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Motto:
O Wunder groß! es ist geworden wahr
Und wirds auch fürder bleiben
Wohl tausend Jahr!
I. Buch, 4. Kap.
Einmal noch galt es für Mirjam und Rahel eine Rückkehr in die alte Heimat und ins alte traute Vaterhaus. Ruth, die Amme, hatte treulich hausgehalten und Kathi, das Christenmädchen, freute sich von Herzensgrund über ihre Rückkehr, wenn schon die Herrin jetzt als Neuvermählte ihr ferner gerückt war und sie wußte, daß sich nun bald das Band lösen werde, welches sie bisher so treu mit dieser Familie verbunden hatte; denn Ruben war ja nun mitgekommen und gedachte nicht gar zu lange zu bleiben.
Der Mohr aber sah auf diese Weise noch einmal die alte Stadt und das war auch ihm selber lieb. Was hatte er da nicht alles erlebt! Er freute sich übrigens zugleich auch darüber, daß Mirjam seiner bald nicht mehr bedürfe und daß nun so seine schönste Hoffnung, nach der Heimat ziehen zu können, sich erfülle, – wenn ihm auch der Abschied von so geliebten Menschen zum voraus schwer auf der Seele lag.
Auch ihre Nachbarn und Freunde trafen die heimkehrenden Schwestern in gutem Frieden und glücklichem Leben an. Beatrice war voll Freude, die alten Freunde wieder zu haben, und als sie Mirjam zu ihrer, damals noch immer etwas kränklichen Mutter hereinführte, da war die Mutter überglücklich, in dieses dankbare Gesicht, in diese gesunden lieben Augen blicken zu können.
Das völlig veränderte Leben zeigte sich aber auch noch in etwas anderem. Beatrice brachte ihren Bräutigam jetzt in viel herzlichere Beziehung zu Rahel und Mirjam, als dies bisher beiden Teilen möglich erschienen war. War es ja doch überall so! Das Judenvolk war überhaupt ein ganz anderes geworden als früher. Die großen Thatsachen und die Erkenntnis ihres Messias, des Heilands der Welt, hatten aus dem fremden und fremdartig bleibenden Volk voll eigener Interessen – sozusagen ein Volk von Gästen mitten unter der Christenheit gemacht, wert geachtet und dementsprechend behandelt von jedermann. Sie selber wußten es wohl, was sie früher übel angesehen gemacht hatte, aber aus der Erkenntnis ihres Messias erwuchs auch ihnen nun eine ganz andere Stellung und Haltung, als solche vorher häufig gewesen war. Man verkehrte jetzt unter einander als mit Leuten, welche ein und dasselbe heilige Geheimnis in des Herzens Grund hegen und bewahren, und welche um einer Fülle gemeinsamer großer Ideale willen einander doppelter Ehre wert achten!
In der That, der Verkehr unserer Freunde untereinander wurde nur immer herzlicher und zugleich nur immer idealer. Denn die mächtige Bewegung unter allen Völkern und die immer herrlichere Erfüllung der schönsten Hoffnungen für die neu belebte, glückliche Menschheit brachte die Edelsten in immer engeren Bund freudigen Schaffens und begeisterter Arbeit für das große Ganze. Kunos Freund Otto war auf dessen Bitten auch in diesen Freundschaftskreis getreten, und als er bald darauf in echter deutscher Treue gegen Kuno den Wunsch äußerte, aus seinem deutschen Vaterland seine seit Jahren still geliebte Gertrud jetzt heimzuholen und hier im schönen Süden mit ihr wohnen zu bleiben, da waren Kuno und Beatrice überglücklich, denn sie hätten sich nie etwas Besseres wünschen mögen.
Und nicht genug! an einem und demselben Tag feierten die beiden Paare Kuno und Beatrice, Otto und Gertrud, ihre Hochzeit; die angesehensten Gäste bei ihnen aber waren Ruben mit Rahel, seiner jungen Gattin, und Mirjam. Als sich der Zug in den Straßen sehen ließ, da war das wohl jetzt niemand mehr verwunderlich, aber doch war es so ganz anders als es früher gewesen wäre, so daß man denn doch allgemein davon sprach. Es waren übrigens keinerlei hämische Reden dabei zu vernehmen, sondern nur Ehre Gott in der Höhe, – denn es war Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.
Mit dabei war auch Martin, der spätere Dorfälteste und Frau Margaretha. Kuno sowohl als besonders Otto hatten darauf bestanden, denn schon damals verband besonders den letzteren sein künftiger Beruf mit diesem verständigen Mann, und die Freundschaft der Frauen war bald, sehr bald eine besonders innige geworden.
Ruben und Rahel sagten der alten Heimat kurze Zeit nachher Lebewohl, denn sie wollten und sollten mit Mirjam von nun an dauernd in Jerusalem wohnen. Doch immer hieß es: Auf Wiedersehen, auf Wiedersehen! Was will auch eine solche Entfernung jetzt bedeuten und wer könnte es sich anders denken, als daß so treue Freunde dennoch ungeschieden bleiben?
*
Nach wenigen Jahren schon finden wir sie wieder beisammen. Von Zamba kommen anhängliche Briefe aus seiner fernen Heimat, Briefe voll Freude und froher Hoffnung für sein Volk, auch voll Dank über eigenes Familienglück. Der alte Isaak lebt auch noch im Haus am Damaskusthor, und läßt grüßen ›die Kinder der Gesegneten des Herrn,‹ denn von Kunos und Beatricens kleinem Töchterlein Ada hat er Wunderliebliches gehört und man spricht heute von diesem Gruß des Alten, weil die kleine Ada jetzt eben im Garten mit Henri, dem etwas älteren Knaben Martins, so fröhlich spielt. Die Männer besprechen die frohe Aussicht auf eine besonders reiche Ernte in diesem Jahr und kommen darüber auf gar allerlei zu reden, auch wieder auf die große Hoffnung eines immer schneller sich entwickelnden Aufschwungs unter allen Völkern. Die Frauen reden von den Aufgaben des Tages und von den immer wachsenden, aber auch immer schöneren Aufgaben des eigenen Lebens und Wirkens.
Drunten im Garten aber sitzt jetzt Rahel bei den Kindern, spielt mit ihnen und erzählt den schmeichelnden Kleinen in ihrer einzig schönen und lieblichen Weise gar allerlei, dem diese mit wahrem Entzücken lauschen. Endlich sagt Ada, die Kleine: »O Rahel, mir hat auch geträumt!«
»Ei, was denn?«
Da fängt die Kleine mit großen strahlenden Augen an: »Mir hat geträumt, da stünde die große Himmelsleiter und ich steige hinauf bis in die goldene Stadt dort oben!«
»Warte nur, Ada!« ruft da Henri in seiner lebhaften kindlichen Träumerei. »Ich pflücke Dir vorher Blumen und stecke sie Dir in's Haar und dann steigen wir beide miteinander hinauf, – gieb nur acht! ich halte Dich, ich halte Dich fest, Ada! und wir steigen immer weiter, immer weiter, bis wir ganz droben sind in der goldenen Stadt!«
*
Ja, es ist wahr! sie stiegen immer weiter, immer seliger hoch empor, ›die Kinder der Gesegneten des Herrn‹, – von einer Sprosse zur andern, von einem Jahr und einem Jahrzehnt zum andern, – bis sie alle selig eingingen zur goldenen Stadt.