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Motto:
Es ist kein Wahn, was du so lang geglaubt,
Es kommt ein Tag, da wird dein Weh gesunden! –
Dann wird dein Auge Lichtes voll!
III. Buch, 9. Kap.
Mirjam war immer dieselbe geblieben, in ihrer Art wie in ihrer Beschäftigung. Der Mohr war auch noch bei ihr. Beiden gefiel das Leben im Hause Leas, – wir meinen das Haus Isaaks und Rebekkas in Jerusalem nahe beim Damaskusthor, – außerordentlich wohl. Der Mohr war überglücklich, auch einmal das heilige Land zu sehen, die Stätte, da der Heiland der Welt gelebt und gewandelt hat. Er suchte sich seine Wege in wahrer Andacht aus; oft stieg er auch in der Gegend des Hügels Golgatha hinan, da, wo er sich die Kreuzesstätte dachte, da der Heiland gelitten hat und gestorben ist; er schaute mit seinem lebendigen und doch so träumerischen Auge auf zu den Bergen rings um Jerusalem, hinüber bis in die Gegend, wo Bethlehem liegen mußte, wo das Kripplein des Erlösers gestanden war, und seine reiche Phantasie, ja wir werden würdiger sagen: sein warmes, feuriges Herz wurde voll von Feuersglut, voll von Dank für die Gnade des Weltheilandes und für die Hoffnung, jetzt bald, bald in das Land seiner Väter zurückzukehren und mitten unter den harrenden Völkern Afrikas seinem Volk das Evangelium bringen zu können.
Wollte Mirjam ihm wohlthun, so sprach sie davon, und dann leuchteten seine Augen in einer stillen heiligen Glut. Er that aber auch ihr herzlich wohl mit seinem immer treuen, aufmerksamen Dienst und so mancher zarten Rücksicht, wenn sie so vieles entbehrte. Die Farbenpracht der Landschaft, die ganze Schönheit des Morgenlandes war ihr ja nicht erschlossen und doch hatte sie sich so sehr gesehnt, das Land ihrer Väter kennen zu lernen. Wenn die übrigen Mitglieder des Hauses je und dann eine Reise machten, hier einen heiligen Ort und da eine uralt geheiligte Erinnerung aufzusuchen, so mochte sie nicht immer mitgehen. Ging sie aber doch mit, so war sie eigentlich die dankbarste von allen. O! wie sog sie den balsamischen Duft des Morgens so wohlig ein! wie freute sie sich der klaren, stillen, prangenden Sternennacht. Wie lauschte sie dem Rauschen des Jordans! wie betete sie den Herrn an auf dem stillen Karmel oder an den belebten Ufern des Sees Genezareth! Und ihr Mohr, immer zur Hand, sie auf ihr Reittier zu setzen und es ihr in allem recht bequem zu machen, – er ward ihr ein Begleiter, der sie, die Halbblinde, doch selbst vor Fremden als etwas Besonderes, als ein treu gehütetes, allbeliebtes Glied der ganzen Gesellschaft erscheinen ließ. Rahel war unstreitig eine glänzende Erscheinung, aber Mirjam, – ja sie wäre eine träumerische Schönheit gewesen, wenn nicht ihre müden, kranken Augen gewesen wären! »Rahel ist die leuchtende Sonne, aber Du bist das stille Mondlicht, Mirjam!« sagte Zamba einmal zu ihr.
»Still doch! was redest Du für Sachen!« wehrte sie ab, aber sie freute sich doch seiner Achtung und seiner Treue. –
Und er war ihr noch in anderem Sinne ein treuer Begleiter. Jetzt in der neuen Zeit, wo aller Herzen mächtig ergriffen waren und der Messias ihrer aller fast einziger Gedanke war, da half er, der Mohr, dem zagenden, grübelnden, zögernden Gemüte Mirjams mit seinem kindlichen Glauben, seiner frohen Einfalt und seiner frischen Bestimmtheit so treu zurecht, daß es ihr nur immer mehr zum Dank war. Die alten, großen Verheißungen, diese immer leuchtenden Sterne mitten im Dunkel menschlicher Ungewißheit oder irre gegangener religiöser Meinungen, sie waren ihr ja wohl von Jugend auf dem Worte nach bekannt und doch waren sie von ihr vielfach unverstanden oder mißverstanden geblieben. Da war es ihr eine Beschämung und eine Freude zugleich, daß der Mohr, der Mohr ihr manchen Spruch, den sie nicht recht verstanden hatte, im Licht seiner selber noch spärlichen neutestamentlichen Erkenntnis doch mehr zurechtrückte, klar verständlich und hochwichtig machte, um das Wesen des Heilandes der Welt, den großen Erlösungsplan Gottes mit allen, allen Völkern, und nun diese herrliche Erfüllung der Zeiten nur immer klarer zu erkennen. Das mannigfache Dunkel der vergangenen Völkergeschichte, besonders das des Jahrhunderte lang irren und oft so wirren Weges des Volkes Israel, erhellte sich ihr jetzt mehr und mehr. Aber nicht sowohl große Probleme der Geschichte, als viel mehr noch die kleinen Probleme, die Rätsel des einzelnen Lebens und des innersten Herzens half er ihr lösen. Er wußte sie so herzinnig zu trösten in ihrem stillen Gram, wenn dieser sie eben doch wieder unversehens überfiel, er half ihr so treu zur stillen Geduld, er wies sie so begeistert aus die Gnade ihres Messias hin, welcher ihr Leben und volles Genüge werden müsse, daß sie doch vieles lernte.
Wiederholt sagte er ihr auch mehr. Es schien, die innere Bedrängnis darüber, daß es ihm nicht recht gelingen wolle, dieses nun eigentlich allein noch gedrückte Gemüt in dem sonst so dankbar-frohen Kreise genugsam zu trösten, – drücke ihn oft selber mehr darnieder als jedes andere Glied der Familie, und mit feurigem Glauben erfaßte er einen Gedanken, der von nun an immer heller in ihm brannte.
»Mirjam!« sagte er einmal auf einer solchen Reise, die sie nun doch mit angetreten hatte, – es ging hinab zum See Genezareth, und sie war wieder so betrübt, – »Mirjam, gehen wir jetzt nicht denselben Weg, den Jesus, unser und Euer Messias, auch so oft und viel einst gegangen ist? Siehe, Schritt für Schritt gehen wir denselben Weg, ganz genau denselben Weg. Mirjam! da, wo wir jetzt hinschreiten, da sind seine Füße auch gestanden, da war sein Weg und das ist heute wieder sein Weg, denn er geht heute mit und alle Tage geht er mit. Mirjam! wollen wir nicht immer mehr mit ihm gehen?«
»Und er mit uns!« antwortete sie dankbar, aber doch traurig.
»Und, Mirjam! sind damals nicht Hunderte ihm nachgelaufen oder nachgetragen worden und er hat sie alle geheilt?«
Mirjam wischte eine Thräne aus den Augen.
»Nein, Mirjam! der Menschen Augen sind nicht zum Weinen geschaffen, sondern zu seliger Freude!« und seine Augen leuchteten träumerisch feurig wie die Sterne der Nacht.
»Zur Freude auch die meinigen?« antwortete sie, »o, wäre es so!«
»Ja, Mirjam! so ist es! Der Herr hat seine Zeit und Stunde für jeden Menschen. Wir wollen seine Wege gehen von nun an Schritt für Schritt, und wollen getrost um seine Gnade bitten, er vermag doch alles!« –
Es war ganz und gar nichts Besonderes, was Zamba, der Mohr, gesagt hatte. Jeder andere Christenmensch hätte dasselbe sagen können zum Trost jedes anderen Menschen, – und doch war es etwas ganz Besonderes, was er der Jüdin Mirjam damit sagte. Sein kindlicher und so inniger Glaube sprach sich hier so aus tiefstem Herzensgrund und mit einer solchen Ergriffenheit des Mitleides und des Vertrauens zugleich aus, daß es Mirjam auch im Innersten hinnahm.
Lange blieb sie still, ganz still; sie spornte ihr Reittier nicht mehr an, sie ließ es gemächlich langsamer gehen und er verstand sie wohl und ließ es alles geschehen. Sie sahen jetzt hinüber nach dem blauen See, dem sie näher kamen, sie sah hinab auf den schönen Kranz der alten Städte um den See Genezareth, sie sah nach Kapernaum hin, der Stadt, wo der Erlöser lange Zeit tagtäglich aus- und eingegangen war, – und dahin führte ja heute eben ihrer aller Weg. Sie sah es ja alles nur wie durch einen dichten Schleier, aber es war ihr jetzt doch, als käme sie mit jedem Schritt ihrem Messias, ihrem Erlöser, nur immer näher, – immer näher mit jedem Schritt! – Und sie blieb ganz stille.
Als sie die Herberge erreicht hatten, da saßen sie alle mit frohem Herzen beisammen. Ihre Blicke schweiften über den blauen See, dessen stille Fläche jetzt ruhte wie ein aufgeschlagenes Auge, das dankbar zum Himmel schaut. Der Abend war mild und friedlich und sie saßen noch lange im Freien, – Mirjam gar still, sie schien immer noch alle die Pfade zu suchen, welche Jesus, ihrer Seele Herr, einst gewandelt hat, um auf Schritt und Tritt hinter ihm drein zu bleiben. Sie war darin doch um vieles glücklicher als bisher, sie war heute wirklich getröstet. –
*
Auf dem Ritt des heutigen Tages war Ruben Ben Esra lange an der Seite Rahels gewesen. Die Gesellschaft war weit auseinander gekommen, die einzelnen bald hier bald dort eine neue Herrlichkeit beschauend, bald so, bald anders sich untereinander verbindend, – aber Ruben Ben Esra blieb immer viel in Rahels Nähe. Und als sie nun auf der großen Plattform saßen an diesem schönen stillen Abend, da trat er endlich zu dem alten Vater Isaak und sprach: »Vater Isaak, ich habe nicht Vater und Mutter mehr, ich bin allein auf der Welt, aber Du hast mir die Thore Deines Hauses geöffnet ...«
»Was ist Dein Begehr, Ben Esra?« frug der Alte und schaute ihn liebend an.
»Vater Isaak! Ja, ich bringe einen Wunsch vor Dich; ich bitte Dich: segne Du mich mit Rahel, der Tochter Levis. Siehe, auch sie hat nicht Vater und nicht Mutter mehr; segne Du uns beide!«
Und Rahel stand an seiner Seite, als wollte sie sagen: ›Ja, segne uns, segne uns!‹
Da hub der Alte seine Arme hoch empor und schaute sie beide mit herzlichem Wohlgefallen an. Und wie unwillkürlich knieten beide nieder vor ihm. Er aber hob den Blick zum Himmel und sprach in feierlichem Tone: »Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Gott unserer Väter, – Deines Vaters und Deiner frommen Mutter Gott, Ruben Ben Esra! und Deines Vaters und Deiner treuen Mutter Gott, Rahel, Tochter Levis! – der Gott Israels und der Vater Jesu Christi, des Messias der Welt, er segne Euch und behüte Euch! er lasse sein Angesicht leuchten über Euch und sei Euch gnädig, er hebe sein Angesicht auf Euch und gebe Euch seinen Frieden!«
Und es war Friede in zwei Herzen, seliger Friede! Friede in dem stürmischen Herzen Ruben Ben Esras, Friede in dem wogenden Busen Rahels, der Tochter Levis. Und mit Frieden trat Rebekka auf Rahel zu und küßte und segnete sie; mit Freuden kamen Mirjam von der einen, Lea von der andern Seite, und auch sie beide brachten ihre Glückwünsche dar.
Der Mohr kam auch herbei und teilte die allgemeine Freude. Aber sein Auge streifte Mirjam mit einem wehmütigen Blick, und als hätte er ihr heute noch etwas zu sagen, zog er sich zurück. Es kam aber nicht mehr dazu.
Man war noch lange fröhlich beisammen. Als sie sich aber zur Ruhe begaben, da sprach der alte Isaak in ihrer aller Namen noch jenen Segen des 121. Psalms, welcher lautet:
›Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, von welchen mir Hilfe kommt;
Meine Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen, und der dich behütet, schläft nicht;
Siehe, der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht.
Der Herr behütet dich, der Herr ist dein Schatten über deiner rechten Hand,
Daß dich des Tags die Sonne nicht steche, noch der Mond des Nachts.
Der Herr behüte dich vor allem Übel, er behüte deine Seele;
Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit. Amen‹
*
Am andern Morgen war der alte Isaak auffallend still. Man schrieb es der Erregung des gestrigen Ereignisses zu. Die Freude der Alten kann nicht immer so lebhaft sein wie bei jungen Leuten. Wer über die Höhe des Lebens hinüber ist, der hat ohnedem so viel zurückzudenken in alte Tage und blickt auch hinaus auf eine nur noch kurze, ernste Spanne Zeit. Da muß auch wirkliche Freude sich doch oft ganz anders arten als bei jungen Leuten, welche, zumal an solchen Festtagen ihres Lebens, eine neue weite Bahn mit fernen, seligen Hoffnungen und alles im rosigsten Lichte eines jungen Morgens vor sich liegen sehen.
Des Alten Stimmung blieb fast den ganzen Tag dieselbe und immer suchten seine Augen Mirjam, welche ja ohnedem gern in der Stille blieb. Was hatten doch nur diese beiden heute gerade? War Mirjam gekränkt und hatte der alte Isaak, dies erkennend, Mitleid mit ihr? War etwas kein ganz gerader Weg gewesen, und blieb ihr selber etwa ein Wunsch unerfüllt? Wie verwickelt sind oft die Lebenswege der Menschen untereinander; wie oft schreitet eines quer über das Glück des andern hinüber, und schaut kaum nur auf die Seite, – wenn man nur zur Erfüllung der eigenen Wünsche kommt!
Und wie? war Zamba, der Mohr, im geheimen Einverständnis solcher Gedanken? oder war es nur zufällig, daß auch er ganz dieselbe Stimmung zu haben schien?
Wir brauchen uns nicht zu ängstigen um solches. Es war diesmal ein ganz gerader Weg gewesen. Ja, sie hatten den vollen Segen des alten Isaak; Rahel hatte ganz gewiß den vollen Segen ihres Vaters und ihrer Mutter, und bei Ruben war es ebenso, wenn auch die Eltern beider jetzt schon zu ihren Vätern versammelt waren.
Aber es blieb so den ganzen Tag. Am Abend aber um dieselbe Stunde, da sie wieder auf der Plattform dem See zu versammelt waren, da wurde der alte Isaak immer lebendiger; oft faltete er die Hände still, als redete er mit Gott, dann war er wieder ganz fröhlich und sehr herzlich gegen alle. Vielmal schaute er Mirjam an und winkte ihr freundlich zu. Da auf einmal, als es so selig stille war rings um sie her, da öffnete er den Mund und sprach zu allen: »Höret mir zu, Ihr alle hier, die Ihr mit uns zusammengehört wie eine Familie! Ich hatte heute nacht einen Traum, ganz ruhig und schlicht und doch gar wundersam. Und dreimal träumte mir derselbe Traum.«
Ruben und Rahel horchten voll Spannung; kein Zweifel, daß es sie betraf und ihr künftiges Geschick! Der alte Isaak aber fuhr fort:
»Mir träumte, ein Bote Gottes stehe an meinem Lager und rede mit mir; ich aber antwortete: ›Rede, Herr! Dein Knecht höret!‹ Da sprach der Bote Gottes zu mir: ›Isaak, Du Sohn Abrahams, teile noch einen Segen aus! Lege Deine Hände auf das Haupt der Mirjam und segne sie im Namen Jesu, des Sohnes Gottes, daß sie sehend und gesund werde!‹
Ich hörte und erstarrte fast ob diesem Gesicht. Da schlief ich wieder ein, oder ich weiß nicht, wachte ich, als ich dies gehört hatte oder schlief ich noch, ich weiß es nicht; – aber bald stand der Bote Gottes wieder vor mir und sprach dieselben Worte, und so noch einmal, zum dritten Mal.
Kinder! ich bin still geblieben den ganzen Tag, ich habe aber gebetet und bin gewiß geworden, daß der Herr es ist, der Gott unserer Väter, der uns dies geschenkt hat in dieser neuen Gnadenzeit voll reichen Segens. Ja, Kinder! Der Herr segnet uns reichlich durch Jesum, den Messias, unsern Herrn, den hochgelobten Heiland aller Welt. Er kam, uns zu helfen zu großen, reichen Gnaden, und es ist kein leerer Traum, sondern das ist es, was durch den Propheten Joel gesagt ist: ›Nach diesem will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch und eure Söhne und Töchter sollen weissagen und eure Ältesten sollen Träume haben und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen.‹ Mirjam, du Tochter Levis, glaubst Du das?«
Mirjam war tief bewegt über dem Gehörten und über dieser Anrede und antwortete:
»Ja, Vater Isaak, ich glaube es; ich glaube von ganzem Herzen und der Herr hat es mir schon diese Tage her gewiß gemacht, daß er heute noch vermag, was er vor 2000 Jahren an dieser alten Segensstätte so oft gethan hat! Ja, ich glaube es! Gieb mir, Vater Isaak, den Segen des Herrn, meines Heilands!« Und sie kniete nieder und neigte ihr Haupt, ihre Hände falteten sich gläubig über ihrer Brust, – ein Bild des Friedens wie das: ›Siehe, ich bin des Herrn Magd, mir geschehe, wie du gesagt hast.‹
Der alte Isaak aber stand nun da wie ein fürbittender Hohepriester. Und er hub seine Augen wieder hoch empor und betete laut, während seine Hände auf dem Haupt Mirjams, der Tochter Levis, ruhten. Er betete mit jenem alten Segen des ersten und zweiten Psalmbuchs: »Gelobt sei der Herr, der Gott Israels, von nun an bis in Ewigkeit! Gelobt sei Gott der Herr, der Gott Israels, der allein Wunder thut! Gelobt sei sein herrlicher Name ewiglich, und alle Lande müssen seiner Ehre voll werden! Amen, Amen!« – Mirjam, Tochter Levis! Im Namen Jesu, des Sohnes Gottes, unseres Messias, des Heilandes der Welt, sage ich Dir: Deine Augen werden sehen und gesund sein. Glaubst Du das?«
Da antwortete Mirjam mit betendem Gemüthe: »Ja, ich glaube von ganzem Herzen!« Und sie stand auf und schaute zu ihm empor.
Was er aber sah, das waren gesunde und frohe, hellglänzende und dankbare Augen. Da fiel Mirjam Rahel um den Hals und weinte: »O Rahel, sei glücklich! Rahel, wie glücklich bin ich!«
Eine heilige Ergriffenheit bewegte sie alle. Ja wahrhaftig, sie war sehr, sehr glücklich. Gelobt sei der Herr, der Gott Israels, denn er hat besucht und erlöst sein Volk!
So war denn Mirjams Lied zur Wahrheit geworden:
Tag, Tag!
Dich kündet meines Herzens Schlag!
Die Hoffnung, die noch immer hebt das Haupt,
Sie flüstert es mir zu in stillen Stunden:
Es ist kein Wahn, was du so lang geglaubt,
Es kommt ein Tag, da wird dein Weh gesunden, –
Wo der Gesalbte Gottes soll
In Zion alle Bande lösen,
Uns freien von der Macht des Bösen, –
Dann wird mein Auge Lichtes voll! –
Ob ich dich wohl erleben mag?
Tag! Tag!