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Ada und Henri.
Motto:
Göttliche Liebe! du bist's, die der Menschheit Blumen vereinigt.
Ewig getrennt sind sie doch ewig verbunden durch dich!
Schiller.
In der That, das war ein herrlicher Anblick, als die Spanier durch die Stadt marschierten!
Schon ihre kleidsame, doch dunkle Tracht, die kurze Jacke und die kurzen Beinkleider, die Gamaschen und die Lederschuhe, die wollene farbige Schärpe und der spitze, breitkrempige schwarze Hut, dazu ihre stolzen Banner, die sie durch die Stadt trugen, – alles bot ein schönes, lebensvolles Bild, als sie in bequem zusammengeschlossenen Reihen zu sechsen in einem Glied einherschritten, lauter kräftige Gestalten, zum teil hochgewachsene Leute, alle stolzen Schrittes und elastisch beweglich, auch der einfache Mann fast vornehm aussehend in Haltung und Blick. Aber brudertreu und je und je mit erhobener Hand, so grüßten sie unsre junge Mannschaft, welche teils in Doppelreihen Spalier bildete, teils den auf dem Bahnhof abgeholten Zug eröffnete und schloß. Laute Zurufe erfüllten die Straßen, durch welche sie zogen; die Frauen und Mädchen schwenkten die Tücher, von jedem Erker herab und von jedem Balkon aus wurden sie neu begrüßt. Überall flatterten Fahnen im Winde, Standarten schmückten alle Häuser; die ganze Stadt zeigte ein buntes Leben, jede Straße, durch die sie zogen, bot ihnen ein neues Bild.
Der Zug, welcher durch die obere breite Straße in die Stadt einmarschiert war, kam, schließlich wieder in dieselbe zurückkehrend, zuletzt vor den Gast- und Logierhäusern zum Stehen; dort begrüßte man sich vorläufig, und dann ging es in die Logierhäuser, ein Mittagsmahl einzunehmen, und darnach die Stadt und ihre Gelände, die Gebäude und ihre Werkstätten zu sehen. Auf den Abend sollte eine große Versammlung gehalten werden.
Unsre Freunde waren alle wieder beisammen. Mittags hatten sie sich den schönen Zug und den Einmarsch durch die Stadt vom Hause aus mit angesehen; es war seit langen Jahren wieder das erstemal, daß Spanier gerade diese Stadt passierten, wenn sie durchs Land zogen. Daher der festliche Empfang und die allgemeine Freude.
Ada hatte auf dem Balkon gestanden, und Henri hatte sich zu ihr gesellt. Er überragte die Jungfrau um Haupteslänge, doch war sie selbst eine stattliche Erscheinung.
»Hast Du den Gruß gesehen, mit dem sie Dich grüßten, Ada?«
»Ja.«
»Der dritte Bannerträger neigte sogar seine Fahne.«
»Nun, davon habe ich nichts gemerkt!«
»Doch, Ada! mir ist es nicht entgangen.«
»Die Spanier sind immer höflich.«
»Aber auch stolz, – sie thun nie zu viel.«
»Nun, das wäre doch fast zuviel gewesen,« lächelte sie.
»Für Dich ist das nie zuviel, meine liebe Ada. Ich schaue zu Dir auch hoch empor, Ada.«
»So darfst Du nicht sagen, lieber Henri.«
»Doch, Ada, auch mein Banner neigt sich vor Dir; das weißt Du, Ada.«
Sie schwieg, aber sie sah jetzt freundlich und offen Henri in die Augen.
»Ada! wann wirst Du einmal mein sein?«
»Ich bin Dein, Henri!«
»Ja, aber wann werde ich Dich offen so nennen dürfen?«
Ada errötete. »Wie es die Eltern wollen,« sagte sie.
»Ada, Du bist mein Traum und mein Leben. Dir gehört meiner Seele frohestes Jauchzen, Dir meines Herzens tiefstes Sehnen,« sagte er jetzt mit großer Bewegung.
»Henri, lieber Henri, Du hast mein Herz, das weißt Du.«
»Ja, das weiß ich, Ada, und Gott sei Lob und Dank, daß ich das weiß. Das ist auch der Sonnenschein meines Lebens, und selbst an trüberen Tagen ist das die Macht, welche jeden Sturm legt und alle Wolken verscheucht. Aber wann wirst Du ganz mein sein, Ada? das sage mir heute!«
»Die Eltern segnen unsern Bund, das fühle ich wohl. Wenn sie wissen, Henri, daß wir beide innerlich gewiß geworden sind, so wirst Du auch mit ihnen reden können.«
»Ach, wie glücklich machst Du mich, Ada! Hast Du es Deiner Mutter gesagt?«
Ada zögerte errötend. »Ja, Henri,« sagte sie dann, »ich habe es ihr gesagt.«
»Tausend Dank, Ada, tausend Dank!«
»Und als die frohe Schar am Haus vorüberzog ...«
»... die Dich grüßte und immer wieder grüßte!« unterbrach Henri.
Ada fuhr fort: ... »Da sagte ich mir: Du bist es, Henri, Du allein von lange her! Warum soll ich also Dir nicht die Antwort geben, die Du heute wieder von mir fordern wirst?«
»O Ada! wie machst Du mich glücklich!«
»Wir sind beide glücklich, Henri, Du bist mein und ich – bin Dein.«
Er ergriff ihre Hand mit inniger Freude:
»So kommt denn bald ein Tag, wo unsre Eltern den Bund feierlich segnen, Ada! und bald noch ein anderer, wo ein Zug, – durch Dich, Ada, schöner als dieser heutige hier, – durch unser Dorf wallt und in die Kirche tritt, den Segen von oben zu erflehen. Denn dort im Dorfe möchten es meine Eltern haben; Du weißt, Ada, ich bin ihr Einziger.«
»Ja, meine Eltern werden dem auch nicht entgegen sein. Soll ich dort einst leben und wirken, an Deiner Seite, wenn Gott es gönnt, auch viele andere glücklich zu machen, so möchte ich selbst am liebsten auch dort eingesegnet sein.«
»O Ada, Ada! wir sind die Kinder der Gesegneten des Herrn und sollen und wollen auch anderen ein Segen sein, nicht wahr?« sagte er mit innerster Ergriffenheit, in feuriger Mannesbegeisterung sich hoch aufrichtend.
Jetzt sah sie zu ihm empor, dann neigte sie ihr Haupt, und eine Thräne glänzte in ihren schönen Augen: »Was wollte ich lieber, Henri, als das? Gott schenke es uns!«
Er hob die Hand in die Höhe und rief leise: »Er wird es thun; ihm wollen wir Leben und Arbeit weihen, zu seiner Ehre und zum Wohl anderer Menschen.«
»Ja, Henri! das sei auch mein Gelöbnis; das allein schafft uns wahres Lebensglück.«
»Der Winter ist jetzt vor der Thüre, Ada, wir aber tragen den Frühling im Herzen, nicht wahr? Und wenn die Frühlingswinde wieder durch die Lande wehen und die ersten Blumen kommen, dann, Ada, dann sollen sie alle Dir, Dir auf den Weg gestreut sein, durchs ganze Dorf entlang.«
»Der Herr selbst führe uns seine Straße, Henri; er streue uns seinen Segen auf unsern Weg.«
»Ja und Amen, Ada, Du meine Geliebte!«
*
Die Gesellschaft stand noch immer an den Fenstern des großen Zimmers, in fröhlicher Unterhaltung das bunte Bild der Stadt zu ihren Füßen, das Wogen der Menge in der breiten Straße und vor den Logierhäusern betrachtend. Ada und Henri traten jetzt hinzu, und bald ging man zu Tisch, heute im eigenen Haus; die Logier- und Speisehäuser waren alle überfüllt.
In diesen wogte die Menge junger Leute und setzte sich jetzt zu Tische, immer je eine Truppe Spanier und eine gleich große Einheimischer beisammen.
Die eine gab der andern die Ehre, die Tafelrunde war überall eine fröhliche und herzliche, bei den Einheimischen schlug edle Gastlichkeit, bei den Gästen dankende Freude immer den rechten Ton an, und beides weihte die gegenseitige Berührung.
Es flammten die Augen in froher Begrüßung, jugendkräftige Begeisterung sprach sich in manchem beredten Trinkspruch aus. Darauf machte man den Gang durch die Stadt und den Park, durch Straßen und Werkstätten, bald hier verweilend, bald dort in der immer mächtiger anschwellenden Menge sich drängend, bis der Abend des so sonnenhell verlaufenden Tages jedermann mahnte, sich zu der großen Festversammlung zu rüsten, welche die jungen Leute ihren spanischen Gästen zu Ehren hielten.
*
Rahel blieb diesmal bei Beatrice und sie beide waren bald im traulichsten Gespräch.
»Was macht Deine Ada, Beatrice?«
»Nun, sie wächst stille heran. Das mütterliche Heim ist ihr immer ihr liebstes. Sie ist ein echtes Weib, heimisches Wesen und stille Thätigkeit ist ihr Leben und ihr Glück. Ich möchte es auch nicht anders wünschen.«
»Da hast Du recht, – was ist besser und schöner als das? Gottlob, daß das jetzt das Ideal aller ohne Ausnahme geworden ist.«'
»Ja, gottlob! aber kaum eine ihres Alters ist ihr voran; für ihr Alter ist sie ausgereift. Sie ist unsre tägliche Freude.«
»Darf ich fragen? ... Henri bemüht sich um sie, das ist mir nicht verborgen geblieben.«
»Ja, warum soll ich es Dir nicht sagen: die beiden jungen Leute haben einander herzlich lieb; es ist schon lange her, daß sie sich näher stehen, aber es zeigt sich erst in letzter Zeit auch uns, daß es mehr ist, als das.«
»Das wolle Gott segnen, Beatrice! einen besseren Mann könnte man ihr gar nicht wünschen; er hat mir schon vorgestern und auch früher mehreremale ganz besonders wohl gefallen.«
»Ja, er ist immer frohgemut und dabei ein ernster Mann. Er hat klare Ziele und einen festen Sinn, und ist die frohe Hoffnung für seine Eltern und die ganze Gemeinde.«
»Nun! da paßt Ada auch trefflich zu ihm, ihr fehlt auch nicht die hohe Stirne, welche große Gedanken erfassen kann, dabei spricht ein so tiefes Gemüt aus ihren innigen, seligen Augen.«
»Es freut mich, Rahel, daß Du mir meine liebe Tochter so wert schätzest. Wir hoffen, daß Gott die beiden jungen Leute mit einander segne, wenn es so weit kommen soll.«
»Und so weit wird es kommen, ich zweifle seit heute nicht mehr daran.«
»Es mag wohl so sein,« antwortete Beatrice, »wir wissen ... oder ich weiß ja zwar eigentlich nur von meiner Tochter, aber es wird ja wohl so sein.« – Nach einer Weile fuhr sie fort: »Es ist ja wirklich ein Glück, Rahel, wie frei man diese edle Jugend ihre Wege gehen lassen kann.«
»Ach ja, Beatrice, Du hast recht. Was ist es doch eine ganz andere Zeit geworden! Die reinen Augen einer Jungfrau sind überall eine heilige Hut um sie her, überall, wo sie auch geht und steht. Mir ekelt, wenn ich an unsere Jugendzeit zurückdenke! Welche Sitten dazumal, welche oft wirklich frechen Sitten! Äußerlich höfische Art um uns Mädchen her und mit feinen Manieren der Schein, aber auch nur der Schein guter Sitte, innerlich dagegen wie viel Verderben oft, manchmal ein ganzer Abgrund von Schlechtigkeit, – und das alles mußte man sich gefallen lassen; oft war es ein Glück, oft aber auch ein rechtes Unglück, daß wir arme Mädchen nicht einmal etwas davon wußten.«
»Aber auch die Mädchenwelt, Rahel, – sie war auch darnach; hier ein Zieren und da ein Bereitsein, überhaupt eine Eitelkeit und eine Gefallsucht ärmlichster Art. Dabei ihr ganzer Sinn von Putz und Prunk unzertrennlich, – in der That kein Wunder, daß sie die tägliche Zielscheibe für Spaß oder gar Spott ganz derselben Männerwelt waren, welche kaum zuvor ihre gewandten Bücklinge vor ihnen gemacht oder mit Liebenswürdigkeiten sich um sie bemüht hatte. Was hat denn bei den meisten stiller Sinn und häusliches Wesen gegolten? Bedauert hat man solche im besten Fall, oft noch bespöttelt und belacht, vielen hat sogar selbst Zucht und Ordnung nichts mehr gegolten.«
»O ich weiß es auch wohl noch, Beatrice, wie arm und einsam wir uns oft fühlten in der öden, so geistesleeren und doch so eitlen Welt, wo jeder unbefangene Verkehr vergällt war durch das Gift des überall lauernden Verderbens oder aber durch die Sorge mißgünstigen und üblen Klatsches.«
»Ja, so war es, Rahel! Du hast ja auch Dein Teil zu leiden gehabt!«
»Und wenn ich an meinen unglücklichen Bruder denke!« seufzte Rahel und schwieg einige Zeit.
Beatrice antwortete hier nicht. Es waren das die trübsten Erinnerungen für sie beide.
Nach einiger Zeit ergriff Rahel selbst wieder das Wort und fuhr fort: »Die Sache hängt aber auch mit den sozialen Verhältnissen zusammen; wäre es heutzutage immer noch jener Kampf ums Dasein, wie dazumal, so wäre auch in dieser Sache noch viel Unheil übrig. In unserer viel glücklicheren Zeit aber kann, wie jeder Mann, so jedes Mädchen an das Ziel ihrer irdischen Bestimmung kommen, und das ist doch ein großes Glück und in vieler Beziehung ein bei weitem leichterer Weg,« sagte Rahel, längere Zeit sinnend und wie aus ernsten Erinnerungen heraus.
»Ganz gewiß!« antwortete Beatrice, »und das eben hilft wieder mit, daß die gegenseitigen Beziehungen viel natürlicher, ungezwungener und idealer geworden sind; aber die Hauptsache ist und bleibt doch die sittlich reine Art und die tadellose Weihe des Innern, welche, wie jeder Jungfrau, so jedem reifenden Jüngling auf die Stirne geschrieben ist; wie vieles ist da anders geworden! Wie ganz anders gehen die jungen Leute heutzutage ihre Wege! ›Sie ringen sich durch,‹ sagt mein Mann ›im eigenen Innenleben. Sie reifen aus in heiligen Idealen, und dann sind sie frohgemut, begeistert für Jugendkraft und Jugendfrische; ein stolzer Mut, der alles Niedere und Gemeine unter sich zwingt, beherrscht die ganze Schar. Wer anders sein wollte, sollte sich einmal unter ihnen sehen lassen‹!«
»Beatrice!« sagte Rahel zustimmend, »der alte Notschrei hat ausgeklungen: ›Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes!‹ Dieser Notschrei Gebundener ist jetzt verwandelt in den Lobpreis des Messias, der die große Erlösungszeit und Erhörungszeit hat anbrechen lassen. Das ist es!«
»Ja freilich, Rahel, das ist es!«
*
In der großen Abendversammlung stieg inzwischen die allgemeine Freude zu hoher Begeisterung empor; die junge Mannschaft hatte eines der nationalen Schauspiele aufgeführt, wie sie immer mehr Sitte geworden sind; gilt es doch als ein schönster Ruhm, in die alte Geschichte des eigenen Volkes sich versenkend und ihre verborgensten Lebensquellen erlauschend, aus dem Born frischen, urkräftigen geschichtlichen Lebens dem Volk sein Wesen und Streben in hohen Idealgestalten, aber auch in den verschiedensten Schattenrissen darzustellen.
So giebt es denn schon jetzt eine fast zusammenhängende Kette von farbenfrischen Geschichtsbildern von der urältesten Zeit an bis in die mittlere und neuere Geschichte der vergangenen Weltzeit. Liebe zum eigenen Volk und Vaterland, zu Land und Leuten, zu Haus und Heim feiern da ihre freudigsten Triumphe. Froher Sang und sprudelndes Wort, ringender Geist und gedrungene Sprache werden offenbar und wetteifern miteinander, das innere Leben wie die äußere Geschichte des Volks und Landes zur schönen, harmonischen Darstellung und zu lebensvollem Ausdruck zu bringen. Manche alte Schmach vergangener Jahrhunderte wird dabei sühnend offenbar, mancher Blick in die Tiefen Gottes, der die Völkergeschichte lenkt und in seiner Hand behält, erschüttert und beseligt die Zuhörer und Beschauer. Es ist ein Stück Volksbildung und Volkserziehung edelster Art um diese Schauspiele geworden, für welche sich viele Kräfte freiwillig stellen und alle dankbar lernend sich einheitlich zusammenordnen.
Die Spanier schauten begierig zu und horchten aufmerksam auf die wohlbekannten Laute der stammverwandten Sprache; es war eine sehr glückliche Wahl bei dem Spiel des heutigen Abends, den Volksgeist zu erregen und zugleich beide Völker neu zu verbrüdern. Es wäre kein Wort dieses Inhalts mehr nötig gewesen, so ganz von selbst brachte das Geschaute und Gehörte diese herrliche Wirkung hervor. Unter allgemeinem Jubel schloß diese auch äußerlich glänzend gelungene Darstellung. »Über den Pyrenäen sehen wir uns wieder!« rief am Schluß einer der Spanier zur Überraschung der ganzen Versammlung laut aus, und das Echo freudiger Zustimmung erscholl durch das ganze Schauspielhaus, so kräftig antworteten die Stimmen der jungen Franzosen. –
Das war der erste Teil des festlichen Abends.
Jetzt kam noch im anstoßenden größeren Saal das festliche Bankett einer Männerversammlung für die jungen Leute allein.
War das ein Rauschen und Schwirren der Stimmen, ein Grüßen und Sichbekanntgeben der neuen Freunde unter einander, als man in der ersten Halbstunde noch auf- und abging, Freunde suchte und Bekannte grüßte, – bis die Glocke des Vorsitzenden die Ruhe herstellte und die angewiesenen Plätze eingenommen wurden. Nun folgte eine Rede auf die andere, nicht regellos, aber mannigfaltig. Bald sprach ein Spanier, bald ein Franzose, bald grüßend, bald erzählend, dankend oder einladend. Einer der Spanier erzählte, was sie auf ihrer weiten Reise schon gesehen, die Städte und die Bauten, die Pässe und die Brücken, Land und Leute, die neuerweckten Trachten des Volks und die ureigenen Sitten jeder Landschaft. Die Einheimischen hörten mit bescheidenem Wohlbehagen die Eindrücke wiedergeben, welche die feurigen Söhne des heißen Spaniens bei ihnen empfangen hatten. Dann pries wieder ein Franzose das stolze Bruderland und seine neu erstandene Größe und schlug mit freudiger Begeisterung unter dem Jubelruf der Seinen in die dargebotene Hand des spanischen Bruders.
Großen Eindruck machte es, als ein anderer, wieder ein Spanier, von ihren weiteren Reiseplänen redete und davon sagte, wie lange schon es sie verlange, auch die deutschen Lande zu durchziehen und deutsche Kulturarbeiten in ihrer Eigenart kennen zu lernen, wobei er die Tiefe des deutschen Geistes pries, vom ›Herzen Europas‹ und von ›den heiligsten Pulsschlägen dieses Herzens‹ redend, – und darauf- ein Franzose antwortete: sie seien glücklich darin, das deutsche Brudervolk schon näher zu kennen und ihm nahe zu wohnen, auch viele seiner Angehörigen dauernd unter sich zu haben; es sei ein edler Wetteifer zwischen Deutschland und Frankreich schon lange entbrannt, den alten, gottlob! längst begrabenen Haß und Hader mit zwiefältiger Wertschätzung und treuer Bruderliebe zu vertauschen; die Güter und Gaben deutschen Geistes und deutschen Gemüts mit den beweglichen Kräften und reichen Gaben des französischen Volks zusammen dem großen Ganzen der Menschheit zu Dienst zu stellen, das sei jetzt das eifrigste Bestreben und die heiligste Freude beider Völker.
Aber am schönsten leuchteten die Augen, als jetzt der ältesten einer, ein schöner, starker Spanier, den Schluß machte und, wie einen Blick über die weite Erde hin werfend, von der allgemeinen Völkerverbindung und von der seligen Völkerverbrüderung sprach, von welcher jetzt zu reden kein leerer Klingklang, sondern ein hehrer Lobgesang sei, weil das längst nicht mehr eitle Phrase, vielmehr jetzt siegreiche Thatsache geworden sei, – wobei er die Erde pries, welche eine neue Zeit habe erstehen sehen, wo Blutvergießen ein Ekel und der Krieg eine Unmöglichkeit wäre, der Friede dagegen gleichwohl voll Kraftentwicklung und die Herzen voll Kraftbegeisterung seien. Dann rief er mit erhobener Stimme die ganze Versammlung auf, dem siegreichen, einzigen Herrn der Welt, dem guten Völkerhirten, dem Hochgelobten höchsten Namens ihre Huldigung darzubringen und zum Ausdruck wahrer und bleibender Festfreude ihm und ihm allein Leib und Seele, Leben und Arbeit jetzt aufs neue zu weihen, zur Ehre des ewigen Gottes und zum Wohl der glücklichen Menschheit!
Schöner hätte der Tag nicht schließen können; die ganze Versammlung hatte sich wie auf einen Schlag erhoben. Froh begeistert stimmte man ein, erhoben schied man von einander.
Der morgende Tag brachte einen Abschied wie von alten Freunden, das Leben der Jugend hatte eine neue Weihe erhalten; die Blüte beider Nationen hatte sich Freundschaft unter einander und neue Treue gegen ihre alten, heiligen Jugendgelöbnisse versprochen. Der Festabend war zu einem Lebensereignis, der Abschied von einander zu einem Segen geworden, den sie alle wohl im Herzen behielten und gewinnreich in das arbeitsame Leben hinaustrugen.