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Professor Raimund erhob nun die Frage: »Wie kamen Sie zu der Vermutung, daß die genannten Polarländer zusammenhängen, als Bestandteile einer Festlandküste?«
»Das war weniger eine Vermutung,« erklärte der Baron, »als vielmehr eine Berechnung. Ist es Ihnen nie aufgefallen, was für eine merkwürdige Ähnlichkeit die Gestaltung der südlichen Landmassen aufweist? Es scheint da tatsächlich ein Naturgesetz obzuwalten. Am einfachsten finden wir diese bezeichnende Form bei Afrika. Die Hauptmerkmale sind folgende: der Weltteil läuft im Süden, genauer im Südosten, in eine Spitze aus; im Nordwesten schiebt er sich in breiter Ausbuchtung ins Meer vor; unter dieser Ausbuchtung erscheint eine tiefere Einbuchtung, etwa in der westlichen Mitte; dieser Einbuchtung entspricht in der östlichen Mitte ein Landvorsprung, während der südöstlichen Spitze wiederum ein Einschnitt in der nördlichen Küste entspricht.
»Bei Afrika ist die Südspitze Kapland, der nordwestliche Vorsprung endigt im Kap Verde, die westliche Zentralbucht ist der Golf von Guinea, der östliche Zentralvorsprung, Somaliland mit Kap Guardafui, die nördliche Einbuchtung sind die beiden Syrten über Tripolis.
»Südamerika weist genau die gleiche Gestaltung auf: die Südspitze, Patagonien mit Feuerland bis Kap Horn, den nordwestlichen Landvorsprung von Ecuador und Peru, darunter die Einbuchtung an der Grenze von Peru und Chile, der östliche Landvorsprung, Kap San Roque, und die nördliche Bucht, der Golf von Maracaibo.
»Australien läßt die gleiche Form erkennen: Tasmanien mit dem Südkap südöstlich, Westaustralien als Ausbuchtung mit der großen Bucht von Kap Arid bis Kap Wiles darunter, Kap Byron im Osten und den Golf von Carpentaria im Norden.
»Nordamerika bietet das gleiche Bild in etwas verzerrter Form: der Isthmus von Panama, Alaska mit der Einbuchtung darunter, die Ausbuchtung von Labrador und die Hudsonbai.
»Die großen nördlichen Landmassen Europas und Asiens lassen diese sonst so gesetzmäßige Gestaltung kaum noch erkennen, doch finden wir die südlichen Spitzen und zum Teil die nordwestlichen Ausbuchtungen in einzelnen ihrer Teile wieder. So bei Schweden und Norwegen, Spanien, Italien, Griechenland, Kleinasien mit Arabien, Vorderindien und Hinterindien. Auch größere Inseln scheinen nach demselben Naturgesetz gebildet.
»Was liegt näher, als anzunehmen, daß auch der Südpolarkontinent ähnlich gestaltet sein muß, zumal gerade im Süden die Landformen so auffallend diesem Gesetz unterliegen? Allerdings hören hier die Himmelsrichtungen auf, da alles nördlich vom Kern des Festlandes liegt. Aber die Südostspitze des Weltteils ist ja schon entdeckt, nämlich Louis-Philippe-Land. Daraus ergibt sich das übrige von selbst: der nordwestlichen Ausbuchtung müssen Enderby- und Kemp-Land entsprechen, der westlichen Zentralbucht, das Weddellmeer. Die gegenüberliegende Ausbuchtung ist noch zu entdecken, während das Roßmeer bei Viktorialand die Nordbucht darstellt.«
»Haben Sie diese einleuchtende Theorie nie veröffentlicht?« erkundigte sich Holm.
Münkhuysen lachte: »Aufgestellt habe ich sie bereits im Jahre 1887; aber die wissenschaftlichen Fachblätter stehen allem Ungewohnten so ratlos gegenüber, daß nicht eines es gewagt hat, meine Gedanken zu veröffentlichen. Inzwischen haben sämtliche seitherigen Entdeckungen in der Antarktis die Richtigkeit des Kartenbildes bestätigt, das ich schon damals auf Grund jener Beobachtungen und Erwägungen entwarf.«