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8.
Orpheus?

Eines Abends war von großen Dichtern und hervorragenden Dichtungen die Rede, und Ernst äußerte sein Bedauern, daß so viele großartige Werke des Altertums, von denen wir vielleicht nicht einmal mehr etwas wissen, unwiederbringlich verloren seien. Er fügte bei: »So mancher Name und so manche Sage, die sich an einen solchen knüpft, verbürgen uns, daß herrliche Dichtungen für uns verloren gegangen sind, die wahrscheinlich niemals aufgezeichnet wurden, man denke nur an Orpheus oder Horant!«

»Da brauchen wir gar nicht so weit zurückzugreifen,« sagte Mäusle, der neben seinem Beruf als Jugenderzieher selber auch Dichter war, und zwar ein völlig ungedruckter und daher in den weitesten Kreisen unbekannter: »Was besitzen wir beispielsweise von Heinrich von Ofterdingen, den das Mittelalter so überaus hoch schätzte? Und, glauben Sie, es mag heute noch vorkommen, daß das größte Dichtergenie unbekannt verkümmert, aus dem einfachen Grunde, daß die Herren Verleger glauben, mit seinen Werken kein Geschäft machen zu können!«

»Immerhin ist Hoffnung vorhanden,« mischte sich Münkhuysen in das Gespräch, »daß wenigstens solche Dichtungen, die gesungen oder vorgetragen wurden, wieder entdeckt werden können; denn sicher verliert sich der Schall ebensowenig im Raum wie die Lichtwellen, und warum sollte nicht, ähnlich dem Paläoskop, ein Instrument erfunden werden, welches die Töne vernehmbar macht, die durch irgend einen entfernten Weltkörper uns zurückgeworfen werden?

»Da Sie sich aber für die Dichtungen grauer Zeiten so sehr interessieren, mein junger Freund,« wandte sich Münkhuysen an Ernst, »so wird es Sie gewiß freuen, einen Dichter der Urzeit wenigstens sehen zu können, da es uns noch nicht vergönnt ist, ihn zu hören.«

Schon lange gelüstete es den jungen Mann, wieder einen Blick durch das Paläoskop zu tun. Er glaubte, er hätte sein Leben lang nichts anderes tun mögen, als mit eigenen Augen die Geheimnisse der Weltgeschichte zu erforschen und die vielleicht noch viel interessanteren Begebenheiten, die der großen Geschichte nicht angehören. Mit Freuden erklärte er daher sein Einverständnis, und Münkhuysen führte ihn diesmal auf die Altane seines Palastes, da es in der nächtlichen Dunkelheit nicht nötig war, den Keller aufzusuchen.

Bald hatte der Baron sein Instrument herbeigeholt, schraubte es auf und begann es zu richten und einzustellen.

Ein äußerst sinnreicher Mechanismus, ähnlich einem Miniaturuhrwerk, gestattete, das Paläoskop nach allen Richtungen um weniger als ein Millionstel Millimeter weiter zu bewegen; ohne dies wäre eine genaue Einstellung auf einen bestimmten Punkt nicht möglich gewesen, bei den ungeheuren Entfernungen, um die es sich handelte.

»Sie sollen erst eine kleine Reise durch die Urwelt machen,« sagte Münkhuysen. »Was sehen Sie?«

»Ich sehe eine breite Landenge, ganz mit mächtigem Urwald bedeckt, aus dem hohe Felstürme emporragen.«

»Das sind die Säulen des Herkules! Geben Sie acht, jetzt werden Sie die Mittelmeerküste entlang bis nach Asien reisen; das Mittelmeer ist, wie Sie sehen, noch ein Binnenmeer.«

Ernst sah nichts als Urwald am Meeressaum; zuweilen erhob sich der Kopf irgend eines unbekannten Ungeheuers über den Meeresspiegel; hie und da erschien die Mündung eines Flusses oder ragte ein Gebirge empor. Die Küste Frankreichs erschien bedeutend tiefer eingeschnitten, als sie auf den heutigen Karten sich darstellt. Nun ging es über Oberitalien weg. Man sah die mächtigen Schneehäupter der Alpen; es zeigten sich aber nur einzelne ungeheuer hohe und ausgedehnte Gletscher, wie wenn mehrere der jetzigen Alpenriesen unter einer Eismasse vereinigt wären. Die Schnee- und Eisregion begann übrigens erst in weit beträchtlicherer Höhe als heutzutage.

Zugleich fiel Ernsts Blick auf die Seen, die einen bedeutend höheren Wasserstand und eine zugleich größere Ausdehnung zeigten, als sie ihnen gegenwärtig eignen.

»Oho! Was hängt denn da?« rief der Jüngling aus: »Da hängt ein Tier von nie gesehener Größe und Dicke mit allen Vieren am Aste eines Riesenbaumes über dem Seespiegel.«

»Das wird ein Megatherium sein, das Riesenfaultier der Urzeit,« antwortete Münkhuysen.

»Und da kommen sie an das Ufer zur Tränke,« erscholl es wieder aus Ernsts Munde: »Dinotherien und Mastodonten – o – o – o –!« Er sah eine solche Menge vorsintflutlicher Riesentiere, daß er nur noch Ausrufe des Staunens hatte.

Aber unaufhaltsam zog Landschaft an Landschaft vor seinem Auge vorbei. Jetzt kam das Adriatische Meer, auch nur ein See, nach des Barons Aussage; dann Griechenland, das Marmarameer zwischen zwei Landengen eingeschlossen, das Schwarze und endlich das Kaspische Meer.

Hier war wieder genug zu beobachten; gigantische Saurier erhoben die Häupter über die Fluten; gleich einer Riesenschlange mit unverhältnismäßig großem Kopf wiegte sich der Hals des Plesiosaurus hoch über dem Wasser. Einem Walfisch mit Krokodilsrachen glich der schreckliche Ichthyosaurus und über ihren Häuptern flatterte unheimlich der Pterodaktylus mit seinem unförmlichen Kopf.

Als auch dieses Schauspiel vorübergezogen war und wieder undurchdringliche Urwaldwipfel alles bedeckten, bemerkte Ernst zu Münkhuysen: »Wir haben offenbar hier eine Weltperiode vor uns, wo noch kein Mensch auf Erden lebte; immerhin wundert es mich, daß gleichzeitig mit den Sauriern der Juraperiode Dinotherium und Mastodon leben und statt der Schachtelhalme jener Zeit richtige Laubwälder die Erde bedecken.«

»Ihre Verwunderung hat ihren Grund in Ihrem bisherigen Glauben an die Trugschlüsse der Wissenschaft. Die Wissenschaft arbeitet eben mit Induktionsschlüssen, die immerhin sehr zweifelhaft sind. So fand man bisher Überreste von Sauriern nur in den Juraschichten; daraus wurde der Schluß gezogen, daß diese Tiere nur in der Jurazeit lebten; das hindert nicht, daß sie am Kaspischem Meer, im Inneren Afrikas und Australiens, ja auch im nördlichsten Amerika noch in viel späteren Perioden zu finden sind. Ebenso erklärt die Wissenschaft, daß der Mensch erst in einer viel späteren Zeit auf der Erde auftrete. Woher diese Behauptung? Weil bisher noch nicht mit Sicherheit menschliche Überreste in den Schichten nachgewiesen werden konnten, in welchen die Spuren jener gewaltigen Urtiere sich finden.

»Der ganz naheliegende Gedanke, daß die Menschheit in jenen Zeiten noch wenig über die Erde verbreitet gewesen sei, lag der Wissenschaft stets ferne. Man grabe in den Wüsten West- und Zentralasiens nach oder auf dem mongolischen Hochplateau, so wird man menschliche Überreste genug in jenen Schichten finden.

»Auch hat die Wissenschaft jene Zeiten, die um wenige Jahrtausende zurückliegen, in eine Vorzeit von Millionen von Jahren zurückverlegt, weil sie den Maßstab der trägen Veränderungen unserer Tage anlegt, ohne zu ahnen, welche ungeheuren Kräfte damals die Erde umgewandelt haben.«

Inzwischen sah Ernst bereits lachende Fluren, angebaute Kulturstätten mit wohnlichen Hütten durchsät und durchzogen von schimmernden Flüssen und glitzernden Bächen. Große Herden riesenhafter Haustiere weideten im Grünen, und fröhliche, schöne Menschen von hünenhafter Größe ergingen sich plaudernd und lachend im Schatten der tropischen Bäume; sie waren fast gar nicht bekleidet und ihre wohlgeformten Glieder zeugten gleichmäßig von Kraft wie von blühender Schönheit.

Lockige Kinder spielten unter Blumen oder plätscherten in den kühlen Wellen; Jünglinge und Jungfrauen lustwandelten in Scharen singend und jauchzend oder trennten sich in Paaren von den lustigen Genossen, um liebeflüsternd geheime Pfade des Urwaldes aufzusuchen.

Als unser Freund Münkhuysen seine Beobachtungen mitteilte, erklärte dieser: »Das ist die Wüste Kysyl-Kum im jetzigen Turkestan; der Fluß, den Sie nun sehen, ist der Sir Darja; und nun geht es über das Kara-tau-Gebirge in die Wüste Ak-Kum, welche Ihnen das gleiche lachende und belebte Landschaftsbild bieten wird.

»Nicht lange nach der Zeit, in die Sie sich jetzt versetzt sehen, hat das mongolische Meer diese gesegneten Länder überflutet, die Bewohner daselbst verschlungen und nichts als eine salzige Sandwüste und einige Salzseen hinterlassen, nachdem es, ins Mittelmeer stürzend, den Bosporus, die Dardanellen und die Meerenge von Gibraltar eröffnet hatte.«

Inzwischen erhob sich vor Ernsts Augen eine mächtige Gebirgswand, welche immer näher kam, bis er in einen Wald von seltsam geformten Berggipfeln hineinsah; dann fielen grüne Abhänge gegen Osten abwärts und hier hielt Münkhuysen das Paläoskop in seiner östlichen Bewegung auf; es stand still.

Ernst konnte einen Ausruf des Entzückens nicht unterdrücken, so seltsam und herrlich erschien ihm, was er nun sah: Zwischen hohen Gebirgsketten dehnte sich hier ein Binnenmeer aus, dessen Spiegel wohl tausend Meter über den vorhin geschauten Gefilden liegen mußte. Die dunkle Bläue des Wassers war von bezaubernder Lieblichkeit. Grüne Matten und dichte Wälder bedeckten die Abhänge der Ufer, welche mit Dörfern und Städten dicht besetzt waren. Aber auch an den Abhängen kletterten viele Ortschaften empor, größere und kleinere, alle in einen reichen Blumenflor gebettet und von blühenden Bäumen umkränzt. Die Häuser bestanden nur aus geflochtenen Wänden mit einem kegelförmigen Dach aus dürren Gräsern, alles an einem Gerippe von Schilfrohrstangen befestigt. Jede einzelne dieser Hütten aber war mit blühenden Schlingpflanzen derart überwachsen, daß sie erschien, als trage sie einen festlichen Schmuck von Blumengirlanden.

Niemals hatte der Jüngling ein Landschaftsbild von nur annäherndem Reize weder in Natur noch in Abbildungen gesehen.

Münkhuysen hatte kurz zuvor, beim Passieren des Paläoskops über den Gebirgskamm, an einer kleinen Kurbel gedreht, so daß der Erdboden dem Auge etwas ferner gerückt erschien und Ernst die Gegend wie aus großer Höhe, aus der Vogelschau unter sich liegen sah. Nun drehte der Baron in entgegengesetzter Richtung, und Ernst sah eine große Stadt am Meeresufer immer näher rücken, bis er aus nächster Nähe auf einen großen ebenen Platz blickte, der hart neben jener Stadt am Strande sich hinzog.

Zu beiden Seiten dieses Platzes waren Sitze aus Rasen amphitheatralisch aufgebaut, welche dicht besetzt waren mit einer Menge schöngestalteter weißer Menschen, deren Leiber mit Blumengirlanden so dicht überwunden waren, daß sie bis zur Brust in Blumen gekleidet erschienen. Ketten von bunten Edelsteinen, Diamanten und Perlen hingen von ihren schlanken Hälsen hernieder und funkelten in tausend Strahlen und Farben im Sonnenschein. Männer und Knaben, Frauen und Mädchen saßen hier in Eintracht nebeneinander, und das ungezwungene, freundliche Plaudern und Verkehren dieser Menschen miteinander ließ sie als eine große, durch herzliche Liebe verbundene Familie erscheinen. So wenig im Äußeren hier etwas Unschönes zu erblicken war, so wenig schien auch das innere Gleichgewicht der Seelen durch häßliche Leidenschaften und Laster gestört zu werden.

Am oberen Ende des viereckigen Platzes fielen zwei vereinzelt stehende, besonders hohe Sitze auf, zu welchen einige Stufen hinaufführten. Auf dem einen saß ein älterer, ehrwürdiger Mann von stattlicher Gestalt, ganz mit roten Blumen geschmückt; dicht neben ihm auf dem anderen Sitze saß ein junges Mädchen von ausnehmender Schönheit und Lieblichkeit; ihre Gesichtszüge hatten den Ausdruck kindlicher Sanftheit und Unschuld, und ihre dunklen Augen strahlten in himmlischer Milde; sie allein war mit weißen Rosen geschmückt. Diese beiden waren die einzigen, welche auch auf dem Kopfe einen strahlenden Kranz von Edelsteinen trugen, und es war leicht zu ersehen, daß es der König und sein Töchterlein sein mußten, die sowohl durch ihre edleren Züge und ihre größere Anmut als auch durch ihren besonderen Platz und eigenartigen Schmuck vor allem Volk ausgezeichnet waren.

Nun erhob sich mitten aus dem Volke ein Jüngling, der ein mit Saiten überspanntes primitives Musikinstrument in der Hand hielt. Lange Locken spielten in weichen Wellen um sein männlich schönes Antlitz. Er bestieg eine Erhöhung in der Mitte des Platzes und begann die Saiten zu schlagen und dazu zu singen.

Unser junger Freund konnte sich nicht denken, jemals eine solch gewaltige Wirkung gesehen zu haben, die ein Mensch auf andere ausübte, oder von einer gehört und gelesen zu haben, die sich mit derjenigen hätte vergleichen lassen, die er nun zu beobachten Gelegenheit hatte. Anfangs verhielt sich alles still und regungslos. Dann kam eine unwillkürliche Bewegung in die Massen der Zuhörer. Einige öffneten den Mund, andere sprangen plötzlich auf, erhoben wie begeistert die Arme, um gleich wieder auf ihre Sitze zu sinken und wie Kinder zu weinen. Dann wieder ging ein seliges Lächeln über aller Lippen; eines umschlang das andere mit den Armen und ein helles Jauchzen des Glücks schien aus allen Kehlen gen Himmel zu steigen; und als nun der Jüngling schwieg, sprangen alle auf und umringten ihn jubelnd unter Lachen und Weinen; einige Männer hoben ihn auf die Schultern empor und trugen ihn vor die Stufen des Königsthrones, während die Mädchen ihm Blumen zuwarfen. Als er aber, von den Männern abgesetzt, vor dem Throne kniete, erhob sich der König, faßte sein errötendes Töchterlein an der Hand und stieg die Stufen herab. Die Königstochter aber nahm den Kranz von Edelsteinen aus ihren Seidenlocken und drückte ihn dem Jüngling aufs Haupt.

Die Menge umringte laut rufend die Gruppe und führte sie im Triumphe in die Stadt.

Dann ging die Sonne im Westen hinter den Bergen zur Rüste, und in kurzer Zeit hüllte nächtliche Dämmerung die Gegend ein; nirgends erglänzte ein Licht, und wie ein entflogenes Traumbild war alles den Blicken des verzückten Bewunderers entschwunden.

Des Jünglings Seele war von dem Geschauten so ganz erfüllt und hingerissen, daß er kein Wort zu äußern, keine Frage zu stellen vermochte, als er das Paläoskop verließ.

Auch Münkhuysen schwieg, und friedlich flimmerten über ihnen die himmelfernen Sterne, die Ernst soeben noch so nahegerückt gewesen waren.

Endlich unterbrach Münkhuysen die Stille: »Den Sie vorhin erblickt haben, bin ich versucht, für den größten Dichter aller Zeiten zu halten. Ich habe gesehen, wie ein Lied von ihm die grausamen Feinde dieses friedlichen Volkes entwaffnete und sie zu Tränen rührte – ja ich habe Wunder gesehen, die sein Sang vollbrachte, und ich könnte ein Buch darüber schreiben, wollte ich alles berichten: niemand hat seinem Zauber widerstehen können; aber immer hat er seine Gewalt zu edlen Zwecken gebraucht, und niemals konnte ich bemerken, daß seine Gabe ihn hochmütig gemacht hätte, obgleich sie ihm eine Königstochter und eine Königskrone einbrachte. Seine holde Gattin wurde ihm späterhin von den Erbfeinden seines Volkes geraubt und in einer schauerlichen Höhle verborgen gehalten. Aber er fand den Weg zu ihr und bezauberte die Wächter durch seinen Gesang, so daß sie die Gefangene freigeben mußten. Freilich wurde sein Glück dadurch nicht neu begründet, denn eben in diesem Augenblicke trat die furchtbare Weltkatastrophe ein, welcher auch die junge kaum befreite Königin zum Opfer fiel.

»Aber sagen Sie, werden Sie hierdurch nicht an die Sage von Orpheus und Eurydice erinnert? Ich sage Ihnen aus vollster Überzeugung: Sie haben Orpheus selber gesehen.«

»Ich kann es nicht leugnen, daß mir nach dem, was Sie sagten, kein Zweifel daran mehr übrig bleibt. Aber ach! wie weckt ein solches Schauen die Sehnsucht, die zauberischen Lieder auch mitanhören zu dürfen!«

»Ja, bis jetzt gleichen wir den Tauben; aber seien wir zufrieden, daß uns wenigstens das Sehen solcher Wunder vergönnt ist!«

»Sie sprachen von einer Weltkatastrophe,« begann Ernst wieder, als beide sich ins Haus zurückgezogen. »Was meinten Sie damit?«

»Das mongolische Meer, das Sie soeben zum Teil gesehen haben, muß an seinem westlichen Rande durch eine plötzlich entstandene Öffnung unter dem Wasserspiegel große Wassermassen in das Innere eines Vulkans ergossen haben. Die dadurch hervorgerufene Explosion öffnete dem Meer einen tiefen und breiten Ausfluß in die asiatische Tiefebene, wo es mit einer mächtigen Welle alles überflutete, die Menschen ertränkte und die reiche Landschaft in eine Wüste verwandelte.

»Zugleich waren die Wasser durch die Öffnung in den Flanken des Vulkans nach der ersten Explosion tief in die Geklüfte der Erde eingedrungen und sprengten, zur Siedehitze gekommen, den Boden über sich, so daß sich dort unten die Brunnen der Tiefe öffneten und Ströme kochenden Wassers auswarfen, noch ehe die Überflutung durch die von oben kommende Welle vollendet wurde. Es ist dies die größte und schrecklichste Katastrophe, die je die Erde betroffen, und fast alle Völker bewahren ihr Andenken in den Sagen von der Sintflut.«

»Und Eurydice?« frug Ernst gespannt.

»Eine durch die Gewalt der Explosion emporgeschleuderte hohe Welle riß sie mit sich weg, als sich Orpheus, der ihr voranschritt und dem sie nachgeführt wurde, eben nach ihr umsah. Vergebens stürzte er ihr nach in die kochenden Fluten; er sah sie nicht wieder; ihn aber spie das Meer aus. Die aufspritzenden Wasser hatten auch viele Dörfer und Städte am Ufer mit fortgerissen oder überschwemmt. Mit den Resten seines Volkes wandte sich Orpheus der indischen Niederung zu, denn durch das Verschwinden des mongolischen Meeres wurde die Gegend wasserarm und unbewohnbar.«


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