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Werfen wir nach dieser fast vollständigen Uebersicht der altweltlichen Wildhunde einen Blick auf andere, in Amerika hausende Glieder der Familie, so stoßen uns zunächst zwei wolfähnliche Arten auf, welche Hamilton Smith Goldwölfe ( Chrysocyon) nennt und Gray in einer besonderen Sippe vereinigt wissen will. Als Merkmale der letzteren gibt dieser Forscher den sehr langen, dünnnasigen Kopf und kurzen Schwanz sowie unerhebliche Eigenthümlichkeiten des Schädels und Gebisses an. Unter sich sind die beiden »Goldwölfe« übrigens wesentlich verschieden.
Der Mähnenwolf, rothe Wolf der Ansiedler, Guará der Eingeborenen ( Canis jubatus, Chrysocyon jubatus, Canis campestris), hat, laut Burmeister, zwar die unverkennbarste Aehnlichkeit mit dem Wolfe, ist jedoch verhältnismäßig schwächlicher gebaut und viel hochbeiniger als dieser, die Schnauze enger, die Brust schmäler, der Schwanz kürzer. »Eigentlich«, sagt Hensel, »ist das Thier eine Misgestalt. Sein Rumpf erscheint unverhältnismäßig kurz, während die Beine, namentlich durch Verlängerung der Mittelhand und des Mittelfußes, eine für unser Gefühl unnatürliche Länge besitzen.« Der Pelz hat ebenfalls sein eigenthümliches. Im Gesicht und an den Pfoten sind die Haare, nach Burmeisters Beschreibung, kurz anliegend, weiterhin, an den Beinen ganz allmählich, werden sie länger und erreichen ihre größte Länge im Nacken und längs des Rücken, wo sie eine starke aufrichtbare Mähne bilden und gegen 13 Centim. Länge haben. Ihre Färbung, ein klares reines Zimmetrothbraun, wird gegen die Mitte des Rückens etwas dunkler, gegen den Bauch hin heller, gelblicher; die Schnauze ist braun, die nackte Nase ganz schwarz, das Gesicht heller, das Ohr außen rothbraun, innen weißgelb; den Nacken ziert ein großer schwarzbrauner Fleck, welcher sich nach dem Rücken hinabzieht; die Pfoten sind auf der Vorderseite schwarz, hinten braun, die Innenseiten der Beine fast weiß; der Schwanz hat oben rothbraune, unten gelbliche Färbung. Bei 1,25 bis 1,3 Meter Leibes- und 40 Centim. Schwanzlänge beträgt die Höhe 70 Centim. und darüber.
Noch heutigen Tages wissen wir über das Leben dieses in allen Sammlungen seltenen Thieres außerordentlich wenig. Der Mähnenwolf hat zwar eine weite Verbreitung über Südamerika, kommt auch an geeigneten Oertlichkeiten Brasiliens, Paragay's, der Platastaaten einzeln überall vor, wird aber wegen seines scheuen, vorsichtigen und furchtsamen Wesens, welches ihn den menschlichen Ansiedelungen fern hält, stets selten gesehen und noch seltener erlangt. Burmeister betrachtet es als eine besondere »Gunst des Schicksals«, daß während seiner Anwesenheit in Lagoasanta ein Stück aufgebracht wurde und er dadurch Gelegenheit erhielt, das Thier beschreiben zu können. Aus der Ferne blickt der Mähnenwolf den Menschen neugierig an, geht dann aber schleunigst ab, wird überhaupt niemals zudringlich, greift nur ausnahmsweise das Herdenvieh, unter keinen Umständen aber den Menschen an und nährt sich schlecht und recht von kleinen Säugethieren und allerlei Früchten. Hensel, welcher bemerkt, daß auch er aus eigener Anschauung nichts zur Kenntnis der noch immer in Dunkel gehüllten Lebensweise des Mähnenwolfs beitragen könne, hörte auf der Hochebene der Serra geral am häufigsten von ihm erzählen. Er stellt hier den Schafherden nach und könnte somit schädlich werden, wenn er häufiger vorkäme. Ueber Tages hält er sich, nach Angabe des Prinzen von Wied, in den zerstreuten Gebüschen der offenen, heideartigen Gegendendes inneren Landes auf, ängstlich sich verbergend; des Nachts, in unbewohnten Gegenden wohl auch in den Nachmittagsstunden, trabt er nach Nahrung umher und läßt dann seine laute, weitschallende Stimme vernehmen. Gegen Abend soll man ihn, laut Hensel, zuweilen in den sumpfigen mit hohen Grasbüscheln bewachsenen Niederungen sehen, wie er sich mit der Jagd der Apereas oder wilden Meerschweinchen beschäftigt. Diese Thiere huschen mit so großer Schnelligkeit zwischen den Grasbüscheln umher, daß sie kein Jagdhund fangen kann; der Mähnenwolf aber greift sie doch. Seine hohen Läufe befähigen ihn, das Jagdgebiet auf weithin zu übersehen und so gewaltige Sätze zu machen, daß ihm gedachtes Kleinwild nicht immer entgeht. Ob er auch zu andauerndem Laufe geschickt ist, konnte Hensel nicht in Erfahrung bringen. Man möchte dies vermuthen, obgleich er zuweilen von Hunden eingeholt werden soll. In Brasilien verschmäht man das Fleisch eines erlegten Guará durchaus nicht. Burmeister, welchem es als Hirschbraten vorgesetzt wurde, fand es zwar etwas zähe aber wohlschmeckend und erfuhr erst durch seinen Gastgeber, daß er einen Wolfsschenkel anstatt eines Wildschlegels verzehrt hatte.
Die zweite Art der Gruppe im Sinne Gray's, nach Anderer Ansicht aber Vertreter der Untersippe der Aktäonwölfe ( Lyciscus ), der Heul- oder Steppenwolf, Prairiewolf, Coyote ( Canis latrans , Chrysocyon latrans, Lyciscus cayotis, Canis frustor), erscheint ebenfalls als Mittelglied zwischen Wölfen und Füchsen, wenn auch der Wolf in ihm sich nicht verkennen läßt. Von ersteren hat er Leib und Schwanz sowie die kräftigen Läufe, von letzteren die zugespitzte Schnauze. Sein kräftiger Leib erscheint wegen des ungewöhnlich reichen Balges noch dicker als es in Wirklichkeit der Fall, der Hals ist kurz und kräftig, der Kopf schlanker als der des Wolfes, oben breit, an der Schnauze zugespitzt, das Ohr ziemlich groß, unten breit, oben aber nicht gerundet. Das lichtbraune Auge hat einen runden Stern. Die Färbung des Balges ist ein schmutziges Gelblichgrau, welches auf Ohr und Nasenrücken in das Rostfarbene, auf Oberhals und Rücken aber in das Schwärzliche übergeht, weil hier alle Haare in schwarzen Spitzen endigen; die Seiten des Halses, der Vorderblätter, der Hinterschenkel und die Läufe an ihrer äußeren Seite sind hellrostroth oder hellgelb, Unter- und Innenseite der Beine weißlich, die Lauscher rostfarben, hier und da mit schwärzlichen Haarspitzen, innen mit weißlichen Haaren dicht bedeckt. Der Lippenrand ist weißlich, die Umgebung der Augen hellfahl oder bräunlichgrau mit weißen Haarspitzen.
Ueber das Handgelenk zieht sich ein schmaler, schwarzer Streifen; der Schwanz ist an der Wurzel fahl und schwarz gemischt, an der Spitze tiefschwarz. Auf dem Rücken werden die Haare im Winter über zehn Centimeter lang. Sie sind an ihrer Wurzel aschgrau, hierauf gelbroth, dann schwarzbraun geringelt, hierauf weißlich und an der Spitze wieder schwarzbraun. Verschiedene Abänderungen kommen vor. Erwachsene Heulwölfe erreichen eine Länge von 1,4 Meter, wovon auf den Schwanz 40 Centim. gerechnet werden müssen, dabei aber kaum über 55 Centim. Höhe am Widerriste.
Der Prairiewolf ist weit über das Innere Nordamerikas, nach Süden hin bis Mejiko verbreitet und besonders gemein in den Ebenen des Missouri, in Kalifornien und Kolumbien. Englische Naturforscher behaupten, daß er in großen Rudeln lebe und dem Wilde sehr gefährlich werde, namentlich den Bisonherden folge und mit unverschämter Frechheit über jeden kranken, ermatteten oder verwundeten Stier herfalle, um ihn aufzufressen; Prinz Max von Wied, dem wir, neben Audubon, die beste Beschreibung verdanken, dagegen sagt, daß er nur einzeln oder paarweise vorkommt und nach Art unserer europäischen Wölfe lebt. Er raubt alles, was er bezwingen kann, und gleicht auch hinsichtlich der Schlauheit vollständig unseren Wölfen und Füchsen. Des Nachts kommt er oft bis in die indianischen Dörfer hinein, und im Winter sieht man ihn auch nicht selten am Tage umhertraben, wie den Wolf bei tiefem Schnee und Kalte. In der Ranzzeit bewohnt er selbstgegrabene Baue oder Höhlen, und hier soll im April die Wölfin ihre sechs bis zehn Jungen werfen. Die Ranzzeit fällt in den Januar und Februar und erregt die Heulwölfe wie alle Hunde auf das höchste. Um diese Zeit vernimmt man ihre Stimme in der Prairie: ein sonderbares, am Ende etwas gezogenes Bellen, welches dem Lautgeben unserer Füchse ähnelt. Viele indianische Hunde gleichen den Prairiewölfen in der Gestalt nicht wenig; es ist also zu vermuthen, daß Vermischungen zwischen beiden Thieren vorkommen.
In die Falle geht der Prairiewolf weit seltener als der Wolf oder Fuchs, und wenn er es thut, geschieht es nicht zu der Freude des Jägers, weil der Pelz keinen Werth hat und von den Pelzhändlern nicht beachtet wird.
Ueber das Gefangenleben kann ich aus eigener Anschauung berichten. Ich pflegte geraume Zeit einen Prairiewolf, welcher im Zimmer aufgezogen worden und ebenso artig war wie ein gutmüthiger Hund, obgleich nur gegen Bekannte. Er hatte ganz das Wesen des Haushundes. Bei dem Anblicke seiner Freunde sprang er vor Freuden hoch auf, wedelte mit dem Schwanze und kam an das Gitter heran, um sich liebkosen zu lassen. Die ihm schmeichelnde Hand leckte er jedoch nicht, sondern beroch sie höchstens. Wenn er allein war, langweilte er sich und fing an, jämmerlich zu heulen. Gab man ihm aber Gesellschaft, so mishandelte er diese, falls er es nicht mit besseren Beißern zu thun hatte, als er einer war. Aus Raummangel mußte er mit einem Wolfshunde, einem Schabrakenschakal und einem indischen Schakal zusammengesperrt werden. Da gab es anfangs arge Raufereien. Später zeigte er sich übellaunisch gegen seine Genossen, hielt sich auch immer zurückgezogen. Einen Nasenbär, welcher den Nebenkäfig bewohnte, erwischte er einmal am Schwanze, biß diesen in der Mitte seiner Länge ab und verspeiste ihn ohne Umstände. Lebende Thiere, welche an seinem Käfige vorübergingen, versetzten ihn stets in Aufregung, Hühnern namentlich folgte er mit der größten Begierde, so lange er sie sehen konnte. Er war an Hausmannskost gewöhnt worden und zog Brod entschieden dem Fleische vor, verachtete aber auch dieses nicht. Kleine Säugethiere und Vögel schlang er mit Haut und Haar oder Federn hinab. Dabei war er so gierig, daß er sich leicht überfraß und dann die Speise wieder erbrach: er fraß das Ausgebrochene aber, wie es die Hunde zu thun pflegen, unter Umständen auch wieder auf. Reichte man ihm mehr Nahrung, als er wirklich zu sich nehmen konnte, so verscharrte er diese geschwind in einer Ecke seines Käfigs und hütete solche Vorräthe dann mit Argusaugen, jeden seiner Kameraden mit Knurren bedrohend, sobald dieser dem Winkel nur halbwegs zu nahe kam.
Höchst empfänglich zeigte er sich für die Klagen anderer Thiere. In das Geheul der Wölfe stimmte er stets mit ein, und selbst das Gebrüll oder Gebrumm der Bären beantwortete er. Redete man ihn mit klagender Stimme an, ihn gleichsam bedauernd, so heulte und winselte er, wie mancher Haushund unter gleichen Umständen zu thun pflegt. Er zeigte, ganz wie ein Hund, ungemeines Verständnis für die Betonung verschiedener Laute und bezüglich Worte, fürchtete sich, wenn man ihn hart anredete, verstand Schmeicheleien und ließ sich durch klagende oder bedauernde Worte zur tiefsten Wehmuth hinreißen. Auch die Musik preßte ihm stets laute Klagen aus; doch war es mit seiner Heulerei nicht so ernsthaft gemeint. Er ließ sich förmlich zureden und beendete seine Klagen sofort, wenn man die Stimme veränderte und ernsthaft ruhig mit ihm sprach. Sein Gedächtnis war bewundernswürdig. Er vergaß ebenso wenig Liebkosungen als Beleidigungen. Gegen letztere suchte er sich zu rächen, auch nach längerer Zeit, erstere nahm er mit größtem Danke entgegen. Sein Wärter mußte ihn einmal von einem Käfig in den anderen bringen und dazu natürlich fangen. Dies nahm er übel und biß plötzlich nach dem sonst sehr geliebten Manne. Hierauf wurde er von Rechtswegen bestraft. Seit dieser Zeit hegte er einen tiefen Groll gegen den Wärter, obgleich dieser ihn fortan gut und freundlich behandelte und regelmäßig fütterte. Mir dagegen blieb er, obgleich ich ihm nur selten etwas zu fressen reichte, in hohem Grade zugethan, und niemals dachte er daran, nach mir zu beißen. Seinen alten Herrn liebte er noch immer, obwohl dieser ihn sehr selten besuchte. Er erkannte mich von weitem und begrüßte mich regelmäßig durch ein äußerst freundliches Gesicht und einladendes Schwanzwedeln, sobald ich mich zeigte. Wenn ich ihn mit der Hand streichelte, legte er sich gern auf den Rücken, wie Hunde dies thun, und ich durfte dann mit ihm spielen, ihm die Hand zwischen das kräftige Gebiß schieben, ja ihn selbst an dem Felle zausen, ohne daß er solches jemals übelgenommen hätte.
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