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Motto
Und nun! Hebt eure Häupter auf!
Wie herrlich nahet die Erlösung!
Den Erzfeind und sein Heer zu Hauf
Stürzt Gott in Tod und in Verwesung!
Vorbei der Völker letzter Krieg,
Die frohe Menschheit jauchzet Sieg!
Motto:
Da stehst du himmelhoch von goldnen Zeiten schwärmen, –
Im Grunde ist's ein nutzlos Lärmen.
Geibel.
Wenn der geneigte Leser die Geschichte der älteren Zeit kennt, weiß er vielleicht, was einst für Meinungen auftauchten, was für Besorgnisse geäußert und für Ratschläge erteilt wurden in jener Zeit, als die ersten Eisenbahnen erbaut werden sollten. Da hieß es in einem Landtag z. B., man solle an den Thoren einer betreffenden Stadt und wieder am Thor der andern Stadt Wachen aufstellen, welche zu zählen haben, wie viel Leute täglich hier heraus- und dort hineingehen und umgekehrt, – um so zu erfahren, ob der Verkehr auch der Mühe wert sei und es sich überhaupt lohnen könne, eine Eisenbahn zu bauen. Da gab es Gutachten von Gesundheitsämtern und ärztlichen Behörden, welche die genau wissenschaftlich begründete Besorgnis aussprachen, vom Anschauen des vorübersausenden Eisenbahnzuges werden die Leute erblinden, denn die schnelle Bewegung werde die Sehnerven des menschlichen Auges aufs Äußerste reizen, – und deshalb die Forderung aufstellten, jedenfalls müsse der ganzen Bahnlinie entlang ein hoher Bretterzaun errichtet werden, um anderen Leuten, welche nicht fahren, hiegegen den nötigen Schutz zu gewähren.
Und jetzt? – Weiß der geneigte Leser vielleicht, wie viel tausend Kilometer Eisenbahnstränge die Erde bedecken? Genau kann er es schon deshalb nicht wissen, weil der Eisenbahnbau in aller Welt thatsächlich gar nie mehr aufhört; die Eisenbahnen werden und sind schon längst die Völkerstraßen, welche die Länder durchziehen und die Völker verbinden, die ganze Erde bedecken und die fernsten Meere einander nähern.
Wie war es aber vor der Eisenbahnzeit? und wie war es in unvordenklichen Zeiten? – Als der Mensch die Erde allmählich besiedelte und in jener Einsamkeit seine Wohnstätte sich aussuchte, da hatte er Kampf mit wilden Tieren und schloß sich ab an unwegsamen Plätzen und auf unzugänglichen Felsen. Als er aber Herr des Platzes und freier Mann auf seiner Scholle war, da verlangte er doch auch nach mehr Gemeinschaft und suchte dauernde Verbindung. Jeder schuf sich freien Raum vor seinem Hause und bahnte sich seinen Weg zu seinen Nachbarn. Man senkte auch Schrittsteine ins Wasser und in den Sumpfboden, man legte den Baumstamm über den Bach oder über einen Abgrund. Doch war es immer noch seine private Sache, ob der Mensch es thun oder lassen wollte. Als nun aber die Kultur ins Land zog und einen Völkerfrühling brachte, da baute man ja wohl Wege von einer Stadt zur andern, und vielleicht hatte auch ein Dorf oder eine nähere Ansiedelung einen Nutzen davon. Bis jedoch mehr feste Wege geschaffen wurden und wirklich gebahnte Straßen, – das dauerte doch vielfach noch lange, lange, und sie führten kreuz und quer, auf und ab, sie marterten noch die Tiere und gaben mit Bückeln und Abstiegen den Fuhrleuten zu fluchen und den Müllern und Vorspannleuten zu verdienen genug und übergenug. Platzgelder und Brückengelder sperrten den Weg eben so viel, als schöne Plätze und mehr oder weniger gute Brücken für den Verkehr sich bereit boten. Wie lang aber dauerte es, bis gute Wege alle Markungen verbanden und jeden Flecken zugänglich machten, und wie lange gar, bis endlich breite Kunststraßen alle Landschaften beglückten und jeglichen Verkehr überallher und überallhin erleichterten!
Ist dies nicht ein Gleichnisbild – und selber zugleich ein lebendiges Bild für den herrlichen Fortschritt der langen Jahrhunderte menschlicher Geschichte? Macht unsere Phantasie nicht besonders gern eine solche Reise von einem Jahrhundert ins andere hinein, von Station zu Station bis auf die gegenwärtigen Tage höchster und vollkommenster Kulturentwicklung? Man freut sich des stetigen Fortschritts auf einem weiten Weg und sieht mit Vergnügen zu, wie immer aufs neue und immer vollkommener ›die Zeiten sich erfüllen.‹ –
Am Ende des 19. Jahrhunderts aber gar! – da fausten nicht nur die Eisenbahnzüge durch alle Länder, da durchfurchten nicht allein die Dampfschnellschiffe alle Meere, sondern jene hielten die entferntesten Teile der Welt mit einander verbunden und diese haben das Meer wahrhaftig zur ›Wasserstraße‹ gemacht. Beide haben so die Völker einander näher gebracht, als das je der Fall war und die allgemeine Völkerverbrüderung großartig vorbereitet. Was sie aber hievon noch unvollendet gelassen haben, das sollten Telegraph und Telephon noch vervollständigen und vollenden.
Und nun – am Schluß des 20. Jahrhunderts, am Ende des zweiten Jahrtausends der christlichen Zeitrechnung vollends! Da ist die elektrische Kraft der größte ›Fortschritt‹, das elektrische Licht die schönste ›Erleuchtung‹ geworden. Die Eisenbahnen jedoch sind darum nicht ein überwundener Standpunkt, sondern sie überwinden alles. Wer holt noch Karten und zahlt erst die Fahrten? Die Eisenbahnen sind geworden, was sie sein sollten, die freien Verkehrswege gerade so wie Wege und Landstraßen auch; hier ist nicht Brückenzoll und Platzgeld, und da ist keine Fahrkarte mehr, vielmehr alle Kontrolle unnötig geworden. ›Füllet die Erde und machet sie euch unterthan,‹ – ist das urälteste Gotteswort an die Menschheit, und der Mensch, der Herr der Schöpfung, hat das Rätsel gelöst. Dieses Gotteswort hat er zu seiner Losung gemacht und den Schein hat er wahrhaftig eingelöst. Selbst das Meer strahlt wieder von diesem Glanze der erleuchteten triumphierenden Menschheit, seine Wasserstraßen sind elektrisch beleuchtet und hell bezeichnte Richtungslinien sichern den stolzen Schiffen die freie gefahrlose Bahn! –
Wird es Dir zu viel, lieber Leser, zu viel solcher Worte und zu viel des Ruhms der Menschheit, des Rühmens von Menschenweisheit und Menschenwerk? – Warum denn aber sollen wir uns nicht freuen, wenn von Jahrhundert zu Jahrhundert ›Fortschritt‹ und ›Erleuchtung‹ im wahren Sinn des Worts zu rühmen ist? Warum soll das nicht wirklich auch ein Lob Gottes, ein Ruhm seiner Ehre sein, wenn doch thatsächlich auch auf diese Weise ›alle Lande seiner Ehre voll‹ werden? Hat doch er dem ›Menschen nach seinem Bild‹ Recht und Licht im Naturleben und im Kulturleben gegeben und gegönnt, – er, der dem ahnungsvoll sinnenden Menschen Erleuchtung giebt, seinem schaffenden und forschenden Geist so manchen reichen ›Fund‹ in der Erde und des Meeres Tiefen, so viele großartige ›Erfindungen‹ aus den Tiefen der Wissenschaft heraus, gelingen läßt und – ›alles zu seiner Zeit‹ – so jedem Geschlecht sein Teil, jeder Generation sowohl ihr ›Erbe‹ gönnt, als auch wieder ihre ›eigene Errungenschaft‹ schenkt, jedem Jahrhundert neue Zeichen seines Waltens, jedem Volk Beweise seiner Huld und Vaterschaft!
So giebt es thatsächlich Fortschritt und Erleuchtung genug in der Menschheitsgeschichte, und Gottes Wille ist niemalen dagegen, sondern vielmehr immer mitten drin. Das Gerassel des mannigfachen Räderwerks mag manchen betäuben, das strahlende Licht viele blenden, daß sie nicht sehen, von wem jenes regiert wird und wer dieses sendet, – wer aber Ohren hat, zu hören, der höre, und wer Augen hat, zu sehen, der sieht: der lebendige Gott schreitet durch die Jahrhunderte hin, er ist es, der die Völker führt und ihre Geschicke leitet von ersten Anfängen an bis auf ein letztes großes Ziel hin!
Noch vor 100 Jahren, noch im 19. Jahrhundert sahen viele Christen in dem Gedanken an die antichristliche Zeit nur ein düsteres Ende für die Welt, nur einen trüben Ausblick voll Hoffnungslosigkeit vor sich, sie sahen darin nur das Ende aller menschlichen Dinge, den Untergang der Welt. Wir aber, die Kinder des Tages, des hellen Tages des Herrn, sehen das jetzt anders an. Der die Völker führende lebendige Gott hat alles, alles zubereitet und läßt sich sein Regiment nicht und nie aus den Händen winden.
Auch die für die Christen fürchterlichste Zeit des Antichrists um das Ende des 20. Jahrhunderts, um das Jahr 2000, schafft nicht nur ein böses Ende aller irdischen Weltentwicklung, sondern sie ist auch wieder ein Durchgangspunkt, der letzte, größte, am schwersten zu lösende Entwicklungsknoten in der ganzen, sich nun vollendenden Geschichte der Menschheit. Wenn sie schon die Menschheit in die ernsteste Versuchung und in den allgemeinen Abfall, die Christenheit in die allergrößte Bedrängnis, die ganze Welt in den furchtbarsten Geisteskampf, – ja, man möchte sagen: Geisterkampf, – den sie je erlebt hat, hineinführt, es geht doch nicht nur dem Ende, sondern der Vollendung irdisch menschlicher Geschichte zu. Die Geschicke der Menschheit sind in einer höheren Hand, die Weltgeschichte verläuft nach Gottes Plan, und Gottes Plan kann nicht gehindert werden; Gottes Wege sind wunderbar, aber er führt es alles herrlich hinaus.
Das ist ja freilich wahr und das sollte in jener Zeit noch einmal ganz klar und deutlich offenbar werden: eine stetige Vorwärtsentwicklung menschlicher Dinge giebt es nicht. Es giebt kein Emporblühen ohne taube Blüten, keine irdische Hoffnung ohne Enttäuschungen, und auch einen wirklichen Fortschritt nicht ohne wirkliche Rückschritte. Es war also von jeher grundfalsch, zu meinen, eine allmähliche Entwicklung der Menschheit bringe es aus sich heraus zu einer Vollendung der Welt, ein seliges Zeitalter falle wie eine reife Frucht ganz von selbst der Menschheit in den Schoß. Im Gegenteil, nie in der Weltgeschichte ist diese Meinung gründlicher zu Schanden geworden als gerade in der antichristlichen Zeit, nie die erhabene Weltanschauung der heiligen Schrift mit ihren Weissagungen wunderbarer beleuchtet und vollkommener bewiesen worden, als durch die letzten Tage jenes gigantischen Weltreichs.
All die Errungenschaften früherer Jahrhunderte brachten das gepriesene Erdenglück nicht, ebenso all die gewaltigen sozialen Umwälzungen auch des letzten zwanzigsten Jahrhunderts, – großartiger und schneller vollzogen als je ein Jahrhundert solches versucht und erreicht hatte, – sie brachten das gepriesene Erdenglück auch nicht zu stand. Und am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts, – auch die allgemeinste Begeisterung der großen Massen, der einmütigste Gewaltwille der ganzen geeinigten Menschheit, das gigantische Stürmen der stolzesten Geister und des allmächtigsten Menschen, den es je gegeben hat, alles, alles baute nur an einem babylonischen Turm, der doch nicht in den Himmel reichte, der bald – jetzt bald – stürzen und zur Ruine werden sollte. Aller menschlichen Kultur und aller vollendeten Bildung gelang es nicht; der hieran fürwahr reichgewordenen, ja übersättigten, an Frömmigkeit und Glauben aber ganz und gar verarmten Menschheit sollte es nicht gelingen! Ihr fehlte dafür schon der Herzensfriede. Aber auch aller staatlichen Gewalt, all der Riesenmacht des allergrößten Weltreichs konnte es nicht gelingen; gelang ihr ja doch nicht einmal der äußerliche, so viel gerühmte ›allgemeine Völkerfriede‹ wirklich und wahrhaftig! Es blieb beim Alten!
Tyrannei und Sündenknechtschaft in jeder Form blieben, Unglück und Plagen aller Art mehrten sich gegen das Ende hin, und der Menschenseele geheimstes Verlangen, aller Völker tiefstes Sehnen blieb ungestillt, so daß die Menschheit gerade jetzt, hier, auf dem Gipfel und Höhepunkt aller ihrer Entwicklung angekommen, hier, die offenbare Schlußentwicklung der ganzen Völkergeschichte vor sich sehend, – nur um so deutlicher erkennen konnte, daß sie, die Menschheit, aus sich selber nicht zur Ruhe, nicht zur Vollendung, nimmermehr zu einem glücklichen Zeitalter kommen könne, – daß nun alle Mittel aufgewendet, alle Kräfte erschöpft, alle Wege versucht und jetzt auch die letzte Möglichkeit genommen sei, zu ihrem großen Ziel zu kommen ohne ihren Heiland, – daß es wieder einmal ein Traum gewesen, als stünde man an einem großen Anfang, und nun wieder ein schreckliches Erwachen sei, gar am Ende aller menschlichen Hoffnung zu stehen!!
So führte Gott die Völker, ›daß sich vor ihm kein Fleisch rühme!‹ denn er, der Vater, ›hatte es seiner Macht vorbehalten‹. Und doch hatte er jetzt zugleich alles zubereitet, alles ganz wohl vorbereitet, daß er nun alles vollende, – jetzt, ›da die Zeit erfüllet war‹.