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IV. Kapitel.
Der letzte Gewaltakt.

Motto:

Was soll das Maß ihm, hat er doch die Macht!
Er denkt, so müss' es ewig bleiben;
Und spürt er selbst, daß drunten in der Nacht
Die Kräfte schon, die ihn verderben, treiben, –
Er schlägt sich's aus dem Sinn mit Vorbedacht.

Geibel.

War das wieder ein toller Einfall in einer wilddurchtobten Nacht oder war es ein lange vorbedachter Plan bei dem Weltregenten? Auf einmal ging der Befehl aus in alle Welt, daß alle Völkerheere sich versammeln sollen. Von einem Ende der Erde zum andern erscholl der Aufruf, der Blitz des Telegraphen und der Anruf des Telephon besorgten das meiste, aber auch die feierliche Proklamation an alle Völker der Erde kam nach und in stolzen Worten ward jene unermeßliche Heerschau angekündigt, welche der stolzeste Geist der Welt jetzt zu halten gedachte.

Die einen schüttelten den Kopf oder sprachen offen von der unbequemen Unterbrechung, andern imponierte der gigantische Gedanke und sie priesen laut die Majestät in dieser großartigen Machtentfaltung. Jedenfalls wiederhallte die Welt von der Unruhe der Rüstungen und alle Eisenbahnen gaben ein lebendiges Bild von dieser merkwürdigen Völkerwanderung. Die entferntesten Völker waren aufgeboten, Asien und Europa, die neue und die alte Welt sollten einmal wieder zusammenkommen. Die ganze Welt sollte nichts dergleichen je gesehen haben und in dem Mittelpunkte der alten Weltteile sollten sie sich treffen. Der altgeschichtliche Boden des gelobten Landes war dazu erwählt, von seinem, des Weltregenten, Lob voll zu werden. Ja, das war eine Völkerwanderung wie je eine, und um der Stätte des Kreuzes Christi willen hießen es viele den ›Kreuzzug‹. Das Wort ›Völkerverbrüderung‹ stand auch wieder auf der Tagesordnung und war in aller Mund, der trunkene Jubel über Einheit und Macht sollte wieder einmal dafür gelten. Tausende und Zehntausende kamen zusammen; wer nennt die Völker alle, wer zählt ihre Heerscharen? Wo wollten sie Raum finden in einem einzigen Land, welche Ebene bietet Platz genug für das Millionenheer? reicht es in der Ebene Jesreel – und gilt es denn die Schlacht bei Megiddo?

Warum soll aber die Verpflegung solcher Massen nicht möglich sein? warum nicht bei so vollendetem Verkehr und in dem Land, da Milch und Honig fließt? Der Plan war groß und stolz und schön, die Begeisterung wuchs, sie flutete und brauste zuletzt.

War es denn aber allen so ernst damit? ist keiner, der klar sähe, auch nicht einer? – O wie viele kommen, weil sie müssen, weil Staatspflicht, Gebot und Furcht sie zusammentreibt! Ist auch eine legio fulminatrix nicht dabei, so sind es doch unzählige Christen, welche mit eingereiht sind. Sind auch ihrer erklärten Feinde viel, so sind doch ihre Freunde auch unzählig.

Kuno ist auch ausgehoben und Leon mit dabei; die zwei Brüder nahe genug beisammen. So sind es noch Tausende und aber Tausende, teils erklärte Christen, teils mehr oder weniger freundlich Gesinnte. Auch solche, welche grollen, weil sie nationaler Königsherrlichkeit gedenken, sind viele da. Aber was wollen sie machen? das allgemeine Gebot ging aus und wer widersteht noch diesem Gewaltwillen?

Was will er denn, der Mächtige, – der allein Mächtige in der weiten Welt? – Er ist jetzt in Jerusalem und hält ein Fest; er versammelt auch die Juden und giebt ihnen große Ehre.

Auch sie sind zwiespältig, wie ja schon lange her; die einen mißtrauisch, die andern stolz auf ihn. Er selber ist froh, bei diesen einen Anhang, – aber grimmig, bei jenen Widerstand zu finden. Merkwürdig! der Erwählte aller Nationen ist nicht einmal seines eigenen angestammten Volkes ganz gewiß, selbst heute nicht! – ein böses Vorzeichen!

Was trieb ihn denn zu allem diesem Thun? was plant er doch mit dem unermeßlichen Völkerheere? Ist es nur Stolz und Prahlerei, seine Macht zu beweisen? ist es ein kluger Plan, die Völkervereinigung damit zu stärken? Ist es geheime Unruhe, Feinden und Hassern zu imponieren, oder ist es die Unruhe bösen Gewissens einem Höheren gegenüber? Hat er Ahnungen in sich, daß sein Tag komme, oder Offenbarungen aus der Tiefe, daß er sich jetzt rüsten müsse? Will er am Ende, gar trotzen dem himmlischen Heere oder wenigstens stolz fallen, wenn der allerhöchste Herr komme?

Wer ergründet diesen Unergründlichen? wer kennt das Geheimnis dieses geheimnisvollen Geistes? Wer weiß, wie viel er treibt und wie viel er getrieben wird? wer will erraten, ob er sich freut, – so, wie die Hölle lacht, – oder ob er zittert im Innersten seiner Seele? Selbst seine Vertrauten durchschauen ihn nicht, auch seine Großen sind nicht in alle seine Pläne eingeweiht.

Er aber spricht, so geschieht's, er gebeut, so stehet es da! er stampft den Boden und es kommen die Völkerscharen zusammen; er will – und sie stehen alle still. ›Ich bin's allein und sonst keiner mehr! mein ist die Welt, – die Welt, das bin ich!‹

Aber der Friede ist er nicht, und ›Völkerhirte‹ auch nicht! Ein Herr ist er wohl, aber ein Heiland ist er nicht. Von unten her ist er, so hoch er auch steht. Einen allgewaltigen bösen Bann hat er in die Welt gebracht, – Heil den Menschen, Erlösung den Völkern nimmermehr, nimmermehr!!


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