren und weniger ängstlichen Gesinnung, und laß Dich nicht aus Eifersucht zu einer Peinlichkeit verleiten, die uns Beide unglücklich macht. Übrigens suche mit Deinem klugen Sinne den König und Sinforosa hinzuhalten, denn ohne sie zu verletzen, kannst Du ihnen Antworten geben, die scheinbar einen glücklichen Erfolg hoffen lassen. Und nun lebe wohl, damit unser langes Gespräch nicht in irgend einem bösen Gemüth einen falschen Argwohn errege.«
Periander entfernte sich und begegnete Clodio und Rutilio vor der Thüre. Rutilio hatte eben seinen an Polykarpa gerichteten Brief zerrissen; Clodio aber faltete den seinigen zusammen und steckte ihn in den Busen. Rutilio bereute seine Thorheit, doch Clodio freute sich sehr über seinen Verstand, und war stolz auf seine Kühnheit. Aber die Zeit rückt fort, und der Augenblick wird kommen, wo er die Hälfte seines Lebens dafür hingäbe, diesen Brief nicht geschrieben zu haben.