Wilhelm Hauff
Novellen
Wilhelm Hauff

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8

Mit umständlicher Gravität, wie es dem Haushofmeister eines p . . . schen Prinzen, einem Mann aus altkastilischem Geschlechte geziemte, hatte Don Pedro di San Montanjo Ligez seine Geschichte vorgetragen. Als er geendet, trank er einigen Xeres, lüftete den Hut, strich sich über Stirne und Kinn und sagte zu dem jungen Mann an seiner Seite: »Was ich wenigen Menschen vertraut, habe ich Euch umständlich erzählt, Don Fröbenio, nicht um Euch zu locken, mir mit gleichem Vertrauen zu erwidern, obgleich Euer Geheimnis so sicher in meiner Brust ruhte, als der Staub der Könige von Spanien in Eldorado – obgleich ich gespannt bin zu wissen, inwiefern Euch jene Dame interessiert; – aber Neugier ziemt dem Alter nicht, und damit gut.«

Fröben dankte dem Alten für seine Mitteilung. »Mit Vergnügen werde ich Ihnen meinen kleinen Roman zum besten geben«, sagte er lächelnd, »er betrifft keiner Dame Geheimnisse und endet schon da, wo andere anfangen. Aber wenn Sie erlauben, werde ich morgen erzählen, denn für heute möchte es wohl zu spät sein.«

»Ganz nach Eurer Bequemlichkeit«, erwiderte der Don, seine Hand drückend; »Euer Vertrauen werde ich zu ehren wissen.« So schieden sie; der Spanier begleitete den jungen Mann höflich bis an die Schwelle seines Vorsaals und Diego leuchtete ihm bis in die Straße. Nach seiner Gewohnheit ging Fröben den Tag nachher in die Galerie; er stand lange vor dem Bilde, und wirklich dachte er an diesem Tage mehr an den Alten, denn an die gemalte Dame; aber er wartete über eine Stunde – der Alte kam nicht. Er ging mit dem Schlag zwei Uhr in die Anlagen, ging langsamen Schrittes um den See, vorbei an schönen Equipagen, noch schöneren Damen, vorbei an unzähligen Direktoren und Lieutenants, zog oft sein Fernglas und schaute die lange Promenade hinab, aber die ehrwürdige Gestalt seines alten Freundes wollte sich nicht zeigen; umsonst schaute er nach den dünnen schwarzen Beinen, nach dem spitzen Hut, umsonst nach Diego in den bunten Kleidern, mit Sonnenschirm und Regenmantel, er war nicht zu sehen.

»Sollte er krank geworden sein?« fragte er sich, und unwillkürlich ging er nach dem Schloßplatz hin, und nach dem Gasthof »Zum König von England«, um Don Pedro zu besuchen. »Fort ist die ganze Wirtschaft, auf und davon«; antwortete auf seine Frage der Oberkellner. »Gestern abend noch bekam der Prinz Depeschen und heute vormittag sind Seine Hoheit nebst Gefolge in sechs Wagen nach W. abgereist; der Haushofmeister, er fuhr im zweiten, hat für Sie eine Karte hier gelassen.«

Begierig griff Fröben nach diesem letzten Freundeszeichen. Es war nur Don Pedro di San Montanjo Ligez, Major Rio di S. A. etc. darauf zu lesen. Verdrüßlich wollte Fröben diesen kalten Abschied einstecken, da gewahrte er auf der Rückseite noch einige Worte mit der Bleifeder geschrieben, er las: »Lebt wohl, teurer Don Fröbenio; Eure Geschichte müßt Ihr mir schuldig bleiben; grüßet und küsset Donna Laura.«

Er lächelte über den Auftrag des alten Herrn, und doch, als er in den nächsten Tagen wieder vor dem Bilde stand, war er wehmütiger als je, denn es war in seinem Leben eine Lücke entstanden durch Don Pedros Abreise. Er hatte sich so gerne mit dem guten Alten unterhalten, er hatte seit langer Zeit zum erstenmal wieder in einem genaueren Verhältnis mit Menschen gelebt und deutlicher als je fühlte er jetzt, daß nur der Einsame, der Hoffnungslose ganz unglücklich ist. Wäre das Bild nicht gewesen, das ihn mit seinem eigentümlichen Zauber zurückhielt, schon längst hätte er Stuttgart verlassen, das sonst keine Reize für ihn hatte. Als ihm daher eines Tages die Herren Boisserée die treue Kopie jenes lieben Bildes, ein lithographiertes Blatt zeigten und ihn damit beschenkten, nahm er es als einen Wink des Schicksals auf, verabschiedete sich von dem Urbild, packte die Kopie sorgfältig ein und verließ diese Stadt so stille als er sie betreten hatte.


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