Wilhelm Hauff
Novellen
Wilhelm Hauff

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7

»Bei Gott, Ihr seid ein scharfer Kritiker«, erwiderte Fröben errötend; »es liegt in dem, was Ihr saget, etwas Wahres, aber ganz so? nein, da müßte ja jener Götterfunke, der zündend ins Herz schlägt, jener selige Augenblick, wo die Hälfte einer Minute zum Verständnis hinreicht, müßte lügen und doch glaube ich an seine himmlische Abkunft. Oh! ist es mir denn besser ergangen?«

»Ich verstehe, was Ihr sagen wollt«; sprach Don Pedro; »jener Moment ist himmlisch schön, aber beruht gar oft auf bitterer Täuschung. Höret weiter; mich reizten, mich hinderten keine Schranken und dennoch liebte ich so warm als irgendein junger Kavalier in Spanien. Das einzige Hindernis konnte Lauras Herz sein, und – ihr Auge hatte mir ja schon oft gestanden, daß es dem meinigen gerne begegne. Alle jene kleinen Beweise meiner Zärtlichkeit, wie man sie in diesem Zustand gibt, nahm Donna Laura gütig auf und nach einem Vierteljahre erlaubte sie mir, ihr meine Liebe zu gestehen. Die Eltern hatten die Sache längst bemerkt; mein Oheim gab mir seine Einwilligung und sagte, er habe für mich wegen guter Dienste, die ich geleistet, beim König um ein Majorspatent nachgesucht. Mit der Nachricht meines Steigens solle ich dem Vater meine Liebe gestehen und ihn um Einwilligung bitten. Ich gelobte es; ach! warum habe ich's getan? Sollte man nicht immer einen Dämon hinter sich glauben, der uns das Glück wie ein schönes Spielzeug gibt, nur um es plötzlich zu zerschlagen?

Ich hatte bald nach der Gewißheit meines Glückes mit einem Hauptmann aus einem Schweizerregiment Bekanntschaft gemacht, den ich liebgewann und täglich in mein Haus führte. Es war ein schöner blonder Jüngling, mit klaren blauen Augen, von weißer Haut und roten Wangen. Er hätte zu weich für einen Soldaten ausgesehen, wenn nicht berühmte Waffentaten, die er ausgeführt, in aller Munde lebten. Um so gefährlicher war er für die Frauen. Seine ganze Erscheinung war so neu in diesem Lande, wo die Sonne die Gesichter dunkel färbt, wo unter schwarzem Haar schwarze Augen blitzen; und wenn er von den Eisbergen, von dem ewigen Schnee seiner Heimat erzählte, so lauschte man gerne auf seine Rede und manche Dame mochte schon den Versuch gemacht haben, das Eis seines Herzens zu zerschmelzen.

Eines Morgens kam ein Freund zu mir, der um meine Liebe zu Laura wußte, und gab mir in allerlei geheimnisvollen Reden zu verstehen, ich möchte entweder auf der Hut sein, oder ohne das Majorspatent meine Base heiraten, indem sonst noch manches sich ereignen könnte, was mir nicht angenehm wäre. Ich war betreten, forschte näher und erfuhr, daß Donna Laura bei einer verheirateten Freundin hie und da mit einem Mann zusammenkomme, der in einen Mantel verhüllt ins Haus schleiche. Ich entließ den Freund und dankte ihm. Ich glaubte nichts davon, aber ein Stachel von Eifersucht und Mißtrauen war in mir zurückgeblieben. Ich dachte nach über Lauras Betragen gegen mich, ich fand es unverändert; sie war hold, gütig gegen mich wie zuvor, ließ sich die Hand, wohl auch den schönen Mund küssen – aber dabei blieb es auch; denn jetzt erst fiel mir auf, wie kalt sie immer bei meiner Umarmung war, sie drückte mir die Hand nicht wieder, wenn ich sie drückte, sie gab mir keinen Kuß zurück.

Zweifel quälten mich; der Freund kam wieder; schürte durch bestimmtere Nachrichten das Feuer mächtiger an, und ich beschloß bei mir, die Schritte meiner Dame aufmerksamer zu bewachen. Wir speisten gewöhnlich zusammen, der Oheim, die Tante, meine schöne Base und ich. Am Abend des Tages, als mein Freund zum zweitenmal mich gewarnt, fragte die Tante bei Tische ihre Tochter, ob sie ihr Gesellschaft leisten werde auf dem Balkon?

Sie antwortete, sie habe ihrer Freundin einen Besuch zugesagt. Unwillkürlich mochte ich sie dabei schärfer angesehen haben, denn sie schlug die Augen nieder und errötete. Sie ging eine Stunde ehe die Nacht einbrach zu jener Dame. Als es dunkel wurde schlich ich mich an jenes Haus und hielt Wache; rasende Eifersucht kam über mich, als ich die Straße herauf, nahe an die Häuser gedrückt, eine verhüllte Gestalt schleichen sah. Ich stellte mich vor die Haustüre, die Gestalt kam näher und wollte mich sanft auf die Seite schieben. Aber ich faßte sie am Gewand und sprach: ›Señor, wer Ihr auch seid, in diesem Augenblick glaube ich einen Mann von Ehre vor mir zu haben und bei Eurer Ehre fordere ich Euch auf, steht mir Rede.‹

Bei dem ersten Ton meiner Stimme sah ich ihn zusammenschrecken; er besann sich eine kleine Weile und entgegnete dann: ›Was soll es?‹

›Schwört mir bei Eurer Ehre‹, fuhr ich fort, ›daß Ihr nicht wegen Donna Laura de Tortosi in dieses Haus geht.‹

›Wer erkühnt sich, mir über meine Schritte Rechenschaft abzufordern?‹ rief er mit dumpfer verstellter Stimme. An seiner Aussprache merkte ich, daß er ein Fremder sein müsse; eine düstere Ahnung ging in meiner Seele auf; ›Der Kapitän de San Montanjo wagt es‹, antwortete ich und riß ihm, ehe er sich dessen versah, den Mantel vom Gesicht – es war mein Freund Tannensee, der Schweizer.

Er stand da, wie ein Verbrecher, keines Wortes mächtig. Aber ich hatte meinen Degen blankgezogen, und sprachlos vor Wut deutete ich ihm an, dasselbe zu tun. ›Ich habe keine Waffen bei mir, als einen Dolch‹, erwiderte er. Schon war ich willens ihm ohne Zögern den Degen in den Leib zu rennen; aber als er so regungslos auf alles gefaßt vor mir stand, konnte ich das Schreckliche nicht vollbringen. Ich behielt noch soviel Fassung, daß ich ihn bestimmte am andern Morgen vor dem Tor der Stadt mir Rechenschaft zu geben. Die Türe hielt ich besetzt; er sagte zu und ging.

Noch lange hielt ich Wache, bis endlich die Sänfte für Laura gebracht wurde, bis ich sie einsteigen sah; dann folgte ich ihr langsam nach Hause. Die Qualen der Eifersucht ließen mich keinen Schlaf auf meinem Lager finden, und so hörte ich, wie sich um Mitternacht Schritte meiner Türe näherten. Man pochte an; verwundert warf ich meinen Mantel um und schloß auf; es war die alte Dienerin Lauras, die mir einen Brief übergab und eilends wieder davonging.

Señor! Gott möge Euch vor einem ähnlichen Brief in Gnaden bewahren! Sie gestand mir, daß sie den Schweizer längst geliebt habe, als sie mich noch gar nicht kannte. Daß sie aus Furcht vor dem Zorn ihrer Mutter, die alle Fremden hasse, ihn immer zurückgehalten, um sie zu werben; daß sie, von den Drohungen meiner Tante genötigt, meine Anträge sich habe gefallen lassen. Sie nahm alle Schuld auf sich, sie schwur mit den heiligsten Eiden, daß Tannensee mir oft habe alles gestehen wollen, und nur durch ihr Flehen, durch ihre Furcht, nachher strenger verwahrt zu werden, sich habe zurückhalten lassen. Sie deutete mir ein schreckliches Geheimnis an, das die Ehre der Familie beflecken werde, wenn ich ihr und dem Hauptmann nicht zur Flucht verhelfe. Sie beschwor mich, von meinem Streit abzustehen, denn wenn er falle, so bleibe ihr, seiner Gattin, nichts übrig, als sich das Leben zu nehmen. Sie schloß damit, meine Großmut anzurufen, sie werde mich ewig achten, aber niemals lieben.

Ihr werdet gestehen, daß ein solcher Brief gleich kaltem Wasser alle Flammen der Liebe löschen kann; er löschte sogar zum Teil meinen Zorn. Aber vergeben konnte ich es meiner Ehre nicht, daß ich betrogen war, darum stellte ich mich zur bestimmten Stunde auf dem Kampfplatz ein. Der Kapitän mochte tief fühlen, wie sehr er mich beleidigt; obgleich er ein besserer Fechter war als ich, verteidigte er sich nur, und nicht seine Schuld ist es, daß ich meine Hand, hier zwischen Daumen und Zeigfinger in seinen Degen rannte, so daß ich außerstand war, weiterzufechten. Ich gab ihm, während ich verbunden wurde, Lauras Brief. Er las, er bat mich flehend, ihm zu vergeben; ich tat es mit schwerem Herzen.

Die Geschichte meiner Liebe ist zu Ende, Don Fröbenio, denn fünf Tage darauf war Donna Laura mit dem Schweizer verschwunden.«

»Und mit Ihrer Hülfe?« fragte Fröben.

»Ich half so gut es ging. Freilich war der Schmerz meiner Tante groß; aber in diesen Umständen war es besser, sie sah ihre Tochter nie wieder, als daß Unehre über das Haus kam.«

»Edler Mann! wie unendlich viel muß Sie dies gekostet haben! wahrhaftig es war eine harte Prüfung.«

»Das war es«, antwortete der Alte mit düsterem Lächeln. »Anfangs glaubte ich diese Wunde werde nie vernarben; die Zeit tut viel, mein Freund! Ich habe sie nie wiedergesehen, nie von ihnen gehört, nur einmal nannten die Zeitungen den Obrist Tannensee als einen tapfern Mann, der unter den Truppen Napoleons in der Schlacht von Brienne dem Feinde langen Widerstand getan habe. Ob es derselbe ist, ob Laura noch lebt, weiß ich nicht zu sagen.

Als ich aber in diese Stadt kam, jene Galerie besuchte, und nach zwanzig langen Jahren meine Laura wieder erblickte, ganz so, wie sie war in den Tagen ihrer Jugend, da brachen die alten Wunden wieder auf und – nun Ihr wisset, daß ich sie täglich besuche.«


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