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VI. Buch:
Die starken Wurzeln der Kraft.

Motto:

Fürwahr! Noch Schön'res als ein Herz
Je träumen mag am gold'nen Morgen,
Hat Gott gethan: Weg aller Schmerz
Und wir in Gottes Reich geborgen!
Der Menschheit Baum voll Lebenssaft
Und stark die Wurzeln seiner Kraft!

I. Kapitel.
Sonnenschein nach dem Gewitter.

Motto:

Und das Feuer verglomm und die Flut war vertost,
Und es graut' und die Sonne erhob sich im Ost;
Doch in schweigender Öde gewahrte sie nichts,
Als den wehenden Schutt auf der Statt des Gerichts.

Geibel.

Hat der geneigte Leser wohl schon ein großes Hagelwetter selbst miterlebt? – und nicht etwa nur in der Stadt, wo ja wohl viele Scheiben klirren und die Schloßen laut über die breiten Dächer prasseln, sondern draußen in der freien Natur, wo man sich im Sturm kaum zu halten weiß und nicht zu schützen vermag vor den sausenden Geschossen des Himmels, vor den strömenden Güssen des Regens, unter dem Zucken erschreckender Blitze und unter dem Dröhnen gewaltiger Donnerschläge? Majestätisch offenbaren sich da die Schrecken in der Natur, und der Mensch beugt sich vor der Größe des lebendigen Gottes, des Herrn der himmlischen Heerscharen.

Wenn aber alle Welt dann still wird vor ihm, wenn die Donner verhallen und die Wetter in die Ferne ziehen, wenn gar die Wolken sich lichten und das schöne Blau des Himmels sichtbar wird, die Sonne wieder kommt und mit ihrem goldenen Strahl die Gegend beleuchtet, – welch ein Bild dann, welch ein Bild! Auf ein weißes Feld fällt unser Blick, wie ein Schneefeld so weiß mitten im Sommer, wehthuend grell für unser grün-gewohntes Auge. Die Gewächse sind von des Himmels Geschossen in den Boden hineingeschmettert, die Saaten sind zerstampft wie von Rosseshufen nach der Schlacht, die Bäume stehen kahl mit abgerissenen Zweigen und abgeworfenen Früchten, – alles ringsum ein Bild der verlorenen Hoffnung, des Fluchs über der Erde, des göttlichen Gerichts.

Und doch! Die Sonne lacht vom blauen Himmel – und siehe da! der Bogen in den Wolken! – der siebenfarbige Friedensbogen mit aller seiner göttlichen Verheißung! – –

Ähnlich so war es auch an dem Tag nach jenem wunderbaren Ereignis. Ja wohl, die Gegend zerstampft wie von Rosseshufen nach einer Schlacht, alles ringsum ein Bild der verlorenen Hoffnung, des Fluchs über der Erde, des göttlichen Gerichts! Und doch, – die Gerichtswetter sind weggezogen, die alles erschütternde, hocherhabene Erscheinung der himmlischen Herrlichkeit ist nicht mehr zu sehen, die dröhnenden Donnerschläge sind nicht mehr zu hören, – die Sonne lacht wieder am blauen Himmel, es ist wieder ganz ein Tag wie andere auch, als ob gar nichts Besonderes geschehen wäre!

Und so brechen denn die halb aufgelösten Völkerheere auf, die Heimat wieder zu erreichen, – freilich ganz, ganz anders, als sie gekommen sind! Ja, es ist wahr, es ist in ihnen ein Gefühl wie am Tag nach einer großen Schlacht, wo die Geschlagenen düster und verzweifelt dahinziehen, aber auch die Sieger gewaltig erschüttert und aufs tiefste ergriffen sind. So hier: die einen, von Stund an dem göttlichen Gericht verfallen, gehen nun hin, düster und verzweifelt; sie wissen, es ist aus mit ihnen! Die andern kehren heim voll Dank und Anbetung im Herzen, aber zugleich im Innersten erschüttert.

Und überall, wo sie hinkommen, da begegnen ihnen die Zeichen göttlichen Gerichts! All' die Menschen, welche den Fluch Gottes aus der Zeit des Antichrists und längst in sich tragen, haben jetzt schwer daran zu schleppen; sie tragen daran, wie die Meineidigen an ihrer Sünde, oder wie die Mörder an ihrer Last. Und der Allmächtige hat ja in Seuchen und Krankheiten, in Unglück und bösen Schrecken hunderterlei Diener seiner Macht und seines Gerichts. ›Die Boten Gottes eilen‹ und Tausende werden von bösem schnellem Tod weggerafft.

Die ›Gesegneten des Herrn‹ aber sahen ihre Heimat alle wieder mit tausend Freuden, und wo sie dort zu anderen ihresgleichen von den großen Thaten Gottes redeten, etwa wie jene, welche hingingen und verkündigten: ›Wir haben den Herrn gesehen und solches hat er zu uns gesagt!‹ – da war überall Staunen und Freude zugleich. Was sie heimbrachten von dem, was sie gesehen und gehört haben, das wurde alles jetzt eine gewaltige Macht in den Herzen allerorten. Wir werden davon noch zu erzählen haben.

*

Ist es denn aber nicht doch alles nur ein Traum gewesen, ein schrecklicher, schauriger Traum? war es denn ernstlich alles Wirklichkeit? wirklich und wahrhaftig ein äußerlich geschichtliches Ereignis? War es nicht doch jedenfalls nur ein Gesicht gewesen, – wenn auch ein für jedermann schaubares Gesicht, – was da anzuschauen gewesen war in des Himmels Wolken, und dann auf Erden gar, auf dem erhabenen Thron? oder war es vielleicht wenigstens eine Fata Morgana, also wohl ein wirkliches Schauen mit den Augen, aber doch nur das Anschauen einer leeren Luftspiegelung in den Wolken?

Nein, nein! das war es alles nicht, sondern der Herr selber war es mit aller seiner Herrlichkeit, der Gekreuzigte und Auferstandene war es, der Verklärte mit aller seiner Herrlichkeit vor aller Welt, wirklich und wahrhaftig! –

Siehe da! einmal in der Weltgeschichte eine ganz einzigartig große Offenbarungsthat des lebendigen Gottes! eine Offenbarung der sonst unsichtbaren himmlischen Welt in aller Öffentlichkeit vor aller Welt, wie das so noch nie geschehen war, wie es aber allerdings längst schon angekündigt gewesen war für dieses eine Mal, für diesen großen Wendepunkt in der Menschen- und Weltgeschichte, zum Abschluß der alten Weltzeit und zum Beginn einer neuen messianischen Weltzeit, einer Weltzeit, welche schon den Charakter ›ewigen Lebens‹ an sich tragen, in sich haben und herrlich ausprägen sollte für noch kommende Jahrhunderte, – zwar nur erst Vorstufe und Vorschmack der ewigen Seligkeit, also entfernt noch nicht die Vollendung aller Dinge in himmlischer Herrlichkeit, aber doch, der alten Weltzeit gegenüber, schon eine wirkliche Vollendung, nämlich die Vollendung irdisch menschlicher Geschichte, – ›die Zeit der Erquickung von dem Angesicht des Herrn‹, ›die Zeit, da herwiedergebracht werde alles, was Gott geredet hat durch den Mund aller seiner heiligen Propheten von der Welt an.‹ –

Einst war der Auferstandene ja auch wahrhaftig seinen Jüngern erschienen, – damals allerdings nicht der Welt, nur seinen Jüngern, aber sie sahen ihn und nicht im Traum nur, sie schauten ihn und kein Gesicht bloß. Sie sahen ihn in seiner Herrlichkeit zu wiederholten Malen, ihrer zwei und drei, ihrer zehn und elf, ja ihrer viele und einmal Hunderte zugleich, bis auf die Zeit, da er von ihnen genommen ward zusehends und eine Wolke ihn wegnahm vor ihren Augen. Sie blieben aber in dem freudigen Glauben an den Gekreuzigten und Auferstandenen, und die ersten Christen grüßten einander mit dem Freudengruß: ›Der Herr ist wahrhaft auferstanden!‹ sie blieben auch in dem Glauben: Dieser Jesus, welcher von uns aufgenommen ist gen Himmel, wird kommen, wie wir ihn gesehen haben gen Himmel fahren. Heilig galt ihnen der Schwur ihres Heilandes: ›Ihr werdet sehen des Menschen Sohn – kommend in den Wolken des Himmels!‹«

Dieser Glaube war ihnen eine Weltanschauung und auf diesen Glauben hat sich thatsächlich auch eine ganz neue Weltanschauung aufgebaut, und zwar nicht nur die ›christliche Weltanschauung‹ im allgemeinen, sondern diese verachtetste und doch leidenskräftigste, diese stärkste und nun siegreichste, welche es je gegeben hat, die Hoffnung auf ihren einst wiederkommenden Herrn und auf eine noch kommende herrliche Vollendung seines Reiches in aller Welt. Nun hat sie recht behalten, diese ganz eigenartige Weltanschauung, sie ist zur vollsten Wahrheit geworden, über alle Welt und über alle Weisheit dieser Welt hinweg ist sie nun zum Triumph gekommen! –

Und seitdem nun das geschehen ist, sind es jetzt wieder Zeiten gerade wie jene vierzig Tage nach der Auferstehung des Herrn, ja noch viel herrlicher und großartiger. Denn er, der Auferstandene und Verklärte, der Herr der Herrlichkeit, offenbart sich jetzt in der nun neu angebrochenen Weltzeit wieder wie dazumal in seiner Herrlichkeit, und zwar jetzt offen vor aller Welt.

Wohl ist er ja nicht alle Tage sichtbar, aber jeden Tag kann er erscheinen in aller seiner Herrlichkeit, hier oder dort, und zwar – das ist das Große daran, – nun nicht mehr nur einem kleinen Jüngerkreis je und dann in der Stille und Verborgenheit vor der Welt, wie das in jenen Tagen nach seiner Auferstehung immer der Fall war, sondern nun ganz öffentlich vor aller Welt und überall unter der ganzen Menschheit, bald da an einem Ort, bald dort an einem andern. Seine Königsmajestät wird nun in der so herrlich angebrochenen Weltzeit von Zeit zu Zeit offenbar, einmal hier unter einem Volk und dann wieder dort einem andern. Und die Völker freuen sich jetzt dessen, was sie an ihm, ihrem allerhöchsten Herrn und König, haben. Wenn sie ihn auch nicht alltäglich zu sehen bekommen, sie rüsten sich doch darauf und schauen allezeit hinaus auf eine Offenbarung seiner Herrlichkeit, auf eine herrliche Erscheinung ihres Herrn. Das spornt ihren Eifer und hebt ihre Thatkraft; sie arbeiten nun großen Zielen zu, damit sie ihm wohlgefallen mögen! Sein Erscheinen ist ihnen allen ein immer vor Augen gehaltenes Ziel, ein schöner Ausblick jedesmal wieder für die jeweilig erreichte Kulturentwicklung, ein immer neuer Sporn für ihre ganze kommende Vollendung. Denn sie alle bekennen nun, in freudiger Begeisterung für ihn, daß er wahrhaftig ihr Herr und ihr Haupt sei zur Ehre Gottes des Vaters, er, den sie loben und lieben, und dem sie danken und wohlgefallen möchten.

Doch davon ist ja noch mehr zu sagen, als in wenigen kurzen Sätzen auszusprechen möglich wäre.


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