Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Sie verlassen in dem Schiffe der Corsaren die schneebedeckte Insel
» Ich begreife es nicht,« sprach Mauricio, »wie Diejenige, welche die Göttin der Liebe genannt wird, in diese Wüste gerathen ist, in diese felsige Einöde, zwischen Schnee und Eis; Paphos, Gnidos, Cypern und die elysäischen Felder hat sie verlassen, wo keine Entbehrung ist und keine Noth. Sonst pflegt die Liebe nur in einem ruhigen Herzen und in einem zufriedenen Gemüthe zu wohnen, und nicht unter Thränen und Gefahren.«
Auristela, Transila, Ricla und Constanza erstaunten über das Geschehene, verhüllten aber ihre Verwunderung in Schweigen und begruben Taurisa unter vielen Thränen.
Nachdem Rosamunda aus ihrer tiefen Ohnmacht wieder zu sich gekommen war, stiegen Alle in das Boot, mit dem sie nach dem Schiffe steuerten, wo sie eine freundliche Aufnahme fanden und ihren quälenden Hunger stillen konnten. Nur Rosamunda erholte sich nicht wieder und in jedem Augenblick war ihr Tod zu erwarten.
Die Segel wurden wieder aufgezogen. Einige der Mannschaft weinten über den Tod der beiden Hauptleute, dann wurde ein neuer Befehlshaber gewählt und die Fahrt fortgesetzt, ohne ihr eine bestimmte Richtung zu geben; denn die Besitzer dieses Schiffes waren Corsaren und nicht Irländer, wie sie Arnaldo sagten, sondern Bewohner einer Insel, die sich gegen England empört hatte.
Mauricio, sehr unzufrieden mit dieser Gesellschaft, besorgte Gefahr von der eingewurzelten Schlechtigkeit und gewissenlosen Lebensweise dieser Menschen. So alt und wohlerfahren wie er in den weltlichen Dingen war, konnte er sich nicht beruhigen, aus Furcht, die wunderbare Schönheit Auristela's, die blühende herrliche Gestalt seiner Tochter Transila, die zarte Jugend und fremde Tracht Constanza's könnten böse Gedanken in diesen Seeräubern erwecken. Der junge Antonio bewachte sie wie ein Argus, und in der Nacht lösten er und Mauricio sich ab; wie getreue Wächter, deren Augen nie entschlummern, bewahrten sie diese zarten Schäflein, welche ihrem Schutz und Beistand vertrauten.
Rosamunda wurde durch die Schmerzen ihrer unerwiederten Liebe stets schwächer und in einer Nacht entschlief sie in einer Cajüte zu ewigem Schweigen. Ihre Gefährten hatten keine Thränen mehr für sie; aber sie beklagten ihren Tod in christlichem Mitleiden. Das weite Meer wurde ihr Grab, hatte aber nicht Wasser genug, um die Gluth zu löschen, welche die Schönheit des jungen Antonio in ihr angefacht. Er und seine Gefährten baten die Corsaren oft, sie in Irland oder Hibernien abzusetzen, wenn sie sie nicht nach England oder Schottland bringen wollten; diese erwiederten aber, ehe sie nicht eine gute Beute erjagt hätten, würden sie gar nicht an Land gehen, wenn es nicht geschehen müsse, um frisches Wasser oder Mundvorräthe einzunehmen. Ricla hätte sie wol mit ihrem Golde dazu vermögen können, Alle nach England zu bringen; aber sie wagte es nicht, ihren Schatz zu zeigen, damit er nicht geraubt werde, ehe sie ihn schenken konnte. Der Capitain gab ihnen eine abgesonderte Cajüte, wo sie gegen die Rohheit der Soldaten gesichert waren.
Auf diese Weise schifften sie drei Monate lang umher, legten an einer oder der andern Insel an, und gingen dann wieder in die offne See hinaus, so wie es die Corsaren, zu thun pflegen, die ihren Vortheil suchen. Zur Zeit der Windstille, wenn das ruhige Meer ihnen keine Fahrt gestattete, besuchte der neue Capitain seine Gäste in ihrer Cajüte, wo er und Mauricio die Frauen mit verständigen Reden und anmuthigen, stets anständigen Erzählungen unterhielten. Auristela, Transila, Ricla und Constanza waren mit ihren Gedanken mehr bei den Gegenständen ihrer Liebe und Sorge, als bei den Erzählungen Mauricio's und des Capitains. Bei alle dem schenkten sie eines Tages doch ihre Aufmerksamkeit der Geschichte, welche der Capitain ihnen erzählte, und die wir in den beiden folgenden Capiteln mittheilen.