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Alle beschließen, die Insel zu verlassen und ihre Reise fortzusetzen.
Jetzt sagte der Besitzer des Hauses: »Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll, daß die Witterung eine günstige Meerfahrt zu versprechen scheint. Die Sonne geht hell und klar unter, nah und fern zeigt sich keine Spur von Nebel, die Wellen spielen sanft am Ufer und die Vögel fliegen fröhlich über das Meer. Alle diese Zeichen verkünden ein dauerndes schönes Wetter und dies wird wol ein Beweggrund sein, daß mich diese ehrenwerthen Gäste wieder verlassen, welche das gute Glück unter mein Dach geführt hat.«
»Ja wohl,« antwortete Mauricio, »denn so werth und angenehm Eure edle Gastfreiheit uns auch ist, so gestattet doch die Sehnsucht nach unserm Vaterlande nicht, daß wir sie lange genießen. Ich wenigstens denke in den ersten Stunden der Nacht unter Segel zu gehen, wenn mein Pilot und diese Herren Soldaten, welche mit uns reisen, derselben Meinung sind.«
Arnaldo erwiederte: »Der Verlust der Zeit kann nie ersetzt werden, und vorzüglich ist sie bei der Schifffahrt unwiederbringlich.«
Alle die im Hafen lagen, kamen darin überein, in der nächsten Nacht die Fahrt nach England zu beginnen, wohin Alle schiffen wollten. Arnaldo stand vom Tische auf, ergriff Periander bei der Hand und ging mit ihm vor die Thüre hinaus und in der stillen Einsamkeit, wo sie von Niemand behorcht werden konnten, sprach er folgendermaßen zu ihm:
»Es ist nicht möglich, geliebter Periander, daß Deine Schwester Auristela Dir nicht von meiner Liebe zu ihr Etwas gesagt haben sollte, die ich ihr in den zwei Jahren, während welcher sie in der Gewalt meines Vaters war, stets gezeigt und die nie anders als tugendhaft und ehrfurchtsvoll war; denn nie kam ein Wort über meine Lippen, was ihre Keuschheit verletzt haben könnte; nie verlangte ich mehr von ihren Verhältnissen zu wissen, als was sie selbst mir aus freiem Willen mittheilte. In meiner Vorstellung war sie nicht eine Frau aus niederm oder geringem Stande, sondern die Königin der Welt; da ihre Tugend, ihre Würde und ihr hoher Geist, der Alles übertrifft, mir nicht erlaubte, anders von ihr zu denken. Tausend Mal bot ich ihr meine Hand, und zwar mit meines Vaters Einwilligung, und fürwahr, dies Geschenk schien mir nur allzugering für sie. Sie antwortete mir immer: ehe sie nicht die Stadt Rom erreicht habe, wohin sie gehe, um ein Gelübde zu erfüllen, könne sie nicht über sich verfügen. Nie wollte sie mir ihren Stand noch ihre Abkunft entdecken, und ich, wie ich schon gesagt, drang auch nie deshalb in sie; denn sie, an sich selbst, und ohne den Schmuck eines andern Adels, verdient nicht allein die dänische Krone zu tragen, sondern auch Herrscherin der ganzen Erde zu sein. Dies Alles habe ich Dir nun, gesagt, Periander, damit Du, als klug und verständig, überlegen mögest, daß es kein geringes Glück ist, was Dir und Deiner Schwester die Hand bietet: ich verspreche hier feierlich, sie zu meiner Gemahlin zu nehmen, und bin bereit, dies Versprechen zu erfüllen, wann und wo es ihr gefallen wird, entweder hier unter diesem niedern Dach, oder in den goldgeschmückten Tempeln der hohen Roma. Ebensowol verspreche ich Dir, die Grenzen der Sitte und zarten Rücksicht nie zu überschreiten, obwol Beides leicht von der Glut einer heftigen Leidenschaft besiegt wird, die oft nur nach dem Nächsten trachtet, und alles Künftige zu vergessen pflegt.«
Arnaldo hatte seine Rede geendigt und war sehr gespannt auf Perianders Antwort, der also zu ihm sprach:
»Ich fühle tief, edelmüthiger Arnaldo, wie sehr ich und meine Schwester Dir verpflichtet sind für alle die großen Wohlthaten, die Du uns bisher erzeigt und für die größte, die Du uns erzeigen willst dadurch, daß Du mich zu Deinem Bruder und sie zu Deiner Gemahlin erheben willst; aber scheint es auch ein Wahnsinn, wenn zwei arme, aus ihrem Vaterland verbannte Pilgrime, nicht schnell und mit offenen Armen das Glück umfangen, was ihnen entgegentritt, so muß ich Dir doch sagen, daß es uns eben so unmöglich ist, Deine hohe Gnade anzunehmen, als je undankbar dafür zu sein. Meine Schwester und mich führt das Geschick, wie eigne Wahl, nach der heiligen Stadt Rom, und ehe wir sie erreicht haben, können wir nicht sagen, daß unser Dasein noch unser freier Wille uns selbst. gehört. Wenn der Himmel es uns vergönnt, die heiligste Erde zu betreten und ihre ehrwürdigen Reliquien zu verehren, dann wird es uns wieder erlaubt sein, über unsern jetzt gebundenen Willen frei zu schalten, und dann werde ich keinen andern Willen haben, als Dir zu dienen. Auch kann ich Dich versichern: erreichst Du die Erfüllung Deiner tugendhaften Wünsche, so wirst Du eine Gemahlin haben, aus dem edelsten Geschlecht entsprossen, und einen Schwager, der Dir Bruder sein wird. Ich bitte Dich, daß Du den vielen Wohlthaten, die Du mir und meiner Schwester erzeigt hast, noch eine hinzufügst, daß Du nämlich nichts weiter von unserm Leben zu wissen verlangst, damit Du mich nicht zwingst, ein Lügner zu werden und Dir eine ersonnene und fabelhafte Geschichte zu erzählen, da ich unsern wahren Zustand nicht offenbaren darf.«
»Schalte über mich, mein Bruder,« erwiederte Arnaldo, »ganz nach Deinem Willen und Belieben. Bilde Dir ein, ich sei das Wachs, und Du das Siegel; denn ich nehme jedes Gepräge von Dir an. Wenn es Dir gefällt, so wollen wir diese Nacht unter Segel gehen und unsern Lauf nach England richten, von dort können wir leicht nach Frankreich überfahren, und von da nach Rom gelangen. Auf welche Art ihr aber auch reisen wollt, ich wünsche euch zu begleiten, wenn es euch angenehm ist.«
Obwol dies letzte Anerbieten Periandern nicht erfreulich war, nahm er es doch an, und hoffte auf Zeit und Umstände, welche oft alle Verwickelungen lösen. Die beiden Schwäger in Hoffnung umarmten einander und gingen in das Haus zurück, um Anstalten zu ihrer Abreise zu machen.
Auristela hatte bemerkt, wie Arnaldo und Periander sich miteinander entfernten, und sie erwartete mit Bangigkeit das Ende ihrer Unterredung. Obwol sie die Tugend des Prinzen Arnaldo und die Klugheit Perianders kannte, schreckte sie doch die Furcht vor tausend Gefahren. Sie dachte, da Arnaldo's Macht eben so groß war wie seine Liebe, könne er endlich statt der Bitten Gewalt anwenden; denn in dem Herzen verschmähter Liebender verwandelt sich oft Geduld in Wuth und Sitte in Rohheit. Als sie aber Beide so friedlich und einträchtig zurückkommen sah, belebte sich ihr erstorbener Muth aufs Neue.
Der boshafte Clodio hatte indeß erfahren, wer Arnaldo sei; er warf sich ihm zu Füßen und flehte ihn an, er möge ihm die Ketten abnehmen lassen und ihm gestatten, sich von Rosamunda zu trennen. Mauricio erzählte dem Prinzen, wer Clodio und Rosamunda waren, sowie von ihrer Schuld und Strafe. Arnaldo hatte Mitleiden mit ihnen und bewog den Capitain, dem sie anvertraut waren, sie zu entfesseln und ihm zu übergeben; auch nahm er es auf sich, ihre Verzeihung vom König zu erlangen, weil er dessen Freund war. Der boshafte Clodio sprach:
»Wären alle Fürsten darauf bedacht, Gutes zu thun, so würde kein Mensch daran denken, Böses von ihnen zu sagen; aber wie kann Der, welcher böse handelt, erwarten, daß gut von ihm gesprochen werde? Und wenn die Bosheit der Welt gute und tugendhafte Thaten verleumdet, warum soll es dann den Bösen besser ergehen? Wie kann Der, welcher Unkraut säet, hoffen, gute Frucht zu ernten? Nimm mich mit, Prinz, Du wirst sehen, wie ich Dein Lob bis zum Himmel erheben werde.«
»Keinesweges,« erwiederte Arnaldo, »will ich, daß Du mich wegen dessen preisest, was ich aus natürlichem Antrieb thue; um so mehr da das Lob nur in so fern gut ist, als Der gut ist, von dem es kommt, und eben so zur Lästerung wird, wie Der böse, und lasterhaft ist, der es ausspricht. Der gute Ruf ist ein Lohn der Tugend, und lobt uns ein tugendhafter Mann, so ist es uns ein Ruhm; lobt uns aber ein Lasterhafter, so ist es eine Schmach.«