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Motto:
Die Menschen sind mehr oder weniger Komödianten und die Wahrheit spielt unter ihnen nur eine seltene Gastrolle.
Busch.
Und es wurde ausgeführt, dieses Dekret! Es gab in der Welt schon viele Dekrete, Gesetze, Verordnungen, deren Kraft in der Befolgung hätte liegen müssen, wenn sie Kraft hätten haben sollen, aber sie sind nie ganz zum Vollzug gekommen. Sie waren ein Schreckschuß, was ihre Absicht, ein Streifschuß, was ihre Vollzugsversuche, ein Fehlschuß, was ihre schließliche Wirkung betrifft. Hier aber anders, ganz anders! Wie die verhungerten Löwen im Zwinger auf ihre Opfer, so warteten Tausende auf dieses Dekret: boshafte Menschen, teuflische Feinde der Religion, gehässige Charaktere, stumme Neider. Jetzt war der Rachen bald voll und der Raub leicht. Und wie die laute, kläffende Meute einer wilden, rauschenden Jagd, so ging es jetzt bald hinter den Opfern der öffentlichen Meinung, hinter den bisher kaum Gekannten, gering Geachteten, still Lebenden her. Gehässiger Angriff und geheime Angeberei, verächtliche Behandlung und charakterlose Treulosigkeit, Feigheit und Sorge, mit hineingezogen zu werden, – alles wirkte zusammen, die Zahl der Freunde klein und die Schwierigkeiten groß zu machen, welchen jetzt Hunderte und Tausende erliegen sollten.
Man sollte das rein nicht für möglich halten bei gesitteten Völkern und unter gebildeten Menschen. Aber die allgemeine Gleichgiltigkeit gegen Religionssachen, die vollständige Verwirrung der Begriffe, das blöde Auge des Oberflächlichen und das betäubte Ohr des Schreiers selber, – alles, alles half mit, die Christen überall zu einer Schar von Gehetzten zu machen, wenn sie sich noch so gern in den bescheidensten Winkel drückten. Überall aufgestöbert, nirgends in Ruhe gelassen, in steter Aufregung und in wachsender Verlegenheit, – so kämpften sie um Ehre und guten Namen, um Ruhe und Frieden, um Stellung und Versorgung, um Weib und Kind, um Haus und Heimat, – und alles umsonst, alles umsonst!
Die ›anständigen‹ Leute hätten vieles verhüten können, aber man ›wollte sich nicht dreinmischen,‹ man wollte nicht Mißverständnisse erwecken, man wollte nicht in die Sache mit hineingezogen werden; – andererseits wollte man auch nicht mit den rohen Ausbrüchen von Volksleidenschaft und Gehässigkeit sich gemein machen und blieb deshalb lieber fern.
Man schüttelte wohl den Kopf, man bedauerte auch, – in der Stille einmal schüttelte man auch dem und jenem die Hand und ›bedauerte aufrichtig,‹ – aber man drückte sich, man ging seinen eigenen Sachen nach. ›Es ist böse Zeit,‹ hieß es im besten Fall; ›es gefällt mir gar nicht mehr,‹ hieß es auch manchmal, aber, aber ... Das liebe Brot, die eigene Familie, die gute Stellung, die ernsten Nahrungssorgen, der viele Zeitaufwand, die ungeschickten, verwickelten Verhältnisse, – alles mußte herhalten, sich zu entschuldigen, wenn man da und dort für den einen oder den andern, vielleicht mit Leichtigkeit, etwas hätte thun können. Weisheitsregeln und Sprichwörter mußten herhalten, die Feigheit und Charakterlosigkeit zu decken; – ›jeder kehre vor seiner Thüre,‹ ›jeder ist sich selbst der Nächste,‹ ›was dich nicht angeht, da laß deinen Fürwitz‹ und was sonst noch solch hochedle und hochweise, aber übel angewendete Ratschläge der falschen Weisheit auf der Gasse sind.
Die armen, verachteten Christen aber waren schonungslos preisgegeben. Verleumdung ist ein verborgener Dolch, Haß ist eine geschliffene scharfe Waffe, Rache ist ein lauernder Mörder, Bosheit und Schadenfreude sind Schlachtfeldhyänen, – Verachtung aber geht an dem vorüber, der in seinem Blute daliegt, und Feigheit ist, trotz Angst und Bangen im eigenen Herzen, in der That der größten Grausamkeit in Unterlassungssünden fähig.
So ging es nun den Christen der antichristlichen Zeit, diesen unverstandenen Leuten einer so hochgebildeten, fortgeschrittenen, wollte sagen: tief gesunkenen und tief versandeten Generation.
›Die Welt ist ein Narrenhaus,‹ – das ist ein sehr grobes Wort. Wenn man sich aber jene Zeit ansieht und ihren Charakter prüft, so ist es immer noch ein sehr gnädiges Urteil und stimmt doch eigentlich zusammen mit jenem Wort des Edelsten aller Geächteten, des Gekreuzigten: ›Vater, vergieb ihnen! sie wissen nicht, was sie thun!‹
Doch wir wollen zu unserer eigentlichen Geschichte wieder zurückkehren. Wir werden ja dann sehen, daß wir nicht zu viel gesagt haben. Was sich übrigens jene beiden Leute, der Freund Bäcker in der weißen Schürze und mit der weißen Mütze und sein Nachbar Küfer mit der runden Kappe und in dem braunen Schurzfell, an jenem Tag in der Gasse unter einander erzählt und gesagt haben, das hat eigentlich unser Urteil schon genugsam bewiesen.