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Die unmögliche Erdkugel – Die unmögliche Eisenbahn – Der unmögliche Kraftwagen – Was selbst dem lieben Gott nicht möglich ist – Kleine und große »Unmöglichkeiten« – Das unmögliche Luftschiff – »Unmöglichkeiten« der Wissenschaft – Relative und absolute Unmöglichkeiten – Es gibt Unmöglichkeiten – Der Unmöglichkeitsbeweis – Der Wettlauf mit der Schildkröte
Im Jahre 1483 trug Christoph Kolumbus dem König Johann II: von Portugal seine Theorie vor, daß die Erde, die damals noch allgemein für eine runde, auf dem Weltmeere schwimmende Scheibe gehalten wurde, im Wahrheit eine Kugel sei und daß auf der entgegengesetzten Kugelhälfte das Land Indien liege; daher müsse es möglich sein, nach diesem Land, das bis dahin stets nur auf dem Ostwege erreicht werden konnte, auch von Westen her auf dem Seewege zu gelangen, und Kolumbus entwickelte seinen Plan, durch eine Umschiffung der Erdkugel dieses Gelobte Land zu erreichen. Der König berief eine Kommission von Gelehrten zur Prüfung jener Theorie und ebenso jenes wagehalsigen Unternehmens ein. Und die Hofgelehrten kamen nach langen und reiflichen Beratungen zu dem Ergebnis, daß es unmöglich sei, daß die Erde eine Kugel sein könnte, weil ja dann die Erdbewohner auf der entgegengesetzten Erdhälfte mit dem Kopf nach unten und den Beinen nach oben an der Erde hängen müßten wie die Fliegen an der Zimmerdecke, und daß es daher also auch unmöglich wäre, Indien auf einem anderen als dem gewohnten Ostwege zu erreichen. Kolumbus wurde urkundlich für einen Ignoranten, einen Schwätzer und Träumer erklärt und sein Projekt von dem portugiesischen Hofe abgewiesen. Neun Jahre später aber bewies er durch seine Entdeckerfahrten, daß die Kugelgestalt der Erde nicht nur möglich, sondern sogar Wirklichkeit sei, und gelangte er auch nicht nach Indien, so doch nach Amerika und erschloß so der Kulturwelt einen neuen Erdteil. Eine Unmöglichkeit war möglich geworden, und hätten jene portugiesischen Hofgelehrten damals nicht so schnell ihr Verdikt »unmöglich« abgegeben, so wären aller Wahrscheinlichkeit nach die Portugiesen und nicht die Spanier Herren der Neuen Welt geworden, und die Weltgeschichte hätte in vielem einen anderen Verlauf genommen.
Im Jahre 1828 hatte die englische Regierung eine Kommission von Gelehrten und Fachbeamten eingesetzt, die das Projekt einer Eisenbahn auf der Strecke Liverpool-Manchester prüfen sollte. Schienenbahnen wurden damals bereits mehrfach betrieben, aber nur mit Pferden oder stehenden Dampfmaschinen, die die Wagen an langen, über Trommeln laufenden Seilen vom Start zu Ziel wanden. Ganz vereinzelt wurden solche Bahnen auch mit den neuartigen Lokomotiven betrieben, die wie Pferde vor die Züge gespannt wurden. Aber dieser Betriebsweise brachte man damals allgemein noch das größte Mißtrauen entgegen, woran allerdings die Mangelhaftigkeit und geringe Leistungsfähigkeit jener ersten Lokomotiven, der »eisernen Pferde«, wie sie spöttisch genannt wurden, zum guten Teil Schuld haben mochten. Nur für die Schienenbahnen der Bergwerke, zum langsamen Kohlen- und Gütertransport derselben, waren bis dahin solche neumodischen Lokomotiven verwandt worden, für den Betrieb einer richtiggehenden Landbahn, die außer Güterwagen auch Wagen zur Personenbeförderung mit sich führen sollte, hielt man jene fauchenden, rauchenden und funkensprühenden Ungetüme weder für geeignet noch würdig. Für die projektierte Bahnstrecke Liverpool – Manchester nun war zum ersten Male die Verwendung von Lokomotiven erwogen worden, und zwar auf Betreiben des Maschinen- und Eisenbahnbauers George Stephenson, der schon mehrere Lokomotivbahnen für Bergwerke in Betrieb gesetzt hatte und nunmehr auch mit allem Eifer für die allgemeine Verwendung von Lokomotiven zum Bahnbetrieb eintrat, von der er der Mitwelt ungeahnte Vorteile, viel größere Schnelligkeit und Leistungsfähigkeit und erheblich mehr Ersparnis an Zeit und Geld als durch den Pferdebetrieb oder durch stehende Zugmaschinen versprach.
Diesen Versprechungen aber stand man sehr skeptisch gegenüber, und jene Kommission sollte prüfen, was von solchen Versprechungen zu halten wäre und ob sich die Verwendung von Lokomotiven für die geplante Bahnstrecke empfehle. Und die weisen und gelehrten Herren waren von der Unmöglichkeit des Projektes Stephensons viel mehr als von seinen Vorteilen überzeugt. »Glauben Sie wirklich, daß eine solche Lokomotive eine Geschwindigkeit von vier englischen Meilen (etwa sechs Kilometer) in der Stunde erreichen könnte?« fragte der Vorsitzende der Kommission Stephenson. »Gewiß«, meinte dieser. »Etwa auch acht Meilen?« fragte jener skeptisch und ironisch lächelnd weiter, und auch diese Frage bejahte Stephenson mit Entschiedenheit. »Angenommen nun aber den Fall,« fuhr der Vorsitzende fort, »Ihre Maschine käme mit einer Geschwindigkeit von acht Meilen dahergerast und eine Kuh hätte sich auf das Gleis verirrt, das könnte doch sehr böse Folgen haben.« »Gewiß, besonders für die Kuh!« antwortete ihm darauf Stephenson schlagfertig. Dann mischte sich ein anderes Mitglied der Prüfungskommission in die angeregte Auseinandersetzung und erklärte: Eine Geschwindigkeit von zehn englischen Meilen zu erreichen, wie sich Mr. Stephenson anheischig mache, sei unmöglich, denn bei einer solchen Geschwindigkeit müßte der entstehende Luftreibungswiderstand so groß werden, daß die Wagen in Brand gesetzt und vernichtet würden! Und ein weiteres Kommissionsmitglied berief sich zur Kennzeichnung des wahnsinnigen Projektes auf eine diesbezügliche Abhandlung von anerkannt fachmännischer Seite in der hochangesehenen Zeitschrift »Quarterly Review«; dort stand wörtlich zu lesen: »Was könnte wohl handgreiflicherer Unsinn, was alberner und lächerlicher sein als die Idee, Lokomotiven zu bauen, die die doppelte Geschwindigkeit der Postkutschen haben sollten? Ebensogut ließe sich annehmen, daß sich ein Mensch auf einer Kanonenkugel abfeuern ließe, wie daß er sich einer solchen Feuermaschine anvertrauen würde!« So urteilten Fachleute, die Gelehrten und Ungelehrten, über die Idee der Verwendung von Lokomotiven zum Bahnbetrieb. Unmöglich, unmöglich, unmöglich! schallte es Stephenson von allen Seiten her entgegen. Der hatte demgegenüber einen schweren Stand, aber schließlich wußte er die Kommission wenigstens so weit für sein Projekt zu gewinnen, daß ihm die Erlaubnis zur Anlage einer Versuchsbahn erteilt wurde. Die Bahn wurde gebaut, und am 7. Oktober 1829 fand auf der Strecke eine Wettfahrt von vier Lokomotiven mit Personen- und Güterwagen statt, bei der diejenige von Stephenson glänzend Sieger blieb und zugleich der staunenden Mitwelt ad oculos demonstriert wurde, daß das für absolut unmöglich Gehaltene dennoch möglich geworden war und die so mißgünstig beurteilte Lokomotive sich jeder anderen Art des Bahnbetriebes als ungeheuer überliegen erwies. Der Sieg über das vermeintlich Unmögliche bedeutete den Beginn einer neuen Ära in der Verkehrs-, Kultur- und Geistesgeschichte der Menschheit.
Stephenson, der so schwer und lange gegen die Unmöglichkeitstheoretiker anzukämpfen hatte, ehe es ihm gelang, diesen zum Trotz seine Ideen möglich zu machen, hat dann später freilich selbst einmal ein »Unmöglich« gesagt, und zwar auch ohne zureichenden Grund. Auch dabei handelte es sich um einen Verkehrsfortschritt und ein neuartiges Fahrzeug. Und das kam so: Nachdem sich die Eisenbahnen und Lokomotiven so erfolgreich bewährt hatten, wurden in England auch Versuche ausgenommen zum Bau von Dampffahrzeugen für den gewöhnlichen, ungeschienten Straßenweg nach Art der üblichen Pferdegespanne, mit einem Wort, von – Dampfautomobilen. Solche Versuche waren schon seit langem, sogar schon vor der Erfindung und Einführung der Eisenbahnen, unternommen worden, hatten jedoch niemals rechten Erfolg gehabt, weil der gewöhnliche Straßenweg jenen ältesten Dampfautomobilen bei der damaligen Art ihrer Konstruktion unüberwindliche Schwierigkeiten entgegensetzte. Die dauernden Erschütterungen, denen die auf gewöhnlichen, mit Eisenreifen beschlagenen Wagenrädern fahrenden Wagen auf solchen Wegen ausgesetzt waren, brachten dauernde Brüche, Pannen und sonstige Betriebsstörungen mit sich und verhinderten die zufriedenstellende Lösung des Problems. Das war schon mit den Dampfwagen vor der Eisenbahn der Fall gewesen, und das blieb auch so, als nach der Einführung der Eisenbahnen und, angespornt durch die großen Erfolge der auf Schienen laufenden Dampfwagen, jene Versuche mit verdoppeltem Eifer wiederaufgenommen wurden. Eine ganze Reihe von Erfindern bemühte sich um die Lösung des Problems. Verschiedene Typen von Straßenkraftfahrzeugen wurden gebaut und für kürzere oder längere Zeit in Verkehr gebracht, Lastwagen, Personenwagen und sogar auch schon Autobusse, und in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde eine Zeitlang in London schon eine Art Automobil- und Autobusverkehr unterhalten. Aber dauernden Erfolg hatten die Versuche auch damals nicht. Trotz aller Verbesserungen der Wagen erwiesen sich die Tücken und Schwierigkeiten des gewöhnlichen ungeschienten Straßenweges als stärker, und diese dauernden Mißerfolge veranlaßten selbst den weitblickenden Stephenson zu dem Ausspruch: Unmöglich sei es, daß Dampfwagen auf gewöhnlichen Straßenwegen jemals Aussicht auf Erfolg haben könnten, weil die Unebenheiten solcher Wege dem Dampfwagen bei der Eigenart seiner Konstruktion und Fortbewegung immer unüberwindliche Schwierigkeiten bereiten würde! – Jahrzehnte hindurch hat der große Dampfwagenbauer mit diesem pessimistischen Ausspruch über die Dampfautomobile freilich recht behalten, und erst weit über ein halbes Jahrhundert später wurde er Lügen gestraft, als nämlich der – Pneumatik erfunden und damit zugleich das so lange und heiß erstrebte Mittel gefunden worden war, mit dem die Kraftfahrzeuge auch die Schwierigkeiten und Unebenheiten des gewöhnlichen Straßenweges siegreich überwinden und zu erfolgreichen Verkehrsmitteln von ungeahnter Geschwindigkeit und Leistungsfähigkeit werden konnten. Wieder hatten, wenn allerdings auch erst nach langen Mühen und auf Umwegen, Ausdauer und Erfindungsgabe den Sieg über ein apodiktisches Unmöglich davongetragen.
Schon diese wenigen Beispiele zeigen, daß es eine eingewurzelte Neigung des menschlichen Geistes zu sein scheint, dem menschlichen Fortschritt vorschnell ein »Unmöglich!« entgegenzusetzen, sei es eingeborenen Theorien zuliebe, sei es angesichts ungewöhnlich großer und schwieriger Hindernisse, die die Resignation als der Weisheit besseres Teil erscheinen lassen, und daß selbst kluge und bedeutende Köpfe dieser Neigung unterliegen. Die Hemmnisse, mit denen wohl alle Pioniere der Menschheit auf dem Wege zum Fortschritt, alle Entdecker und Erfinder mehr oder weniger zu kämpfen hatten, wurzelten immer mit zum großen Teil in solchen Unmöglichkeitspostulaten der Zeitgenossen, und der Werdegang fast jeder neuen Idee ist ein Beweis für das Gesagte, insbesondere in der Geschichte der Technik und der Erfindung der maschinellen Hilfsmittel. Ein sehr charakteristisches Beispiel hierfür ist auch das folgende: Im Jahre 1801 hatte die »Gesellschaft der Künste« in Paris ein Preisausschreiben für die Erfindung einer Maschine zur Herstellung von Fischnetzen erlassen. Die maschinelle Nachahmung des Fadenknüpfens mit der Hand, wie es für die Verfertigung von Netzen seit Jahrtausenden ausgeführt wurde, wurde von klugen Leuten für eine pure Unmöglichkeit gehalten und jenem Preisausschreiben daher nur ein sehr fragwürdiger Erfolg prophezeit. Dennoch machten sich verschiedene Techniker an die Lösung der Aufgabe, und ein Erfinder aus dem Gebiete der Textil- und Seidenindustrie, der bereits verschiedene andere Erfindungen gemacht hatte, Charles-Marie Jacquard mit Namen, stellte ein Modell her, das die gestellte Aufgabe löste. Die Nachricht hiervon rief allerorts größtes Erstaunen hervor und gelangte auch zu dem damals allmächtigen General Napoleon Bonaparte, dem späteren Kaiser der Franzosen, der den Erfinder zu sich nach Paris berief und ihn, seiner Art gemäß, mit den Worten anfuhr: »Also Sie sind derjenige, der behauptet, möglich machen zu können, was selbst dem lieben Gott nicht möglich ist, einen Knoten in eine gespannte Schnur?« Dann allerdings wünschte er dem verblüfften Erfinder Glück und versicherte ihn seiner Unterstützung für seine weiteren Arbeiten. Die Worte des Gewaltigen sind charakteristisch für den Unmöglichkeitsglauben, mit dem man bis dahin die Lösung jenes Problems bedacht hatte. Jacquard hat dann später eine noch viel schwierigere und noch viel »unmöglichere« Aufgabe gelöst, nämlich die Erfindung des Musterwebstuhls, die die große Tat seines Lebens und der Ausgangspunkt einer ganz neuen Entwicklung der Seidenwebkunst geworden ist.
Noch eine andere Maschine, die ebenso wie die Maschine zum Netzestricken dazu bestimmt war, eine ausgesprochen handliche Tätigkeit maschinell auszuführen, nämlich die Nähmaschine, hatte in ihrem Werde- und Erfindungsstadium in den ersten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts mit dem Unmöglichkeitsfanatismus zu kämpfen. Noch mehr als das Netzestricken wurde das Nähen als absolutes Reservat der menschlichen Hand erklärt, und die Versuche, diese feine und subtile Tätigkeit mit einer Maschine, mit grobem, ungelenkem Eisen auszuführen, als Tollheit, reif fürs Irrenhaus bezeichnet. Eine ganze Reihe von Erfindern war damals an der Arbeit, das Problem der Nähmaschine zu lösen; Thomas Saint in England, Joseph Madersperger in Österreich, Barthélemy Thimonnier in Frankreich, alle hatten sie mit dem Unmöglichkeitsglauben ihrer Zeitgenossen zu kämpfen. Allerdings tritt uns hier ein hochinteressantes Moment entgegen. Verschiedene Erfinder suchten das Problem in der Weise zu lösen, daß sie die Tätigkeit des Nähens, so wie diese von der menschlichen Hand ausgeführt wird, unmittelbar nachzuahmen versuchten. Alle diese Versuche hatten keinerlei Erfolg und konnten keinen haben, denn die Funktion der menschlichen Hand ist in ihrer Eigenart tatsächlich unnachahmbar mit einer Maschine. Die Lösung des Problems gelang erst, als man ein ganz neues Prinzip des Nähens ersann, und das war eben die Nähmaschine mit Schiffchen und Maschinennadel, die in ganz anderer Weise als die nähende Hand den Stoff mit dem Faden verknüpft und dadurch die Lösung des Problems brachte, was schließlich nach den ergebnislosen Versuchen vieler Vorgänger dem Amerikaner Elias Howe um das Jahr 1845 gelang. Wieder war ein Unmögliches möglich gemacht worden. Auch die Schreibmaschine war tatsächlich so lange eine Unmöglichkeit, als man die Lösung dieses Problems in der Weise versuchte, daß man die Tätigkeit der schreibenden Hand nachahmende Hände aus Stahl konstruierte; auch diese Unmöglichkeit wurde erst verwirklicht, als man ein neues Prinzip fand, daß die Schreibtätigkeit in ganz anderer Weise als die menschliche Hand ausführt und sich in bester Weise maschinell verwirklichen ließ, und das war die Schreibmaschine mit Tastenkorb und Wagen. In der Technik selbst hat lange Zeit die Lösung eines allerdings sehr komplizierten Problems, nämlich das der Geradführung, für unmöglich gegolten. Man hielt es für ein Problem ganz von der Art des Perpetuum mobile, hielt es für absolut unmöglich, daß die Bewegungen eines Mechanismus, dessen Teile sich rotierend in Achsgelenken bewegen, in eine geradlinige Bewegung übergeführt werden könnten, wie es für zahlreiche Mechanismen und maschinelle Funktionen notwendig ist. Eine Vorstufe dieser Vorrichtung war das Parallelogramm von James Watt, das bei den ältesten Dampfmaschinen zur Anwendung kam und die krummlinige Bewegung des Balanciers in eine geradlinige überführte; in aller nur wünschenswerten Vollkommenheit aber löste erst der Franzose Peaucellier das schwierige Problem und machte dadurch ein von den meisten und besten Technikern für tatsächlich unmöglich gehaltenes Ding möglich und wirklich.
Von der Unmöglichkeit, die dem Automobil nachgesagt wurde, sprachen wir schon, wobei noch zu bemerken wäre, daß Stephenson nicht etwa der einzige war, der dem Kraftwagen für den Straßenweg jede Möglichkeit absprach. Im Gegenteil, der jahrzehntelange Erfindungsweg des Autos war gepflastert mit ungezählten Unmöglichkeitseinwänden von berufener und unberufener Seite, ehe die unverdrossene Arbeit der Erfinder und Techniker zum Erfolg führte. Drastisch wurde der Unmöglichkeitsfanatismus noch bei einem anderen Erzeugnis der Automobiltechnik, dem Automobilschlitten, ad absurdum geführt. Ich entsinne mich, daß vor etwa zwanzig Jahren, als es schon lange Automobile gab, in einer führenden Automobilzeitschrift ein Artikel erschien, in dem ein Autoingenieur haarscharf und überzeugend ausführte, daß der Automobilschlitten eine Unmöglichkeit sei. Denn der eingebaute Motor eines Fahrzeuges, so deduzierte er, kann zwar auf Räder wirken, die sich um einen Zapfen drehen, nicht aber auf die starren und unbeweglichen Schlittenkufen. Damit hielt er die Möglichkeit, einen Schlitten von innen heraus anzutreiben, für ganz ausgeschlossen, und das war damals eine vielverbreitete Meinung. Kurz nach jenem Artikel aber erschien in demselben Autoblatt eine Abhandlung, die den inzwischen doch erfundenen Autoschlitten der Welt bekanntmachte. Das Unmögliche war möglich gemacht worden, indem der Schlitten mit einem Propeller versehen worden war, der, von dem inneren Motor angetrieben, die Fortbewegung des Kufenfahrzeuges in tadelloser Weise bewirkte und damit die vollkommene Lösung des Problems erbrachte.
Und wie war es mit Luftschiff und Flugzeug? Jahrzehntelang war es nachgerade eine stehende Phrase bei Fachleuten wie Laien geworden, alle Bemühungen der Erfinder auf diesem Gebiete mit einem achselzuckenden »Unmöglich!« abzutun, und manche Leute waren auch dann noch nicht von ihrem Unmöglichkeitsglauben zu bekehren, als schon die Gebrüder Wright und ebenso Zeppelin ihre ersten großen Erfolge erzielt und das Problem der Bezwingung der Luft so gut wie gelöst hatten. Stand doch bezeichnenderweise ein Mann von so hohem technischen und industriellen Weitblick wie der alte Emil Rathenau, der Begründer der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft, bis zuletzt und auch dann noch, als schon längst die ersten Zeppelinflüge Ereignis geworden waren, dem Projekt der Luftschiffahrt absolut skeptisch und ablehnend gegenüber. Die ersten Erfolge bewertete er nur als vorübergehende Erscheinungen, und das mehrfache Mißgeschick, das Zeppelin auch nach seinen ersten Erfolgen durch Vernichtung seiner Luftschiffe immer wieder betraf, betonte er immer wieder als Bestätigung seines Unmöglichkeitsglaubens.
Einige Jahrzehnte vordem hatte allerdings ein viel Größerer, sogar einer der Größten der exakten wissenschaftlichen Forschung unseres Zeitalters, Hermann Helmholtz, ein Unmöglichkeitsvotum über das Problem des Luftschiffes gefällt, jedoch mit bewußter Einschränkung. Helmholtz hatte gesagt und bewiesen, daß mit den zu seiner Zeit vorhandenen maschinellen Kräften und Hilfsmitteln die Idee des Luftschiffes unmöglich verwirklicht werden könnte. Und mit dieser Einschränkung hat er durchaus recht behalten. Damals gab es den Benzinmotor noch nicht, wenigstens nicht in einer für den erstrebten technischen Zweck brauchbaren Form, damals war noch die Dampfmaschine das nahezu einzige maschinelle Hilfsmittel der technischen und industriellen Arbeit. Niemals – das können wir auch heute noch mit aller Bestimmtheit sagen – wäre es möglich gewesen, mit der Dampfmaschine die Idee des Luftschiffes zu verwirklichen. Das wurde erst möglich, als in dem Benzinmotor eine viel konzentriertere motorische Kraft erfunden worden war, die den so ganz anders gestalteten Anforderungen der Luftfahrt in viel höherem Maße als jene entsprach und damit die Lösung des Problems brachte.
Aber auch in der reinen Wissenschaft ist schon manchmal ein Unmögliches möglich geworden. Das war beispielsweise der Fall, als im Jahre 1798 der junge Student Karl Friedrich Gauß die Welt mit der Entdeckung der 17-Teilung des Kreises überraschte und damit ein Problem gelöst hatte, das von vielen Mathematikern auf eine Stufe mit der Quadratur des Kreises gestellt und für ebensosehr oder ebensowenig unmöglich wie dieses erachtet worden war. Hatte man bis dahin auch keinen exakten Unmöglichkeitsbeweis gehabt, so hatte man doch wohl mit größter Wahrscheinlichkeit die Möglichkeit einer solchen Teilung mit Zirkel und Lineal für ausgeschlossen gehalten und erlebte nun zu allgemeiner Überraschung den Fall, daß in der Mathematik selbst die größte Wahrscheinlichkeit kein sicherer Beweis der Unmöglichkeit ist. Und in der Gegenwart hat die Chemie das Problem der Verwandlung der Elemente so gut wie gelöst und damit die Theorie einer ganz jungen Vergangenheit, derzufolge nichts so sicher war wie die elementare Natur der chemischen Grundstoffe und nichts so unmöglich wie die Umwandlung eines dieser Grundstoffe in einen anderen, einfach über den Haufen geworfen.
So scheint es, daß der Weg der Menschheit zu Fortschritt und Erkenntnis ständig und überall durch ein dichtes Gestrüpp von »Unmöglichkeiten« führt, die hinterher durchaus möglich werden. Fast scheint es, als ob das Wörtchen »unmöglich« überhaupt keine Existenzberechtigung im Sprachschatz der fortschreitenden Menschheit habe und nur dazu bestimmt sei, von der Entwicklung der Dinge stets und ständig desavouiert zu werden. Wie steht es dann aber mit den mancherlei Unmöglichkeiten, von denen in diesen Blättern die Rede war, wie etwa der Quadratur des Kreises, der Dreiteilung des Winkels, der Verdoppelung des Würfels, der 7-, 13- oder 19-Teilung des Kreises und ähnlichen Problemen, für die die Mathematiker mit aller Bestimmtheit das Verdikt »Unmöglich!« gesprochen haben? Sind das etwa auch nur »Unmöglichkeiten« in Anführungsstrichen, die ein besonders genial veranlagter Geist vielleicht doch möglich machen kann, so wie einst der junge Gauß die unmögliche 17-Teilung des Kreises möglich machte? So mancher Leser dieser Blätter, der sich mit jenen geometrischen Problemen beschäftigt hat, so mancher der zeitgenössischen Quadratoren oder Trisektoren wird geneigt sein, diese Frage entschieden und überzeugungsvoll zu bejahen, wird vielleicht glauben, jetzt den Verfasser, der ihn so oft und eindringlich der Unmöglichkeit der exakten Ausführung jener Konstruktionen versichert hat, mit den eigenen Waffen, nämlich mit der angeführten Blütenlese von Unmöglichkeiten, die in Wirklichkeit keine waren, schlagen zu können.
Aber diese Folgerung wäre mindestens ebenso voreilig und unlogisch, wie so viele jener Unmöglichkeitsprophezeiungen selbst. Es gibt auch Unmöglichkeiten von absoluter Sicherheit und Geltung, und wir haben glücklicherweise ein Kriterium, um die vermeintlichen von den wirklichen Unmöglichkeiten sicher und einwandfrei zu unterscheiden. Und dieses Kriterium heißt der Unmöglichkeitsbeweis! Bei allen jenen hier aufgezählten »Unmöglichkeiten«, die hinterher dennoch möglich wurden, handelte es sich um Dinge, die man mit mehr oder weniger Berechtigung und jedenfalls immer nur auf Grund subjektiver Auffassung für unmöglich hielt. Die Quadratur des Kreises und die anderen genannten geometrischen Konstruktionen, das Perpetuum mobile oder die Fahrt in den Weltraum mit den heute zur Verfügung stehenden Triebstoffen sind dagegen Dinge, die man nicht für unmöglich hält, sondern die bewiesenermaßen unmöglich sind. Der exakte Unmöglichkeitsbeweis erhebt diese Dinge über die Sphäre der persönlichen Ansichtssache und gibt hier der Behauptung der Unmöglichkeit die Bedeutung absoluter und unverbrüchlicher Wahrheiten, Wahrheiten so festbegründeter Art wie die, daß es unmöglich ist, daß 2 + 2 etwas anderes als 4 sein kann. Wo ein solcher Unmöglichkeitsbeweis besteht, da gibt es keinen Zweifel mehr, da wird jedes Bemühen, dem Problem eine Lösung abzugewinnen und das Unmögliche dennoch möglich zu machen, illusorisch. Für alle die in unserer Blütenlese angeführten vermeintlichen Unmöglichkeiten bestand ein Unmöglichkeitsbeweis nicht, und deswegen mußten es sich jene Unmöglichkeitspropheten gefallen lassen, daß sie hinterher durch den Gang der Entwicklung blamiert wurden. Aber der Unmöglichkeitsbeweis steht fest für die erwähnten mathematischen Probleme, er besteht für das Perpetuum mobile, er bestand im Sinne Helmholtz' und unter den technischen Bedingungen und Kräften seiner Zeit für das Luftschiff, und er besteht analog unter den heutigen technischen Bedingungen und Kräften auch für das Weltraumschiff, das das große technische Problem unserer Zeit geworden ist. Unter anderen technischen Bedingungen, das heißt, wenn uns einmal andere und wirkungsvollere technische Hilfsmittel und Kräfte als gegenwärtig noch zur Verfügung stehen werden, wird vielleicht auch dieses höchste und schwierigste technische Problem eine Möglichkeit und eine Lösung finden, gerade wie ja auch die Quadratur des Kreises und die anderen berühmten geometrischen Konstruktionen unter anderen als den von Plato vorgeschriebenen Bedingungen leicht und einfach möglich zu machen sind.
Also es gibt Unmöglichkeiten von absoluter Gewißheit, und wir haben das Kriterium, sie von den Unmöglichkeiten nur subjektiver oder relativer Bedeutung deutlich zu unterscheiden. Da könnte der hartgesottene Skeptiker allerdings noch die Frage aufwerfen, welches denn nun aber der Beweis für die Wahrheit und Richtigkeit der Unmöglichkeitsbeweise selber ist. Darauf ist zu antworten, daß die Unmöglichkeitsbeweise, so schwierig und kompliziert sie in ihrem Aufbau auch sein mögen, letzten Endes doch auf die letzten und einfachsten logischen oder arithmetischen Grundsätze zurückführen, an die sich für jeden Menschen überhaupt, den gelehrtesten wie den naivsten, das Wahrheitsbewußtsein knüpft, und die für diesen wie jenen eines weiteren Beweises weder fähig noch bedürftig sind.
Freilich, ehe die Probleme ihren Abschluß erreichen, sei es durch den Unmöglichkeitsbeweis, sei es auf andere Weise, gaukeln sie dem Menschengeiste, der mit ihnen ringt, gern das Spiel zwischen Möglichkeit und Unmöglichkeit vor. Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch währt dieses Spiel, wie uns die Geschichte der Probleme zeigt, und es geht selbst dann noch weiter, wenn jener Abschluß erreicht worden ist, weil nur die wenigsten jenen Abschluß zu erkennen und zu beurteilen vermögen. So versuchen auch heute noch nur allzu viele, die bewiesenen Unmöglichkeiten dennoch möglich zu machen, während andererseits auch heute noch in vielen Fällen Möglichkeiten durch voreiliges Urteil zu Unmöglichkeiten gestempelt und an ihrer Verwirklichung verhindert werden.
Der Menschengeist jagt den Problemen nach. In den ewig schwankenden Begriffen von Möglichkeit und Unmöglichkeit, von Erreichbarkeit und Wirklichkeit ihrer Lösungen und Ziele, setzt sich der ewige Wettlauf mit der Schildkröte fort, der das merkwürdige Symbol des Geisteskampfes der Menschheit um die Probleme des Denkens geworden ist und zugleich für immer das romantische Schicksal des Menschengeistes zu sein bestimmt scheint.
Finis