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Der Tag der Abfahrt nahte. An seinem Vorabend wandelte Ernst einsam durch den Park, während alle anderen Teilnehmer an dem Unternehmen noch mit den letzten Zurüstungen beschäftigt waren. Er war bereit; er nahm auch nicht viel mit, und für die unentbehrliche Ausrüstung zu einer Polarfahrt hatte Münkhuysen väterlich für ihn gesorgt.
Auf einer Bank am Gestade des Waldsees erblickte der junge Mann Eva. Sie hatte eine Puppe auf dem Schoß – und weinte!
Als sie ihn kommen hörte, schrak sie auf und trocknete rasch ihre Tränen. Doch gelang ihr der Versuch nicht mehr, die Puppe vor seinen Augen zu verbergen. Schon stand er vor ihr.
»Ach! wie schäme ich mich,« flüsterte sie kleinlaut.
»Wegen der Puppe? Vor mir brauchst du dich nicht zu schämen: ich finde es schön, wenn junge Mädchen recht lange mit Puppen spielen und nicht so früh schon blasierte Fräulein sind, die verächtlich auf kindliches Spiel herabsehen.«
»Ach, du bist lieb! Schau, es ist meine Lieblingspuppe: sieh doch nur, das liebe Gesichtchen! Der Abschied fällt mir gar zu schwer!«
»Ja, warum nimmst du sie nicht mit?«
»Ach, das geht doch nicht! Denke dir, wie mich all die gelehrten Herren auslachen würden: ›so was will an den Südpol und spielt noch mit Puppen! Was soll eine Puppe am Südpol?‹ So würden sie spotten, und über meine Puppe spotten hören, das ertrage ich nicht!«
»Ach was! es braucht sie ja niemand zu sehen, und kommt es je heraus, so stehe ich wacker auf deiner Seite. Die gescheiten Herren haben alle auch ihre eigenen Liebhabereien, mit denen sie spielen: das sind ihre Puppen.«
»Meinst du wirklich, ich soll sie heimlich mitnehmen?« fragte sie und ihre Augen leuchteten.
»Aber freilich! In den Polargegenden ist es oft so langweilig, daß man nicht weiß, wie sich die Zeit vertreiben: gib acht, da wirst du noch von den Herren gebeten, sie mit deiner Puppe spielen zu lassen. Jedenfalls spiele ich mit dir.«
»Hurra!« rief Eva fröhlich: »Du bist doch ein vernünftiger Mensch! Also, mein Dorchen darf mit! Freue dich, mein Liebling: was wirst du nicht alles erleben! Und heute abend nähe ich dir noch einen warmen Pelz und eine Polarmütze. Aber jetzt muß ich noch von meinem zahmen Reh und von meinen Vögeln Abschied nehmen.«
Da Ernst der kleinen Eva Vertrauen und Liebe so völlig gewonnen hatte, durfte er Zeuge dieses rührenden Abschieds sein. Wie innig schmiegte sich das zierliche Reh an seine Herrin und wie flatterten die bunten Vögel und die girrenden Tauben ihr auf die Schultern und Hände. Man sah, welche sorgsame Pflegerin sie allen gewesen war, so daß sie sich ihrer zärtlichsten Anhänglichkeit erfreuen durfte.
Als sie nun zum letztenmal für lange, lange Zeit das braune Samtfell ihres Rehleins und das seidene Gefieder ihrer Vögel streichelte, mußte sie wieder mit den Tränen kämpfen: es war ein schwerer Abschied! Doch tapfer schluckte sie die Rührung hinunter und riß sich los. Sie mußte ja ihrer Puppe noch für eine warme Polarausrüstung sorgen.