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Zu den Sternen – Das Problem – Die Gravitation und ihre Macht – Im gravitationsfreien Weltraum – Jules Vernes Mondrakete – Der Raketenmotor und das Raketenflugzeug – Das Raketenautomobil – Verfehlte Hoffnungen – Über die Äquivalenz von Wärme und Arbeit – Eine Folgerung – Kohle in der Tiefe – Ein Trugschluß – Tankstellen im Weltraum – Jetzt und einst – Ein Ausblick
Seit Jules Verne in dem bekanntesten seiner Romane den Einfall hatte, etliche Erdenbewohner eine Reise nach dem Monde unternehmen zu lassen, ist diese Idee nicht mehr zur Ruhe gekommen und die Frage, ob und auf welche Weise es dem Menschen jemals möglich sein wird, nach anderen Weltkörpern zu gelangen, ein viel und leidenschaftlich behandeltes Problem geworden. Aber man hat sich keinesfalls mit der platonischen Erörterung des Problems begnügt; man hat auch zahlreiche mehr oder weniger phantastische und mehr oder weniger wissenschaftlich durchdachte Projekte zur Verwirklichung jener Idee ausgearbeitet, hat in Zeichnungen, Berechnungen und Modellen »Weltraumschiffe« konstruiert, vermittels derer es gelingen soll, in den Weltraum vorzudringen und zunächst einmal unserem Erdtrabanten, unserem alten lieben Mond, dann aber auch sogar den Planeten, die ja immerhin noch einige hundertmal weiter als der Mond von unserer Erde entfernt sind, einen Besuch abzustatten. Insbesondere der Planet Mars, mit dem sich Forschung und Phantasie ja schon seit langem mit Vorliebe beschäftigen, weil man auf diesem Weltkörper Daseinsverhältnisse ähnlich denen unserer Erde und vielleicht sogar intelligente Lebewesen mit hoher Kultur annehmen zu können glaubt, spielt in den Projekten der Weltraumpioniere eine große Rolle als beliebtes Ziel des Ausflugs in die Sternenwelt. Heute bemühen sich zahlreiche Erfinder um die Lösung jenes grandiosen Problems, und sie versichern in Broschüren, Vorträgen und Aufsätzen der Tagespresse, daß man bereits unmittelbar vor der Verwirklichung jener Idee, die den höchsten und kühnsten Traum der Menschheit einschließt, stehe, daß das »Weltraumschiff« schon so gut wie betriebsfertig sei und es nur noch an dem nötigen Kapital fehle, um das Stadium der Theorie mit dem der Wirklichkeit zu vertauschen. Vereine und Zeitschriften sind bereits erstanden, die die Erreichung jenes Zieles auf ihre Fahnen geschrieben haben und mit viel Aufwand von Berechnungen und Beweisen darzutun suchen, daß die Menschheit, wenn sie nur wollte, bereits heute mit der Beherrschung des Weltraumes beginnen könnte.
So ist heute die Frage nach der Möglichkeit der Reise in den Weltraum mehr als jemals aktuell geworden, ist sie in gleicher Weise Gegenstand der ernsten wissenschaftlichen Betrachtung und Erörterung wie der ausschweifenden Phantasie geworden. Und eins ist auf alle Fälle wahr: die größte und gewaltigste technische Aufgabe, die der Menschheit jemals gestellt war, knüpft sich an jenes Problem, eine Aufgabe, der gegenüber alles, was bisher die technischen Wissenschaften erreicht haben, ein Kinderspiel ist, und die das kühnste Ziel einschließt, die dem ewig strebenden Menschengeiste jemals gestellt sein kann. Wahrlich Grund genug, um zu jenem Problem Stellung zu nehmen, und objektiv und ohne den himmelstürmenden Optimismus jener, die heute bereits die Zone bis zu den Planeten sozusagen als Vorort unseres Globus betrachten zu können vermeinen, zu erörtern, ob und wieweit dieser kühnste Menschheitstraum jemals Aussicht auf Verwirklichung hat.
Die Lösung unseres Problems ist gleichbedeutend mit dem Problem der Überwindung der Anziehungskraft der Erde. Unsere Mutter Erde hält vermöge ihrer anziehenden Gewalt, der Gravitation, jeden irdischen Körper ehern fest, gestattet ihm, wenn er hochgeworfen oder hochgeschossen oder auf sonstige Weise emporgetrieben wird, immer nur eine mehr oder weniger erhebliche Erhebung über die Erdoberfläche, will ihn aber niemals völlig aus ihrer Sphäre entlassen und zwingt ihn immer wieder zum Erdboden zurück. Es entsteht somit die Frage, ob uns technische Mittel oder Energien von solcher Kraft und Leistungsfähigkeit zur Verfügung stehen, um die Macht der Erdanziehung, die die größte Kraft ist, die auf unserem Erdballe überhaupt wirksam ist, völlig zu überwinden und einen irdischen Körper aus ihrer Sphäre zu entführen und bis in die gravitationsfreien Regionen des Weltraumes zu befördern. Damit wird die Idee der Fahrt in den Weltraum und das Projekt eines Weltraumschiffes in allererster Linie ein Problem der energetischen Leistung, gegenüber dem alle anderen Fragen, die sich an die Ausführbarkeit jener Idee knüpfen, zurücktreten. Von diesem Gesichtspunkte aus wollen wir die Frage nach der Lösung des Problems in erster Linie betrachten.
Wenn ich einen Stein senkrecht emporwerfe oder ein Geschoß hochschieße, so hat der entsandte Körper im Moment des Emporschleuderns seine größte Geschwindigkeit. Diese verringert sich jedoch mit jedem Augenblick und wird nach bestimmter Zeit und in bestimmter Höhe zu Null; von hier aus legt dann der Körper denselben Weg in umgekehrter Richtung zurück, er fällt, zunächst mit geringer Geschwindigkeit, die jedoch in jedem Augenblicke wächst, bis er mit derselben Geschwindigkeit, mit der er emporgeworfen wurde, wieder auf der Erde anlangt. Denn auf den entsandten Körper wirken zwei Kräfte: einerseits die Kraft des Triebmittels, die ihm seine Richtung und Geschwindigkeit nach oben erteilte, andererseits die Anziehungskraft der Erde, die seine Geschwindigkeit in jeder Sekunde um zehn Meter verringert, diese dadurch schließlich vollkommen vernichtet und dann den Körper mit wachsender Gewalt wieder zum Erdboden zurückzieht. Je größer die Kraft war, die dem Körper seinen Auftrieb erteilte, und je größer infolgedessen seine Anfangsgeschwindigkeit war, um so höher wird er sich über den Erdboden erheben und um so länger wird es dauern, bis er den Nullpunkt seiner Geschwindigkeit erreicht hat.
Die Erdanziehung ist jedoch keine konstante Größe. Sie wird, wenn in merklicher Größe freilich auch erst in sehr weiter Entfernung von der Erdoberfläche, allmählich geringer und in genügend großer Entfernung sogar zu Null. An dieser Stelle beginnt dann der gravitationsfreie Weltraum, in welchem die Erde keine Macht mehr über die Körper hat und einen solchen, wenn er so weit gelangt ist, auch nicht mehr auf ihren Boden zurückzwingen kann. Es kann daher die Frage aufgeworfen werden, ob es möglich ist, dem zu entsendenden Körper eine so große Anfangsgeschwindigkeit zu erteilen, daß er über die Grenze der Erdgravitation hinauszugelangen vermag. In einem solchen Falle würde der entsandte Körper nicht zu einem Nullpunkt seiner Geschwindigkeit kommen, sondern er würde mit einer gewissen Endgeschwindigkeit in die gravitationsfreie Sphäre des Weltraumes eintreten und in diesem dann seine Reise ungehindert fortsetzen können, bis er in die Gravitationssphäre eines anderen Weltkörpers gelangt und auf diesen niederfällt. Es läßt sich berechnen, daß ein emporgeworfener oder emporgeschossener Körper, der über die Gravitationssphäre der Erde hinausgelangen soll, eine Anfangsgeschwindigkeit von 11 180 Metern in der Sekunde haben müßte. Denn ein Körper, der, aus der Unendlichkeit des Weltraumes kommend, in den Anziehungsbereich der Erde gelangt und zu dieser herabstrebt, würde, sofern er keine Bremsung durch die Lufthülle erfährt, mit jener Geschwindigkeit von 11 180 Sekundenmetern auf die Erde niederfallen, und mindestens ebenso groß müßte daher die Abschußgeschwindigkeit eines irdischen Körpers sein, der über die Sphäre der Erdanziehung hinaus und in den gravitationsfreien Weltraum hineingelangen soll.
In dieser Weise dachte sich Jules Verne die Technik der Reise nach dem Monde. Er hat sich, wie das für einen phantasievollen Romandichter gut und zulässig ist, die Ausführung eines solchen ungewöhnlichen Unternehmens ziemlich einfach gemacht. In seinem Roman wird aus einem Riesengeschütz eine mit Menschen und Tieren bemannte Rakete nach dem Monde hin abgefeuert, die denn auch mitsamt Verne war nicht nur Dichter, sondern auch Wissenschaftler, und deswegen stattete er seine Mondrakete mit jener Anfangsgeschwindigkeit von 11 180 Metern in der Sekunde aus, denn sonst hätte er es weder mit seinem wissenschaftlichen noch mit seinem dichterischen Gewissen vereinbaren können, sein Fahrzeug bis zum Monde gelangen zu lassen. Was aber der Romandichter hier in so eleganter Weise zuwege bringt, ist leider der Technik bisher eine Unmöglichkeit gewesen. Mit keinem der uns heute zur Verfügung stehenden Triebmittel sind wir in der Lage, einem Körper jene Anfangsgeschwindigkeit von 11 180 Sekundenmetern zu erteilen. Selbst die brisantesten Explosivstoffe vermögen einem Geschoß nur eine Mündungsgeschwindigkeit von etwa 1000 Sekundenmetern zu geben, und mit einer solchen, ja selbst noch mit einer zehnmal größeren Geschwindigkeit würde der abgeschossene Körper niemals der Anziehungssphäre der Erde entfliehen können. Auf diese Weise wäre also die Lösung des Problems, rein energetisch betrachtet, für heute und für jede absehbare Zeit ausgeschlossen, und daher können wir von den anderen Faktoren und Hindernissen, die sich einer solchen Art der Weltraumreise überdies in den Weg stellen würden, vollständig absehen.
Eingedenk der Unzulänglichkeit des Jules Verneschen Verfahrens stellen die heutigen Pioniere zur Eroberung des Weltraumes ihre Projekte denn doch auf eine höhere technische Grundlage. Das Mittel, das ihnen zur Verwirklichung ihrer Projekte dienen soll, ist der Raketenmotor. Von der Kraft und Wirkungsweise dieses Mittels erhoffen sie die völlige Überwindung der Erdgravitation, erhoffen sie ferner aber auch die Erreichung bisher völlig ungeahnter Geschwindigkeiten, groß genug, um auch eine Reise nach dem Monde, ja selbst nach den Planeten in absehbarer Zeit zu Ende führen zu können. In den zahllosen Veröffentlichungen in Wort und Schrift der letzten Jahre, die sich mit dem Problem des Weltraumschiffes beschäftigten, war es immer der Raketenmotor, der diesem Projekt zur Verwirklichung verhelfen soll. Betrachten wir daher den Raketenmotor näher, um beurteilen zu können, ob und wieweit er jene hochgespannten Erwartungen zu erfüllen imstande sein wird.
Das Prinzip der Rakete findet in der modernen Technik, sowohl in der Ballistik wie auch in der Maschinentechnik, vielfache und wertvolle Anwendung. Es besteht in der Nutzbarmachung des Rücktriebes, der bei Gasen von hoher Strömungsgeschwindigkeit, insbesondere bei der Explosion von Stoffen, auftritt. Die Explosion von Pulver, Benzin, Gasen und sonstigen Explosivstoffen besteht immer in einer ungeheuer schnellen Verbrennung dieser Stoffe, bei der sich die entstehenden Verbrennungsgase mit entsprechend ebensolcher Geschwindigkeit ausdehnen. Und zwar findet diese Ausdehnung der Verbrennungsgase nicht nur nach einer Richtung, sondern vom Zentrum der Explosion aus radial nach allen Richtungen hin statt, wie wir es deutlich bei einem krepierenden Schrapnell oder einer Granate sehen, bei der die einzelnen Stücke des gesprengten Geschoßkörpers nach allen Richtungen hin fortgeschleudert werden. Ähnlich ist auch der Vorgang beim Abfeuern eines Geschützes. Auch hier haben die bei der Verbrennung bzw. der Explosion der Pulverladung auftretenden Verbrennungsgase an und für sich das Bestreben, sich nach allen Richtungen hin auszudehnen; aber durch den Lauf des Geschützes wird ihre Ausdehnung auf zwei Hauptrichtungen beschränkt, eine Vorwärtsbewegung zur Mündung des Geschützes hinaus, durch welche das Geschoß seine Richtung und Geschwindigkeit erhält, und eine dieser gerade entgegengesetzte Rückbewegung nach dem Boden des Geschützrohres hin, die den Rückstoß oder Rücklauf des Geschützes bewirkt und vom Erdboden aufgefangen wird. Auch beim Abschießen eines Gewehres findet ein solcher Rückstoß statt, wie jeder weiß, der einmal aus einem solchen einen Schuß abgegeben hat. Eine hochbedeutsame technische Anwendung findet das Prinzip des Rücktriebes bei der Dampfturbine, wo der mit ungeheurer Schnelligkeit aus den Düsen des Turbinenrades strömende hochgespannte Dampf durch seinen Rücktrieb das Turbinenrad in rotierende Bewegung versetzt, die immer entgegengesetzt der Richtung des strömenden Dampfes verläuft.
Der Rücktrieb explodierender Gase nun ist es auch, der die Triebkraft zur Beförderung des Weltraumschiffes liefern soll. Ein solches hat nach dem Projekt seiner Erfinder etwa die Form eines Luftschiffes starren Systems, ist aber an der Rückseite mit einem Raketenmotor versehen. Dieser stellt ein System düsenartiger, in der Längslinie des Fahrzeuges liegender Rohre dar, in denen ununterbrochen Pulverexplosionen stattfinden, die auf elektrischem Wege ausgelöst und reguliert werden können. Indem hierbei die Explosionsgase mit gewaltiger Geschwindigkeit und Kraft aus den Düsen austreten, erteilen sie durch ihren Rücktrieb dem Fahrzeug ununterbrochene Kraftimpulse nach der entgegengesetzten Richtung. Ist hierbei das Fahrzeug und mit ihm der Raketenmotor so eingestellt, daß die explodierenden Gase von oben nach unten strömen, so wird das Fahrzeug selbst in entgegengesetzter Richtung von unten nach oben, also vom Erdboden fort in die Höhe, getrieben und entfernt sich immer weiter von der Erde, durch die fortwährenden Explosionen gleichsam ununterbrochen immer weitergeschossen. Durch diese Wirkungsweise seines Motors erlangt das Raketenfahrzeug, ganz ebenso wie das Automobil auf fester Bahn, einen kontinuierlichen Antrieb im leeren Raum, durch den es in diesem immer weitergetrieben wird. Aber nicht nur das: nach der Theorie der Weltraumtechniker muß es möglich sein, durch diese Wirkungsweise des Raketenmotors dem Weltraumschiff auch jede beliebige Geschwindigkeit zu verleihen. Da das Raketenfahrzeug bei seiner Fahrt im leeren Raum keinen Reibungswiderstand durch Fahrbahn und Luft zu überwinden hat, wie es bei allen irdischen Fahrzeugen der Fall ist, so muß jeder neue Kraftimpuls auch jedesmals zu einer Erhöhung der Fahrtgeschwindigkeit führen und nach dem Gesetz der Relativität der Bewegungen die Geschwindigkeit des Fahrzeuges schließlich bis auf das Vielfache selbst der größten auf Erden technisch erreichbaren Geschwindigkeiten, bis auf Hunderte von Kilometern in der Sekunde, steigern. Damit wäre das Weltraumschiff dann in der Lage, selbst die kosmischen Entfernungen, die die anderen Weltkörper von der Erde trennen, in absehbarer Zeit zurückzulegen. Auch für die Navigation im leeren Weltraum ist gesorgt. Durch seitliche Düsen kann das Fahrzeug gesteuert, durch einen Gegenmotor an der Vorderseite gebremst werden, wodurch es auch vor dem vernichtenden Sturz bewahrt wird, der ihm sonst drohen würde, sobald es in die Anziehungssphäre des Weltkörpers, dem es zustrebt, gelangt. Langsam und allmählich wird es vermöge der motorischen Einrichtungen auf diesem landen, und ebenso gibt ihm der Raketenmotor die Möglichkeit, sich vom Boden des erreichten Weltkörpers wieder zu erheben und die Rückreise nach der Mutter Erde anzutreten.
Das wäre also Prinzip und Wirkungsweise des Raketenmotors, von dem die Pioniere der Weltraumfahrt die völlige Verwirklichung ihrer Ideen und Projekte erhoffen. Man sieht, noch ungleich kühner als in der Phantasie eines Jules Verne werden in den Berechnungen der Weltraumpioniere die Naturgesetze dem erstrebten Zwecke gefügig gemacht und alle Hindernisse von Raum und Zeit, an denen die wissenschaftliche Technik bisher machtlos zerschellte, spielend leicht überwunden. Die Phantasie kennt keine Schranken und macht sich die Naturgesetze selber.
Genährt und gesteigert wurden die Hoffnungen, die auf den Raketenmotor zur Lösung des Problems der Weltraumfahrt gefetzt werden, durch die seit dem Frühjahr 1928 unternommenen Versuchsfahrten mit Raketenautomobilen. Diese Versuchsfahrten hatten, rein technisch betrachtet, hervorragende Ergebnisse zu verzeichnen; es wurden Geschwindigkeiten bis zu 350 Kilometer die Stunde erreicht, und damit war die Verwendbarkeit des Raketenmotors als Antriebsmittel für Fahrzeuge auf fester Bahn festgestellt, ein Ergebnis, das zugleich auch zum mindesten die Verwendbarkeit dieses Motors für alle anderen Arten von Fahrzeugen innerhalb der Erdsphäre, auch für Flugzeug und Luftschiff, erwarten läßt und auch noch manche andere Ausblicke für neue beförderungstechnische Möglichkeiten eröffnet. Und nach den so bewiesenen Erfolgen glaubt man dem Raketenmotor auch die Kraft zutrauen zu dürfen, die zur Fahrt in den Weltraum, bis über die Sphäre der Erdgravitation hinaus, nötig ist, glaubt man in ihm die Maschine sehen zu dürfen, die über kurz oder lang das erste Weltraumschiff mindestens bis zum Monde befördern wird.
Hierzu ist aber zu bemerken, daß die Bedingungen und Anforderungen zu einer Fahrt über die Gravitationssphäre der Erde hinaus doch völlig andere sind als zu Raketenfahrten innerhalb der Erdsphäre, gleichviel ob auf fester Erdbahn, ob in der Luft oder selbst oberhalb der Lufthülle der Erde. Darüber scheint man sich bei der allgemeinen Begeisterung für die Raketenautomobile nicht genügend Rechenschaft gegeben zu haben. Mit Leichtigkeit kann nachgewiesen werden, daß den Anforderungen, die die Fahrt in den Weltraum stellt, auch der Raketenmotor selbst in seiner vollendetsten Form nicht auch nur im entferntesten gewachsen ist und er im Kampfe gegen die Gewalt der Erdanziehung versagen und zerschellen muß wie die Mücke im Kampfe gegen den Elefanten. Ist bei dem Jules-Verneschen Riesengeschoß die Unmöglichkeit, die notwendige Fluggeschwindigkeit zu erreichen, die Ursache der völligen Unmöglichkeit, auf diese Weise die Macht der Erdanziehung zu überwinden, so ist es beim Raketenfahrzeug nach dem Prinzip des Rücktriebes ein anderer physikalischer Faktor, der dieses Unternehmen genau so aussichtslos und unmöglich macht, ein Faktor, den wir leicht erkennen, wenn wir uns über die Wirkungsweise und Leistungsfähigkeit der Kraftmaschinen nach Art des Raketenmotors kurz Rechenschaft geben.
Unsere sämtlichen Kraftmaschinen sind Wärmekraftmaschinen, das heißt, sie entnehmen die Arbeit, die sie leisten, der Wärme, die durch die Verbrennung ihrer Heizstoffe erzeugt wird. Bei der Dampfmaschine dient die Kohle, beim Automobil Benzin oder Benzol als Brenn- und Betriebsstoff, beim Raketenmotor dagegen Pulver. Auch die Explosion von Pulver stellt nur eine Verbrennung dar, und die hierbei entstehende Wärme ist die alleinige Quelle der Energie zum Betrieb aller auf solche Weise betriebenen Maschinen. Durch die Verbrennungswärme des Pulvers wird das Geschoß aus der Kanone oder dem Gewehr getrieben, und ebenso liefert diese Verbrennungswärme die Energie zum Betrieb des Raketenmotors. Nun wissen wir, daß mit einem bestimmten Quantum Brennstoff immer nur ein bestimmtes Quantum Wärme erzeugt und mit einem bestimmten Quantum Wärme immer nur ein ganz bestimmtes Quantum mechanischer Arbeit geleistet werden kann. Mit einer Kalorie, das heißt der Wärmemenge, die zur Erhöhung der Temperatur eines Liters Wasser um 1 Grad nötig ist und die etwa bei der Verbrennung eines Streichholzes frei wird, kann theoretisch immer nur eine Arbeit von 424 Meterkilogramm geleistet werden, und alle Leistungen unserer Kraftmaschinen werden rechnerisch in dieser Weise auf die Einheiten von Wärme und Arbeit reduziert. Diese gegenseitige Bedingtheit ist das Naturgesetz der Äquivalenz von Wärme und Arbeit, das allem energetischen Geschehen auf Erden wie im ganzen Universum zugrunde liegt. Mit einem bestimmten Quantum Kohle kann eine Dampfmaschine immer nur ein ganz bestimmtes Quantum Arbeit leisten, mit einem bestimmten Quantum Benzin ein Automobil immer nur eine ganz bestimmte Strecke zurücklegen, und Entsprechendes gilt von allen Kraftmaschinen überhaupt. Bemerkt sei noch, daß unsere Kraftmaschinen übrigens keinesfalls den vollen theoretischen Höchstwert der durch Verbrennung ihrer Brennstoffe erzeugten Wärme in Arbeit umsetzen, sondern nur etwa 10 bis 15 Prozent derselben; der übrige große Rest geht durch Abwärme, Ausstrahlung und sonstige Unvollkommenheiten der Maschine verloren. Jener verhältnismäßig geringe Prozentsatz der in wirkliche Nutzarbeit umgesetzten Wärme heißt der thermische Wirkungsgrad der Maschine.
Wenden wir das Gesagte nun auf den Raketenmotor an, so ergibt sich für diesen und dessen Leistung eine ganz bestimmte Folgerung. Die Arbeit, die beim Raketenmotor, der zum Betrieb eines Weltraumschiffes bestimmt ist, aus der Verbrennung der mitgeführten Brennstoffe, also des Pulvers, geleistet werden soll, besteht in der Hebung des Fahrzeuges über die Erdoberfläche hinaus. Ein Teil dieser zu leistenden Hubarbeit entfällt dabei natürlich auf die Hebung des mitgeführten Brennstoffes selbst. Jedes Kilogramm des mitgeführten Brennstoffes, also des Pulvers, erfordert zu jedem Meter Höhenfahrt eine Arbeitsmenge von 1 Meterkilogramm, und die für diese Arbeit notwendige Wärme wird aus der Verbrennungswärme des Brennstoffes selbst entnommen. Nehmen wir nun einmal an, daß die Wärme, die 1 Kilogramm Pulver bei seiner Verbrennung erzeugt (etwa 4000 Kalorien), dazu dienen sollte, nur diese Masse selbst zu heben, so würde (unter Berücksichtigung des thermischen Wirkungsgrades des Antriebes) die so erzeugte Wärme ausreichen, dieses eine Kilogramm Pulver etwa 400 Kilometer über die Erdoberfläche zu heben, wie sich aus der Äquivalenz von Wärme und Arbeit leicht berechnen läßt. Dasselbe gilt natürlich auch für jedes andere Kilogramm Brennstoff, den das Raketenfahrzeug mitnimmt, das heißt, der gesamte Brennstoffvorrat könnte, wenn er lediglich zu seiner eigenen Hebung dienen sollte, niemals über 400 Kilometer Höhe hinausgelangen. Kann also der mitgenommene Brennstoff durch seine Verbrennungswärme sich selbst nicht über die genannte Höhe hinausheben, so selbstverständlich noch viel weniger das Gesamtgewicht des Fahrzeuges, das ja immer wesentlich höher als der mitgeführte Brennstoff ist. Jene 400 Kilometer Höhe wären also die theoretische Höchstgrenze, über die kein mit den uns heute zur Verfügung stehenden Brennstoffen betriebenes Raketenfahrzeug hinausgelangen kann; praktisch muß die erreichbare Höhe (unter Berücksichtigung des Gesamtgewichtes des Fahrzeuges) sogar noch erheblich unter dieser theoretischen Höchstgrenze bleiben, die durch die Äquivalenz von Wärme und Arbeit unüberschreitbar gesetzt ist.
Wir wollen das Gesagte noch an einem anderen Beispiel veranschaulichen. Angenommen, es sollte Kohle aus einer Tiefe von 400 Kilometern an die Erdoberfläche gefördert werden, so hätten wir (wiederum unter Berücksichtigung des thermischen Wirkungsgrades der Fördervorrichtung) in diesem Falle für die Förderung der Kohle selbst geradesoviel Wärme und Arbeit aufzuwenden, als uns die Kohle hinterher durch ihre Verbrennung leisten könnte; wir hätten also in einem solchen Falle von der Kohle nicht den geringsten Nutzeffekt zu erwarten. Oder angenommen, 1 Kilogramm Kohle in jener Tiefe sollte dazu verwandt werden, um durch seine Verbrennung die Wärme zu liefern, die für seine eigene Hebung bis an die Erdoberfläche benötigt wird, so würde es spätestens an der Erdoberfläche völlig verbrannt sein und könnte uns keinerlei Nutzarbeit mehr leisten. Entsprechend verhält es sich mit dem Brennstoff des über die Erde aufsteigenden Raketenfahrzeuges. Auch in diesem Falle hätte sich der mitgeführte Brennstoff spätestens in einer Höhe von 400 Kilometern selbst verzehrt, und es bliebe keine Spur mehr übrig, um das Fahrzeug selbst noch höher zu treiben. Allerdings spielen hier noch gewisse Faktoren hinein, wie die allmähliche Abnahme des Gewichtes des verbrennenden und zugleich emporsteigenden Brennstoffes, ferner auch die Abnahme der Gravitation über und unter der Erdoberfläche. Aber diese Faktoren sind verhältnismäßig unbedeutend und in unserer Rechnung bereits berücksichtigt. Beispielsweise hätte die Anziehungskraft der Erde, in deren Überwindung die von dem Raketenmotor bzw. die von seinem Brennstoff zu leistende Arbeit besteht, in jener Höhe von 400 Kilometern noch den weitaus größten Teil ihres Wertes wie unmittelbar auf der Erdoberfläche.
Auf einen Trugschluß sei noch hingewiesen, der hier leicht gemacht werden kann, nämlich auf den Einwand, daß das Raketenfahrzeug ja entsprechend mehr Brennstoff mitnehmen könnte, für jedes Kilogramm des Brennstoffes, der nötig ist, um die Höhe von 400 Kilometern zu erreichen, noch zehn oder hundert Kilogramm Brennstoff extra, und daß auf diese Weise das Fahrzeug zu entsprechend größeren Höhen gelangen könnte. Das wäre deswegen ein Trugschluß, weil das, was von einem Kilogramm des mitgeführten Brennstoffes gilt, auch für jedes andere Kilogramm gilt. Jedes einzelne Kilogramm des mitgeführten Brennstoffes verzehrt seine Energie zu seiner eigenen Hebung und hätte diese spätestens in 400 Kilometer Höhe erschöpft, und dasselbe gilt für den extra mitgenommenen Brennstoff. Jener Einwand liefe also auf eine Art raumfahrttechnischen Perpetuum mobile hinaus, das mehr Brennstoff mitnehmen will, als der Brennstoff selbst über jene Höchstgrenze hinaus zu heben vermag.
Unter Berücksichtigung dieser Verhältnisse kommt die Beurteilung des vorliegenden Problems auf eine sehr einfache Formel hinaus: das Raketenfahrzeug vermag für die Fahrt in den Weltraum niemals so viel Brennstoff mitzunehmen, wie für die Fahrstrecke über die Grenze der Erdgravitation hinaus, bis zum Monde oder gar zu den Planeten, erforderlich wäre. Es befindet sich in einer ganz ähnlichen Lage wie unsere irdischen Fahrzeuge. Ein Ozeandampfer kann für eine Reise um den Erdball niemals so viel Kohle mitnehmen, wie für diese Fahrstrecke benötigt wird, sondern muß unterwegs mehrfach an Kohlenstationen anlegen, um neuen Brennstoff aufzunehmen, und in entsprechender Weise muß das Automobil unterwegs tanken, weil ihm nach einer bestimmten Strecke seiner Fahrt der mitgenommene Brennstoff ausgegangen ist. Ebenso reicht der Brennstoff, den ein Raketenfahrzeug mitnehmen kann, günstigstenfalls immer nur bis zu jener theoretischen Höchstgrenze von 400 Kilometern Höhe. Ja, wenn, es für das Weltraumschiff unterwegs Brennstoffstationen oder Tankstellen gäbe, wo es sich mit neuem Brennstoff versorgen könnte, dann könnte es seine Fahrt fortsetzen und jede beliebige weitere Höhe erreichen. Aber solche Tankstellen im leeren Weltraum einzurichten, der noch weniger Balken als das Wasser hat, wird wohl selbst unseren verwegensten Weltraumpionieren als aussichtsloses Problem erscheinen.
Unser Mond ist an 360 000 Kilometer, der Mars in größter Erdnähe immer noch an 80 Millionen Kilometer von uns entfernt. Was wollen gegen solche Entfernungen jene 400 Kilometer Steigfähigkeit des »Weltraumschiffes« besagen? Aus dem ehernen Naturgesetz der Äquivalenz von Wärme und Arbeit folgt die unerschütterliche Tatsache, daß bei den uns heute zur Verfügung stehenden Energiequellen jede Fahrt über die Erde hinaus an jene Höchstgrenze gebunden ist, die noch unterhalb des tausendsten Teils der Entfernung des nächsten Weltkörpers, des Mondes, liegt. Damit sind alle Ideen, Projekte und papiernen Erfindungen der heute so zahlreichen Weltraumpropheten zum Scheitern verurteilt, erweisen sich alle daran geknüpften Berechnungen und Beweise als Trugschlüsse, was insbesondere auch von jener verwegenen Berechnung gilt, derzufolge es möglich sein soll, auf Grund der Relativität der Bewegungen, durch Schaffung von »Zusatzgeschwindigkeiten«, die Geschwindigkeit des Raketenfahrzeugs auf Hunderte von Kilometern in der Sekunde zu steigern. Die Erzeugung solcher Zusatzgeschwindigkeiten würde die Mitnahme der tausendfachen Brennstoffmenge erfordern, die nötig wäre, um nur jene Höchstgrenze von 400 Kilometern zu erreichen.
Gegenüber der energetischen Betrachtung des Problems und der sich hieraus ergebenden Tatsache, daß uns heute jede Möglichkeit fehlt, das Problem zunächst energetisch zu bewältigen, sind alle weiteren Faktoren, die sich der Fahrt in den Weltraum feindlich gegenüberstellen, wie das Moment des Luftwiderstandes, der mangelnden Widerstandsfähigkeit des Materials, der Navigation im Weltraume, ja selbst die vielfachen biologischen Momente, die zu berücksichtigen wären, nur von Nachgeordneter Bedeutung. Es hat keinen Zweck, über die Schwierigkeiten des Baues eines Hauses zu reden, solange noch die größte Schwierigkeit, nämlich der Mangel an Baugrund, besteht; und so lange uns für den Betrieb von Weltraumschiffen keine Energiequellen zur Verfügung stehen, die sich als stärker als die Anziehungskraft der Erde erweisen, so lange erübrigt es sich, über die zahlreichen anderen Schwierigkeiten und Hindernisse zu reden, mit denen die Fahrt in den Weltraum außerdem noch verknüpft sein müßte.
Also vorderhand und sicher für noch ganz unübersehbar lange Zeit bleibt die Fahrt in den Weltraum ein schöner Traum. Ob aber nicht später einmal, nach Jahrzehnten oder Jahrhunderten oder Jahrtausenden, dieser kühnste und gewaltigste Menschheitstraum und diese größte Sehnsucht des strebenden Menschengeistes Erfüllung finden kann? Dazu kann man nur sagen: Vielleicht! Völlig von der Hand zu weisen ist auch diese Idee nicht, und daß der Mensch ewig an die Erde gefesselt bleiben muß, daß es ihm und seinem unbezähmbaren Drange nach der Weite des Weltraumes niemals gelingen sollte, die Macht der Erdgravitation zu überwinden, kann mit apodiktischer Gewißheit keinesfalls behauptet werden. Aber zur Erreichung dieses Zieles müßten Kräfte und Energien mobil gemacht werden, von denen wir uns heute noch kaum Vorstellungen machen können. Wenn unsere wirkungsvollsten Triebmittel von heute nur eine Steigung von 400 Kilometern ermöglichen, von welcher Art und Kraft müssen dann die Energiequellen sein, die dereinst das Weltraumschiff auf das Tausendfache dieser Höhe führen sollen, um nur bis zu unserem Monde zu gelangen! Vielleicht daß uns einmal die Energie der radioaktiven Elemente, die ja ungeheuer viel größer ist als die unserer gewöhnlichen Brennstoffe, jenem Ziele näherführen kann, wenn wir gelernt haben, diese Energien, deren Erforschung heute noch in den Anfängen steckt, technisch nutzbar zu machen. Vielleicht auch, daß wir dieses nächste Ziel eher erreichen, als wir heute noch vermuten, und dann den ersten Aussicht bietenden großen Schritt zunächst zur energetischen Lösung des Problems der Fahrt in den Weltraum tun können.
Einst mag wohl auch der Tag kommen, an dem der Mensch imstande sein wird, dem Banne der Erde zu entfliehen und sein Wirken zu jenen fernen Welten zu tragen, die uns heute nur als Lichtpunkte am gestirnten Himmel gegeben sind, und dann mag die macht- und glanzvollste Epoche der Geistes- und Kulturentwicklung der Weltmenschheit beginnen. Aber die Art, wie heute phantasiereiche Köpfe mit gänzlich unzureichenden Mitteln jenes Ziel erreichen wollen, mutet an wie der Versuch eines Kindes, mit dem Suppenlöffel das Weltmeer auszuschöpfen.
Ein vergessenes Argument – Erfinderphantasie – Die Reise nach dem Mars in 40 Stunden – 500 000 Meter Sekundengeschwindigkeit – Etwas von der »Zusatzgeschwindigkeit« – Eine Ansichtskarte aus dem Monde
Merkwürdigerweise ist in den umfangreichen Erörterungen für und gegen die Möglichkeit des Weltraumschiffes und die Fahrt in die Sternenwelt das Moment der Äquivalenz von Wärme und Arbeit bisher unberücksichtigt geblieben, obwohl es doch jene Frage in kürzester und eindeutigster Weise entscheidet. Sowohl den optimistischen Anhängern jener Idee, die heute schon den Fahrplan für die Reise nach Mond oder Mars ausarbeiten, wie auch den wissenschaftlichen Kreisen, die die Ausführbarkeit eines solchen Unternehmens nach dem heutigen Stande der Technik für eine Illusion erklären, scheint dieses Moment bisher entgangen zu sein. Die umfangreichen, schwierigen und oftmals recht komplizierten Berechnungen, mit denen die Projekte und »Beweise« der Weltraumpioniere von fachlicher Seite zurückgewiesen werden, könnten jedenfalls durch Verwendung jenes Momentes erheblich vereinfacht werden und zugleich an Überzeugungs- und Beweiskraft für diejenigen, für die sie bestimmt sind, gewinnen.
Wie weit sich die Phantasie der Weltraumpioniere versteigt, dafür legte ein Vortrag Zeugnis ab, den vor einiger Zeit in Wien ein Herr, Doktor und Erfinder, wie er sich nannte, vor dem dortigen Ingenieur-Verein hielt. Er suchte haarscharf nachzuweisen, daß er in der Lage sei, mit dem von ihm projektierten Weltraumschiff innerhalb vierzig Stunden nach dem Mars zu gelangen, ein Reiseweg, der selbst bei größter Erdnähe dieses Planeten an 80 Millionen Kilometer beträgt. Um diesen in der angegebenen Zeit zurückzulegen, bedürfte es also einer Geschwindigkeit des projektierten Weltraumschiffes von 500 Kilometern die Sekunde. Die von Skeptikern vorgebrachten Einwände bezeichnete der Herr als »unerheblich«, und das ist ungefähr das allgemeine Verfahren jener kühnen Projektemacher, die sachlichen Bedenken und Einwände derjenigen, die sich ihrem Optimismus nicht anschließen zu können glauben, abzutun. Zeitungsberichten zufolge glaubte auch dieser Erfinder, auf Grund der Relativität der Bewegungen, durch die Schaffung von »Zusatzgeschwindigkeiten« während der Fahrt, zu jener enormen Schnelligkeit seines Vehikels gelangen zu können. Wie man sich das denkt, sei kurz erläutert. Angenommen, eine Rakete steige mit einer Geschwindigkeit von 1000 Sekundenmetern empor; in gewisser Höhe entläßt sie aus ihrem Leibe eine Einsatzrakete, die durch die Explosion ihres Brennstoffes eine Zusatzgeschwindigkeit von 1000 Sekundenmetern relativ zur ersten Rakete, also eine Geschwindigkeit von 2000 Sekundenmetern relativ zur ruhend gedachten Erde, erlangt. Nach einer weiteren Strecke entsendet auch die Rakete Nr. 2 eine weitere Rakete Nr. 3, die abermals eine Zusatzgeschwindigkeit von 1000 Sekundenmetern relativ zu Rakete Nr. 2 und dadurch eine Gesamtgeschwindigkeit von 3000 Sekundenmetern relativ zur Erde, erlangt. So geht das Spiel in Infinitum weiter, bis eben die Geschwindigkeit von 500 000 Sekundenmetern erreicht worden ist, mit der man alle kosmischen Entfernungen innerhalb unseres Sonnensystems spielend leicht bewältigt. Quod erat demonstrandum!
Das ist eine sehr schöne Theorie, hat aber keinen anderen Wert als den eines Gedankenexperimentes, dessen Ausführung in praxi durch die Äquivalenz von Wärme und Arbeit unterbunden wird. Das gedachte Verfahren entspricht lediglich dem in unserem vorstehenden Aufsatz geschilderten Vorgang, bei welchem ein Kilogramm Kohle, das aus einer Tiefe von 400 Kilometern an die Erdoberfläche gefördert werden soll, durch seine Verbrennung die Wärme zu seiner eigenen Förderung liefern soll. In dem Maße, wie die Kohle verbrennt, nimmt sie an Gewicht ab, so daß nur ein immer geringer werdendes Gewicht zu heben ist, das an der Oberfläche der Erde sogar gleich Null werden muß. Diese Gewichtsabnahme ist aber in unserer Rechnung bereits berücksichtigt, denn wenn die ganze Masse der Kohle (wenn auch in verbrannten Zustande, etwa in Form von Rauch und Asche), nach oben befördert werden sollte, so würde die Verbrennungswärme der Kohle bereits nach 200 Kilometern Steighöhe aufgebraucht sein. Bei der Einsatzrakete verringert sich ähnlich das Ausgangsgewicht durch den allmählichen Fortfall der Mutterraketen. Aber eine größere Steighöhe als 400 Kilometer ist auf diese Weise doch nicht zu erreichen, denn bei der Berechnung der Steighöhe des Raketenfahrzeuges ist die allmähliche Verringerung des Gewichtes des verbrennenden Brennstoffes bereits miteingerechnet worden. Es wird hierdurch nichts an der Tatsache geändert, daß auch bei diesem Verfahren die Steighöhe des Fahrzeuges durch die Äquivalenz von Wärme und Arbeit bestimmt und an eine unüberschreitbare Höchstgrenze gebracht wird, und dasselbe gilt auch für die »Zusatzrakete«. Es kommt immer auf dasselbe hinaus: ob viel oder wenig Brennstoff, ob nur eine einzige Hauptrakete oder eine ganze Serie von Zusatzraketen ins Spiel kommen, die theoretische Höchstgrenze sind immer jene 400 Kilometer Höhe, und über diese kommt kein einziges Kilogramm hinaus. Damit wird auch der schöne Traum, durch »Zusatzgeschwindigkeiten« die Gesamtgeschwindigkeit eines Höhenfahrzeuges in infinitum steigern zu können, völlig zunichte, und jener kühne Erfinder, der in vierzig Stunden zum Mars gondeln will, wird, wenn er die Rechnung nachprüft, sich vielleicht doch veranlaßt sehen, das Fahrtempo bei seinem Gedankenexperiment recht erheblich herabzusetzen.
Nach einem vor einiger Zeit gehaltenen Rundfunkvortrage, in dem sich der Verfasser über das Problem der Fahrt in den Weltraum in dem hier dargelegten Sinne ausgesprochen hatte, erhielt er zahlreiche Zuschriften aus den Kreisen der überzeugten Weltraumpioniere, die der dargelegten Auffassung natürlich heftig opponierten. Eine dieser Zuschriften lautete: »Sie werden eines Tages, während Sie gerade an einem Aufsatz über die Unmöglichkeit der Reise nach dem Monde schreiben, eine Ansichtskarte erhalten, die Ihnen ein Mann, der kurz zuvor als erster mit seinem Raketenfahrzeug auf dem Monde landete, mit herzlichem Gruß zusendet. Dann werden Sie vielleicht einsehen, daß Sie über Ihren Unmöglichkeitstheorien Ihre Zeit verschlafen haben. Was Sie über die Unmöglichkeit der Fahrt in den Weltraum gesagt haben, haben die sogenannten Gelehrten und Fachleute bei neuen großen Erfindungen und Entdeckungen noch immer gesagt, nämlich: Unmöglich! So ist es Kolumbus und Stephenson ergangen und vielen anderen, die durch das, was sie geleistet haben, hinterher die Gelehrten blamierten!« – Dazu ist folgendes zu bemerken: Vor einer solchen Ansichtskarte aus dem Monde, wie sie mir jener Einsender so hübsch ausmalt, müßte man sich natürlich in Demut beugen, aber ich glaube nicht, daß ich sie in absehbarer Zeit erhalten werde. Aber auch zu jenem anderen Argument des Einsenders, seiner nicht gerade sehr achtungsvollen Einschätzung der Gelehrten und Fachleute als Rückschrittler und Unmöglichkeitsfanatiker, wollen wir Stellung nehmen, denn mit diesem Argument wird gerade seitens der Weltraumpioniere viel gearbeitet, und die Parallele mit Kolumbus und Stephenson gehört sozusagen zum eisernen Bestand ihrer Geisteswaffen gegen Andersmeinende. Aber ganz so verhält es sich doch nicht. Gewiß sind solche Fälle, wie sie jener Einsender mir schmähend vorhielt, zu verzeichnen, aber man darf sie nicht verallgemeinern. Solche Unmöglichkeitsfanatiker waren schließlich immer nur Vereinzelte gegenüber einer Mehrheit von zustimmenden und verständnisvollen Auffassungen. Jene spanischen Hofgelehrten, die mit so absonderlichen Gründen das Projekt des Kolumbus für unmöglich erklärten, müssen doch schließlich in der Minderheit geblieben sein, und die Mehrheit ihrer Kollegen muß sich für das Projekt ausgesprochen haben, denn sonst hätte sich die spanische Regierung doch wohl nicht zur Unterstützung des Unternehmens bereit finden lassen. Und wenn in jener Kommission von Fachleuten, die die englische Regierung einberufen hatte, um das Projekt Stephensons zu prüfen, die Nein- und Unmöglich-Sager in der Mehrheit gewesen wären, so wäre damals auch aus diesem Projekt nichts geworden. Also muß doch wohl in diesem wie in jenem Falle die Mehrheit der Fachleute das nötige Verständnis bewiesen haben. Gerade in diesen Blättern ist mehrfach betont, daß man gut tut, mit dem Wörtchen »unmöglich« äußerst sparsam umzugehen, und daß schon so manches möglich geworden ist, was so mancher für unmöglich erklärt hatte. Aber wenn sich die Wissenschaft und die Fachwelt so absolut einmütig über die Unmöglichkeit eines Projektes ausspricht, wie es angesichts der heutigen technischen Mittel und Möglichkeiten hinsichtlich des Problems des Weltraumschiffes und der Fahrt zu den Sternen der Fall ist, so dürfte es doch vielleicht mehr angebracht sein, wenn die Anhänger solcher Projekte ihrem Optimismus und ihrer Phantasie Zügel anlegen und danach streben würden, für die ablehnende Auffassung der Fachleute Verständnis zu gewinnen. Davon ist nun aber gerade bei den Problematikern des Weltraumschiffes wenig zu spüren. Unbeschwert von tieferer Sachkenntnis werden die Projekte entworfen, setzt man sich über alle Voraussetzungen und Bedingungen, an die die Lösung des Problems geknüpft ist, hinweg, und ist so auf dem besten Wege, das Problem des Weltraumschiffes zu dem Perpetuum mobile unserer Zeit zu machen, das mit aller Gewalt erfunden werden soll. Und es ist zu befürchten, daß dieses moderne Perpetuum mobile in der Geistesgeschichte eine ebenso berüchtigte Rolle spielen wird wie sein Vorgänger.