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V. Kapitel.
Vorzeichen und Zeichen.

Motto:

Mögen sie frech sich zusammenrotten, –
Hoch über ihnen steht sein Stern!

Barth.

Vorzeichen waren schon lange vorausgegangen.

Ein klopfendes Herz und ein mahnendes Gewissen ist ja auch schon eines. Bei Millionen Menschen aber pochte es längst dumpf an die Thore. Und in den Herzen der Christen ließ es sich oft ganz leise vernehmen: ›Siehe, ich stehe vor der Thür und klopfe an!‹ Auch allerlei Schrecken und wirklich Schauervolles, das wir schon früher erwähnt haben, hätte die Menschen längst mahnen können. Aber noch ganz andere Dinge sind ja geschehen.

Ganz ungewöhnliche Naturerscheinungen nämlich schienen große Veränderungen anzukündigen. Und zwar durchaus nicht etwa nur Sonnen- oder Mondfinsternisse gewöhnlicher Art, nicht Sternschnuppen gar oder Kometen nur, nicht Nordlicht und Höhenrauch, was doch alles die Wissenschaft aufzuklären vermag, was sie teils bestimmt schon vorausbezeichnen, teils nachträglich begründen und erklären kann, nicht nur Erdbeben waren es und Feuerspeien der Berge, sondern nie Gesehenes, Unerhörtes geschah. ›Die Kräfte der Himmel werden sich bewegen,‹ hatte der größte Weltprophet, der von Nazareth, einst gesagt, und der Herr der Welten gebot allmächtig über die Kräfte des Himmels. ›Ein trüber Tag, ein dunkler Tag, ein wolkiger Tag,‹ – ja, wenn es nur ein einziger solcher gewesen wäre! Aber es war eine lange Periode ganz unregelmäßiger Zeiten, daß Angst und Bangen die Menschen in Atem hielt und Krankheit und böse Seuche ihre Schrecken verbreiteten.

Doch das war nun alles schon lange wieder vorüber, schien auch bereits fast wie vergessen. So schnell leben die Menschen; Schmetterlinge und Eintagsfliegen sind sie, – wenn sie nicht die Ewigkeit in sich haben. Nun aber geschah auf einmal etwas gar Wundersames.

Was bricht dort aus den dunklen Wolken und leuchtet mit des Himmels Glanz? was strahlt über alle Lande und offenbart sich hier und dort in allen Weltteilen? Ist das der Stern von Bethlehem oder ist es das Kreuz von Golgatha? Eine himmlische Erscheinung ohne Gleichen, – es ist ›das Zeichen des Menschensohnes!‹

Ein wunderbar strahlendes Licht, in welches kein menschliches Auge recht zu schauen vermochte, zeigte sich überall, bekundete sich in allen Landen, für alle Völker und Nationen sichtbar!

Um Jerusalem her aber war der Glanz so groß, als wollte die Nacht zum Tage werden, und der Schrecken der Völkerscharen war nicht gering. Es bebten und zitterten manche, die sich zu fürchten hatten; die Christen aber gedachten an das Wort ihres Herrn: ›Wenn aber dies anfängt zu geschehen, so schauet auf und erhebet euer Haupt, weil sich jetzt eure Erlösung naht!‹ –

Das alles sah auch der Weltregent, der Antichrist. Was hatte er jetzt mit seinem Völkertumult bewirkt, was wollte er jetzt mit seiner großen Völkerheerschau machen? Nur aufgeregt hatte er alle Welt und um so aufmerksamer war man nun auf das besondersartige Zeichen am Himmel. Um so mehr bereit waren jetzt auch die blinden Massen, darin ›das Zeichen des Menschensohnes‹ zu sehen. Denn daß mit dem allgemeinen Aufgebot der Völkerscharen etwas ganz besonderes beabsichtigt sei, war jedermanns Meinung gewesen, und die große Religionsfrage war ja ohnedem nie recht zur Ruhe gekommen.

Was lag denn näher, als daß nun in der wunderbaren Himmelserscheinung, – man möchte da auch sagen: ›bei Tag eine Wolkensäule und bei Nacht eine Feuersäule‹, – selbst die bethörten Massen ›das Zeichen des Menschensohnes‹, des zweimal Gekreuzigten, des nun kommenden Richters und Rächers, erkannten! Was Wunder, daß man einander fragte und sich erregte; daß man auch andere damit ängstigte und alle Welt unruhig wurde, ja daß man überall das drohende Gericht darin erkannte und zuletzt allerorten auf Erden lauter Jammer ausbrach!? Es war das Erwachen des Wahnsinnigen, der Schrecken des Mörders nach der That; es war der Aufschrei der Verzweiflung und das Wutgeschrei der Verführten. So überall in der Welt, – nur im Heerlager blieb es noch stille.

Was blieb ihm nun, dem Weltregenten? Sein Zauber war nun bald dahin, sein Bann gebrochen, wenn auch sein Fluch noch auf der Welt lag und die hier versammelten Völkerscharen noch unter seinen Befehlen standen. So galt es denn für ihn, die Zeit zu nützen und vor allem seines eigenen Volks sich schnell zu versichern.

Den Tag verbrachte er in Jerusalem, die Nacht im Heerlager draußen. Ihnen, den Juden, versprach er jetzt Ehre und Macht und Gewalt unter allen Völkern der Erde und viele boten ihm nun ungezählte Millionen, den erworbenen Reichtum der ganzen Welt. Die Obersten des Volkes hielten Rat, wie sie das Volk auf ihre, auf seine Seite brächten. Das altgläubige Volk haßte er längst, wenn es schon sein eigenes Volk war. Er wünschte sich jetzt, – wie jener römische Tyrann, – dieses ›halsstarrige Volk‹ möchte einen einzigen Hals haben, daß er es mit einem Schlag um so leichter vernichten könnte!

Sie selber aber, d. h. der altgläubige Teil des Volkes Israel, schrieen nun Tag und Nacht zu Gott, daß er sie erretten möge aus dieser allergrößten Trübsal. Nie, niemals im Leben dieses Volkes ist es vorgekommen, daß es so ganz und gar mit einemmal dem Untergang geweiht schien, nie aber auch, daß es so sehnsüchtig und inständig, so jammervoll und zugleich demutsvoll nach einem Erlöser, nach seinem Messias schrie, wie dazumal durch Tage und Nächte hindurch. Nun ward die alte Gottesstadt wahrhaftig ein großer Tempel, die ganze hochgebaute Stadt ein einziges: ›aus der Tiefe rufe ich, Gott, zu dir!‹ Das ganze Volk, von allem Nationalstolz nun geheilt, weil längst bedrängt und jetzt aufs Äußerste bedroht von seinem eigenen Volksgenossen, dem Weltregenten, – nun war es auch innerlich frei von dem thörichten Satzungsgeist und eitlen Lippendienst; denn der Geist des Gebets kam jetzt über sie alle, und mit Sehnen und Flehen suchten sie nun einzig und allein die Gnade und die Barmherzigkeit Gottes, ihres Heilandes. Jetzt hieß es wahrhaftig beim ganzen Volke: ›Ich harre des Herrn; meine Seele harret und ich hoffe auf sein Wort. Meine Seele wartet auf den Herrn von einer Morgenwache bis zur andern.‹ Und ihre Priester obenan riefen ihnen zu: ›Israel! hoffe auf den Herrn! denn bei dem Herrn ist die Gnade und viel Vergebung bei ihm, und er wird Israel erlösen aus allen feinen Sünden!‹ –

Er aber, der Weltregent, ritt wieder weg, hinaus ins Heerlager! ›Ich will wiederkommen, ich will wiederkommen,‹ zürnte er, – ›und dann wehe, dreimal wehe über Euch!!‹


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