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VII. Kapitel.
Gelobet sei, der da kommt in dem Namen des Herrn!

Motto:

Ich sage euch! Ihr werdet mich von nun an nicht mehr sehen, bis ihr sprechet: »Gelobet sei, der da kommt im Namen des Herrn!«

Matth. 33, 39.

Das alles aber sahen die in Jerusalem auch.

Sie hatten sich verborgen in ihren Häusern oder standen auf ihren Dächern; sie warfen sich täglich nieder in den Staub und schrieen zu dem Gott ihrer Väter. Jerusalem war in diesen Tagen eine Stadt der Thränen geworden, ihr Klagegeschrei erfüllte stündlich die Luft. »Herr Gott, mein Heiland! ich schreie Tag und Nacht vor dir! laß mein Gebet vor dich kommen, neige deine Ohren zu meinem Geschrei! denn meine Seele ist voll Jammers und mein Leben ist nahe bei der Hölle. Psalm 88, 2-4. Herr Gott, deß die Rache ist! Gott, deß die Rache ist, erscheine! Erhebe dich, du Richter der Welt! vergilt den Hoffärtigen, was sie verdienen! Herr, wie lange sollen die Gottlosen, wie lange sollen die Gottlosen prahlen und so trotzig reden und alle Übelthäter sich so rühmen? Herr! sie zerschlagen dein Volk und plagen dein Erbe und sagen: der Herr sieht es nicht, und der Gott Jakobs achtet es nicht! Psalm 94, 1-7. – Herr, wo ist deine vorige Gnade, die du David geschworen hast in deiner Wahrheit? Gedenke, Herr, an die Schmach deiner Knechte, die wir tragen in unserem Schoß von so vielen Völkern allen! Psalm 89, 50. 51.

Da siehe! – siehe da! welch ein Anblick mit einemmal droben in der Höhe! ›Wer ist dieser König der Ehren? Es ist der Herr, stark und mächtig, der Herr mächtig im Streit! Machet die Thore weit und die Thüren in der Welt hoch, daß der König der Ehren einziehe! Wer ist derselbige König der Ehren? Es ist der Herr Zebaoth! er ist der König der Ehren!‹

Ja, sie sehen ihn mit ihren Augen und freuen sich! Ehre sei Gott in der Höhe! Jetzt sendet er ihnen seinen Messias! Das ist er! – Und wie wunderbar! sie sehen auch das Zeichen seiner Wundenmale, auf daß erfüllt würde die Schrift: ›Sie werden sehen, in welchen sie gestochen haben!‹

Da bricht ein Jubel los auf allen Dächern von Jerusalem, davon die Stadt wiederhallt. Laut rufen sie einander über die Dächer weg zu, laut schreien sie zum Himmel aus: ›Gelobet sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna dem Sohne Davids!‹

Sie erfüllen die Straßen, sie begrüßen einander mit Frohlocken; immer wieder schauen sie empor, sie zeigen einander die Herrlichkeit des Herrn, sie werfen sich nieder und beten an.

Die ganze Stadt ist Freude und Wonne. Sie ziehen miteinander in den Tempel, und seine Vorhöfe füllen sich, soviel sie fassen können. Oben aber steht einer ihrer Priester und ruft jetzt zum Gebet auf. Da wird es ganz still, und aller Augen sind auf ihn gerichtet. Er aber erhebt noch einmal seinen Blick zu der Herrlichkeit des Herrn, dann neigt er sich tief, anzubeten, – und jetzt erhebt er seine Stimme laut und betet vor allem Volk in tiefster Ergriffenheit ein hochheiliges Gebet:

»Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich.
Es sage nun Israel: Seine Güte währet ewiglich.
Es sage nun das Haus Aaron: Seine Güte währet ewiglich.
Es sagen nun, die den Herrn fürchten: Seine Güte währet ewiglich.

*

In der Angst rief ich den Herrn an, und der Herr erhörte mich und tröstete mich.
Der Herr ist mit mir, darum fürchte ich mich nicht; was können mir Menschen thun?
Der Herr ist mit mir, mir zu helfen; und ich will meine Lust sehen an meinen Feinden.
Es ist gut, auf den Herrn vertrauen und nicht sich verlassen auf Menschen.
Es ist gut, auf den Herrn vertrauen und nicht sich verlassen auf Fürsten.
Alle Heiden umgeben mich; aber im Namen des Herrn will ich sie zerhauen.
Sie umgeben mich allenthalben; aber im Namen des Herrn will ich sie zerhauen.
Sie umgeben mich wie Bienen; aber sie erlöschen wie ein Feuer in Dornen; im Namen des Herrn will ich sie zerhauen.
Man stößt mich, daß ich fallen soll; aber der Herr hilft mir.

*

Der Herr ist meine Macht und mein Psalm und mein Heil.
Man singt mit Freuden vom Sieg in den Hütten der Gerechten.
Die Rechte des Herrn behält den Sieg.
Die Rechte des Herrn ist erhöhet; die Rechte des Herrn behält den Sieg.
Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werke verkündigen.
Der Herr züchtigt mich wohl; aber er giebt mich dem Tode nicht.

*

Thut mir auf die Thore der Gerechtigkeit, daß ich dahin eingehe und dem Herrn danke, –
Das ist das Thor des Herrn, die Gerechten werden dahin eingehen, –
Ich danke dir, daß du mich demütigest und hilfst mir.
Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein worden;
Das ist vom Herrn geschehen, und ist ein Wunder vor unsern Augen.
Dies ist der Tag, den der Herr macht; laßt uns freuen und fröhlich drinnen sein.
O Herr, hilf! o Herr, laß wohl gelingen!
Gelobet sei, der da kommt im Namen des Herrn.
Wir segnen euch, die ihr vom Hause des Herrn seid. Der Herr ist Gott, der uns erleuchtet.
Schmücket das Fest mit Maien bis an die Hörner des Altars!
Du bist mein Gott und ich danke dir; mein Gott, ich will dich preisen.
Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich!«

Kennt der geneigte Leser dieses uralte Lob- und Dankgebet des Volkes Israel? Ihnen war es von alters her teuerwert für Freud und Leid. Kennt er dieses wundersame schöne Lied voll Wehmut und voll Demut, voll Triumphieren und Jubilieren, dieses Freudenlied und Festlied für Passahmahl und Tempelgottesdienst, für das Gebet im stillen Kämmerlein und für die Freude vor allem Volk? Ja! dieses Volk ist reich mit seinen Psalmen und hat viele Völker reich gemacht mit seinen Liedern und seinem Weissagungstrost! – -

Und noch lange ertönten immer neu Lied und Lob Gottes, Freude und Jubel hörten Tag und Nacht nicht mehr auf in Jerusalem und im Tempel. Jetzt wurden die alten Psalmen wieder neu und die Harfe Davids ließ ihre schönsten Töne hören. Mit echt orientalischer Lebendigkeit teilten sie miteinander die Freude und sangen Gott und seinem Gesalbten zu Lob und Ehren. Es war, wie dazumal, da sie einst vor vielen Jahrhunderten zu Serubabels Zeit den Grundstein legten für ihren neuen Tempel. Da war es auch ein Tag der Freude und des Weinens zugleich, davon die alten Schriften erzählen: ›Sie jauchzten mit Freuden, daß das Geschrei hoch erscholl; so daß man nicht unterscheiden konnte das Jauchzen mit Freuden und das laute Weinen im Volk; denn das Volk jauchzte laut, daß man das Geschrei von ferne hörte.‹ Esra 3, 12. 13.


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