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3. Das Goldbachsche Problem

Ein einfacher Satz – Erfahrung und Beweis – Tiefen des Zahlenreiches


In engem Zusammenhange mit jenem Problem der Zahlenwelt, das wir als die Frage nach dem Gesetz der Primzahlen kennengelernt haben, steht noch ein weiteres zahlentheoretisches Problem, das als der Goldbachsche Satz bezeichnet wird. Es hat das eigentümliche, daß es in seiner Fassung von der denkbar größten Einfachheit, jedem Kinderverstande sozusagen faßbar ist und dennoch die größten Schwierigkeiten birgt, Schwierigkeiten, die eine Lösung dieses Problems bisher unmöglich gemacht haben.

Das Problem ist benannt nach dem Königsberger Mathematiker Christian Goldbach, der bis 1764 lebte. Er war zwar keiner der überragend Großen seiner Wissenschaft, hat dafür aber den Mathematikern als Erbschaft eine harte Nuß hinterlassen, indem er den Satz aufstellte, daß jede gerade Zahl als Summe zweier Primzahlen dargestellt werden könne. So ist 6 = 1 + 5, 18 = 7 + 11 oder = 5 + 13, 100 = 3 + 97 oder = 17 + 83 oder = 59 + 41 usw. Der Inhalt des Satzes ist also überaus einfach und leichtverständlich. Aber Goldbach hat sich damit begnügt, den Satz aufzustellen, hat aber keinen Beweis dafür aufgestellt, und den Beweis für diesen einfachen Satz zu erbringen, das ist die böse crux des Problems. Er hat sich allen Bemühungen der Zahlentheoretiker bisher standhaft entzogen. Man hat den Satz zwar bei allen geraden Zahlen, die man nach dieser Richtung hin untersucht hat, bestätigt gefunden und sogar feststellen können, daß eine solche Zahl, je größer sie ist, auf um so mehr Arten die Summe zweier Primzahlen zu sein pflegt, wie auch die angeführten Beispiele erkennen lassen, und hat sehr weit ausgedehnte Untersuchungen bis hoch in die Zahlenreihe hinein ausgeführt. Aber naturgemäß ist man nicht in der Lage, alle überhaupt möglichen geraden Zahlen daraufhin zu untersuchen, schon deswegen nicht, weil ja die Anzahl der geraden Zahlen unendlich ist. Eine endgültige Bestätigung des Satzes könnte daher wieder nur durch einen allgemeinen Beweis erbracht werden, und diesen Beweis konnte weder Goldbach selbst noch einer der vielen Mathematiker nach ihm liefern. Der Goldbachsche Satz hat mithin zunächst nur die Bedeutung eines Erfahrungssatzes, das heißt solange nicht der exakte Beweis für die allgemeine Richtigkeit des Satzes erbracht worden ist, muß immer noch mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß er eben nicht allgemein und ausnahmslos gilt und sich vielleicht irgendwo in hohen Regionen der Zahlenreihe einmal eine gerade Zahl findet, die nicht die Goldbachsche Regel befolgt und auf keine Weise als Summe zweier Primzahlen dargestellt werden kann. Also auch dieses Problem harrt noch seiner Lösung, und diese würde wahrscheinlich zugleich auch das Problem des Gesetzes der Primzahlen seiner Lösung um ein gutes Stück näherbringen.

Wahrlich, die Reihenfolge der Zahlen, die sich so nüchtern und nichtssagend ausnimmt, wenn man sie hinschreibt oder abliest, sie birgt einen unendlich tiefen Inhalt, birgt die tiefsten und schwierigsten Probleme, die zugleich auf denjenigen, der sich mit ihnen beschäftigt, den ganzen Reiz des Geheimnisvollen und Ungelösten ausüben. Mit Geheimnissen beladen und belastet ist sie. Und sollten die bisher bekannten Probleme einmal gelöst werden, so werden dafür andere auftauchen, denn die Tiefe und der Inhalt der Zahlenreihe ist das nie erschöpfbare Meer der Unendlichkeit. Auch für den denkenden Laien ist die Beschäftigung mit den Zahlen und ihren Geheimnissen oftmals von hohem Reiz, und da er ja, um sich auf diesem Gebiete betätigen zu können, keinerlei umständlicher und kostspieliger Apparate wie bei anderen Experimenten, sondern eigentlich nur eines Bleistiftes und eines Stückes Papier bedarf, so wagt auch er sich gern in jene Tiefen hinein, jongliert rechnerisch mit den Zahlen, sucht Entdeckungen zu machen und die Geheimnisse der Zahlen zu enträtseln. Und da er für dieses Jonglieren und Grübeln ja keinerlei mathematischer Fachbildung bedarf, so stürzt er sich gern in die verwegensten arithmetischen Abenteuer. Viele wertvolle und neue Entdeckungen im Gebiet der Zahlen sind auf diese Weise schon von Laien gemacht worden, allerdings mit der Einschränkung, daß die wertvollen Entdeckungen, die auf solche Weise zustande kommen, nicht neu, sondern schon immer seit vielen Jahrhunderten bekannt, die neuen aber nicht wertvoll, d. h. nicht richtig waren. Aber das schadet nichts, die Freude an der Beschäftigung mit den Zahlen ist auch etwas wert und wird jedem zuteil, der sich den Zahlen und ihren Geheimnissen mit Liebe und Ausdauer naht.


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