Wilhelm Hauff
Novellen
Wilhelm Hauff

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14

Wie schön war sie in diesem Augenblick; das Gespräch hatte ihre Wangen mit höherem Rot übergossen, ihre Augen leuchteten und das Lächeln, womit sie schloß, hatte etwas so Zauberisches, Gewinnendes an sich, daß Fröben nicht wußte, ob er mehr die Schönheit dieser Frau, oder ihren Geist und die einfach schöne Weise sich auszudrücken bewundern sollte.

»Gewiß«, sagte er, in ihren Anblick verloren, »gewiß, wir müßten sehr ungerecht sein, wenn wir solche zarte und gerechte Ansprüche nicht achten wollten; denn die Frau müßte ich für recht unglücklich halten, die bei einem gebildeten Geist, bei einer Freude an Lektüre und gebildeter Unterhaltung keine solche Anklänge in ihrer Umgebung fände; wahrlich, so ganz auf sich beschränkt, müßte sie sich für sehr unglücklich halten.«

Josephe errötete und eine düstere Wolke zog über ihre schöne Stirne; sie seufzte unwillkürlich und mit Schrecken nahm Fröben wahr, daß ja eine solche Frau, wie er sie eben beschrieben, an seiner Seite sitze. Ja, ohne es zu wollen, hatte er ihren eigenen Gram verraten. Denn konnte ihr roher Gatte jenen zarten Forderungen entsprechen? Er, der in seiner Frau nur seine erste Schaffnerin sah, der jedes Geistige, was dem Menschen interessant oder wünschenswert dünkt, als unpraktisch geringschätzte; konnte er diese Ansprüche auf den Genuß einer gebildeten Unterhaltung befriedigen? War nicht zu befürchten, daß er ihr solche sogar geflissentlich entzog?

Noch ehe Fröben so viel Fassung gewonnen hatte, seinem Satz eine allgemeinere Wendung zu geben und das ganze Gespräch von diesem Gegenstand abzuwenden, sagte Josephe, ohne ihn seinen Verstoß fühlen zu lassen: »Wir Frauen auf dem Lande genießen diese Freude freilich seltener; übrigens sind wir dennoch nicht so allein, als es dem Fremden vielleicht scheinen möchte; man besucht einander um so öfter; sehen Sie nur, welche Masse von Besuchen dort am Spiegel hängt.«

Fröben sah hin und jene Karte fiel ihm bei. »Ach ja«, sagte er, indem er sie hervorzog, »da habe ich vorhin einen kleinen Diebstahl begangen«; er zog sie hervor und zeigte sie. »Können Sie glauben, daß ich bis gestern nicht einmal wußte, daß mein Freund verheiratet sei? Und Ihren Namen erfuhr ich erst vorhin durch diese Karte. Sie heißen Tannensee?«

»Ja«, antwortete sie lächelnd, »und diesen unberühmten Namen tauschte ich gegen den schönen von Faldner um.«

»Unberühmt? wenn Ihr Vater der Obrist von Tannensee war, so war Ihr Name wohl nicht unberühmt.«

Sie errötete; »Ach, mein guter Vater!« rief sie, »ja man erzählte mir wohl von ihm, daß er für einen braven Offizier des Kaisers gegolten habe und – sie haben ihn als General begraben. Ich habe ihn nicht gekannt, nur einmal, als er aus dem Feldzug zurückkam, sah ich ihn und nachher nicht wieder; es sind schon 13 Jahre, seit er tot ist.«

»Und war er nicht ein Schweizer?« fragte Fröben weiter.

Sie sah ihn staunend an; »Wenn ich nicht irre, sagte mir meine Mutter, daß Verwandte von ihm in der Schweiz leben.«

»Und Ihre Mutter, heißt sie nicht Laura und stammt aus einem spanischen Geschlecht?«

Sie erbleichte, sie zitterte bei diesen Worten. »Ja, sie hieß Laura«, antwortete sie – »aber mein Gott, was wissen Sie denn von uns, woher? – aus einem spanischen Geschlechte?« fuhr sie gefaßter fort; »nein, da irren Sie, meine Mutter sprach deutsch und war eine Deutsche.«

»Wie? so ist Ihre Mutter tot?«

»Seit drei Jahren«, erwiderte sie wehmütig.

»Oh, schelten Sie mich nicht, wenn ich weiter frage; hatte sie nicht schwarze Haare, und, wie Sie, braune Augen? Hatte sie nicht viele Ähnlichkeit mit Ihnen?«

»Sie kannten meine Mutter?!« rief sie ängstlich und zitterte heftiger.

»Nein; aber hören Sie einen sonderbaren Zufall«, erwiderte Fröben; »es müßte mich alles täuschen, wenn ich nicht einen trefflichen Verwandten Ihrer Mutter kennengelernt hätte.« Und nun erzählte er ihr von Don Pedro. Er beschrieb ihr, wie sie sich vor dem Bilde gefunden, er ließ die Kopie von seinem Zimmer bringen und zeigte sie; er sagte ihr, wie sie genauer bekannt geworden und wie ihm Don Pedro seine Geschichte erzählte. Aber die letztere wiederholte er mit großer Schonung; er datierte sogar, aus einem gewissen Zartgefühl jene Vorfälle und Lauras Flucht um ein ganzes Jahr zurück und schloß endlich damit, daß er, wenn Josephe ihre Mutter nicht eine Deutsche nennen würde, bestimmt glaubte, Mutter Laura und jene Donna Laura Tortosi des Spaniers, der Schweizerhauptmann Tannensee und ihr Vater, der Obrist, seien dieselben Personen.

Josephe war nachdenklich geworden; sinnend legte sie die Stirne in die Hand; sie schien ihm, als er geendet hatte, nicht sogleich antworten zu können.

»O zürnen Sie mir nicht«, sagte Fröben, »wenn ich mich hinreißen ließ, dem wunderlichen Spiel des Zufalls diese Deutung zu geben.«

»Oh, wie könnte ich denn Ihnen zürnen«, sagte sie bewegt, und Tränen drängten sich aus den schönen Augen. »Es ist ja nur mein schweres Schicksal, das auch dieses Dunkel wieder herbeiführt. Wie könnte ich auch wähnen, jemals ganz glücklich zu sein?«

»Mein Gott, was habe ich gemacht!« rief Fröben, als er sah, wie ihre Tränen heftiger strömten. »Es ist ja alles nur eine törichte Vermutung von mir. Ihre Mutter war ja eine Deutsche, Ihre Verwandten und Sie werden ja dies alles besser wissen –«


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