Wilhelm Hauff
Novellen
Wilhelm Hauff

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17

Der Baron hatte frische Flaschen befohlen und Josephe stand bei den letzten Worten auf und entfernte sich. Unbegreiflich war Fröben, wie unzart sein Freund mit dem holden, edlen Wesen verfuhr, er fühlte, wie sie sich vor ihm der Gemeinheit ihres Gatten schäme, er fühlte es und antwortete daher ziemlich unmutig: »Was weiß ich; meinst du denn ich frage die Leute, mit denen ich umgehe, wie ein Engländer, wieviel wiegst du?«

»Ach, ich kenne ja deine sonderbaren Grillen über diesen Punkt«, lachte der Baron, »dir ist ein armseliger Geselle, wenn er nur das sogenannte Sentiment und Savoir vivre besitzt, so gut als einer der zweimalhunderttausend Pfund Renten hat; aber ernstlich, mit dem Don müssen wir ins reine kommen und ich rechne ganz auf dich.«

»Ja doch; du kannst gänzlich auf mich rechnen. Aber wie war es denn mit der Gräfin Landskron. Du sagtest mir ja noch nicht einmal wie du deine Frau kennenlerntest.«

»Nun, das ist eigentlich eine kurze Geschichte«, erwiderte Faldner, indem er sich und dem Freunde von neuem Wein in das Glas goß; »du kennst meinen praktischen Sinn, meinen richtigen Takt in dergleichen Dingen. Es stand mir die Wahl frei unter den Töchtern des Landes; reiche, bemittelte, schöne, hübsche, alles stand mir zu Gebot. Aber ich dachte: nicht alles ist Gold was glänzt, und suchte mir eine tüchtige Hausfrau. So kam ich durch Zufall auch auf das Gut der Gräfin Landskron. Josephe war damals noch als Fräulein von Tannensee ihre Gesellschaftsdame. Das emsige, geschäftige Kind gefiel mir; Tee eingießen, Äpfel schälen, Bohnen brechen, die Blumen begießen, kurz alles wußte sie so zierlich und nett zu machen, daß ich dachte, diese oder keine wird eine gute Hausfrau werden. Ich sprach mit der Gräfin darüber. Zwar schreckten mich anfangs die kurzgefaßten Nachrichten wieder ab, die uns die Landskron über Josephens Verhältnisse geben konnte. Sie sagte mir, daß sie Josephens Mutter gekannt habe und nach ihrem Tode das Mädchen zu sich genommen habe; Vermögen hatte sie nicht, aber die Gräfin gab eine anständige Ausstattung. Das Kopulationszeugnis ihrer Eltern, ihr Taufschein war richtig – nun, man ist ja in der Liebe gewöhnlich ein Narr und so nahm ich sie zu mir.«

»Und bist gewiß unendlich glücklich mit diesem holden Wesen.«

»Nun, nun, das geht so; praktisch ist sie nun einmal gar nicht und ich muß ihr die dummen Bücher ordentlich konfiszieren, nur daß ich sie an Haus und Garten gewöhne; denn wie will man am Ende hier auf dem Lande auskommen, wenn die Hausfrau sich vornehm in den Sofa setzt, Romane und Almanachs liest, empfindelt, wozu sie ohnedies großen Hang hat, und weder Küche noch Garten besorgt?«

»Aber mein Gott, dazu könntest du ja Mägde halten!« bemerkt Fröben, den der Wein und das Gespräch noch wärmer und unmutiger gemacht hatten.

»Mägde?« fragt Faldner lachend und sah ihn groß an, »Mägde! Da sieht man wieder den Theoretiker! Freund davon verstehst du nichts! Würden mir nicht die Mägde hinterrücks den halben Garten, die schönen Gemüse, Obst und Salat verkaufen? Und vollends in der Küche. Woher nur Holz und Butter genug nehmen, wenn alles den Mägden anvertraut ist! Nein die Frau muß da schalten und walten und leider! bin ich da mit Josephen schlecht gefahren; doch, komm, stoß an; der Don soll alles gutmachen.«

Fröben, sosehr sein Herz, sein zarterer Sinn durch alles, was er hier sah und hörte, verletzt wurde, wagte nichts entgegenzureden. Er folgte dem Hausherrn, als dieser jetzt aufstand, hielt seine Umarmung geduldig aus, und nahm sogar, mehr um Josephen so bald nach diesem Vorfall nicht zu sehen, als aus Freude an des Barons Gesellschaft, seine Einladung an, ihn nach der neuen Dampfmühle zu begleiten. Die Pferde wurden vorgeführt, die Männer schwangen sich auf und schon wollte Fröben um die Ecke biegen, als er noch einen Blick zurückwarf und Josephens Gestalt im Fenster erblickte; sie zog ihr Tuch von dem Auge, sie blickte ihnen wehmütig nach, sie grüßte mit der zierlichen Hand. »Deine Frau winkt uns noch, um Abschied zu nehmen«, rief er Faldner zu; aber dieser lachte ihn aus; »Was meinst du denn?« sagte er im Weiterreiten. »Glaubst du, ich habe sie so zart und weich gewöhnt, daß wir auf einen Nachmittag mit Küssen und Drücken, mit Grüßen und Nastuchwedeln Abschied nehmen? Gott bewahre mich, dadurch verwöhnt man die Weiber und, wenn es dir einmal begegnen sollte, daß du auch heiratest, so mache es um Gottes willen wie ich. Kein Wort von einer Reise oder einem Spazierritt vorher. Das Pferd wird vorgeführt – ›wohin, mein Lieber?‹ fragte sie dann das erste- oder zweitemal. Keine Antwort, sondern die Handschuh angezogen. ›Aber wirst du mich denn so allein lassen?‹ fragt sie weiter und streichelt dir die Wangen; du nimmst getrost die Reitpeitsche und sagst: ›Ja, will heute abend noch auf das Vorwerk, es ist dies und das zu tun. Adje! und wenn ich bis 9 Uhr nicht zu Hause bin, brauchst du mit der Suppe nicht zu warten.‹ Sie erschrickt, du achtest es nicht; sie will nach, du winkst ihr mit der Reitgerte zurück; sie stürzt ans Fenster, hängt sich und das Tränentüchlein heraus und ruft ›Adje!‹ und wedelt hin und her mit dem weißen Fahnen. Laß wehen und achte nicht darauf. Drück dem Gaul die Sporen in den Leib und davon; ich kann dir schwören, das setzt die Weiber in Respekt. Das drittemal fragte die meine nicht mehr und gottlob, das Gewinsel hat ein Ende!«

Der Baron hatte während dieser trefflichen Rede in größter Gemütsruhe eine Pfeife gestopft, Feuer angeschlagen und dampfte jetzt, indem er seine Felder und Wälder überschaute, ohne eine Antwort seines Gastes zu erwarten; aber dieser preßte die Lippen zusammen und noch stärker preßte die Rede des rohen Mannes sein volles Herz. O du Hund von einem Menschen, sprach er bei sich, schlechter noch als ein Hund, denn der Herr hat dir ja Vernunft gegeben. Wie man ein Pferd zureitet oder einen Baum in bessere Erde setzt hast du gelernt, aber eine schöne Seele zu behandeln, ein liebendes Herz zu verstehen liegt außer deinen Grenzen. Wie sie ihm nachsah, so voll Wehmut, denn er hatte ja nicht von ihr Abschied genommen, so voll Engelsgeduld, sie hatte ihm ja seine rohen Worte schon wieder vergeben; mit einem Blick so voll von Liebe! Von Liebe? kann sie ihn denn lieben? Wird nicht ihr zarter Sinn tausendmal von ihm beleidigt? Sieht sie denn nicht, wie er seinem Jagdhund mehr Zärtlichkeit beweist als ihr? Oder wie? fuhr er in seinem Hinträumen fort, sollte sie, weil sie einmal sein Weib geworden ist, Zärtlichkeit für den fühlen, den sie an Geist so weit überragt und den sie dennoch – fürchtet? Oder sollte es immer und ewig das Los dieser armen Wesen sein, daß unter Hunderten nur eine wahrhaft lieben darf, daß die andern, von der Natur zu einem herrlichen Gefäß zärtlicher, hoher Liebe ausgerüstet, erwachsen, blühen, verwelken ohne wahre Liebe zu kennen? Doch, dieser Gedanke wäre mir noch erträglicher als der, daß sie ihn wirklich lieben könnte! Nein, es kann, es darf nicht sein. Unwillkürlich hatte er bei den letzten Worten durch eine rasche Bewegung seinem Pferde die Sporen gegeben, es raffte sich auf und flog dahin. »Ho ho, Junge! Du willst mit mir in die Wette reiten?« rief ihm der Baron nach, und steckte die Pfeife bei. »Zweihundert Schritte gebe ich dir vor und hole dich dennoch ein.« Kunstgerecht berechnete er dann den Zwischenraum, und als er dachte, Fröben habe die vorgegebenen Schritte zurückgelegt, ließ er sein Pferd weit ausstreichen und gelangte zu seinem nicht geringen Triumph in demselben Moment mit dem Freunde vor der Dampfmühle an.


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