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Ein Blick auf das Leben der Gesammtheit

Selbst wissenschaftlich gebildeten Männern kommt es schwer an, die Lehrbücher der Naturbeschreibung des Thierreiches aus der Hand zu legen, ohne eine Regung ihrer verletzten Eitelkeit zu verspüren. Der »nach dem Bilde Gottes« geschaffene Mensch, der »Herr alles dessen, was da fleucht und kreucht«, der »Gebieter der Erde«, wird in diesen Lehrbüchern in seiner ganzen Blöße dargestellt: er eröffnet oder schließt die Reihe der belebten Wesen, welche wir »Thiere« nennen. Er, für den schon die uralte Sage einen besonderen Schöpfungstag ansetzt, welcher von den Wortgläubigen mit dem begabt wird, was allen übrigen Geschöpfen mangeln soll, welcher allein einen aufrechten Gang erhielt, »damit seine ausschließliche Befähigung zur Erkenntnis Gottes, sein Aufblick zum Himmel deutsam werde«: erscheint hier nur als – ein Säugethier! » Erste Ordnung, erste Familie, einzige Sippe: Mensch!« – so heißt es im Lehrbuche; und unmittelbar hinter dem Homo sapiens folgt – der Gorilla oder der Orang-Utan.

Die Naturwissenschaft kennt keine Rücksichten, wenn es gilt, Wahrheit, thatsächliche Wirklichkeit zu verkünden: und sollte sie auch noch so theuren, weil Jahrtausende lang gehegten Wahn, noch so beglückende Gefühle der Eitelkeit zerstören müssen. Der Mensch ist, leiblich betrachtet und von dem Naturforscher angesehen, wirklich nichts mehr und nichts minder als ein Säugethier oder ein lebendes, fühlendes Wesen mit rothem, warmem Blute, welches lebendige Junge gebiert und sie großsäugt: und jede Mutter, welche ohne zu grübeln und mit namenloser Wonne ihrem Kinde sich hingibt, welche das schönste Bild des Menschen darstellt, beweist, – daß sie der ersten Klasse des Thierreichs angehört; ja auch jeder, selbst der unwissenschaftlichste und oberflächlichste Beobachter muß zugestehen, daß zwischen dem Menschen und dem Schimpanse die Aehnlichkeit größer ist, als zwischen dem Affen und dem Pferde oder Rinde. Der Naturforscher kann darin, daß er den Menschen zu den Säugethieren zählt, nichts Verletzendes für ihn finden.

Erst in der Neuzeit hat die Frage über die Stellung des Menschen im Reiche der Thiere die gebührende Beachtung und die allein richtige Beantwortung gefunden. So lange die Naturwissenschaft bevormundet wurde von kindischen Anschauungen vergangener Zeiten, denen nur ihr Alter scheinbare Berechtigung verlieh; so lange selbst Gebildete sich bemächtigen oder doch beeinflussen ließen von den Pflegern des Aberglaubens, den Werkzeugen der Verdummung und anderen Vertretern des Rückstandes, war es unmöglich, vorurtheilsfrei an diese für die Menschheit überaus wichtige Frage heranzutreten. Auch fehlte unseren Vorgängern noch das Beste: ausreichender Stoff zur Vergleichung. Man kannte streng genommen bloß den höchststehenden Menschen, und ihn verkannte man. Absichtlich oder aus Unkenntnis übersah man die nächsten Verwandten desselben und fühlte sich beruhigt durch einfaches Behaupten, anstatt den allein richtigen Weg der Untersuchung einzuschlagen. So nur wurde es möglich, daß man allgemach den Menschen aus seinen natürlichen Verbindungen herausriß und zu einem Zwitterwesen stempelte, zum Gott zu gering, zum Thiere zu erhaben.

Die heutige Naturwissenschaft ist außer Stande, sich mit solchem Zwitterwesen zu beschäftigen, weil sie unter allen Umständen das Erforschte und Erkannte an die Stelle des Erdachten und Erträumten setzen muß. Sie vergleicht den gegenwärtigen mit dem gewesenen, den am weitesten vorgeschrittenen mit dem am tiefsten stehenden Menschen, folgt seinem Entwickelungsgange bis in die tiefste Nacht der Vergangenheit, setzt an die Stelle des Erdenkloßes mit dem ihm eingehauchten, lebendigen Athem ein in vollster Entwickelung begriffenes Thier und gelangt zu ganz anderen und entschieden tröstlicheren Ergebnissen, als solche Pfaffenthum und Weltweisheit im Verein, trotz aller Spitzfindigkeit und Traumseligkeit, jemals zu finden im Stande gewesen ist.

»Alle sogenannten specifischen Unterscheidungszeichen zwischen Mensch und Thier«, sagt Büchner treffend und wahr, »werden bei genauerer Betrachtung hinfällig, und selbst die für die charakteristischsten gehaltenen Attribute der Menschlichkeit, wie geistige und moralische Eigenschaften, aufrechter Gang und freier Gebrauch der Hand, menschliche Physiognomie und artikulirte Wortsprache, gesellschaftliches Wesen und Sinn für Religiosität etc. verlieren ihren Werth oder werden relativ, sobald man sich zu eingehenden und auf Thatsachen gestützten Vergleichen herbeiläßt und dabei nicht bloß, wie gewöhnlich, den höchstgebildeten Europäer, sondern auch jene dem Thiere näher stehenden Menschen und Menschenarten ins Auge faßt, welche keine Gelegenheit hatten, sich aus dem rohen Ur- und Naturzustände zu der Stufe des civilisirten Menschen emporzuschwingen. Bei solchem Studium sowie bei dem Studium der Thierseele wird man denn alsbald ganz andere Dinge erfahren als diejenigen, welche die Schreibstubengelehrten in ihrer hohen und hohlen Weisheit uns bisher glauben zu machen bemüht waren, und wird sich alsbald überzeugen, daß das menschliche Wesen in seiner tiefsten Erniedrigung oder auch in seinem rohesten Urzustande so nahe an die Thierwelt streift, daß man sich unwillkürlich fragt, wo denn eigentlich die Grenze zu ziehen sei. Wer sich daher ein Urtheil über das wahre Wesen des Menschen oder über dessen wirkliche Stellung in der Natur bilden will, darf nicht, wie unsere Herren Philosophen und angeblich großen Denker zu thun pflegen, nur sein eigenes, kleines Selbst im Spiegel eitler Selbstüberschätzung und ohne jede Rücksicht auf dessen uralte Entstehungs- und Entwickelungsgeschichte betrachten und daraus ein klägliches Konterfei eines philosophischen Mustermenschen abstrahiren, sondern er muß mit voller Hand in das Leben und in die Natur selbst hineingreifen und aus den zahllosen, dort in reichlichster Fülle strömenden Quellen Erkenntnis schöpfen.

»Nirgendwo fließen diese Quellen reichlicher und üppiger als in den zahllosen Berichten der Reisenden nach fremden Ländern über die dort angetroffenen wilden Menschen und Völker und in jenen schmucklosen Erzählungen, welche uns oft mit wenigen Worten einen tieferen Blick in die menschliche Natur und ihre nahe Verwandtschaft mit der großen Gesammtnatur thun lassen als das Studium der dickleibigsten Bände unserer Stubengelehrten. Alle Definitionen der gelehrten Herren, alle ihre Sätze und Aufstellungen, alle ihre Ableitungen aus den angeblich von ihnen gefundenen und sogenannten obersten Grundsätzen des Wissens zerschellen an der Wucht dieser einfachen Thatsache wie schillernde Seifenblasen an den Gegenständen, auf welche sie treffen. Gibt es doch Menschen und Völker und menschliche Zustände auf dieser Erdoberfläche, welche sich durch eine solche Abwesenheit alles dessen auszeichnen, was der gebildete Europäer als ewiges und unentbehrliches Attribut des Menschen anzusehen sich gewöhnt hat, und daß man bei Mittheilung der darauf bezüglichen Berichte mehr Fabel als Wirklichkeit zu hören glaubt. Diejenigen, welche in der sogenannten Moralität oder in der höheren Vernunftthätigkeit die auszeichnende Eigenschaft des Menschen und menschlichen Wesens zu erblicken glauben, werden bei genauerer Kenntnisnahme jener Menschen und menschlichen Zustände ihre Meinung ebenso wenig durch die Thatsache bestätigt finden, wie jene, welche den absoluten Vorzug des Menschen vor dem Thiere in seinem Familienleben und in der Einrichtung der Ehe oder in seinem gesellschaftlichen Wesen oder in seiner Schamhaftigkeit oder in seinem Gottesglauben oder in der Kunst des Zählens oder aber darin zu finden meinen, daß er allein Werkzeuge gebrauche, oder daß er allein den Gebrauch des Feuers kenne und sich desselben zum Kochen der Speisen bediene, oder daß er allein Kleider trage, oder daß er allein den Selbstmord ausübe, oder daß er allein den Grund und Boden bebaue etc. etc.

»Selbst die gegliederte Wortsprache, welche gewiß als die auszeichnendste Eigenschaft des Menschen geltend gemacht werden kann, und welche ihn in Anlehnung an die bessere Entwickelung des Kehlkopfes, der Sprachwerkzeuge und des Gehirns und in Gemeinschaft mit dem aufrechten Gange und dem verbesserten Gebrauche der Hände eigentlich erst zum Menschen gemacht hat, ist nur das Ergebnis aus einer ganzen Reihe langer und mühseliger Entwickelungsstufen und findet sich bei manchen wilden Völkern in einem Zustande der Rohheit und Unvollkommenheit, daß sie kaum Sprache im menschlichen Sinne genannt werden kann. Hielt man ehedem die Sprache des Menschen für etwas demselben Angeborenes und Anerschaffenes und schon bei seiner Entstehung in einem gewissen Grade der Ausbildung Vorhandenes, so haben die neueren Untersuchungen der Sprachforscher von dem allen das Gegentheil gelehrt und gezeigt, daß die Sprachen ebenso wie die Arten etwas langsam und ganz allmählich im Laufe der Jahrtausende aus einfachen Anfängen Gewordenes und Entstandenes sind. Gewiß war der früheste Mensch einer geordneten Rede ebenso unfähig, wie es auch heute noch das Thier und zum Theil der wilde Mensch ist. Kann doch nach Westropp der früheste Urmensch nicht anders denn als ein stummes oder sprachloses Wesen angesehen werden, welches erst nach und nach, gerade so wie auch heute noch das Kind, lernte, seinen Gefühlen und Bedürfnissen bestimmte Ausdrücke zu verleihen; und die Zeit muß sehr lange gedauert haben, in welcher der Mensch nur durch Geberden und ungegliederte Laute seine Bedürfnisse auszudrücken im Stande war. Es liegt darin nichts mehr Entwürdigendes als in dem Umstande, daß wir selbst einst Kinder waren, » quäkend und schreiend auf der Amme Arm«.

Auch solche Blicke muß man thun, auch den Menschen in diesem Zustande seiner Entwickelung in den Kreis der Betrachtungen ziehen, wenn man ihn mit dem Thiere vergleichen oder ihn von demselben trennen will. Mag man einstweilen noch über derartige Ergebnisse der Wissenschaft spötteln; mag man den vielfach angefochtenen Lehrsatz der neueren Forscher, daß der Mensch nichts anderes sei als ein hochentwickelter Affe oder ein durch Entwickelung aus einem affenähnlichen Zustande hervorgegangenes Wesen, vornehm belächeln und mehr oder minder entsetzt von sich abzuwehren suchen: unleugbar ist und bleibt, daß dieser Lehrsatz vernünftiger und menschenwürdiger ist als jenes kindische Festhalten an veralteten und vollkommen hinfällig gewordenen Sagen ungebildeter Völker, an welche sich Unwissenheit und Aberglauben anklammern, weil sie hohle, morgenländische Eitelkeit als etwas Göttliches ansehen. In dem denkenden Menschen erweckt der als vollkommenes Wesen erschaffene Mensch ein niederschlagendes, beängstigendes Gefühl, sobald er dieses Traumbild mit dem ungesitteten, auf thierischer Stufe stehenden »Bruder« vergleicht, während die Annahme einer stetigen Entwickelung unseres Geschlechtes einen wahrhaft erhebenden Blick in die Zukunft eröffnet, wohl geeignet, sich über das blinde Wüthen der Rückständigen und die eigene Zukunft vollständig zu trösten. »Haben sich denkende Menschen«, sagt der englische Forscher Huxley, einmal den blindmachenden Einflüssen überkommener Vorurtheile entwunden, so werden sie in dem niederen Stamme, welchem der Mensch entsprungen ist, den besten Beweis für den Glanz seiner Fähigkeiten finden und werden in seinem langen Fortschritte durch die Vergangenheit einen vernünftigen Grund erkennen, an die Erreichung einer noch edleren Zukunft zu glauben.« »In der That«, fügt Büchner diesen Worten hinzu, »je niedriger unsere Herkunft, um so erhabener unsere heutige Stellung in der Natur, je geringer der Anfang, um so größer die Vollendung, je schwieriger der Kampf, um so glänzender der Sieg, je mühseliger und langsamer der Weg, auf dem unsere Gesittung errungen wurde, um so werthvoller diese Kultur selbst und um so mächtiger das Streben, nicht bloß festzuhalten, sondern auch weiter auszubilden.«

Nach dieser Vorbemerkung, durch welche ich meinen und den Standpunkt aller vorurtheilsfreien Forscher der Neuzeit gewahrt wissen will, mag es, wenn auch nicht gerechtfertigt so doch gestattet sein, wenn ich im Nachfolgenden die erste Familie erster Ordnung der höchststehenden Klasse ganz überspringe oder höchstens hier und da berücksichtige, wo wir vergleichen müssen. Unser Buch überläßt den Menschen denen, welche berufen sind, ihn so ausführlich zu behandeln, als er behandelt sein muß, und beschäftigt sich dafür ausschließlich mit den Säugethieren von der zweiten Familie gedachter Ordnung an.

 

Der Altvater der Thierkunde, Linné, einer der größten Naturforscher aller Zeiten und »das Haupt aller früheren, gegenwärtigen und zukünftigen Jünger der Wissenschaft«, theilte in seinem unsterblichen Werke »Systema naturae« die Thiere in sechs Klassen ein: in Säugethiere, Vögel, Lurche, Fische, Kerbthiere und Würmer. Er vereinigte somit in den beiden letzten Klassen so viele verschieden gebaute und gebildete Geschöpfe, daß seine ausgezeichnete Arbeit doch nur für die Zeiten der Kindheit unserer Wissenschaft gültig sein konnte. Viele Forscher versuchten es nach ihm, diese Eintheilung zu berichtigen, bis endlich Cuvier im Jahre 1829 die beiden durchgreifenden Gegensätze der Ausbildung des thierischen Leibes zur Geltung brachte und die wirbellosen den Wirbelthieren gegenüber stellte. Er vereinigte die ersten vier Klassen Linné's zu einer, die beiden letzten zu einer anderen Halbscheid, trennte dagegen die bunt zusammengeworfenen »Kerbthiere« und »Würmer«, ihrer natürlichen Beschaffenheit Rücksicht tragend, in drei größere Kreise (Weich-, Glieder- und Pflanzenthiere) und bildete aus ihnen fünfzehn Klassen. Hiermit legte er den Grund der heutigen Thierkunde: und alle Naturforscher nach ihm haben nur auf dieser Grundlage fortgebaut – wenigstens sind, laut Hartmann, alle neuerdings angestellten Versuche, den für den Standpunkt unseres heutigen Wissens noch maßgebenden Unterschied zwischen Wirbelthieren und Wirbellosen auf Grund sehr verdächtiger Untersuchungen aufzuheben, als keineswegs sicher und durchschlagend zu betrachten.

Es ist unerläßlich, daß wir, wenn auch nur flüchtig, einen Blick auf die Gesammtheit der Klassen werfen, deren erste uns zunächst beschäftigen soll. Alle Wirbelthiere haben so entschieden übereinstimmende Merkmale, daß sie niemals mit den wirbellosen Thieren verwechselt werden können. Sie kennzeichnen das innere Knochen- oder Knorpelgerüst, welches Höhlen für Gehirn und Rückenmark bildet und von Muskeln bewegt wird, die Gliedmaßen, deren Anzahl niemals vier überschreitet, das rothe Blut, ein vollständiges Gefäßnetz, die seitliche Gleichmäßigkeit des Leibes und die Längsgliederung der Organe. Ihre hohe Entwickelung ist deutlich genug ausgesprochen. Das große Gehirn befähigt sie zu einer geistigen Thätigkeit, welche die aller übrigen Thiere weit überwiegt; ihre Sinneswerkzeuge haben mehr oder minder einhellige, gleichmäßige Ausbildung erlangt. Augen und Ohren sind fast immer vorhanden und dann stets paarig; die Nase besteht aus zwei Höhlen und dient nur ausnahmsweise als Tastwerkzeug. Leber und Nieren finden sich immer; die Milz fehlt selten. Alle sind getrennten Geschlechts. Empfindung und Lebendigkeit sind ihnen gemein.

Die Säugethiere stehen in dieser Abtheilung entschieden oben an: und eine solche Stellung verlangt der Walfisch ebenso gebieterisch wie der Mensch, welcher die höchste denkbare Entwickelung im Thierreiche darstellt. Eine ebenmäßige Ausbildung aller Leibestheile und die überwiegende Masse des Gehirns spricht sich beim Elefanten wie bei der Maus, beim Hunde wie beim Schnabelthiere aus. Die Säugethiere haben eine sehr vollkommene Lungenathmung und deshalb rothes, warmes Blut, und sie gebären lebendige Junge, welche sie mit einer eigenthümlichen Drüsenabsonderung, der Milch, an ihren Brüsten oder Zitzen eine Zeitlang säugen. Sie bilden die am schärfsten und bestimmtesten nach außen hin abgegrenzte Klasse; denn so groß auch ihre äußere Verschiedenheit sein mag, so groß erscheint die Uebereinstimmung ihres inneren Baues.

Der Schädel ist bei ihnen, wie bei allen übrigen Säugethieren, von der Wirbelsäule getrennt und besteht überall aus den nämlichen, im wesentlichen gleichartig verbundenen Knochenstücken; sein Oberkiefer ist stets mit ihm verwachsen, und die in ihm und dem Unterkiefer stehenden Zähne haben, so verschiedenartig sie gebaut oder gestellt sein mögen, doch das eine gemein, daß sie immer in Zahnhöhlen oder Alveolen eingekeilt sind. Sieben Wirbel bilden den Hals, mag er nun kurz oder lang sein, den Hals der Girafe ebenso wohl wie den des Maulwurfs; und wenn es auch scheinen will, daß die Faulthiere mehr und einige Wale weniger Wirbel des Halses zählen, zeigt die scharfe Beobachtung doch deutlich, daß dort die überzähligen Wirbel zur Brust gerechnet werden müssen, während hier die Verminderung der Anzahl auf Verschmelzung der Wirbel untereinander beruht. Schon den Vögeln gegenüber zeigt sich der Hals der Säugethiere als durchaus einhellig gebaut: denn dort nimmt mit der Länge des Halses auch die Zahl der Wirbel zu. Der Brusttheil der Wirbelsäule wird von 10 bis 23, der Lendentheil von 2 bis 9, die Kreuzbeingegend von ebenso vielen und der Schwanz von 4 bis 46 Wirbeln gebildet. Rippen oder Rippenstummel kommen zwar an allen Wirbeln vor; doch versteht man gewöhnlich unter den Rippen bloß die an den Brustwirbeln sitzenden, platten und gebogenen Knochen, welche sich mit dem Brustbeine entweder fest oder durch Knorpelmasse verbinden und die Brusthöhle einschließen. Ihre Anzahl stimmt regelmäßig mit jener der Brustwirbel überein; die Anzahl der wahren oder fest mit dem Brustbeine verwachsenen im Verhältnis zu den sogenannten falschen oder durch Knorpelmasse mittelbar an das Brustbein gehefteten ist aber großen Schwankungen unterworfen. Die Gliedmaßen sind diejenigen Theile des Säugethierleibes, welche schon im Geripp die größten Verschiedenheiten bemerklich werden lassen: – fehlt doch das hintere Paar manchen Walthieren gänzlich oder verkümmert wenigstens bis auf unbedeutende Stummel! Auch am vorderen Gliederpaare weichen namentlich der Schultergürtel und die Hand wesentlich ab; das Schlüsselbein ist sehr stark oder fehlt gänzlich, je nachdem die betreffenden Thiere Gräber oder bloß Läufer sind; die Finger sind vorhanden oder verstümmelt, je nachdem die Hand zur Pfote oder Tatze, zum Hufe oder zur Flosse geworden ist: es kann die gewöhnliche Fingerzahl Fünf bis auf Eins herabsinken. Die Ausbildung der Knochen des Beines ist nicht minder verschiedenartig. Doch können solche Schwankungen und scheinbaren Widersprüche niemals die klare Einhelligkeit des Knochenbaues aller Säugethiere verwischen oder auch nur unklar erscheinen lassen; sie ist vielmehr so groß, daß sich der Kundige aus wenigen Knochen das ganze Geripp eines ihm noch gänzlich unbekannten Thieres wenigstens in Gedanken zusammenzusetzen vermag.

Dieses Knochengerüst, der Stamm des Säugethierkörpers, wird durch die Muskeln bewegt, durch dieselben Gebilde, welche bei vielen Thieren für uns weitaus das Wichtigste des ganzen Leibes sind, weil sie uns zur Nahrung dienen. Sie, welche wir im gewöhnlichen Leben einfach »Fleisch« zu nennen pflegen, sitzen überall an den Knochen fest und bewegen diese in der allergünstigsten Weise für die Bewegung – nicht immer hinsichtlich der aufzuwendenden Kraft – nach den verschiedensten Richtungen hin. Ich würde eine genaue Kenntnis des menschlichen Leibes voraussetzen müssen, wollte ich sie beschreiben, und ich will meinen Lesern nicht gern durch nicht streng hierher gehörige Auseinandersetzungen lästig werden. So mag es genügen, wenn ich bemerke, daß alle Muskeln im genauesten Einklange mit den Eigenthümlichkeiten des Gerippes und mit der Lebensweise des Thieres stehen, welche ja von der Gestalt desselben bedingt und bestimmt wird. Mannigfache Veränderungen der ganzen Anlage erschweren zudem eine übersichtliche Beschreibung. Dem einen Thiere fehlt dieser Muskel ganz, bei dem anderen ist er besonders entwickelt: der Wal besitzt gar keine eigentlichen Halsmuskeln, bei dem Affen sind sie fast ebenso ausgebildet wie bei dem Menschen; die Säugethiere, welche klettern, graben, flattern oder greifen, haben starke Brustmuskeln zur Beugung des Armes, diejenigen, welche laufen, starke Hüft- und Schenkelmuskeln; die, welche den Schwanz als fünftes Bein oder überhaupt statt der hinteren Beine benutzen, besitzen an ihm kräftige Schwanzmuskeln; die Gesichtsmuskeln mangeln dem Schnabelthiere, sind aber bei allen Raubthieren auffallend verstärkt etc. Kurz, jedes Thier ist eben für seine Lebensweise besonders ausgerüstet worden, oder aber, die Ausrüstung hat seine Lebensweise bestimmt.

Nicht minder verschiedenartig gebaut sind die Weichtheile des Säugethierleibes. Die Verdauungswerkzeuge lassen, so sehr sie einander im ganzen ähneln, viele Abweichungen in ihrem Baue erkennen. Der Mund ist bezeichnend für die ganze Klasse; denn er hat fleischige und feinfühlende Lippen. Die in beide Kiefern eingekeilten und sie bewaffnenden Zähne kommen in solcher Ausbildung nur den Säugethieren zu und sind für Lebensweise und Fähigkeiten sowie für die wissenschaftliche Einordnung und Bestimmung entscheidend. Ihre Eintheilung in Schneide-, Eck-, Lücken- und Backenzähne ist bekannt, und ebenso weiß man wohl auch, daß wiederum der Mensch in seinem Gebiß die schönste Einhelligkeit der verschiedenen Zahnarten zeigt; denn jeder meiner Leser hat gesehen, wie sehr die Eckzähne im Maule des Hundes die Schneidezähne, oder wie sehr diese im Maule des Eichhorns die Backenzähne durch ihre Ausbildung überbieten. Die Zähne stehen immer im vollsten Einklange mit der Ernährungsweise des Thieres:

»Jeglicher Mund ist geschickt, die Speise zu fassen,
Welche dem Körper gebührt, es sei nun schwächlich und zahnlos
Oder mächtig der Kiefer gezahnt; in jeglichem Falle
Fördert ein schicklich Organ den Gliedern die Nahrung«.

So mag nun also der Mund gar keine Zähne mehr haben, wie bei dem Ameisenfresser, oder über zweihundert Zähne zählen, wie bei einem Delfin: immer wird er aufs genaueste der Ernährungsweise des Thieres entsprechen.

An den Mund reiht sich die Speiseröhre an, welche dadurch sich auszeichnet, daß sie sich niemals wie bei den Vögeln kropfartig erweitert. Der Magen, in welchen der Schlund übergeht, ist ebenso wenig jemals ein Vogelmagen, wie ihn selbst die naturunkundigsten Hausfrauen vom Huhne kennen, sondern immer nur ein mehr oder weniger dünnhäutiger, einfacher oder bis dreifach eingeschnürter Sack. Ganz eigenthümlich gebildet ist er bei denjenigen Thieren, welche ihre Speise nach dem Hinabschlingen noch einmal behaglich durchkauen und dann erst in die Abtheilung für Verdauung senden, an den ersten Speichern vorüber. Ueber die ausscheidenden Drüsen, wie Leber, Mund- und Bauchspeicheldrüsen und Nieren, läßt sich im allgemeinen ebenso wenig sagen wie über den Darm: es genügt, wenn wir festhalten, daß der Harn nur bei den Säugethieren besonders entleert wird, daß in der Umgebung des Afters oft Drüsen vorkommen, welche eigenthümliche, gewöhnlich sehr stark riechende oder stinkende Stoffe absondern, und daß bei den männlichen Gabelthieren Harnblase, Harn- und Samenleiter in die Kloake münden, an der sich noch ein Glied (penis) befindet, welches den Inhalt der Kloake nach außen entleert, während bei den weiblichen Gabelthieren die Kloake zur Ausscheidung der Harn- und Geschlechtserzeugnisse dient.

Die Gefäße weichen wenig von dem allgemeinen Gepräge ab; Herz und Adern und Aufsauggefäße sind bei dem einen Säugethiere so ziemlich wie bei dem anderen gebildet, obgleich auch hier Schwankungen in der Gestalt und Anlage bemerklich werden. Das Herz besitzt immer zwei Kammern und zwei Vorkammern; die Schlagadern sind ausdehnbar, die Blutadern innen mit Klappen versehen; die Saugadern haben viele Vereinigungspunkte und münden durch einen Hauptgang in die große Hohlader.

Die Brusthöhle ist durch das Zwerchfell vollständig geschlossen; die Lunge hängt frei in ihr und steht nicht mit besonderen Luftsäcken in Verbindung; die Luftröhre theilt sich in gewöhnlich zwei, zuweilen (bei den Wiederkäuern, einigen Dickhäutern und vielen Walen) in drei Zweige und hat immer nur einen einzigen Kehlkopf, welcher im Anfange der Röhre liegt und aus einer bei den verschiedenen Arten schwankenden Anzahl (in der Regel sieben) von Knorpeln gebildet wird. Mit ihm stehen bei einigen Säugethieren eigenthümliche Stimmsäcke in Verbindung.

Gehirn und Nerven sind sehr verschieden ausgebildet. Ersteres füllt zwar regelmäßig die Schädelhöhle aus; allein diese ist auch oft verhältnismäßig sehr klein und die Masse des Gehirns dann äußerst gering. Bei keinem einzigen anderen Säugethiere überwiegt das Gehirn das Rückenmark in demselben Grade wie bei dem Menschen, und bei keinem ist das große Gehirn so entwickelt wie bei ihm. Hierin gibt sich schon leiblich die geistige Ueberlegenheit des Menschen über alle übrigen Thiere kund. Bei den geistesarmen Säugern ähnelt das Gehirn noch dem der Vögel; doch erhebt es sich von den am wenigsten begünstigten zu den vollkommeneren rasch und zu außerordentlicher Entwickelung und zeigt bald die eigenthümlichen Windungen, deren Anzahl und Ausdehnung im Verhältnis zu der geistigen Befähigung stehen. Die Sinneswerkzeuge bekunden eine große Uebereinstimmung in ihrer Anordnung; nur bei den Walen finden sich Abweichungen von der allgemeinen Regel. Diese besitzen wohl noch eine Nase, im günstigsten Falle aber nur einen sehr mangelhaften Geruchssinn. Früher sprach man ihnen Geruchsnerven ab; gegenwärtig glaubt man, daß diese vorhanden sind, hat wenigstens noch nicht mit Sicherheit feststellen können, ob sie fehlen. Uebrigens sind die Nasenlöcher bei allen Säugethieren paarig und von Knochen und Knorpeln umgeben, welche ihre Gestalt bedingen. Auffallend verlängerte Nasen oder Rüssel, welche zuweilen sehr umfassend bewegt werden können, sind regelmäßig Tastwerkzeuge geworden. Die Riechmuscheln stehen hinsichtlich ihrer Größe und Ausdehnung mit der Ausbildung des Sinnes im Einklange; ihr sehr entwickelter unterer Theil hat jedoch mit der Geruchsempfindung nicht in dem Grade zu thun wie ihr oberer Theil und der obere Theil der Scheidewand, auf denen der Riechnerv sich verzweigt. Die Werkzeuge des Gehörs sind weit vollkommener als die aller anderen Klassen; das Ohr besitzt stets die drei Ohrknöchelchen, Hammer, Ambos und Steigbügel, und bei allen höheren Ordnungen, namentlich aber bei den Landbewohnern eine oft sehr große Muschel. Das Gesicht überwiegt die übrigen Sinne nicht in dem Grade wie bei den Vögeln; die stets paarigen Augen sind immer verhältnismäßig klein und niemals im Innern willkürlich beweglich wie die der zweiten Thierklasse; die Nickhaut ist bereits verkümmert, die Lider aber sind vollkommen und auch die Wimpern schon hier und da vorhanden; der Stern ist rund oder senkrecht und seitlich verlängert. Bei einigen Säugethieren, wie bei dem Blindmoll, werden die Augen von der äußeren Haut überdeckt. Die Muskeln, welche den Augapfel bewegen, sind oft zusammengesetzter und zahlreicher als bei dem Menschen; denn zu den vier geraden und zwei schiefen, welche hier wirken, treten noch andere hinzu. Der Geschmack ist weit vollkommener als der der Vögel, wie schon die fleischige, nervenreiche Zunge schließen läßt. Diese zeigt sich übrigens höchst verschieden hinsichtlich ihrer Gestalt, Beschaffenheit und Bewegungsfähigkeit: sie kann breit, platt, flach und unbeweglich oder schmal, lang, ja wurmförmig und vorstreckbar sein, ist zuweilen an den Seiten gefranst, zuweilen mit Hautstacheln besetzt, wie z. B. die Zunge des Löwen oder aller Katzen überhaupt, kann unter der eigentlichen Zunge noch Anhängsel, die Unterzunge, haben etc. Das Gefühl endlich zeigt sich als Tastsinn in ziemlich hoher Ausbildung und kann durch die Nase oder durch die Hand oder auch durch Schnurrhaare vermittelt werden. Das Vermögen der Empfindung macht sich stets und fast an allen Leibestheilen bemerklich.

 

Man hat die Säugethiere oft » Haarthiere« genannt, damit aber niemals die ganze Klasse scharf bezeichnet. Die Haare, welche wir als Grannen- und Wollhaare, Wolle und Borsten unterscheiden, sind allerdings vorherrschend; doch kommen auch Schuppen und Stacheln, überhärtete Knochen, hornige Schilder und hornartige Hautschwielen oder die bloße Haut als äußere Leibesbedeckungen vor, wie ja überhaupt die Gebilde der Oberhaut höchst verschieden sein können, obgleich sie allesammt nur als mannigfaltige Ausprägungen ein und desselben Stoffes betrachtet werden müssen. Eine solche Verschiedenheit zeigt sich auch in den Nägeln, welche bald glatt und dünn, bald rund und dick, gerade und gebogen, stumpf und scharf oder Nägel und Krallen, Klauen und Hufe sind.

Weit bezeichnender als alle diese bisher betrachteten Eigenthümlichkeiten des Säugethierleibes sind die Geschlechtstheile für unsere Klasse. Die äußere Gestalt derselben darf als bekannt vorausgesetzt werden; den inneren Bau derselben müssen wir jedoch etwas ausführlicher betrachten. Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, daß die Geschlechtswerkzeuge die allervollkommensten in der ganzen Thierreihe darstellen. Was in den unteren Klassen nur angedeutet oder wenigstens nicht ausgeführt ist, erscheint hier vollendet. Schon die äußeren Reiz- und Begattungswerkzeuge sind weit vollkommener als bei den Vögeln, die inneren erzeugenden und ernährenden Drüsen bei diesen ebenso wenig vorhanden als die Milchdrüsen, welche dem neugeborenen Jungen seine Nahrung liefern. Alle weiblichen Säugethiere besitzen einen paarigen (nur bei dem Schnabelthiere und Ameisenigel verkümmerten) Eierstock und Eileiter sowie einen Fruchthälter, in welchem das befruchtete Ei zur Reife gelangt. Der Eierstock ist rundlich, eiförmig oder traubig und enthält viele, aber sehr kleine Eierchen, so daß erst die Neuzeit Genaueres über sie berichten konnte. Von hier aus führen die Eileiter zum Fruchthälter hinab, welcher bei den obengenannten Thieren bloß eine Erweiterung des hier sehr einfachen Organs ist, bei den Beutelthieren und vielen Nagern als eine doppelte Ausweitung beider Eileiter angesehen werden kann, bei den höher stehenden Ordnungen aber zu einem einzigen Sacke zusammenschmilzt. Er mündet bei den Schnabelthieren in den unteren Mastdarm, bei allen übrigen mit dem Harnleiter in die Scheide. – Die äußeren Ernährungsdrüsen für das neugeborene Junge, die Brüste oder Zitzen, fehlen bei keinem Säugethiere, sind aber bald an die Brust allein, bald zwischen die Leisten, bald endlich auf Brust, Bauch und Leistengegend zugleich gestellt und schwanken auch in ihrer Anzahl zwischen Zwei und Zwölf. Sie bestehen aus kauligen, mit Ausführungsgängen versehenen Gebilden, deren Absonderung, die Milch, durch eine mehrfach durchbohrte Warze ausfließen kann. Kurz vor und nach der Zeugung treten sie in Wirksamkeit; in der Kindheit sind sie nur angedeutet.

Diese allgemeinen Bemerkungen mögen für unsere oberflächliche Betrachtung des Säugethierleibes genügen. Wer sich darüber ausführlich belehren will, findet Hand- und Lehrbücher genug, welche ihn in verständlicher oder dunkler Weise mehr berichten können, als er vielleicht selbst wünscht. Unser Zweck ist, das Leben des Leibes und der Seele, das Leben des ganzen Thieres kennen zu lernen, und diesen Zweck fassen wir daher vor allem ins Auge.

*

Das Leben aller Angehörigen der ersten Klasse bietet uns reichen Stoff zur Belehrung und Unterhaltung. Die Säugethiere leben nicht so viel wie die Vögel; denn ihr Leben ist bedächtiger und schwerfälliger als das jenes leichtsinnigen Volkes der Höhe. Ihnen mangelt die heitere Lebendigkeit und unerschöpfliche Lebensfröhlichkeit der Lieblinge des Lichtes; sie zeigen dafür eine gewisse Behäbigkeit und Lebensgenußsucht, welche vielen sehr gut und vielen sehr schlecht ansteht. Hinsichtlich ihrer Beweglichkeit und Bewegungsfähigkeit kommen sie den Vögeln nicht im entferntesten gleich. Nur wenige kennen die unbeschreibliche Lust einer ungebundenen Bewegung, nur wenige jagen jauchzend zwecklos umher wie die mit ihren herrlichen Gaben scherzenden und spielenden Kinder der Luft. Sie haben ein ernsthafteres Wesen als diese und verschmähen ein unnützes Anstrengen ihrer leiblichen Kräfte. Bloß in der Kindheit, und wenn die allmächtige Liebe sie kindisch oder kindlich macht, sind sie zu fröhlichem Spiele geneigt und geben sich ganz der Lust der Bewegung hin. Bei den Vögeln ist es anders. Hier heißt sich bewegen, leben, und leben, sich bewegen. Der Vogel ist in steter Unruhe und möchte am liebsten die ganze Nacht zum Tage machen, um seiner ewigen Regsamkeit volles Genüge zu leisten. Sein kleines Herz schlägt schneller, sein Blut jagt stürmischer durch seine Adern, seine Glieder scheinen gelenker, gestählter zu sein, als es bei den Säugethieren der Fall ist. Bewegung ist dem Vogel Bedürfnis, unbedingte Nothwendigkeit, dem Säugethiere meist nur ein Mittel zum Zweck. Es scheint die wahre Lebensbehaglichkeit erst zu empfinden, wenn es sich möglichst bequem hingelagert hat und sich, wenn nicht dem Schlafe so doch wenigstens einem Halbschlummer hingeben kann. Ein in solchem Zustande verharrender, fauler Mensch, ein auf dem Rücken liegender Hund, eine auf weichem Polster ruhende Katze und vor allem der wiederkäuende Ochse mögen meine Behauptung bildlich erläutern: ersterer hat mit letzterem noch das gemein, daß er sich nach Kräften bemüht, während der Ruhe des Leibes auch dem Geiste die ausgiebigste Erholung zu gönnen. Ein solches »süßes Nichtsthun« mit offenen Augen kommt unter den Vögeln höchstens bei einem toll- und vollgefressenen Geier vor. Sie sind eben Bewegungs-, jene Empfindungsthiere.

 

Man kann allerdings nicht sagen, daß die Bewegungsfähigkeit der ersten Klasse gering sei; denn die Säugethiere gehen, laufen, springen, klettern, »fliegen«, schwimmen und tauchen wie die Vögel. Aber die Masse beherrscht, die Scholle fesselt sie, und so wird ihre größte Schnelligkeit von den Seglern der Lüfte, von den erdfrei gewordenen, luftigen Vögeln durchschnittlich überboten. Ja selbst die Erdvögel, wie der Strauß oder der Kasuar, wetteifern im Laufen mit dem schnellfüßigen Roß oder der behenden Antilope. Und wenn die armen Säugethiere nun gar versuchen wollen, den gefiederten Scharen es gleichzuthun, zeigen sie erst recht, wie weit sie hinter diesen zurückstehen: – die Fledermaus ist nur ein Zerrbild des Vogels!

 

Die Säugethiere gehen auf zwei oder auf vier Beinen. Einen aufrechten Gang hat bloß der Mensch, kein zweites Thier außer ihm. Kein Affe geht aufrecht; die Kängurus oder Springbeutelthiere, welche sich ausschließlich auf den Hinterbeinen fortbewegen, gehen nicht, sondern springen, d. h. fördern sich durch Aufschnellen ihrer Beine satzweise, und die Springmäuse, welche eines ihrer Hinterbeine um das andere bewegen, gehen nicht aufrecht. Alle übrigen Landthiere laufen auf ihren vier Füßen, und zwar indem sie ein Vorderbein und das gegenseitige Hinterbein zugleich oder fast zugleich aufheben, vorstrecken und wieder niedersetzen. Eine Ausnahme hiervon machen Elefant, Nilpferd, Kamel, Girafe und mehrere Antilopen: sie bewegen beide Beine einer Seite fast genau zu gleicher Zeit. Diese Gangart, der Paß, kann unseren gezähmten Einhufern ebenso gut anerzogen werden wie der natürliche Trab. Jede Beschleunigung des Gehens hebt beide Gangarten, den Paß oder den Wechselschritt, wenigstens scheinbar auf. Man glaubt nämlich, daß ein im schnellsten Laufe dahinjagendes Thier zuerst beide Vorderfüße und dann beide Hinterfüße auf den Boden setze und wieder erhöbe, obgleich es in Wirklichkeit seinen ursprünglichen Gang behält. Die Schnelligkeit dieser Bewegung ist so verschieden, daß eine allgemeine Schätzung derselben hier unausführbar erscheint; zudem hat man sie auch nur beim Pferde genau gemessen. Das Ergebnis dieser Messungen ist übrigens in hohem Grade überraschend. Einige englische Reitpferde haben sich durch ihre Leistungen einen geschichtlichen Namen erworben und mögen deshalb auch hier als Belege aufgeführt werden. Flying Childers durchlief die 20,884 Fuß lange Bahn von Neumarket in 6 Minuten und 40 Sekunden; Eclipse legte in jeder Sekunde 58 Fuß zurück; Firetail durchmaß eine englische Meile in 64 Sekunden. Derartige Anstrengungen dieser herrlichen Thiere können natürlich nur kurze Zeit währen; gleichwohl ist auch die Ausdauer der englischen Vollblutpferde bewunderungswürdig. So machte sich ein Herr Wilde verbindlich, eine Strecke von 127 englischen Meilen mit untergelegten Pferden in 9 Stunden zu durchreiten, und löste sein Wort durch einen Ritt von nur 6 Stunden und 24 Minuten. Er hatte dabei zehn Pferde benutzt, von denen einige in einer Stunde Zeit 20 englische Meilen oder 102,580 rheinländische Fuß durchliefen. Eine ähnliche Schnelligkeit dürfte im Freileben der Säugethiere übrigens selten vorkommen. Und was ist sie gegen die Schnelligkeit des Vogelflugs?! Schon die langsame Krähe würde mit dem Rennpferd wetteifern können; die Brieftaube überholt es bald: denn sie durchfliegt mehr als den doppelten Raum, nämlich 280,000 Fuß in derselben Zeit. Und wenn nun erst ein Edelfalk zu ernster Jagd oder ein Segler zum Liebesreigen seine kraftgestählten, unermüdlichen Schwingen in Bewegung setzt und, wie die geringste Schätzung ergibt, gegen 800,000 Fuß in einer Stunde durchmißt: wo bleibt da die Schnelle des edlen Rosses? Auch dieses klebt an der Scholle: – darum gewährt die Zeit und Raum überfliegende Dichtung ihrem Rosse die den Leib vergeistigende Schwinge!

Das Springen geschieht sehr verschiedenartig. Alle Säugethiere, welche springend laufen, wie die vorhin genannten, schnellen sich durch plötzliches Ausstrecken ihrer zusammengebogenen Hinterbeine vorwärts und machen Sätze anstatt der Schritte. Diejenigen, welche nur dann springen, wenn sie angreifen oder ein Hindernis übersetzen wollen, schnellen sich immer durch die Kraftanstrengung aller vier Beine empor, wenn auch die Hinterbeine das Hauptsächlichste dabei leisten müssen. Der Schwanz bestimmt oder regelt die Richtung des Sprunges: und deshalb ist auch bei fast allen Springern dieses nothwendige Steuer besonders entwickelt, bei dem Affen ebenso wohl wie bei der Springmaus, bei der Katze wie bei dem Känguru. Ausnahmsweise, z. B. bei den Langarmaffen, verrichten die Hinterbeine anstatt des Schwanzes den Dienst des Steuerns, wie ja auch alle sehr kurzschwänzigen Vögel (Alken, Steißfüße, Seetaucher u. a.) bloß mit den Füßen steuern. Die Kraft des Sprunges ist sehr bedeutend. Ein Affe kann einen in wagrechter Richtung 8 bis 10 Meter von ihm entfernten Zweig springend erreichen; ein Eichhorn springt ungefährdet aus einer Höhe von 20 und mehr Meter zur Tiefe nieder; ein Hirsch setzt über eine Wand von 3, ein Löwe über eine solche von 4 Meter Höhe, eine Gemse über eine Kluft von gleicher Weite; ein Steinbock schnellt sich bis 3 Meter senkrecht empor etc. Der hüpfende Gang der Springbeutelthiere fördert fast ebenso schnell wie der Lauf des Hundes; eine Springmaus wird niemals von einem laufenden Menschen eingeholt. Im Springen sind die Säugethiere Meister; selbst der behende, starke Lachs, welcher doch oft unter den scheinbar ungünstigsten Umständen bedeutende hohe Sprünge macht, kann mit ihnen nicht wetteifern.

Sehr merkwürdig und verschieden ist die Kletterbewegung der Säugethiere. Wir finden unter denjenigen, deren ganzes Leben auf dem Baume verfließt, ausgezeichnete Kletterer, Seil- oder Zweigkünstler und Gaukler. Nicht nur alle vier Beine, Hände und Pfoten, sondern auch der Schwanz werden in Thätigkeit gesetzt; der letztere übernimmt sogar eine eigenthümliche Rolle, deren Wiederholung wir nur bei einigen Lurchen bemerken: er dient als Werkzeug zum Anheften, zum Festbinden des Leibes. Alle altweltlichen Affen klettern, indem sie das Gestein oder die Aeste und Zweige mit ihren vier Händen packen und sich durch Anziehen der Vorderarme und Strecken der hinteren Glieder fortschieben. Daß bei solchen Künstlern auch das Umgekehrte stattfinden kann, versteht sich von selbst. Ganz anders klettern viele Affen Amerika's. Sie sind geistig wie leiblich träger, also vorsichtiger und langsamer als ihre übermüthigen Verwandten in der alten Welt, auch ihre Bewegungen müssen daher andere sein. Allerdings werden die Hände noch benutzt; der Schwanz aber ist es, welcher zum Festhalten dient. Seine starken Muskeln rollen dessen Ende so fest um einen Ast oder Zweig, daß der ganze Leib hierdurch allein schon eine Stütze oder einen Henkel erhält, mit welchem er sich so sicher befestigen kann, daß die Benutzung aller vier Beine möglich wird. Dieser Schwanz nun ist es, welcher vorausgeschickt wird, um Anhalt zu suchen; an ihm klettert unter Umständen der Affe wie an einem festgebundenen Seile empor. Von beiden Familien unterscheiden sich die Krallenkletterer, zu welchen schon eine Familie der wirklichen Affen gehört. Sie häkeln sich mit ihren gebogenen, scharfen Krallen in die Baumrinde ein und gebrauchen den Schwanz höchstens noch zum Anstemmen gegen die Fläche, an welcher sie hinaufklettern, oder gar nicht mehr. Unser Eichhorn und die Katze, der Marder und der Bär, der Beutelbilch und das Löwenäffchen sind solche Krallenkletterer. Sie können sich mit großer Klettergeschwindigkeit auf wagrechten, schiefen und senkrechten Flächen bewegen, ja auf ihnen förmlich umherlaufen, und einzelne von ihnen, wie die Kusus und Beutelratten, besitzen dazu auch noch einen Wickelschwanz und geben dann kaum den Affen im Klettern etwas nach. Weit schwerfälliger ist das Klettern der Faulthiere. Ihre Füße sind zwar mit starken Krallen versehen, sie benutzen diese aber weniger zum Einhäkeln in die Rinde als vielmehr zum Umklammern der Aeste und Zweige der Bäume. An den Stämmen sollen sie wie ein Mensch emporklimmen. Noch einfacher, keineswegs aber ungefährlicher, ist das Ersteigen von Felswänden oder starken Steilungen der Gebirge. Die Paviane, auf den Bäumen tölpisch, müssen als die Meister in dieser Fertigkeit angesehen werden; gleich hinter ihnen aber kommen – die Wiederkäuer, welche auf Gebirgen leben. Sie steigen zwar bloß, allein dieses Steigen ist ein Klettern in halsbrechender Weise und erfordert entschieden eine weit größere Sicherheit und eine kaum minder große Gewandtheit als das Klettern aller vorher genannten Thiere. Uebrigens habe ich in den Urwäldern Afrika's die Ziegen mit großer Geschicklichkeit an schiefen Stämmen hinauf- und in dem Gezweige der Bäume umherklettern sehen.

Man sollte nicht meinen, daß die Vögel auch in dieser Bewegung die Säugethiere wenigstens in einer Hinsicht überträfen. Ein Eichhörnchen »reitet« allerdings schneller an einem Stamme hinan als ein Specht, keineswegs aber auch so behend und zierlich kopfunterst an dem Stamme hinab wie die Spechtmeise ( Sitta), mit welcher hierin nur die Eidechsen, namentlich die Geckos, wetteifern können. Die Affen, Katzen und Eichhörnchen und einige marderartige Thiere gehen zwar auch in der genannten Richtung nach unten: sie klettern aber nicht, sondern rutschen und können sich, wenn sie einmal in Bewegung gekommen sind, keineswegs so ohne alle Umstände auf derselben Stelle erhalten wie der erwähnte Vogel. Dagegen steht die Wiedergabe derselben Grundform in einer anderen Klasse, ich meine den Vogelaffen Papagei, weit hinter seinem Vorbilde zurück. Er stümpert nur, wo jener vollkommen Künstler ist.

Das Flattern der Säugethiere, welches oft schon mit Unrecht » Fliegen« genannt ward, lehrt uns eine andere Bewegungsart unserer Klasse kennen. Es läßt sich in ihr allerdings eine Steigerung wahrnehmen; doch bleibt diese Bewegung immer nur bei dem Anfange, bei dem Versuche stehen und gelangt nie zur Vollendung. An den Flugeichhörnchen und Flugbeutlern sehen wir die Anfänger in dieser Fertigkeit. Sie benutzen die zwischen ihren Beinen ausgespannte Haut eben nur als Fallschirm, wenn sie aus der Höhe in die Tiefe hinabspringen wollen, und sind nicht im Stande, sich durch Bewegen dieser Haut in freier Luft zu erheben. Auch die Flattermakis, Uebergangsglieder von den Aeffern zu den Spitzmäusen, vermögen nicht, etwas anderes zu leisten. Einzig und allein die wahren Fledermäuse sind befähigt, mit Hülfe der Flughaut, welche zwischen ihren Gliedmaßen und zumal zwischen ihren unmäßig verlängerten Fingern sich ausspannt, in der Luft sich zu bewegen. Das geschieht, indem sie mit der ausgespannten Flughaut schief auf die Luft schlagen und sich dadurch heben und zugleich fördern. Es scheint, als ob ihr sogenanntes Fliegen sehr leicht von Statten ginge. Sie machen so schnelle und jähe Wendungen, daß sie bloß von einem recht tüchtigen Schützen im Fluge erlegt werden können, streichen flatternd rasch eine Strecke weit fort und heben und senken sich gewandt und schnell. Und dennoch ist diese Bewegung kein Flug, sondern nur ein schwerfälliges Sich-Dahinwälzen, ein Kriechen durch die Luft. Jeder Windhauch stört das Flattern der Fledermaus, ein Sturm macht es unmöglich! Der Grund hiervon ist leicht zu erkennen. Die Flughaut ist nicht eine Fläche wie der Vogelflügel, welche bald den Durchzug der Luft verwehrt, bald aber erlaubt, sondern bei jeder Bewegung Widerstand verursacht. Wenn nun auch das Flugwerkzeug des Säugethieres beim Heben etwas verkleinert wird, bleibt der größere Widerstand doch fühlbar und drückt das Thier wieder etwas nach unten; der Niederschlag hebt es, der Aufzug senkt es: es muß flattern! Wie ganz anders erscheint der Flug des Vogels! »Er ist«, so habe ich mich früher ausgedrückt, »die köstlichste, erhabenste aller Bewegungen: bald ein geruhiges Schweben, bald ein pfeilschnelles Stürmen, bald ein Wiegen, Schaukeln, Spielen, bald ein Gleiten, Dahinschießen, ernstes Eilen, bald ein Reisen mit Gedankenschnelle, bald ein Lustwandeln, langsam, gemächlich; bald rauschen die Wellen des Aethermeeres unter ihm, bald hört man keinen Laut, auch nicht den geringsten, leisesten; bald erfordert er schwere Flügelschläge, bald keine einzige Flügelbewegung; bald erhebt er den Vogel zu Höhen, von denen uns Menschen nur träumt, bald nähert er ihn der Tiefe, dem Meere, daß dessen Wogen die Fittige netzen mit ihrem Schaume.« Er kann so mannigfaltig, so verschieden sein, als er nur will: immer bleibt und immer heißt er Flug. Bloß das Flugwerkzeug des Vogels nennen wir Flügel; nur mit ihm begabt der Künstlergedanke die entfesselte Seele: – mit der Flughaut der Fledermaus verhäßlicht er den Teufel, die tollste Misgeburt kindischen und krankhaften Wahns. Mag auch die nächtliche Lebensweise der Fledermäuse den ersten Gedanken zu solchen Einbildungen gegeben haben: die Form, die Gestalt der Flughaut ist maßgebend gewesen. Und weil solche Flatterhaut nun gerade »dem aus der Höhe zur Tiefe gestürzten Engel verliehen wurde«, während der »nach oben schwebende Bote des Himmels« die Schwinge erhielt, deutet dies sinnbildlich darauf hin, daß die unbewußte Dichterseele des Künstlers wenigstens die eine Wahrheit ahnte: Nur der Vogel ist erdfrei geworden, – das Säugethier hängt auch mit Flügelgedanken noch an der Scholle!

Hierbei ist aber noch Eins zu bedenken. Der allervollendetste Flieger, der Segler allein, nur er, welcher so recht eigentlich der Höhe angehört, ist mit der erlangten Erdfreiheit auch fremd auf der Erde geworden; der Flatterer ist es stets. Jedes Flattersäugethier erscheint als ein trauriges Mittelding zwischen den Geschöpfen der Tiefe und denen der Höhe. Auf der Erde läuft selbst das überaus behende Flattereichhorn verhältnismäßig schwerfällig dahin: die Fledermaus aber humpelt eben bloß noch. An den Hinterbeinen hängt sie sich auf zum Schlafen, das Haupt immer erdwärts gekehrt; auf ihren Flugwerkzeugen kriecht sie weiter! Nur halb vertraut mit dem Aether, fremd auf der Erde: – welch trauriges Loos ist ihr geworden mit ihrem »Flügel!« –

Freundlicher, beglückender für das Thier ist die vielen Säugern verliehene Gabe, das Wasser bewohnen, in ihm schwimmen, in seine Tiefen hinabtauchen zu können. Nur sehr wenige Säugethiere sind gänzlich unfähig, schwimmend auf der Oberfläche des Wassers sich zu erhalten: ich glaube bloß der ungelernte oder ungeübte Mensch und einige Affen, z. B. die Menschenaffen und die Paviane; daß letztere ertrinken, wenn sie in das Wasser fallen, weiß ich aus Erfahrung. Alle übrigen versinken wenigstens nicht alsbald in die Tiefe. Die Meerkatzen schwimmen und tauchen vortrefflich; die Fledermäuse erhalten sich lange Zeit auf den Wellen; die Raubthiere, Nager, Ein- und Vielhufer schwimmen wohl fast sämmtlich; unter den Beutelthieren und Zahnlosen gibt es wenigstens einige, welche nur im Wasser leben, und die übrigen kommen wahrscheinlich auch nicht in ihm um. Eigentliche Wassersäugethiere aber sind, mit Ausnahme der den höheren Ordnungen angehörigen Wasserbewohner, doch bloß die wahren Meeressäuger: die Robben und Fischsäugethiere. Sie sind eben zu säugenden oder kiemenlosen Fischen geworden und brauchen ihr Wohngebiet allein der Athmung wegen noch auf wenige Augenblicke (wenigstens mit einem Theile ihres Leibes) zu verlassen; sie werden im Wasser geboren, leben, lieben und sterben in ihm. Kein Schwimm- oder Tauchvogel dürfte sie in der Schnelligkeit, kaum einer in der Gewandtheit ihrer Bewegungen übertreffen: Wassersäugethiere und Wasservögel stehen sich durchschnittlich gleich.

Es ist anziehend und belehrend zugleich, die Steigerung der Schwimmthätigkeit zu verfolgen und die den Schwimmern gegebenen Bewegungswerkzeuge vergleichend zu betrachten. Wir können dabei zuerst auch auf die unfreiwilligen Schwimmer blicken. Hier ist das behufte Bein als das unvollkommenste Werkzeug anzusehen; allein dieses vervollkommnet sich rasch in demselben Grade, in dem der Huf sich theilt: und so treffen wir unter den Vielhufern bereits ausgezeichnete Schwimmer, ja im Nilpferde schon ein echtes Wasserthier. Die Hand steht höher als der Huf, erfordert aber wie immer so auch zum Schwimmen größere Geschicklichkeit. Viel leichter wird dies den Pfotenthieren. Die weit vorreichende Fingerverbindung durch die Spannhaut läßt aus der Pfote ein breiteres Ruder bilden, und dieses muß um so vollkommener sein, je mehr die Spannhaut sich ausdehnt und zur Schwimmhaut wird. Uebrigens ist letztere keineswegs unbedingtes Erfordernis zu geschicktem Schwimmen: denn die Wasserspitzmaus schwimmt unzweifelhaft ebenso gut wie das Schnabelthier, obgleich bei ihr nur straffe Haare zwischen den Zehen den breiten Entenfuß des letzteren ersetzen. Die Robben bilden Uebergangsglieder von den Pfotenthieren zu den eigentlichen Fischsäugern. Ihre Füße sind nur noch dem Namen nach Füße, in Wahrheit aber bereits Flossen; denn die Zehen sind schon gänzlich in die Bindehaut eingewickelt, und nur die Nägel lassen sie äußerlich noch sichtbar erscheinen. Bei den Walen fehlt auch dieses Merkmal; die Zehen werden durch Knorpelgewebe dicht und unbeweglich mit einander verbunden, und bloß die gesammte Flosse ist noch beweglich; die hinteren Gliedmaßen verschwinden, aber der Schwanz breitet sich wagrecht zur echten Flosse aus: das Mittelding zwischen Säuger und Fisch ist fertig geworden. Eine solche Verschiedenheit der Werkzeuge ändert auch die Bewegung. Die Huf- und Pfotenthiere gehen oder strampeln im Wasser und stoßen sich dadurch weiter; die Flossen- und Fischsäuger fördern sich, indem sie ihre Ruder auch rudermäßig benutzen, d. h. mit der schmalen Kante durch die Wellen vorschieben und dann mit der Breitseite gegen sie drücken, oder aber den Flossenschwanz kräftig seitlich oder auf und nieder bewegen, wie der Bootsmann sein Fahrzeug mit einem Ruder durch die Fluten treibt, wenn er dieses im Stern einlegt und bald nach rechts und bald nach links hin drückt, immer aber mit der Breitseite wirken läßt. Die Pfotenthiere mit Schwimmhäuten legen ihre Ruder zusammen, wenn sie die Beine vorwärts bewegen, und breiten sie aus, wenn sie gegen das Wasser arbeiten: sie rudern wie die Vögel.

Wenn die Beobachtungen des berühmtesten aller Walfischjäger, Scoresby, wirklich richtig sind, kann die Schnelligkeit der Schwimmbewegung beinahe mit der des Laufes wetteifern; denn ein angeworfener Walfisch versinkt so pfeilgeschwind, daß, wenn er so forttauchen könnte, er in einer Stunde Zeit eine Strecke von zwölf englischen Meilen oder beinahe 80,000 Fuß zurücklegen würde. Die Hälfte dieser Strecke durcheilt er in derselben Zeit ohne Anstrengung.

Die unwillkürlichen Bewegungen des inneren Leibes sind bei den Säugethieren durchschnittlich langsamer als bei den Vögeln. Das Herz schlägt seltener, und der Luftwechsel ist weniger häufig in der Brust des Säugethieres als in der eines gleich großen Vogels. Hiermit steht die etwa um zwei Grad geringere Blutwärme der ersteren im Einklange. Den Wassersäugethieren gewährt diese verhältnismäßige Trägheit der Athmungs- und Blutumlaufswerkzeuge große Vortheile; sie erlaubt ihnen, länger unter dem Wasser auszuharren, als es die Vögel vermögen. Ein Wal kommt nach meinen eigenen, mit der Uhr in der Hand angestellten Beobachtungen durchschnittlich alle Minuten an die Oberfläche, um Luft zu schöpfen, soll aber, nach Scoresby, wenn er angeworfen wurde, auch bis vierzig Minuten unter Wasser verweilen können, ehe ihn das Bedürfnis des Athemschöpfens empor treibt: so lange vermag es kein Vogel unter den Wellen auszuhalten! Wenigstens habe ich immer bemerkt, daß die Alken, selbst wenn ich sie angeschossen hatte und heftig verfolgte, bereits drei Minuten nach ihrem Untertauchen wieder an der Oberfläche erschienen und nach Luft schnappten. Die Eidergans soll zwar bis sieben Minuten unter Wasser bleiben können: ich habe dies aber nie beobachtet. So viel dürfte feststehen, daß alle Vögel, welche länger als vier Minuten unter Wasser waren, beim Aufsteigen sehr erschöpft sind und fast augenblicklich ersticken, wenn man sie unter Wasser faßt und noch einige Zeit dort festhält. Zur Vergleichung und vielleicht auch zur Berichtigung möge die Bemerkung dienen, daß der Mensch höchstens siebzig Sekunden lang unter Wasser verweilen kann. Diese Angabe gründet sich auf die Beobachtungen, welche von wissenschaftlichen Männern auf besondere Anfragen englischer Gelehrten bei Gelegenheit der Perlenfischerei auf Ceylon angestellt wurden.

Am eigenthümlichsten und zugleich auffallendsten zeigt sich die Trägheit der Athmung bei denjenigen Säugethieren, welche Winterschlaf halten, so lange dieser Todtenschlummer anhält. Ein Murmelthier z. B., welches nach Mangili's Beobachtungen im wachen Zustande während eines Zeitraumes von zwei Tagen 72,000 Mal athmet, thut dies während des Winterschlafes in Zeit von sechs Monaten nur 71,000 Mal, verbraucht also während dieser Zeit höchstens den neunzigsten Theil der Luft, bezüglich Sauerstoffmenge, welche während des Wachseins zu seinem Leben erforderlich ist.

Mit den Athmungswerkzeugen steht die Stimme in so enger Beziehung, daß wir sie schon jetzt berücksichtigen können. Wenn wir die Säugethiere auch hierin wieder mit den Vögeln vergleichen, muß uns sogleich die geringe Biegsamkeit der Stimme fast aller Glieder unserer Klasse auffallen. Der Mensch ist das einzige Säugethier, welches eine vollkommenere Stimme besitzt, als die Vögel sie haben; ja seine Stimme steht so hoch über der aller Vögel und anderen Thiere, daß man sie mit als einen Hauptgrund der Erhebung des Menschengeschlechts zu einer eigenen Klasse angesehen hat. Gegliederte Sprache erscheint allerdings als ein so außerordentlich großer Vorzug des Menschen, daß solche einseitige Gedanken wohl kommen können. Er allein ist es, welcher die stimmbegabten, sangfertigen Vögel übertrifft, welcher durch seine Stimme dem Ohre nicht lästig wird wie die übrigen Säugethiere. Schwatzhafte oder zornig kreischende Menschen, zumal Menschenweiber, müssen wir freilich ausnehmen, weil sie sich eben ihrer hohen Stellung entheben und uns das Säugethier im allgemeinen vor die Seele führen. Dieses muß als ein klang- und sangloses Geschöpf bezeichnet werden, als ein Wesen, welches im Reiche der Töne fremd ist und jedes Ohr durch die Verunstaltung des Tones beleidigt. Schleiden behauptet zwar irgendwo, daß der Esel ein tonverständiges Säugethier sei, weil sein bekanntes I-A in einer Oktave sich bewege: ich möchte diesen Ausspruch aber doch nur als einen Scherz betrachten und den Esel vielmehr für meine Behauptung beanspruchen, d. h. ihn zu den verabscheuungswürdigsten Tonverderbern zählen. Kaum ein einziges Säugethier besitzt eine Stimme, welche unser Ohr befriedigen oder gar entzücken könnte. Die Stimme der meisten erscheint uns in hohem Grade widerwärtig und wird dies um so mehr, je größer die Aufregung und Begeisterung ihres Erzeugers ist. Ich will nur einen einzigen Vergleich zwischen Vögeln und Säugethieren anstellen. Die allmächtige Liebe begabt den Mund des Vogels mit Klängen und Tönen, welche unser Herz gewaltsam an sich reißen: aus dem Maule des Säugethieres aber spricht dieselbe allgewaltige Macht in ohrenzerreißender Weise. Welch ein Unterschied ist zwischen dem Liebesgesange einer Nachtigall und dem einer Katze! Hier wird jeder Ton zerquetscht, verunstaltet und gemishandelt, jeder Naturlaut zum quälenden, ohrenzerreißenden Misklange umgewandelt: dort wird der Hauch zur Musik, die Musik zu dem herrlichsten und reichsten Liebesgedichte in Klängen und Tönen. Das Liebesflehen der Katze ist ein Lied,

»Das Stein erweichen,
Menschen rasend machen kann!«

das Lied der Nachtigall ist

»Nichts als ein Ach,
Das Ach ist nichts als Liebe!«

Und nicht bloß zur Zeit der Liebe ist die Stimme des Säugethieres unserem Ohre unwillkommen, sondern stets, sobald sie irgend welche Aufregung bekundet, ja auch, wenn dies nicht der Fall, fast immer. Wir alle freuen uns der Worte unseres Lieblingsdichters,

»Blökend ziehen heim die Schafe«

sicherlich aber weniger des Blökens, als vielmehr des Bildes der Heimkehr wegen. Das Blöken selbst ist ebenso großer Tonunfug wie das Meckern der Ziege oder das Grunzen des Schweines, das Quieken der Ferkel, das Pfeifen der Mäuse, das Knurren des Eichhorns etc. Es fällt Niemanden ein, von singenden Säugethieren zu reden In der Neuzeit hat man allerdings mehrfach von »singenden« Mäusen gesprochen; es bedarf aber unzweifelhaft noch anderweitiger Beobachtung, um jenen Ausdruck zu rechtfertigen. Das »Singen« der Mäuse ist sicherlich auch nichts anderes als ein zwitscherndes Pfeifen., weil man den Menschen gewöhnlich ausnimmt, wenn man von den Säugern spricht, und dann nur von Schreien, Bellen, Brummen, Brüllen, Heulen, Wiehern, Blöken, Meckern, Grunzen, Knurren, Quieken, Pfeifen, Fauchen etc. reden kann – wahrhaftig nicht von angenehmen Tönen. Wir sind zwar an die Stimmen vieler unserer treuen Hausgefährten so gewöhnt, daß wir sie zuletzt ebenso gern vernehmen wie den rauhen Brummbaß eines uns lieb gewordenen Freundes oder mancher Hausfrau »theure Stimme« trotz des frevelhaften Gebrauches der Töne, welcher sich in ihr kund gibt; fragen wir aber einen Tondichter nach dem Tonwerth des Hundegebells, Katzenmiauens, Rossewieherns oder Eselgeschreies: so lautet die Antwort sicherlich nicht anerkennend; und selbst das tonkünstlerisch verbesserte Hunde-Wau-Wau in Preciosa dürfte schwerlich vor dem Ohre eines strengen Beurtheilers Gnade finden. Kurz, die Stimme aller Säugethiere, mit Ausnahme des Menschen, ist rauh, mistönig, unbiegsam und unbildsam, und sogar die, welche uns zuweilen gemüthlich, ansprechend dünkt, hört auf, beides zu sein, sobald irgend welche Erregung die Seele des Thieres bewegt, während bei dem Vogel oft das gerade Gegentheil von all dem stattfindet. Auch hinsichtlich der Stimme ist der Vogel Bewegungsthier.

Ueber die Verdauung, die Bewegung des Ernährungsschlauches, wollen wir wenig Worte verlieren. Sie ist eine ganz vortreffliche, wenn sie auch nicht so rasch vor sich geht als die des Vogels und zuweilen, wie bei den Winterschläfern, monatelang unterbrochen sein kann. Wer sich hierüber gründlicher belehren will, mag irgend ein Lehrbuch über die Lebensthätigkeit oder, falls dieses Wort unverständlich sein sollte, über die »Physiologie« des Menschen zur Hand nehmen: dort findet er diesen Abschnitt ausführlicher behandelt, als ich dies thun kann. Eine Art der Verdauung darf ich hier aber doch nicht übergehen, weil sie bloß bei wenigen Säugern vorkommt: ich meine das Wiederkäuen. Die nutzanwendenden Weisheitsbewunderer der Schöpfung belehren uns, daß viele pflanzenfressende Säugethiere nothwendigerweise Wiederkäuer sein müssen, »weil sie sich zum Fressen nicht so viel Zeit nehmen könnten« als die gelehrten Herren selber zu ihren Gastereien und deshalb die ihnen nöthige Nahrungsmenge auf einmal einzunehmen gezwungen wären; ich, der ich die hohe Zweckmäßigkeit der Schöpfung mit vollster Bewunderung anerkenne, muß gestehen, daß ich den Grund, warum es Wiederkäuer gibt, nicht kenne; ich darf dafür aber glauben, daß sie dazu da sind, um vielen Menschen durch ihre gerade beim Wiederkäuen ersichtlich werdende Faulheit zum abschreckenden Beispiele zu dienen.

Es scheint, als ob das Geschäft des Wiederkäuens zu jeder Zeit stattfinden könne, sobald nur das Thier nicht mit Abbeißen und Verschlingen der ersten Nahrung thätig ist. Eine behagliche Lage und eine gewisse Ruhe ist unbedingtes Erfordernis zum Wiederkäuen; ich wenigstens habe bisher bloß Kamele während des Laufens wiederkäuen sehen. Sowie aber die gewünschte Ruhe des Leibes eingetreten ist, beginnt der Magen augenblicklich sein Geschäft, und das Thier betreibt die wichtige Sache mit solcher Hingebung, daß es aussieht, als sei es in die tiefsinnigsten Gedanken versunken. In Wahrheit aber denkt es an gar nichts oder höchstens daran, daß die faule Ruhe des Leibes in keiner Weise unterbrochen werde. Deshalb käut das Leitthier eines Wildrudels nur dann wieder, wenn es nicht mehr für das Wohl der Gesammtheit zu sorgen hat, sondern durch einen anderen Wächter abgelöst worden ist. Das alte, noch immer beliebte Sprichwort:

»Nach dem Essen sollst Du stehen
Oder tausend Schritte gehen«

wird von den eß- und verdauungsverständigen Wiederkäuern am schlagendsten widerlegt.

 

So lange wir uns mit der rein leiblichen Thätigkeit der Säugethiere beschäftigten, mußten wir die großen Vorzüge anerkennen, welche die Bewegungsthiere oder Vögel, wenigstens in vielen Stücken, den Mitgliedern unserer Klasse, den Empfindungsthieren, gegenüber besitzen. Anders ist es aber, wenn wir die geistigen Fähigkeiten der Säuger betrachten. Die Sinnesthätigkeit, welche bei den unteren Klassen als die einzige geistige Regung angesehen werden muß, ist auch bei den Fischen und Lurchen noch eine verhältnismäßig sehr geringe und bei den Vögeln eine vielfach beschränkte; bei unserer Klasse aber treten alle Sinne gleichsam erst in volle Wirksamkeit. Ihre einhellige und gleichmäßige Entwickelung erhebt die Säugethiere hoch über die Vögel. Sie, die letzteren, sind vorzugsweise Augen-, jene »Allsinnsthiere«. Die Vögel sehen besser als die Säuger, weil ihr großes Auge vermöge seiner inneren Beweglichkeit für verschiedene Entfernungen eingestellt und sehfähig gemacht werden kann: sie stehen dagegen in allen übrigen Sinnesthätigkeiten weit hinter den letzteren zurück. Bei den Säugethieren zeigt sich schon überall mehr oder weniger jene Allseitigkeit, welche im Menschen zur vollen Geltung gelangt: und deshalb eben stehen sie an der Spitze des Thierreiches.

Das Gefühl dürfte unter allen Sinnen derjenige sein, welcher am wenigsten hervortritt: und wie ausgebildet ist gerade dieser Sinn bei den Säugethieren! Der gewaltige Walfisch soll durch die geringste Berührung seiner Haut zum sofortigen Tieftauchen bewogen werden; der Elefant spürt augenblicklich die Fliege, welche sich auf seinem dicken Felle festsetzt; dem Ochsen verursacht leises Krabbeln zwischen seinen Hörnern angenehmen Kitzel; den schlafenden Hund erweckt das sanfteste Streicheln. Und alle diese Thiere sind gefühllos zu nennen, im Vergleiche zum Menschen. Bei ihm ist die äußere Haut ja so zartfühlend, daß auch der leiseste Lufthauch, welcher sie trifft, empfunden wird. Der Tastsinn zeigt sich zwar schwächer als die Empfindung, aber doch überall mindestens in demselben Grade wie bei den Vögeln. Selbst die Einhufer besitzen ein gewisses Tastgefühl in ihren Füßen, trotz des Hornschuhes, welcher vom Hufbeschläger wie ein dürres Stück Holz behandelt werden kann; man muß nur ein Pferd beobachten, wenn es nachts das Gebirge hinauf- oder hinabsteigt: mit seinem Hufe prüft es den Weg, mit ihm betastet es den Boden. Die Tastfähigkeit der Schnurrhaare ist schon viel größer; die mit ihnen versehenen Thiere tasten wohl fast ebenso gut wie viele Kerbthiere, welche ihren ersten Sinn in den Fühlhörnern tragen. Unsere Hauskatze, die Ratte oder die Maus zeigen in sehr ersichtlicher Weise, wie nützlich ihnen die Schnurrhaare sind: sie beschnuppern oft nur scheinbar einen Gegenstand oder wenigstens erst, nachdem sie ihn betastet haben. Allen Nachtsäugethieren dienen die Schnurrhaare als unentbehrliche Wegweiser bei ihren nächtlichen Wanderungen: sie schützen vielfach die edleren Sinneswerkzeuge des Gesichts und Geruchs. Zu welcher bewunderungswürdigen Vollkommenheit aber der Tastsinn in unserer Klasse gelangen kann, hat jeder meiner Leser an seiner eigenen Hand erfahren, wenn diese auch noch weit hinter der eines Künstlers oder eines Blinden zurückstehen dürfte. Die Hand ist das vollkommenste aller Tastwerkzeuge: sie kann das Gesicht, wenn auch nicht ersetzen, so doch oft und wirksam vertreten.

Der Geschmackssinn oder das Gefühl der Zunge kommt, streng genommen, erst in unserer Klasse zu allgemeiner Geltung. Ein gewisser Grad von Geschmack darf den Vögeln und auch den Lurchen und Fischen nicht abgesprochen werden; denn man kann beobachten, daß sie manche Speisen lieber fressen als andere; allein der Sinn erhält doch nur bei wenigen Vögeln, z. B. bei den Papageien und Zahnschnäblern, ein Werkzeug, welches vermöge seiner Weichheit und der hierdurch wirksam werdenden Nerventhätigkeit das Schmecken möglich macht, während dieses Werkzeug, die Zunge, bei der großen Mehrzahl so verhärtet und verkümmert ist, daß es den chemischen Hergang des Schmeckens, die Auflösung der Speisetheile und die dann zur Sinneswahrnehmung gelangende Verschiedenheit derselben, unmöglich einleiten und befördern kann. Anders ist es bei den Säugern. Hier ist die Zunge regelmäßig schmeckfähig, mag sie auch noch so hart und rauh erscheinen. Salz und Zucker äußern, wie Jedermann weiß, fast immer ihre Wirkung auf die Geschmackswerkzeuge der Säugethiere; sogar die Katzen verschmähen diese beiden Stoffe nicht, sobald sie gelöst ihnen geboten werden. Die harte Zunge des stumpfsinnigen Kamels, welche durch nadelscharfe Mimosendornen nicht verletzt werden kann, widersteht dem chemischen Einflusse des Salzes nicht, sondern fühlt sich höchst angenehm geschmeichelt, wenn dieser Zauberstoff durch sie gelöst und seine Annehmlichkeit fühlbar gemacht wird; der Elefant, dessen Zunge als ein ungefüges Stück Fleisch erscheint, beweist durch große Zufriedenheit, daß dieses klotzige Fleischstück mit Süßigkeiten oder geistigen Getränken äußerst angenehm gekitzelt wird; und alle, selbst die wildesten Katzen, finden in der Milch eine Leckerei. Aber auch hinsichtlich des Geschmackes ist es wieder der Mensch, welcher die hohe Ausbildung dieses Sinnes am deutlichsten kund gibt: lernen wir doch in ihm oft genug ein Wesen kennen, welches in dem Reize dieser Empfindung einen Genuß findet, der es nicht nur die Wonnen der übrigen Sinnesthätigkeiten, sondern auch alle geistigen Freuden überhaupt vergessen läßt; – bei einem echten Fresser heißt schmecken leben, und leben schmecken! Hierin stehen die Vögel wieder unendlich weit zurück hinter den Säugern.

Der Geruchssinn erreicht bei den letzteren ebenfalls die höchstdenkbare Entwickelung. Ein vergleichender Ueberblick der verschiedenen Thierklassen belehrt uns, daß gerade der Geruch schon bei niederen Thieren einer der ausgeprägtesten Sinne ist: ich will bloß an die Kerbthiere erinnern, welche dem Blumendufte nachschwärmen oder zu Aas- und Kothhaufen von fern herangezogen, ja schon durch den eigenthümlichen Geruch ihrer Weibchen herbeigelockt werden. Die Fische erscheinen in der Nähe eines Aases, welches ihnen vorgeworfen wird, in Flüssen sogar von oben her, aus derjenigen Richtung, nach welcher hin das Wasser doch unmöglich Vermittler des Riechstoffes sein kann; bei den Lurchen aber ist der Geruch so schlecht, daß sie wenigstens nichts mit ihm aufspüren können; mag man auch behaupten, daß einige Schlangen ihre Weibchen mit Hülfe dieses Sinnes aufsuchen und finden. Unter den Vögeln haben wir bereits viele, welche tüchtige Spürnasen besitzen, wenn auch die Erzählungen, welche Geier und Raben Aas und andere stinkende Stoffe auf Meilen hin wahrnehmen lassen, auf irrigen und mangelhaften Beobachtungen beruhen. Anders verhält es sich bei den Säugern. Hier finden wir viele Thiere, deren Geruchssinn eine wahrhaft überraschende Ausbildung erlangt hat. Der Geruch ist selbstverständlich nur befähigt, gasförmige Stoffe zur Sinneswahrnehmung zu bringen; wie es aber möglich, bloß noch Andeutungen solcher Gase aufzuspüren und zum Bewußtsein gelangen zu lassen, wird ein ewiges Räthsel bleiben. Ein Hund spürt die bereits vor Stunden getretene Fährte seines Herrn unter tausend anderen Menschenfährten unfehlbar aus oder folgt dem Wilde, welches gestern einen gewissen Weg ging, auf diesem Wege durch das zu vollem Bewußtsein kommende Riechen, d. h. Ausscheiden des einen eigenthümlichen Geruchs aus hundert anderen Gerüchen, und hat dazu nicht mehr Anhalt als die Gase, welche von einer augenblicklichen Berührung des Stiefels oder Hufes und des Bodens herstammen. Dies uns zu denken oder klar vorzustellen, halte ich für unmöglich. Ebenso undenkbar für uns Stumpfsinnige ist diejenige Ausbildung des Geruchs, welche wir »Wittern« nennen. Daß ein Hase den verborgenen Jäger, welcher im Winde steht, auf dreißig Schritte Entfernung hin riechen kann, erscheint uns nicht gar so merkwürdig, weil selbst unsere Nasen, welche doch durch Stubenluft und alle möglichen anderen edeln oder unedeln, unserem geselligen Leben nothwendig anhängenden Düfte hinlänglich entnervt sind, die eigenthümlichen Gerüche unserer Hausthiere auf zehn bis zwanzig Schritte Entfernung noch wahrzunehmen vermögen: daß aber ein Ren den Menschen noch auf fünfhundert Schritte hin wittert, ist unbegreiflich, und ich würde es, offen gestanden, gewiß nicht geglaubt haben, hätte ich es nicht durch eigene Beobachtung erfahren müssen. Spüren und Wittern sind gleich wunderbar für uns, weil wir weder die eine noch die andere Höhe des Geruchs auch nur annähernd erreichen können.

Es verdient hervorgehoben zu werden, daß alle Thiere, welche gute Spürer oder Witterer sind, feuchte Nasen besitzen. Man kann also, so sonderbar dies auch klingen mag, von der mehr oder weniger feuchten Nase aus regelmäßig auf die Höhe des Geruchs schließen. Die Nase der Katze ist schon viel trockener als die des Hundes, die des Affen noch trockener als die der Katze, die des Menschen wieder trockener als die des Affen, und die gradweise abnehmende Fähigkeit des Geruchssinnes der betreffenden Säuger steht hiermit im vollen Einklange. Es würde uns hier zu weit führen, wollten wir alle Abstufungen der Ausbildung des Geruchssinnes von den riechunfähigen Walen an bis zu den spürenden und witternden Säugethieren verfolgen, und es mag deshalb genügen, wenn ich noch angebe, daß unter den Feuchtnasen wiederum diejenigen am ausgezeichnetsten wirken, deren Geruchswerkzeuge noch besonders beweglich oder zu echten Schnüffelnasen umgewandelt sind. In den Nasenbären oder Koatis und in den Schweinen lernen wir solche Schnüffler kennen, dürfen dabei aber nicht vergessen, daß auch die Nasen der Hunde, Schleich- und Ginsterkatzen, Marder und anderer höchst beweglich sind. Daß die Fledermäuse, welche noch besondere Nasenanhänge besitzen, den Feuchtnasen nicht nachstehen, ist leicht erklärlich: eine derartige Ausbildung des Sinneswerkzeuges, wie sie sich bei ihnen kund gibt, kann nur zur Schärfung des Sinnes dienen. Endlich glaube ich noch anführen zu müssen, daß diejenigen Wohlgerüche, welche stumpfsinnige Nasen angenehm kitzeln, für alle feinriechenden Thiere abscheuliche Dinge sind: jeder Hund wendet sich mit demselben Ekel von dem kölnischen Wasser ab wie vom Schwefelwasserstoffgas. Nur stumpfsinnige Thiere berauschen sich in Düften, wie die Katze in denen des Baldrian; die wahren Geruchsthiere meiden alle nervenerregenden Gase mit Sorgfalt, ja mit Angst, weil starke Gerüche für sie wahrscheinlich geradezu schmerzlich sind.

Fraglich erscheint, ob bei den Säugern der Sinn des Geruchs von dem des Gehörs überboten wird oder nicht. So viel steht fest, daß der letztere in unserer Klasse eine Entwickelung erreicht wie in keiner anderen. Der Gehörssinn ist zwar schon bei den tiefer stehenden Klassen des Thierreiches ziemlich ausgebildet, jedoch nirgends in dem Grade, daß er zum Leben, beispielsweise zum Aufsuchen der Beute oder Nahrung, unumgänglich nöthig wäre. Dies ist erst bei den zwei oberen Klassen der Fall; allein das vollkommenste Ohr der Vögel erscheint immer nur als eine Nachbildung des Säugethierohres. Daß die Vögel ganz vortrefflich hören, geht schon aus ihren tonkünstlerischen Begabungen hervor: sie erfreuen und beleben sich gegenseitig durch ihren liederreichen Mund und durch ihr Gehör, welches ihnen eben das Reich der Töne erschließt. Es ist aber bemerkenswerth, daß auch unter ihnen nur diejenigen liederbegabt sind oder nur diejenigen sich in Klängen und Tönen berauschen, welche das am wenigsten entwickelte Gehör besitzen, während den Feinhörigen, allen Eulen z. B., dieselben Töne, welche andere Vögel entzücken, ein Greuel sind. Geradeso ist es bei den Säugern. Hier zeigt schon der äußere und noch mehr der innere Bau des Ohres die höhere Begabung des entsprechenden Sinnes an; die Begabung aber kann sich so steigern, oder der Sinn kann sich so verfeinern, daß ihm Klänge, welche stumpferen Ohren wohllautend erscheinen, gellend oder unangenehm werden. Ein musikalisches Gehör ist deshalb keineswegs ein gutes oder feines zu nennen; es steht vielmehr auf einer tieferen Stufe der Entwickelung als das eines wirklich feinhörenden Thieres, und wenn man von seiner Ausbildung spricht, kann man immer nur eine bezügliche meinen. Hieraus geht hervor, daß beim Menschen der Sinn des Gehörs wie der des Geruches auf einer tieferen Stufe steht als bei anderen Säugern; dies thut aber seiner Stellung unter den Thieren durchaus keinen Abbruch: denn eben die gleichmäßige Ausbildung aller Sinne ist es, welche ihn über alle Thiere erhebt.

Die Hörfähigkeit der Säuger ist sehr verschieden. Taub ist kein einziger von ihnen: wirklich feinhörig aber sind nur wenige. Das äußere Ohr gibt einen so ziemlich richtigen Maßstab zur Beurtheilung der geringeren oder größeren Entwickelung des Sinnes; d. h. alle Thiere, welche große, stehende und bewegliche Ohrmuscheln besitzen, hören besser als diejenigen, deren Ohrmuscheln hängend, klein oder gar verkümmert sind. Mit dem äußerlich verbesserten Sinneswerkzeuge vermehrt sich die Empfänglichkeit für die Töne; um es mit wenig Worten zu sagen: großöhrige Säuger hassen, kleinöhrige lieben Töne und Klänge. Der Delfin folgt entzückt dem Schiffe, von dessen Bord Musik zu ihm herabklingt; der Seehund erscheint an der Oberfläche des Wassers, wenn der Fischer leise und klangvoll pfeift; das Roß wiehert vor Lust beim Schmettern der Trompeten; das Kamel stelzt frischer dahin, wenn die Zugglocke läutet; der Bär erhebt sich beim Ton der Flöte; der Elefant, welcher wohl einen großen Ohrlappen, aber keine große Ohrmuschel besitzt, bewegt seine Beine tanzartig bei der Musik, unterscheidet sogar schmelzende Arien von kräftigen Märschen oder Kriegsgesängen. Aber keines dieser Thiere gibt einen für uns angenehmen, wohltönenden Laut von sich wie die tonbegabten Vögel, welche die Musik lieben und durch sie zum Singen und Jubeln aufgemuntert werden; sie ähneln vielmehr noch den Lurchen, der Schlange z. B., welche von der Pfeife ihres Beschwörers herbeigelockt, ja gebändigt wird. Anders benehmen sich die feinhörigen Säuger beim Empfinden der Töne und Klänge, welche ihren Ohren zu stark sind. Der Hund erträgt den Baß des Mannes, nicht aber den Sopran der Frau; er heult beim Gesange des Weibes wie bei Tönen aus Blaswerkzeugen, während er die milderen Saitentöne schon viel besser leiden mag. Noch auffallender geberdet sich eine großöhrige Fledermaus, wenn sie Musik hört: sie geräth in peinliche Unruhe, zuckt mit den Vordergliedern und begleitet die äußeren Bewegungen mit zitternden Lauten ihrer Stimme; ihr sind die starken Töne geradezu entsetzlich. Wie sich das Wild bei Hören geller Töne benimmt, weiß ich nicht: ich glaube aber, daß es ebenso empfindlich gegen sie ist wie die anderen großöhrigen Thiere.

Uebrigens läßt sich über die wirkliche Schärfe des Gehörsinns nichts Bestimmtes sagen. Wir sind nur im Stande, bei den einzelnen Thieren von bezüglicher Schärfe zu reden; die Höhe der Entwickelung des Sinnes läßt sich nicht messen. Daß sehr viele Säuger noch Geräusche hören, welche wir durchaus nicht mehr wahrnehmen können, ist sicher: wie weit dies aber geht, wissen wir nicht. Es steht wohl fest, daß eine Katze wie die Eule das Geräusch, welches eine Maus beim Laufen verursacht, vernimmt; allein wir vermögen nicht zu bestimmen, auf welche Entfernung hin sie die leisen Fußtritte noch vom Rascheln des Windes unterscheiden können. Die großöhrige Fledermaus hört wahrscheinlich das Fluggeräusch kleiner Schmetterlinge, von deren Bewegung wir entschieden nichts mehr durch den Gehörsinn wahrnehmen können, der Wüstenfuchs vielleicht das Krabbeln eines Käfers im Sande noch auf ein gutes Stück; das Wild vernimmt den Schall der Fußtritte des Jägers auf hundert, vielleicht zweihundert Schritte: alle diese Angaben aber beweisen gar nichts und gewähren uns keinen Anhalt zu genauer Bestimmung.

Der Gesichtssinn der Säugethiere erreicht wahrscheinlich nie dieselbe Schärfe wie der Geruch und das Gehör. Daß alle Säuger hinsichtlich des Sehens von den Vögeln übertroffen werden, habe ich bereits erwähnt, bis zu welchem Grade aber, dürfte schwer zu sagen sein, da wir auch hierin wirkliche Beobachtungen nur an uns selbst machen können. Es ist wohl anzunehmen, daß von den Tagsäugern kaum einer den Menschen in der Entwickelung seines Auges und der damit verbundenen Sehschärfe überbietet; wenigstens kenne ich keine Beobachtungen, welche dem widersprächen. Anders verhält es sich bei den Nachtthieren, also fast allen Räubern, einigen Affen, allen Aeffern, den Flatterthieren, mehreren Nagern und anderen. Sie besitzen entweder sehr entwickelte oder aber auch sehr verkümmerte Augen. Die wahren Raubthiere haben unstreitig das schärfste Gesicht unter allen Säugern; ihre Augen sind auch so empfänglich für die Einwirkung des Lichtes, daß schon gewöhnliches Tageslicht wenigstens vielen äußerst unangenehm wird. Das Raubthierauge besitzt daher viel innere Beweglichkeit; diese ist aber keine willkürliche wie bei den Vögeln, sondern eine unwillkürliche, welche mit der größeren oder geringeren Helle genau im Einklange steht. Unsere Hauskatze zeigt uns deutlich, wie das Licht auf ihr Auge wirkt: dieses schließt sich bei Tage dergestalt, daß der Stern nur wie ein schmaler Strich erscheint, während es mit der Dunkelheit verhältnismäßig sich ausdehnt. Sie bestätigt also auch hinsichtlich des Gesichts die Wahrheit, daß nur ein mittelmäßig entwickelter Sinn stärkere Reize vertragen kann. Als Regel darf gelten, daß alle Säuger, welche runde Augensterne besitzen, Tagthiere sind oder bei Tage und bei Nacht verhältnismäßig gleich scharf sehen, während diejenigen, deren Stern spaltartig erscheint, erst mit der Dämmerung die volle Schärfe ihres Sinnes benutzen können.

Merkwürdig erscheint die in der höchsten Klasse einige Male vorkommende Verkümmerung der Augen, welche vollkommene Blindheit bedingen kann, wie beim Blindmoll. Das Auge fehlt, so viel bis jetzt bekannt, keinem Säugethiere: unser Maulwurf, welcher oft genug mit seinem »blinden« Bruder verwechselt worden ist, besitzt schon ein ziemlich sehfähiges Auge, und deshalb enthalten die schönen Worte unseres Rückert die volle Wahrheit:

»Der Maulwurf ist nicht blind, gegeben hat ihm nur
Ein kleines Auge, wie er's brauchet, die Natur;

Mit welchem er wird sehn, so weit er es bedarf
Im unterirdischen Palast, den er entwarf;

Und Staub ins Auge wird ihm desto minder fallen,
Wenn wühlend er emporwirft die gewölbten Hallen.

Den Regenwurm, den er mit andern Sinnen sucht,
Braucht er nicht zu erspähn, nicht schnell ist dessen Flucht.

Und wird in warmer Nacht er aus dem Boden steigen,
Auch seinem Augenstern wird sich der Himmel zeigen,

Und ohne daß er's weiß, nimmt er mit sich hernieder
Auch einen Strahl und wühlt im Dunkeln wieder«.

Das Auge der Säugethiere müssen wir übrigens auch noch von einem anderen Standpunkte betrachten: als äußeres, sichtliches Bild des Geistes. Bei den unteren Klassen hat es noch nicht die Beredsamkeit erlangt, daß es als Spiegel der Seele erscheinen könnte. Wir finden es zwar bei der Schlange tückisch, beim Krokodil hämisch und bei einigen Vögeln mild, bei anderen aber streng oder ernst, muthig etc.: allein mit wenigen Ausnahmen legen wir selbst das hinein, was wir zu sehen glauben. Erst aus dem lebendigen Falken- oder Adlerauge spricht uns das Innere an; bei dem Auge der Säugethiere ist dies aber fast immer der Fall. Hier können wir wirklich von einem Gesichtsausdrucke reden: und an einem solchen nimmt ja eben das Auge den größten Antheil. Deshalb hat sich das Volk mit richtiger Erkenntnis längst seine Bilder gewählt und spricht mit Recht von dem blöden Auge des Rindes, dem schönen Auge der Girafe, dem milden der Gazelle, dem treuherzigen des Hundes, dem frommen oder dummen des Schafes, dem falschen des Wolfes, dem glühenden des Luchses, dem tückischen des Affen, dem stolzen des Löwen etc.; denn bei allen diesen Thieren ist das Auge wirklich der truglose Spiegel des Geistes. Die Bewegung der Thierseele spricht aus dem Auge, dieses ersetzt die fehlende Sprache. Schmerz und Freude, Betrübnis und Heiterkeit, Angst und Leichtsinn, Kummer und Fröhlichkeit, Haß und Liebe, Abscheu und Wohlwollen finden in dem Auge ihren stummberedten Verkündiger: der Geist offenbart sich hier äußerlich. Und so mag uns das Auge als Bild und Dolmetsch zur allgemeinen Betrachtung des Thiergeistes führen. Von verschiedenen Seiten an mich gerichtete Fragen bestimmen mich, den Gegenstand ausführlicher zu behandeln, als es eigentlich im Plane unseres Werkes liegt, und zunächst einige Worte über die in unseren Augen haltlose Lehre von dem sogenannten »Instinkt« der Thiere und dem Ursprunge gedachter Lehre zu sagen.

Einen ähnlichen Standpunkt wie das Kind im Gegensatze zum Erwachsenen nehmen die »Teleologen« oder Zweckmäßigkeitslehrer, richtiger Zweckmäßigkeitsschwärmer, der heutigen Naturforschung gegenüber ein. Zweckmäßig erscheint es ihnen, daß der Mensch Weisheit und Verstand besitzt; unzweckmäßig aber würde es in ihren Augen sein, wäre dem Thiere ähnliche Begabung geworden. Auf alle Lobhudelei der Zweckmäßigkeit haben wir »Materialisten« nur die eine Antwort: Wäre das Geschaffene nicht zweckmäßig eingerichtet, so würde es nicht vorhanden, weil, wenn wirklich geschaffen, längst zu Grunde gegangen, durch Besseres verdrängt worden sein. Ein Säugethier, welches keinen Kopf hat, kann auch nicht fressen, während gewisse niedere Thiere eigentlich nur aus dem Magen bestehen, also das vermögen, zu dem jenes Thier nicht fähig ist. Zweckmäßigkeit des Geschaffenen leugnen wir durchaus nicht, nehmen sie im Gegentheile als selbstverständlich an; unsere Forschungen gehen jedoch nicht aus von dem »Warum?«, sondern von dem »Wie?«, aus welchem sich das Warum meist ohne weiteren Aufwand von Deuteleiversuchen ergibt.

An und für sich wäre die kindische Bewunderung des Geschaffenen sicherlich ebenso harmlos als unschädlich zu nennen, versteckte sich hinter der »Teleologie« nicht regelmäßig mehr oder weniger mittelalterliche »Theologie«. Es handelt sich für die Prediger jener Lehre, welche wir als einen längst überwundenen Standpunkt betrachten, keineswegs darum, in dem Menschen Freude an der Natur zu erwecken, Sinnigkeit der Anschauung zu begründen, sondern einzig und allein darum, dem Gläubigen es begreiflich zu machen, daß alles Bestehende ihm zu Liebe geschaffen worden, er also aus ganz anderem Stoffe gebildet sein müsse als die übrigen uns verwandten Geschöpfe, von denen wir bestimmte Kunde haben. Deshalb bemüht man sich darzuthun, daß das Thier, als geist- und seelenloses Wesen, weder Verstand noch Willen noch Gefühl noch Empfindung für äußere Einflüsse habe, weder denke noch urtheile noch handle, weder liebe noch hasse, weder erkenne noch lerne, weder Erfahrungen sammle noch solche verwerthe, daß es sei ein Spielball in »höherer Hand«, daß es gegängelt, geleitet, behandelt, zur Liebe, zum Haß, zur Tafel, zur Brautschau, zum Kampfe, zum Nestbau, zur Erziehung der Jungen, zum Dienste des Menschen befohlen und gezwungen werde. Und dies alles zu dem Zwecke, dem ebenbildlichen, »obschon noch immer manches Thierische an sich tragenden« Menschen zu seiner wahren Würde, zu seiner Halbgöttlichkeit zu verhelfen! Je mehr man das Thier herabdrückt, um so höher steigt der Mensch; je mehr man das Uebereinstimmende zwischen Mensch und Thier zu verwischen sucht, um so weniger braucht man zu fürchten, daß er durch das Thier und sein Wesen irgendwie beeinträchtigt werden könne. Gesteht man dem Thiere Verstand zu, so darf man ihm wohl auch freien Willen nicht gänzlich absprechen; freier Wille aber gilt bekanntlich als das bezeichnende Merkmal des Menschengeistes: folglich muß dieser gedachte Eigenschaft ausschließlich besitzen, gleichviel ob dies thatsächlich begründet oder nicht. Wie sehr eine derartige Anschauung den Menschen herabwürdigt, anstatt ihn zu erheben, wird dem Denkfähigen alsbald klar. Die Lehre vom »Instinkt« der Thiere kann einzig und allein gestützt und gehalten werden durch die Annahme von Gegensätzen, welche nicht vorhanden sind. Man versteht nämlich unter »Instinkt« keineswegs Naturtrieb, sondern die Fähigkeit, infolge eines oder mehrerer, dem Thiere von außen her zukommender, ihm nicht zum Bewußtsein gelangender Befehle zweckmäßig zu handeln, ohne dabei das eigene Hirn irgendwie zu beanspruchen. Naturtrieb darf man diese Begabung nicht nennen, weil es sich nicht verkennen läßt, daß der Mensch gar manches, was nicht »dem Teufel« aufgebürdet werden kann, gegen sein besseres Wissen thut, also ebenfalls infolge sogenannter Triebe handelt; es wird daher, weil die Begriffe mangeln, ein Wort zu rechter Zeit herbeigezogen. Ich will versuchen, den mir vollständig mangelnden Begriff des Ausdruckes »Instinkt« durch gegnerische Worte zu erläutern.

»Wir sind der Ueberzeugung, daß ein zwecksetzendes Wesen nur ein reflektirendes, denkendes sein kann, und daß hienieden ein solches nur der Mensch ist. Das Thier denkt nicht, reflektirt nicht, setzt nicht selbst Zwecke, und wenn es dennoch zweckmäßig handelt, so muß ein Anderer für dasselbe gedacht haben. – Ein höheres Gesetz diktirt allen die Art und Weise, sich zu schützen; wir Menschen allein handeln nach eigener Vernunft. – In den Handlungen des Thieres liegen ohne Zweifel Gedanken, tiefe Gedanken; allein das Thier selbst hat nie gedacht, ebenso wenig als ein Mechanismus, dessen Arbeit eine verkörperte Gedankenkette darstellt. – Der Vogel singt ohne alle und jede persönliche Theilnahme, er muß zu der einen Zeit singen und kann nicht anders, und kann noch darf er zu einer anderen singen. – Der Vogel kämpft, weil er kämpfen muß, er handelt in höherem Auftrage. – Hervorzuheben ist, daß die Thiere selbst nichts intendiren, nicht in bewußter Weise um etwas kämpfen, sich den ungestörten Besitz der Weibchen nicht wünschen, nicht mit Absicht unter Kampf und Mühen denselben zu erwerben suchen. Sie handeln als reine Naturwesen nur nach durchaus nothwendigen und strengen Lebensgesetzen. Sie handeln eigentlich gar nicht selbst, sondern werden nach höheren Gesetzen zu ganz bestimmten Lebensäußerungen veranlaßt. Ein alter Vogel reicht zur Erziehung der Jungen bestimmter Arten nicht aus; hier müssen beide helfen, beide arbeiten, hier haben sie den höheren Befehl zusammen zu bleiben und zusammen zu wirken. Das ist der ganze Werth einer glücklichen Vogelehe. – Hier ist keine Freiheit, keine Willkür, kein Kampf sich widerstrebender Stimmungen, kein Gemüths-, kein Verstandesleben, durch welches des Thieres Handlungsweise bestimmt würde. Ohne zu wissen, was es thut und warum dasselbe es thut, steuert es geraden Weges sicher auf sein Ziel zu. – Die Thiere weichen nur dann von ihrem eigentlichen Verhalten ab, wenn zwei sich widersprechende Befehle an sie ergehen; sie lassen sich alsdann durch den stärkeren bestimmen, und der zweite wird nicht oder nicht mehr ganz naturgemäß ausgeführt. Wer ein menschenähnliches Ueberlegen und Berechnen dabei annehmen will, täuscht sich selbst und hebt das Thier auf eine geistige Stufe, die nur Eigenthum des Menschen ist. – Die Gedanken liegen über ihnen, nicht in ihnen, sie sind nicht ihr Eigenthum, nach diesen handeln sie nicht selbständig, nicht in ihren eigenen Namen, sondern sie werden physiologisch gereizt und genöthigt, nach denselben zu handeln, sie handeln passiv etc.«

Man glaube nicht, daß ich Vorstehendes erfunden habe; so, wörtlich so, spricht sich noch jetzt ein im Dienste der »allerheiligsten Kirche« stehender und wirkender Professor der Thierkunde aus. Wollte man derartige Ergüsse als unfehlbare Glaubenssatzungen hinstellen – ich würde kein Wort der Entgegnung haben: man tischt uns solche Weisheit aber als Ergebnis »tiefernsten Denkens«, eingehender Forschung auf, gibt Voraussetzungen und Annahmen mit dreister Stirn als Errungenschaften der Wissenschaft aus und spricht von vornherein die Berechtigung anderer Ansichten ab. Solches Gebaren konnte in dem Zeitalter des blinden Glaubens unbeanstandet hingehen; gegenwärtig haben sich die Verhältnisse geändert. Unsere heutige Forschung läßt sich mit Annahmen nicht abspeisen; sie verzichtet vielleicht darauf, das Verordnungsblatt der Natur zu sehen und zu lesen: aber sie verlangt Beweise für die Gültigkeit beliebiger Annahmen, stichhaltige Gründe für Voraussetzungen.

Versuchen wir, aus der Lehre vom »Instinkt« einige Folgerungen zu ziehen. Das Thier, sagen die Verkünder dieser Lehre, handelt zum Unterschiede vom Menschen und zu dessen Gunsten ausschließlich nach ihm nicht zum Bewußtsein gelangenden, aber doch zukommenden Befehlen. Angenommen, es sei an dem. So frage ich hiermit den Weidmann, was er mit Karo beginnen würde, wenn Karo Hühner suchen soll, aber, vom Instinkt getrieben, mit Nimrod Haschen spielen will? Ich weiß, der Weidmann antwortet, daß er Karo die Peitsche kosten lassen werde. Oder ich frage den Kutscher, den Ackerknecht, den Hirten etc., ob sie sich ähnliche Befehle des Instinktes gefallen lassen würden. Die Antwort lautet sicherlich: Nein! Instinktsklaven können wir Menschen, denen zu Liebe doch alles erschaffen sein soll, einfach nicht gebrauchen.

Soll nun unter solchen Umständen der Einwand gelten: das Pferd, das Rind, der Hund sei zum Diener des Menschen bestimmt, müsse ihm also gehorchen und sei entschuldigt, wenn es die »höheren Befehle« vernachlässige? Oder will man die Stirn haben, zu behaupten, daß das Pferd im höheren Auftrage handle, wenn es durchgeht mit Geschirr und Wagen? Es soll ja alles unbewußt thun! Das Durchgehen des Pferdes oder jede andere uns strafwürdig erscheinende, beziehentlich sonstwie unangenehme Handlung des Thieres würde aufgefaßt werden müssen als Ausführung eines höheren Befehles, für welchen man doch wahrhaftig das Thier, die bewußtlose Maschine, nicht zur Rechenschaft ziehen dürfte. Und solche Lästerung der »höheren Kraft« wagt man den Gläubigen zuzumuthen? Für alle in unseren Augen dumme Streiche eines Thieres will man den »Anderen« verantwortlich machen? Wie unbotmäßig, wie lästerlich! Der gesunde Menschenverstand, eine in den Augen jener Schwätzer allerdings höchst widerwärtige, jedoch kaum wegzuleugnende Macht, urtheilt anders.

Gewiß, noch sind wir weit entfernt, das thierische Leben erkannt zu haben, und noch studiren wir am Thiere, in der Absicht, uns selbst kennen zu lernen. Aber wir schreiten in unserer Erkenntnis vor von Jahr zu Jahre, von Tag zu Tage, und schon seit langem haben wir uns einverstanden erklärt mit Scheitlins goldenen Worten: »Alles Thier ist im Menschen, aber nicht aller Mensch ist im Thiere!«

Das Thier handelt genau so verständig, als sein Gehirn es ermöglicht. Dieses Gehirn kann mehr oder weniger entwickelt, mehr oder weniger geschult, das Handeln dem entsprechend sehr verschieden sein: eine Hirnthätigkeit aber und nichts anderes regelt und leitet die Handlung. Das geschieht beim Thiere wenigstens in annähernd derselben Weise wie beim Menschen. Der heutzutage gültigen Anschauung über den Begriff Geist oder Seele – ich meinestheils habe nie gelernt, das eine vom anderen zu scheiden – liegt die von einer »erdrückenden Anzahl« Menschen als Wahrheit anerkannte Annahme zu Grunde, daß der Geist ist eine Thätigkeit, eine Wirkung, ein Erzeugnis, eine Kraft, oder wie man sonst sagen will, des Gehirns. Für diese Wahrheit gibt es ganz andere Beweise, als unsere Gegner eingestehen wollen: jede Gehirnverletzung macht sie auch dem blöden Verstande erkenntlich. Aehnliches wirkt ähnlich: um über die geistigen Fähigkeiten eines Thieres zu urtheilen, braucht der Anatom nicht die Lebensweise desselben zu beobachten – ihm genügt eine sorgfältige Untersuchung des Gehirns. Gehirn aber haben die Thiere, zum mindesten die Wirbelthiere, und einzelne von ihnen sogar ein sehr ausgebildetes, dem des Menschen höchst ähnliches. Und ein solches Gehirn sollte in jeder Hinsicht anders arbeiten als das des Menschen? Das glaube, wer da will und kann, ohne mit seinem eigenen Gehirn in Zwiespalt zu gerathen.

Wir lassen uns nicht mehr blenden durch Deutelei und eitle Redekunst! »Natürliche Anschauung der Dinge«: in diese wenigen Worte faßte Roßmäßler, welcher auch Gottesgelahrtheit studirt hatte, den Wahl- und Wahrspruch unserer Zeit. Wenn also ein Hund einen guten Gebrauch von seinem Gehirn macht, so sagen wir mit Bewußtsein, daß er klug oder verständig sei. Den »höheren Verstand«, welcher »für ihn denkt«, lassen wir einstweilen bei Seite: der Hund mit seinem eigenen Verstande paßt uns besser.

Was schadet es dem Menschen, wenn man dem Thiere zuerkennt, was ihm gebührt, also Verstand? Ueberbrückt sich dadurch die Kluft, welche ihn, das an der Spitze des gesammten Reiches stehende Säugethier, von den übrigen trennt? Verliert er seine Stellung, seinen Halt, das Bewußtsein seines Werthes, seine Würde, wenn er sich fühlt als der Erste unter unzähligen, von ihm ab stetig an Begabung verlierenden Wesen? Wird sein Denken, Fühlen, Glauben durch solche Annahme irgendwie beeinträchtigt oder geschädigt? Lebt und verkehrt es sich besser mit Maschinen, oder aber mit auch geistig thätigen Wesen, von denen ein jedes wirkt und handelt in der seinen Fähigkeiten entsprechenden Weise?

Möge man diese Fragen beantworten wie man wolle, »tiefernstes Denken« wird immer nur die eine Wahrheit erkennen lassen: »Alles Thier ist im Menschen, aber nicht aller Mensch ist im Thiere

Das Säugethier besitzt Gedächtnis, Verstand und Gemüth und hat daher oft einen sehr entschiedenen, bestimmten Charakter. Es zeigt Unterscheidungsvermögen, Zeit-, Ort-, Farben- und Tonsinn, Erkenntnis, Wahrnehmungsgabe, Urtheil, Schlußfähigkeit; es bewahrt sich gemachte Erfahrungen auf und benutzt sie; es erkennt Gefahren und denkt über die Mittel nach, um sie zu vermeiden; es beweist Neigung und Abneigung, Liebe gegen Gatten und Kind, Freunde und Wohlthäter, Haß gegen Feinde und Widersacher, Dankbarkeit, Treue, Achtung und Misachtung, Freude und Schmerz, Zorn und Sanftmuth, List und Klugheit, Ehrlichkeit und Verschlagenheit. Das kluge Thier rechnet, bedenkt, erwägt, ehe es handelt, das gefühlvolle setzt mit Bewußtsein Freiheit und Leben ein, um seinem inneren Drange zu genügen. Das Thier hat von Geselligkeit sehr hohe Begriffe und opfert sich zum Wohle der Gesammtheit; es pflegt Kranke, unterstützt Schwächere und theilt mit Hungrigen seine Nahrung. Es überwindet Begierden und Leidenschaften und lernt sich beherrschen, zeigt also auch selbständigen Willen und Willenskraft. Es erinnert sich der Vergangenheit jahrelang und gedenkt sogar der Zukunft, sammelt und spart für sie.

Die verschiedenen Geistesgaben bestimmen den Charakter.

Das Thier ist muthig oder furchtsam, tapfer oder feig, kühn oder ängstlich, ehrlich oder diebisch, offen oder verschmitzt, gerade oder hämisch, stolz oder bescheiden, zutraulich oder mistrauisch, folgsam oder störrisch, dienstsam oder herrschsüchtig, friedfertig oder streitlustig, heiter oder traurig, lustig oder grämlich, gesellig oder ungesellig, freundschaftlich gegen andere oder feindselig gegen die ganze Welt – und wer könnte sagen, was sonst noch alles!

Eines dürfen wir hier nicht vergessen: ich meine die Steigerung, welcher alle Geisteskräfte des Thieres fähig sind, wenn ihm Erziehung zu Theil wird. Es gibt ebenso wohl gesittete, wohlerzogene oder ungesittete, flegelhafte, ungezogene Thiere als Menschen. Der Erzieher übt einen unendlichen Einfluß auf das Thier aus. Schon eine wohlerzogene Thiermutter vererbt einen guten Theil ihrer Tugenden auf ihre Kinder; der hauptsächlichste und vorzüglichste Erzieher aber ist der Mensch. Ein einziges Beispiel mag genügen: unser am besten erzogenes Thier, der Hund soll es sein. Dieser wird mit der Zeit ein wahres Spiegelbild seines Herrn; er eignet sich, so zu sagen, dessen Charakter an: der Jagdhund den des Jägers, der Fleischerhund den des Fleischers, der Schifferhund den des Schiffers, der Lappen-, Eskimo-, Indianerhund den seiner bezüglichen Gebieter. Nur Männer können Thiere erziehen; dies beweisen oder bewiesen alle Mopse, dies zeigen die Hunde und Katzen einsamstehender Frauen oder Jungfrauen: sie sind regelmäßig verzogen, nicht erzogen. Das Thier verlangt Ernst und Festigkeit von dem, welcher es lehrt, nicht aber zu große Milde und Wankelmuth.

Ich müßte ein besonderes Buch schreiben, wie Scheitlin, wollte ich mich jetzt über den Thiergeist noch weiter auslassen. Vorstehendes genügt jedem Unbefangenen, – und selbst der hochmüthige Vergötterer des Menschen kann die Wahrheit des Gesagten nicht leugnen. Bei der Einzelbeschreibung der Säugethiere werde ich nicht verfehlen, zu meinen Behauptungen auch Beweise zu liefern.

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Der Heimatkreis des Säugethieres ist beschränkter als der eines Vogels oder Fisches, ja selbst eines Lurches. Nur das Meer gestattet den Bewohnern aus unserer Klasse große Willkürlichkeit der Bewegung und Ortsveränderung, allein immer nicht in demselben Grade wie dem Vogel; in den zusammenhängenden Meeren aller Erdtheile finden sich bloß folgende Säugethiere: der Seehund, die Ohrenrobbe, mehrere Delfine und zwei Wale. Auch die Meersäuger beweisen, daß ihre Klasse dem Lande und nicht dem Wasser angehört; denn selbst sie ziehen die Küste dem offenen Meere vor.

Auf dem Festlande nimmt der Verbreitungskreis der Säugethiere viel engere Grenzen an als in dem Meere. Viele Arten haben ein sehr kleines Vaterland. Man hat die Erde mit Rücksicht auf ihre Bewohner in gewisse Reiche getheilt, und diese thierkundliche genannt. Ein solches Reich hat immer seine ihm eigenthümlichen, thierischen Einwohner; zwei sich entsprechende Reiche weisen auch ähnliche Thiere auf, selbst wenn das eine Reich von der Tiefe zur Höhe, und das andere von niederer Breite zur höheren aufsteigt.

Das erste Reich faßt in sich den ganzen Norden, welcher innerhalb des Polarkreises liegt. Die Trennung zwischen beiden Erdhälften ist noch nicht ausgesprochen, aber doch schon angedeutet. Der Eisbär, zwei Vielfraße, der Eisfuchs, mehrere Lemminge, zwei Schneehasen, die Pfeifhasen, das Ren, mehrere Seehunde, das Walroß, der Pott-, Nar-, Finn- und der gemeine Wal kennzeichnen diesen ärmsten Kreis der Erde. Ihm entspricht einigermaßen der Höhenkreis unseres gewaltigen Alpengebirges, von etwa 2000 Meter über dem Meere an aufwärts: er enthält die Gemse, den Steinbock, eine Schneewühlmaus, das Murmelthier und den Alpenhasen.

Ungleich reicher an Formen und Arten zeigt sich der gemäßigte Gürtel unserer Nordhälfte. Seine Pflanzen- und Thierwelt scheidet ihn in zwei Hälften: in die des Ostens und Westens. Wagner trennt den ersteren in fünf Gebiete, nämlich in Mittel- und Südeuropa, in Nordafrika, Südsibirien und die Steppe von Turan. Diesen Gebieten sind gemeinsam: vier Fledermäuse, zwei Spitzmäuse, der Fischotter, der Fuchs, die weltverbreitete Wanderratte und die Wasserratte. Nächst ihnen verbreiten sich über die meisten Gebiete: die Fledermäuse und Spitzmäuse, der Maulwurf, Bär und Dachs, fast sämmtliche Marder, der Wolf und Luchs, das Eichhorn und die Mäuse. Mitteleuropa für sich allein besitzt nur wenige Fledermäuse und Spitzmäuse, eine Schlafmaus, einen Blindmoll, vier Wühlmäuse und den Wisent, Südeuropa einige Fledermäuse, eine Rüsselspitzmaus, den Blindmaulwurf, die Boccamele (ein Wiesel), eine Manguste, einen Luchs, eine Wühlmaus, einen Hasen und den Mufflon, Nordafrika den türkischen Affen, einen Igel, eine Rohrrüsselmaus, den Ichneumon, den Fenek, den Wüstenluchs, ein Eichhorn, eine Springmaus und andere; Sibirien und Turan zeigen: den Ohrenigel, den Korsak, den Manul, den Zobel, die Steppenantilope. Dachs, Luchs, Wildkatze, Igel, Maulwurf, Blindmoll, die Wühlmäuse, Edelhirsch, Reh, Mufflon und Wisent dürfen als Charakterthiere der ganzen Osthälfte des Reiches betrachtet werden.

Die zweite Hälfte des nördlichen gemäßigten Gürtels kennzeichnet sich durch sehr viele eigenthümliche Fledermäuse und Spitzmäuse, die amerikanischen Bären und Waschbären, einen Dachs, die Stinkthiere, mehrere Marder, einen Vielfraß, einen Fisch- und einen Seeotter, mehrere Hunde, die einfarbige Katze, einige Beutelratten, sehr viele Baum-, Flug- und Erdeichhörnchen, Ziesel, Murmelthiere, kleinere Nager, viele Hasen, mehrere Hirsche, zwei Antilopen, das Bergschaf und den Bison. Die Aehnlichkeit der Thierformen der West- und Osthälfte des gemäßigten Gürtels ist unverkennbar.

Anders finden wir es, wenn wir die verschiedenen Gebiete der Wendekreisländer mit einander vergleichen. Hier spricht sich jedes scharf und bestimmt für sich selbst aus, und nur wenige Formen sind allen Reichen gemeinsam. Der Reichthum der Tropenwelt ist zu groß, und die Eigenthümlichkeiten der verschiedenen Gebiete sind zu bedeutend, als daß nicht auch die Thierwelt in demselben Verhältnisse Reichthum und Eigenthümlichkeit der Gestalten zeigen sollte. Hochasien bildet gleichsam ein Bindeglied zwischen dem Nord- und Gleichergürtel der Erde; es hat vieles mit beiden gemein: und deshalb müssen wir es wenigstens flüchtig betrachten. Wir verstehen darunter Turkestan, die Mongolei, Japan, Nepal und die Eufratländer. Diese Gebiete zeichnen aus: der japanesische Makak, zwei fruchtfressende und einige echte Fledermäuse, Spitzmäuse, ein Maulwurf, der Kragenbär, der japanesische Dachs, der Bandiltis, einige Mangusten und Ginsterkatzen, Baum- und Flughörnchen, kleine Nager, eigenthümliche Hasen und Murmelthiere, der Dschiggetai oder Halbesel, das japanesische Schwein, das Trampelthier, ein Moschusthier, einige Hirsche und Antilopen, der kaukasische Steinbock, die Bezoarziege und die Ziege des Himalaya, der Argali, der Burhal, Nahur und andere Schafe und der Yak oder Grunzochse. Viele andere Thiere gehören Hochasien und dem Nordgürtel oder Hochasien und den Wendekreisländern Asiens zugleich an.

Südasien ist reicher als alle bisher genannten Gebiete, zeigt uns aber zugleich auch große Beschränkung in der Verbreitung mancher Thiere. Wir verstehen unter Südasien Vorder- und Hinterindien, Java, Sumatra und Borneo sowie die Molukken. Hier leben der Orang-Utan, die Langarm- und Schlankaffen, die meisten Makaken oder Hundsaffen, die Loris oder Faulaffen und das Koboldäffchen, die Flughunde, große Fledermäuse, der Halsband- und Lippenbär, der Ratel, viele Zibet- und Schleichkatzen oder Mangusten, viele Hunde, der asiatische Löwe, der Tiger, Panther, langschwänzige Pardel, Jagdpanther und noch mehrere andere Katzen, die meisten und größten Flughörnchen, mehrere Schuppenthiere, der wilde Esel, der asiatische Elefant, das indische Nashorn und der indische Tapir, mehrere Schweine, darunter der Hirscheber, die echten Moschusthiere, der Nilgau, die vierhörnige und die Hirschantilope und mehrere Rinder.

Afrika zeigt ein nicht minder selbständiges Gepräge und eine große Verbreitung der ihm eigentümlichen Thiere. Ihm gehören zu: der Gorilla und Schimpanse, sämmtliche Meerkatzen, die Stummelaffen, Paviane und viele Aeffer, welche namentlich auf Madagaskar zu Hause sind, eigenthümliche Fledermäuse, Igel, Spitzmäuse, das Scharrthier, viele Ginster-, Zibet- und Schleichkatzen, der Löffelhund und der Fenek nebst vielen anderen Hunden, die Hiänen und der Hiänenhund, der Löwe, Pardel, Gepard, Serwal und Karakal sowie die Falbkatze, die meisten Erdeichhörnchen, eigenthümliche Siebenschläfer, die Spring-, Steppen- und Wüstenmäuse, das Erdferkel und zwei Schuppenthiere, das Zebra, Quagga und Tigerpferd, der afrikanische Elefant, drei Nashörner, das Flußpferd, die Larvenschweine, die Klippschliefer, die Girafe, fünf Sechstheile aller Antilopen, einige Steinböcke, das Mähnenschaf, zwei Büffel und eine Ohrenrobbe.

Bei aller Eigenthümlichkeit dieser Thierwelt zeigt sich gleichwohl noch immer große Uebereinstimmung mit jener Asiens und selbst der Europa's. Namentlich die Wüsten- und Steppenthiere erinnern auffallend an die, welche in der Tiefebene Turans leben. Die Waldarmut Afrika's ist sehr deutlich ausgesprochen: die Hirsche z. B. fehlen im Süden und in der Mitte ganz, und die Eichhörnchen sind auf den Boden herabgekommen. In seinen Dickhäutern und der Girafe zeigt sich Afrika gleichsam noch als Urland, als von gewissen neueren Schöpfungsabschnitten unberührt.

Ganz das Gegentheil von Afrika macht sich in Amerika bemerklich. Das ungeheure Gebirge und die unermessenen Wälder sprechen sich deutlich in seiner Thierwelt aus. Alles in diesem Erdtheile ist neu, alles eigentümlich; an die alte Welt erinnern manche Thierformen bloß noch entfernt. Ich will kurz sein und nur die bemerkenswerthesten Thiere Mittel- und Südamerikas hier nennen. Amerika beherbergt ausschließlich: die Brüll-, Klammer-, Rollschwanz-, Woll-, Schweif-, Nacht- und Krallenaffen, – zwei Familien! – die blutsaugenden Fledermäuse oder Vampire, einige ihm eigene Bärthiere, Stänker und Fischottern, einige Hunde, den Puma, Kuguar und Jaguar, die Pardel- und Tigerkatzen, viele Beutler in zwei Amerika eigentümlichen Sippen, sehr viele Nager, darunter die Hasenmäuse und Hufpfötler, welche ebenfalls nur hier vertreten sind, die Faulthiere und Gürteltiere nebst den Ameisenbären, drei Tapire, die Bisamschweine einige Hirsche, drei, oder richtiger zwei Lamas etc. Im Vergleich zu der Zahl der Ordnungen, Familien und Arten aus der Klasse der Vögel scheint es freilich, als ob Südamerika arm an Säugethieren wäre; wenn man aber die Eigentümlichkeit der Sippen und die Menge der Arten bedenkt, wird man bald eines Besseren belehrt.

Einige Forscher, unter ihnen Wagner, trennen den höheren Süden Amerika's oder Chile, die Pampas der Platastaaten, Patagonien und das Feuerland von dem übrigen Südamerika und bilden aus diesen Ländern einen eigenen thierkundlichen Kreis, obgleich er nur sehr wenige ihm ganz eigenthümliche Thiere besitzt. Es sind dies etwa folgende: eine Fledermaus, ein Stinkthier, der magellanische und der südamerikanische Hund, die Pampaskatze, mehrere Nager, darunter die Wollmäuse und ein Biber, sowie einige Meersäuger.

Australien zeigt uns ein sehr selbständiges Gepräge, bei all seiner Armut an Säugern. Es ist das eigentliche Vaterland der Beuteltiere. Man kennt im Ganzen etwa 140 Arten von Säugern, welche in Australien leben: davon gehören 110 Arten den Beuteltieren zu. Das allbekannte Känguru, die Raubbeutler und Beutelbilche mögen sie kennzeichnen. Außerdem wohnen in Australien noch der Dingo, das Schnabeltier und der Ameisenigel, sämmtlich echte Charakterthiere des merkwürdigen Erdtheils.

Fassen wir das nunmehr Gewonnene hinsichtlich der Ordnungen und Familien zusammen, so ergibt sich Folgendes: Die Affen sind auf den warmen Gürtel der Erde beschränkt; der Osten und Westen unterscheiden sich aber scharf durch eigene Familien, Sippen und Arten; die Halbaffen oder Aeffer bewohnen bloß die heißen Länder der alten Welt; die Beutelthiere finden sich ausschließlich in Neuholland, Amerika und Asien; die Wenigzähner fehlen in Europa, die Wiederkäuer und Vielhufer in Australien; die Einhufer waren ursprünglich nur in Asien und Afrika heimisch; die Fledermäuse, Raubthiere, Nager, Flossenfüßer und Wale sind Weltbürger.

Bezüglich der engeren Verbreitung kann man sagen, daß sich der Verbreitungskreis einer Art in östlich-westlicher Richtung regelmäßig weiter erstreckt als vom Norden nach Süden hin. Der Osten und Westen weisen auch viel häufiger ähnliche, sich gleichsam entsprechende Gestalten auf als der Norden und Süden; jedoch spricht sich zwischen dem nördlichen und südlichen kalten Gürtel, ja selbst zwischen dem Norden und Süden eines Erdtheils, zumal Afrika's, immerhin eine große Uebereinstimmung aus. Man darf deshalb sagen, daß ähnliche Länder auch stets ähnliche Thiere beherbergen, so große Strecken auch trennend zwischen sie treten mögen.

Die Anzahl aller jetzt lebenden und bekannten Säugethierarten beträgt über zweitausend. Hiervon gehören etwa 150 Arten Europa (gegen 60 ausschließlich) an; ungefähr 240 Arten wohnen in Afrika, 350 Arten in Asien, 400 Arten in Amerika und gegen 140 in Australien. Auf die Ordnungen vertheilt sich diese Anzahl in folgender Weise: die Affen und Aeffer zählen 220, die Fledermäuse 320, die Raubthiere 410, die Beutelthiere 130, die Nager 620, die Wenigzähner 35, die Vielhufer 33, die Einhufer 7, die Wiederkäuer 180, die Flossenfüßer 33 und die Wale 65 unbestrittene Arten. Genauigkeit beansprucht diese Aufzählung nicht.

Hierzu würden die vorweltlichen Säugethiere zu zählen sein. Von diesen kannte H. von Mayer etwa 800 Arten. Die Verbreitung der vorweltlichen Säuger war eine ganz andere, als die der jetzigen es ist; doch besaßen auch schon in der Urzeit gewisse Gegenden der Erde ihre eigenthümlichen Säugethiere. Die meisten versteinerten Knochen finden sich im Schuttlande oder » Diluvium« jedoch hat uns auch das Eis Sibiriens vorweltliche Thiere aufbewahrt, und zwar in einer staunenswerthen Frische, so daß sich nicht nur Haut und Haar erhalten hatte, sondern selbst das Fleisch sich noch in einem Zustande befand, daß Eisbären und Eisfüchse sowie die Hunde der Jakuten davon wacker schmausten. Nur wenige Vorweltssäuger (etwa der siebente Theil) von allen, welche man kennt, haben die Zeit der Schuttlandsbildung überlebt und finden sich gegenwärtig noch: die übrigen sind ausgestorben und gestrichen aus dem Buche der Lebendigen. Von den bis jetzt bekannten Vorweltssäugern gehörten an: den Affen etwa 20, den Fledermäusen ebenso viele, den Raubthieren fast 200, den Beutelthieren gegen 30, den Nagern beinahe 100, den Wenigzähnern 40, den Vielhufern 150, den Einhufern 9, den Wiederkäuern 120, den Schwimmfüßern 9 und den Walen endlich 55 Arten. Alle Vorweltsthiere und somit auch die vorweltlichen Säuger bestätigen die mosaische Schöpfungssage hinsichtlich der Zeitfolge, in welcher die verschiedenen Klassen der Thiere entstanden, so weit eine Sage eben bestätigt werden kann: die Säugethiere gehören wirklich nur den neueren Schöpfungsabschnitten an.

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Leibliche und geistige Begabungen eines Säugethieres bestimmen seine Lebensweise in der ihm gegebenen Heimat, deren Erzeugnis, deren Geschöpf es ist. Jedes richtet sich nach seinen Gaben ein und benutzt die ihm gewordene Ausrüstung in der ergiebigsten Weise. Eine gewisse, verständige Willkür in der Lebensart kann keinem Thiere abgesprochen werden. Die Säugethiere sind natürlich mehr an eine gewisse Oertlichkeit gebunden als das leichte, bewegungslustige Volk der Vögel; allein sie wissen dafür eine solche Oertlichkeit vielleicht besser oder vielseitiger zu benutzen als diese.

Die Säugethiere sind wesentlich Landbewohner, und je vollendeter eine Art unserer Klasse ist, um so mehr wird sie Landthier sein. Im Wasser finden wir daher bloß die Plumpesten oder massigsten, auf dem Lande dagegen die entwickeltsten, edelsten Gestalten. Die größten Landsäuger sind im Vergleiche zu den Walen Zwerge. Das Wasser erleichtert jede Bewegung einer großen, ungeschlachten Masse, und je leichter ein Thier sich zu bewegen vermag, um so größer kann es sein. Daß auch das Umgekehrte stattfindet, beweisen alle Thiere, welche zu ihrer Fortbewegung große Kraftanstrengung nöthig haben, wie z. B. die Gräber und Flatterer, die Maulwürfe oder Fledermäuse. Bei ihnen ist die Körpermasse in demselben Verhältnis verkümmert, in welchem sie bei den Wassersäugern sich vergrößert hat.

So zeigt sich also schon in der Leibesgröße eine Bestimmung für die Lebensweise des Thieres. Noch mehr aber wird diese Bestimmung durch die Ausrüstung ausgesprochen. Daß ein Fisch- oder Flossensäuger schwimmt oder ein Flatterthier fliegt, versteht sich eigentlich von selbst, ebenso gut aber auch, daß der Affe oder das Eichhorn oder die Katze klettern, der Maulwurf gräbt und die Viel- und Einhufer oder Wiederkäuer auf dem Boden laufen: ihre Gliederung weist sie dazu an. Hierzu kommt nun noch die Willkürlichkeit in der Wahl des Ortes, um den Aufenthalt eines Thieres zu bestimmen.

Hinsichtlich der Ordnungen läßt sich Folgendes sagen: Die Altweltsaffen sind Baum- oder Felsen-, die Neuweltsaffen und die Aeffer aber ausschließlich Baumthiere; die Fledermäuse treiben sich in der Luft umher, schlafen aber auf oder in Bäumen und in Felsen; die Kerbthierräuber leben größtentheils auf dem Boden, einige aber auch unter der Erde und andere sogar auf Bäumen; die fleischfressenden Raubthiere bewohnen Bäume und Felsen, den Boden und das Wasser: doch gehört die größere Anzahl den Erdthieren an, und nur sehr wenige führen ein theilweise unterirdisches Leben; die Beutelthiere hausen auf der Erde, in Höhlen, im Wasser und auf Bäumen, die Nagethiere überall, nur nicht im Meere, größtentheils aber in Höhlen; die Zahnlosen sind Erd-, Höhlen- und Baumthiere; die Dickhäuter leben wieder größtentheils auf dem Boden, einige aber auch im Sumpfe oder im Wasser selbst; die Einhufer und Wiederkäuer sind ausschließlich Erd- oder Felsenthiere, die Flossenfüßler und Wale endlich Meerbewohner.

Es muß Jedem, welcher beobachtet, auffallen, daß nicht allein die Heimat im weiteren Sinne, sondern auch der Wohnkreis, ja, der eng begrenzte Aufenthaltsort des Thieres in dem Geschöpfe selbst sich kund gibt. Die Zusammengehörigkeit von Land und Thier offenbart sich nicht allein in der jedem Thiere eigenthümlichen Gliederung, sondern auch, und zwar sehr scharf und bezeichnend, in der Färbung. Als allgemeine Regel kann gelten, daß das Thier eine Färbung besitzt, welche der vorherrschenden Färbung seines Wohnortes genau entspricht. Der außerordentliche Vortheil, welchen das Thier von einer solchen Gleichfarbigkeit mit seiner Heimat ziehen kann, wird klar, wenn wir bedenken, daß das Raubthier an seine Beute möglichst unmerkbar sich anschleichen, das schwache Thier aber sich vor dem Räuber möglichst gut verstecken muß. Es liegt mir fern, in der Gleichfarbigkeit des Thieres und seiner Heimat ein Schöpfungswunder zu erblicken, weil ich das Thier einfach als Erzeugnis seiner Heimat betrachte und über das Wie dieser Zusammengehörigkeit nicht früher grübeln mag, als mir die Wissenschaft haltbare, auf natürlichem Grunde fußende Vorlagen zur Erklärung gewähren kann; ich will hier auch keine Erklärungen, sondern einfache Thatsachen geben.

Schon die Affen sind durchgehends ihren Wohnorten gleich gefärbt und Braun, Grasgrün und Grau die hauptsächlichsten Färbungen ihres Haarkleides; sie entsprechen eben der Baumrinde oder dem Gelaube und Grase sowie den Felsen, auf denen sie wohnen. Alle Flatterthiere, welche auf Bäumen leben, zeigen ebenfalls eine braune oder grünliche Färbung, diejenigen, welche in Felsenritzen schlafen, das ungewisse Grau der Felsen oder der Dämmerung. Unter den Raubthieren finden sich viele, welche als wahre Spiegelbilder ihrer Heimat zu betrachten sind. Der Wolf trägt ein echtes Erdkleid: das Fahlbraun und Grau seines Pelzes schmiegt sich allen Färbungen seines Wohnkreises an; Reineke, der Schleicher, zeigt uns, daß er bei uns zu Lande ebenso wohl zum Nadel- wie zum Laubwalde paßt; sein Vetter im Norden, der Polarfuchs, legt im Winter ein Schneekleid, im Sommer ein Felsenkleid an; ein anderes Glied seiner Sippschaft, der Fenek, trägt das isabellfarbene Gewand der Wüste. Die Hiänen, als Nachtthiere, sind in Grau gekleidet, in diejenige Farbe, welche am ehesten dem Auge verschwindet. Löwe und Pardel, Gepard und Serwal geben sich als echte Steppenthiere zu erkennen; Braungelb ist Grundfarbe, aber allerlei anders gefärbte Flecken zeigen sich auf ihr: die Steppe ist bunter und darf daher auch das Thier schon malen. Unsere nordischen Katzen entsprechen ihrer farbloseren Heimat und unserer trüberen Nacht: Grau ist ihre Hauptfärbung; der Karakal dagegen bekundet sich als echtes Wüstenthier; der Tiger zeigt sogar die Rohrstängel seiner Bambuswälder in den schwarzen Streifen, der Leopard die buntlaubigen Gebüsche Mittelafrika's auf seinem Felle; die amerikanischen Katzen spiegeln ihre bunten Wälder wieder. In den Ginster- und Schleichkatzen sehen wir echte Erdthiere: Grau mit oder ohne Flecken und Streifen und ein überall hinpassendes, sehr schwer zu beschreibendes Graugrün sind die hauptsächlichsten Färbungen ihres Pelzes. Die Marder bekunden ihre Allseitigkeit auch im Felle. Beim Baummarder ist es braun, beim Steinmarder graulicher, beim Iltis fahler; das Wiesel endlich wechselt seine Sommertracht mit dem Winter- oder Schneekleide. Unser Bär ist erdbraun, der Eisbär weiß, der Waschbär rindenfarbig. Die Beutelthiere zeigen ebenfalls Erd-, Gras- oder Baumfärbung. Sehr deutlich tritt die Gleichfarbigkeit bei den Nagern hervor. Ich erinnere an die Hasen. Jeder Jäger weiß, was es sagen will, einen Hasen im Lager zu sehen: die Aehnlichkeit seines Pelzes und des Bodens ist so groß, daß man aus zehn Schritte Entfernung an ihm vorübergehen kann, ohne ihn zu bemerken. Der Wüstenhase ist natürlich isabellgelb, der nordische oder Hochgebirgshase aber wechselt ein Sommer- und ein Winterkleid. Das Kaninchen, ein Höhlenthier, hat graue Färbung. Unser Eichhörnchen ist fichtenrindenbraun, das nordische und das fliegende dagegen sind birkenrindenfarbig. Feldmäuse haben ein graubraunes, Wüstenmäuse ein fahlgelbes, Steppenmäuse ein gelblichbraunes, oft gestreiftes Haarkleid. Unter den Wiederkäuern tragen die Hirsche ein Waldkleid, die Gemsen, Renthiere und Steinböcke ein Felsenkleid, die Antilopen ein Steppen- oder Wüstenkleid. Die Einhufer geben sich wenigstens im Quagga, Zebra und wilden Esel als Steppenthiere, die Vielhufer in ihrem unbestimmbaren Grau als Sumpfbewohner zu erkennen. Kurz, die angegebene Regel ist eine allgemeine, und Ausnahmen sind nicht häufig. Man wird selten irren, wenn man in einem braun, graugrün oder silbergrau gefärbten Säuger einen Baumbewohner, in einem dunkelgrau, fahlgelb, röthlichgrau, erdbraun und schneeweiß gefärbten einen Erdbewohner vermuthet. Isabellgelb ist Wüstenfarbe, Dunkelgelb Steppenfarbe, Aschgrau Felsenfarbe; bei Nachtthieren ist Grau vorherrschend, Tagthiere zeigen es mehr mit anderen Farben gemischt. Große Unsicherheit, Unbestimmbarkeit der Färbung läßt auf Vielseitigkeit in der Lebensweise schließen; bestimmte Färbung deutet auf einen abgeschlossenen bestimmten Wohnort des Thieres: einfach gelbe Thiere sind immer Wüstenbewohner, einfach weiße fast ausnahmslos Schneethiere.

Nicht alle, aber doch viele Säugethiere wechseln alljährlich ihr Kleid; es läßt sich dieser Vorgang jedoch kaum mit der Mauser der Vögel vergleichen. Bei den beschuppten Mitgliedern der Klasse, namentlich bei Schuppen- und Gürtelthieren, ersetzen sich wahrscheinlich nur die gewaltsam ausgerissenen Panzertheile, bei denen, welche ein Stachelkleid tragen, wie Igel und Stachelschweine, fallen unzweifelhaft viele von den umgewandelten Haaren aus: es fragt sich nur, ob dies ebenso regelmäßig geschieht, wie bei behaarten Säugern die Härung erfolgt. Bei den Walthieren findet der Ersatz ihrer schleimigen Haut wohl in derselben Weise statt wie bei uns die Neubildung der Oberhaut; Beobachtungen hierüber fehlen aber noch gänzlich. Auch bei den Affen, insbesondere bei den Menschenaffen, habe ich keine innerhalb einer bestimmten, regelmäßig wiederkehrenden Frist vor sich gehende Härung, vielmehr nur ein allmähliches Nachwachsen der Haare bemerkt, und möglicherweise gibt es noch viele in den Wendekreisländern lebende Säugethiere, bei denen es sich ebenso verhält. Unsere nordischen Säugethiere aber hären sich sammt und sonders und zwar in einer wesentlich sich gleichbleibenden Weise. Nachdem die kalte Jahreszeit vorüber und der Frühling wirklich eingetreten ist, lockern sich die Wurzeln der Haare des bisher getragenen Kleides, und es fallen Grannen- und Wollhaare aus. Gleichzeitig sprossen neue Grannenhaare hervor, wachsen ziemlich rasch und durchdringen das filzige Gewebe des alten abgestoßenen Pelzes, welcher, wenn er reich war, noch geraume Zeit in stockigen Fetzen am Leibe hängen bleibt und erst nach und nach abgekratzt, abgescheuert und abgeweht wird; bald darauf beginnt auch das Nachwachsen der Wollhaare, deren raschere Entwickelung jedoch erst später im Jahre erfolgt. Es besteht daher das Sommerkleid der Säugethiere höherer Breitengrade und Gebirgsgürtel überwiegend aus Grannenhaaren, während im Winterkleide die Wollhaare vorherrschen, erstere mit Beginn der kalten Jahreszeit wohl auch gänzlich wieder ausfallen können. So geschieht es beispielsweise bei unseren Hochwildarten, deren Decke im Sommer aus Grannen- und wenigen, hier eigenthümlich veränderten, Wollhaaren, im Winter dagegen fast ausschließlich aus letzteren besteht. Eine doppelte Härung, d. h. ein vollständiges Wechseln des Kleides im Frühlinge und im Herbste, findet meines Wissens bei keinem Säugethiere statt; wohl aber kann ein Ausbleichen und Umfärben der Haare erfolgen. Die Härung beginnt plötzlich, das Nachwachsen der neuen Haare geschieht allmählich und wird höchstens bei jählings eintretendem rauhen Wetter beschleunigt. Selbst sehr tüchtige Beobachter haben angenommen, daß das Fell solcher Thiere, welche ein dunkles Sommer- und ein weißes Winterkleid tragen, einer zweimaligen Härung unterworfen sei, sich jedoch, wie meine an gefangenen Eisfüchsen und Schneehasen angestellten, später mitzutheilenden Beobachtungen unwiderleglich darthun, vollständig geirrt. Auch in diesem Falle löst sich das Wunderbare, schwer Begreifliche in einen einfachen, stetig vor- und fortschreitenden Hergang auf.

Bei weitem die meisten Säugethiere sind gesellig und scharen sich deshalb mit anderen ihrer Art oder auch mit Gleichlebenden fremder Arten in kleine oder große Trupps zusammen. Niemals erlangen solche Verbindungen die Ausdehnung oder die Anzahl der Vereine, welche die Vögel bilden; denn bei diesen thun sich, wie bekannt, oft sogar Millionen zu einem Ganzen zusammen. Bei den Säugern kommen nur unter gewissen Umständen Gesellschaften von Tausenden vor. Mehr noch als die gleiche Lebensweise vereinigt die Noth: vor der Feuerlinie einer brennenden Steppe jagen selbst erklärte Feinde in dichtem Gedränge dahin.

In jedem größeren Vereine erwirbt sich das befähigtste Mitglied die Oberherrschaft und erlangt schließlich unbedingten Gehorsam. Unter den Wiederkäuern kommen regelmäßig die alten Weibchen zu solcher Ehre, namentlich diejenigen, welche kinderlos sind; bei anderen geselligen Thieren, z. B. bei den Affen, werden nur Männchen Zugführer, und zwar erst nach sehr hartnäckigem, nebenbuhlerischem Kampfe, aus dem sie endlich als allgemein gefürchtete Sieger hervorgehen: hier ist die rohe Stärke maßgebend, bei jenen die Erfahrung oder der gute Wille. Das erwählte oder wenigstens anerkannte Leitthier übernimmt die Sorge für den Schutz und die Sicherheit der ganzen Herde und vertheidigt die schwachen Glieder derselben zuweilen mit Aufopferung. Minder Verständige und Schwächere schließen sich Klügeren an und leisten allen ihren Anordnungen zur Sicherung Folge.

Gewisse Säugethiere leben einsiedlerisch. Alte griesgrämige und bösartige Männchen werden gewöhnlich von dem Rudel oder der Herde verbannt und hierdurch nur noch mürrischer und wüthender gemacht. Allein es gibt auch andere Säuger, welche überhaupt ein Einsiedlerleben führen und mit jedem Eindringlinge sofort in heftigster Weise den Kampf beginnen. Dabei kommt es nicht selten vor, daß der Sieger den Besiegten geradezu auffrißt, und zwar läßt sich, wie bekannt, schon der Mensch eine solche Abscheulichkeit zu Schulden kommen.

Die Mehrzahl unserer Klasse wacht bei Tage und schläft bei Nacht; jedoch gibt es fast unter allen Ordnungen Tag- und Nachtthiere. Einzelne haben keine bestimmte Zeit zum Schlafen, sondern ruhen oder wachen, wie es ihnen gerade beliebt: so die Meerthiere oder in den höheren Breiten auch die Landthiere während der Sommerzeit. Es mag im ganzen genommen vielleicht mehr eigentliche Tag- als Nachtthiere geben, jedoch ist die Zahl derjenigen, welche bei Nacht lebendig und thätig sind, nicht viel geringer als die Menge derer, welche bei Tage ihrem Erwerbe nachgehen. Unter den Affen gibt es bloß einige nächtlich lebende Arten; die Fledermäuse dagegen schlafen fast den ganzen Tag, und nur wenige kommen aus ihren Schlupfwinkeln zum Vorscheine, so lange die Sonne noch am Himmel steht; unter den Kerbthier- und Fleischfressern, den Nagern, Vielhufern und Wiederkäuern gibt es wenigstens sehr viele Nachtthiere, wenn auch mehrere Arten der Wehrloseren solche erst aus Furcht vor Verfolgung geworden sein mögen. Die starken und die sehr flüchtigen oder auf Bäumen lebenden sind größtentheils Tagthiere, einer Verfolgung aber auch weniger ausgesetzt; es würde jedoch voreilig sein, wenn man behaupten wollte, daß alle Nachtthiere feigere, schwächere, dümmere und plumpere Thiere seien als die, welche bei Tage thätig sind; denn wir brauchen eben bloß an die Katzen, Marder, Hirsche und andere, welche fast ohne Ausnahme bei Tage und bei Nacht wach sind, zu denken, um des Gegentheils uns bewußt zu werden. Als allgemeine Regel kann gelten, daß die wehrloseren Thiere, welche durch ihren Aufenthalt nicht vor Gefahren geschützt sind, die Nacht zu ihrer Thätigkeit benutzen.

Während ihres Wachens beschäftigen sich die meisten Säuger ausschließlich mit Aufsuchen ihrer Nahrung. Dieselbe kann höchst verschieden sein. Alle Mitglieder unserer Klasse sind selbstverständlich Pflanzenfresser oder aber Räuber, welche andere Thiere verzehren. Fast alle Erzeugnisse der beiden Reiche finden ihre Liebhaber. Die Pflanzenfresser verzehren ganze Pflanzen, z. B. Gräser, Disteln, Mose, Flechten, oder einzelne Theile von Pflanzen, als Blüten, Blätter, Früchte, Körner, Sämereien, Nüsse, Zweige, Aeste, Dornen, Rinde etc. Die Raubthiere nähren sich von anderen Säugern oder von Vögeln, Lurchen, Fischen, Würmern und Weichthieren; einige fressen bloß ihre selbst erlegte Beute, andere lieben Aas; manche verschonen sogar ihr eigenes Fleisch und Blut nicht.

Diese Mannigfaltigkeit der Nahrung bedingt auch die Verschiedenheit des Erwerbes derselben, d. h. die Verschiedenheit in der Erbeutung und Aufnahme. Einige nehmen ihre Nahrung mit den Händen zu sich; der Elefant steckt sie mit dem Rüssel in das Maul; die größte Mehrzahl aber nimmt sie unmittelbar mit dem Maule auf, oft, nachdem sie dieselbe vorher mit den Tatzen erfaßt und festgehalten hat. Pflanzennahrung wird mit den Händen oder dem Rüssel abgebrochen, mit den Zähnen abgebissen, mit Zunge und Lippen abgerupft, mit dem Rüssel aus der Erde gewühlt, thierische Nahrung dagegen bei wenigen, z. B. bei den Fledermäusen, Hunden, Fischottern, Robben und Walen, gleich mit dem Maule aufgenommen, bei anderen aber mit den Händen oder Tatzen erfaßt und dem Maule zugeführt und bei einigen auch mit dem Rüssel ausgegraben, so von den Maulwürfen, Spitzmäusen, Igeln und Schweinen.

Die Säugethiere fressen viel, verhältnismäßig jedoch weniger als die Vögel. Dies steht auch mit ihrer geringeren Regsamkeit vollkommen im Einklange. Nach der Mahlzeit suchen sie die Ruhe und verfallen hierbei entweder bloß in einen Halbschlummer, wie die Wiederkäuer, oder in wirklichen Schlaf. Zum Spielen oder unnützen Bewegen zeigen sich, wie gesagt, nur wenige aufgelegt; es sind fast nur die Jungen, welche hierzu Lust haben und durch ihr tolles Treiben auch die gefälligen Alten aufzurütteln wissen. Bei guter und reichlicher Nahrung bekommen alle Säugethiere ein glattes, glänzendes Haarkleid und lagern im Zellgewebe und in den Leibeshöhlen viel Fett ab, welches bei einigen zur Erhaltung des Lebens während der Hungerzeit dienen muß. Einigen Pflanzen- und Kerbthierfressern nämlich geht während des Winters die Nahrung vollkommen aus, und sie sind zu klein und zu schwach, als daß sie sich dagegen lange halten könnten. Zum Wandern in wärmere oder nahrungsreichere Gegenden unfähig, würden sie unbedingt zu Grunde gehen, wenn die Natur nicht in sehr merkwürdiger Weise für sie gesorgt hätte. Es scheint zwar, daß sie sich selbst schützen könnten, indem sie sich tief gelegene, dick und weich ausgepolsterte und deshalb warme Wohnungen unter der Erde bauen und in ihnen Vorrathskammern anlegen, welche auch reichlich mit Nahrung versehen werden; allein die Natur übernimmt doch die Hauptsorge für ihre Erhaltung, und die eingetragene Nahrung dient bloß dazu, sie während der Zeit, in welcher sie wirklich noch Nahrung bedürfen, gegen das Verhungern zu schützen. Diese Säuger, welche so recht eigentlich als Schutzkinder der Natur erscheinen, bedürfen lange Zeit gar keine Nahrung von außen her, sondern zehren, während sie in einen todesähnlichen Schlaf versinken, langsam von ihrem Fette: sie halten Winterschlaf.

Wenn der Herbst fast zu Ende geht und der Winter hereinbricht, ziehen die Schläfer in ihre künstlichen, sehr warmen Schlupfwinkel sich zurück, rollen sich zusammen und fallen nun bald in eine schlafähnliche Erstarrung. Ihr Herzschlag wird langsamer und ihre Athmungsthätigkeit dem entsprechend in auffallender Weise gemildert oder unterbrochen; die Körperwärme nimmt ab; die Glieder werden steif und kalt; der Magen und Darmschlauch entleeren sich vollständig und schrumpfen zusammen. Der Leib erhält hierdurch eine Fühllosigkeit, welche ohne Gleichen ist. Um hierzu einen Beleg zu geben, will ich erwähnen, daß das Herz eines im Winterschlafe enthaupteten Murmelthieres noch drei Stunden nach seiner Tödtung fortschlug, anfangs sechszehn bis siebzehn Mal in der Minute, dann immer seltener, und daß der abgeschnittene Kopf nach einer halben Stunde noch Spuren von Reizbarkeit zeigte. Der Winterschlaf ist ein wirklicher Scheintod; das Leben des Schläfers gibt sich bloß noch in Andeutungen kund. Allein auch nur aus diesem Grunde ist es möglich, daß ihn das Thier überdauert. Wenn Herz und Lungen wie bei dem lebenden Thiere arbeiteten, würde das im Sommer gesammelte Fett, welches für mehrere Monate ausreichen muß, bald aufgezehrt sein; die geringe Athmungsthätigkeit aber verlangsamt den Verbrennungshergang im Innern des Körpers in günstigster Weise für die Erhaltung des Lebens. Ich habe oben mitgetheilt, daß der Winterschläfer während seines Scheintodes etwa neunzig Mal weniger athmet als im wachen Zustande und füge hinzu, daß im entsprechenden Verhältnis auch die Körperwärme herabgestimmt wird. Ein Wärmemesser, welchen man in den Leib eines während des Winterschlafes getödteten Murmelthieres senkte, wies bloß noch etwas über 7° R. Wärme nach, während die Blutwärme der Säugethiere sonst durchschnittlich zwischen 28 und 30° beträgt. Setzt man das schlafende Thier der Kälte aus, so erfriert es, wenn ich nicht irre, schon bei einer Wärme unter der seines Blutes während der Schlafzeit, und ebenso hat eine plötzliche Erwärmung des Scheintodten den Tod zur Folge; bringt man ihn aber allmählich in höhere und höhere Wärme, so erwacht er nach und nach, und seine Blutwärme steigt allgemach bis auf die gewöhnliche Höhe. Uebrigens erträgt kein Winterschläfer auch solches gemachsame Erwecken mehrere Male nach einander: jeder Wechsel während seines Halblebens ist ihm schädlich. Hieraus erklärt sich wohl auch, daß er sein Winterlager immer nur in Höhlen nimmt und diese durch sorgfältiges Verstopfen noch besonders gegen die äußere Luft und deren Wärmewechsel abzuschließen sucht. Es ist höchst merkwürdig, daß Siebenschläfer aus fremden Ländern, wenn sie zu uns gebracht werden, im Winter ebenfalls ihren Todtenschlaf halten, während sie dies in ihrer Heimat gerade in der Zeit der größten Hitze thun. Allein wir sehen auch hieraus wieder, daß die Zeit der Dürre heißer Erdstriche eben nur mit unserem Winter verglichen werden kann, niemals mit unserem Sommer, wie so oft selbst von gediegenen Leuten fälschlich geschieht.

Mit dem Herannahen des Frühlings erwacht der Winterschläfer und fristet sich nun sein Leben zuerst mit den Schätzen, welche er im vorigen Sommer eintrug. Anfangs schläft er auch nach dem Erwachtsein aus dem Todtenschlafe noch oft und lange, doch mehr in gewöhnlicher Weise; sobald er aber sein Schutzlager verlassen kann, überkommt ihn große Aufregung; denn nunmehr geht er seinem Geschlechtsleben nach. Nur die kleineren Säugethiere verfallen in einen wirklichen Winterschlaf, die größeren, wie z. B. der Bär, schlafen zeitweilig, obschon tage-, ja vielleicht wochenlang, nehmen aber während dieser Zeit ebenfalls fast gar keine Nahrung zu sich.

Einige Säugethiere unternehmen zuweilen Reisen, um ihre Lage zu verbessern; doch kann man bei unserer Klasse nicht wie bei den Vögeln von einer wirklichen Wanderung sprechen. Es kommt allerdings vor, daß sie eine Gegend verlassen und in eine andere ziehen; der Weg aber, den sie zurücklegen, ist nie so lang, daß er mit dem Zuge der Vögel verglichen werden könnte. Von Nahrungsmangel gepeinigt, rotten sich die Lemminge, jene munteren und anziehenden Bewohner der nordischen Gebirge und Ebenen, in großer Masse zusammen und wandern nun gemeinschaftlich in die Tiefe hinab, setzen sogar über Meeresarme, gehen aber dabei fast regelmäßig zu Grunde; südafrikanische Antilopen, das Renthier und der Bison, die wilden Esel, die Seehunde und Wale treten aus demselben Grunde noch weitere Wanderungen an; einige Fledermäuse haben sogar einen beschränkten Zug: allein alle diese Reisen stehen unendlich weit hinter denen der Vögel zurück.

Das Leben der Säugethiere ist viel einförmiger als das der beweglichen Luftbewohner. Bloß die gescheiteren Arten suchen in dieses Einerlei einige Abwechselungen zu bringen, indem sie sich auf irgend welche Weise mit einander unterhalten. Bei dem großen Haufen theilt sich der Tag in Fressen und Schlafen, Schlafen und Fressen. Die Brunstzeit verändert dieses Betragen immer. Sie ist bei den meisten Säugethieren an einen bestimmten Jahresabschnitt gebunden und fällt entweder in das Frühjahr oder in den Herbst oder auch selbst in den Winter, je nachdem das Thier längere oder kürzere Zeit trächtig geht. Die Satz- oder Wurfzeit der Säugethiere nämlich ist regelmäßig der Frühling, welcher für das Junge oder für die säugende Alte reichliche Nahrung bietet; und der Satzzeit entspricht nun die Brunstzeit. Während derselben zeigt sich das Säugethier oft in ganz anderer Weise als außerdem: die männlichen Thiere, welche sich sonst nicht um die weiblichen bekümmern, finden sich bei diesen ein und bekunden eine große Erregung ihres Geistes und Leibes. Mit den zunehmenden Gefühlen der Liebe wächst die Eifersucht und der Haß gegen etwaige Nebenbuhler; heftige Kämpfe werden zwischen diesen ausgefochten und Kampflustige zu denselben durch lautes Schreien eingeladen; selbst in der Seele des furchtsamsten Säugethieres regt sich der Muth und die Kampfeslust. Der als Sinnbild der Feigheit dastehende Hase kämpft mit seinem Nebenbuhler verhältnismäßig ebenso wacker wie der Löwe, wenn er auch seinen Liebesgegner nur tüchtig mit den Vorderpfoten ohrfeigt; der furchtsame Hirsch wird kühn und selbst dem Menschen gefährlich; die Stiere zeigen eine namenlose Wuth; die Raubthiere aber scheinen gegen alle fremden Geschöpfe milder gesinnt zu werden, als sie es früher waren: die Liebe nimmt sie vorherrschend in Anspruch. In der verschiedenartigsten Weise machen die Männchen ihren Weibchen den Hof. Die Affen werden äußerst zudringlich und erlauben kein Sprödethun; die Hunde dagegen bleiben liebenswürdig, selbst wenn die Hündin noch so ärgerlich über die Liebeserklärungen sich stellt; die Löwen brüllen, daß die Erde zu erzittern scheint, und die verliebten Löwinnen geberden sich, als ob sie ihre Liebhaber verschlingen wollten; die Katzen rufen mit unglaublicher Sanftheit sehnsuchtsvoll nach dem Gegenstande ihrer Schwärmerei, sind aber so reizbar gegen die Nebenbuhler, daß die zarten Töne bei deren Anblick sofort in ein höchst wüthendes Fauchen übergehen; die männlichen Maulwürfe sperren ihr Weibchen augenblicklich in einen ihrer unterirdischen Gänge ein, sobald es sich zu spröde zeigt, und lassen ihm hier Zeit, sich zu besinnen; die Wiederkäuer führen gleichsam zur Ehre des weiblichen Theiles große Kämpfe auf, müssen aber sehen, wie ihnen der Siegespreis oft von Feiglingen, welche den Zweikampf klug benutzen, entrissen wird etc. Auch die Weibchen sind sehr aufgeregt, behalten jedoch die ihnen eigene Sprödigkeit trotzdem bei und beißen, schlagen, stoßen oder wehren sich sonstwie gegen die sich nähernden Männchen, deren Zärtlichkeit sie sich später doch gefallen lassen. Die Paarung erfolgt bei vielen in der häßlichsten und uns widerstrebendsten Weise; sobald sie vorüber ist, tritt große Gleichgültigkeit zwischen beiden Geschlechtern ein, und die meisten Männchen bekümmern sich nun gar nicht mehr um die Weibchen, denen sie kurz vorher so glühende Liebeserklärungen machten. In geschlossener, länger als ein Jahr währender Ehe leben wahrscheinlich nur einige Wiederkäuer, namentlich mehrere kleine Antilopenarten, und vielleicht auch noch einzelne Wale: alle übrigen sind der Vielehigkeit zugethan.

In der Regel genügt eine einmalige Begattung der brünstigen Säugethiere zur Befruchtung aller Keimbläschen oder Eier, welche für ein und dieselbe Geburt zur Entwickelung gelangen, obgleich deren Zahl in sehr erheblichen Grenzen schwanken kann. Mehr als 24 Junge wirft kein Säugethier auf einmal; schon ihrer 14 oder 16 werden selten zugleich geboren. Alle großen Säuger gebären weniger und seltener Junge als kleinere, bei denen die Frucht schon innerhalb drei Wochen nach der Begattung ausgetragen und das geborene Junge in derselben Frist auch erzogen werden kann. Bei denen, welche länger als sechs Monate trächtig gehen, kommt regelmäßig nur ein Junges zur Welt.

Die Geburt selbst geht fast immer rasch und leicht vorüber, ohne daß irgend ein mitleidiges anderes Thier dabei behülflich wäre. Ein glaubwürdiger Mann hat mir allerdings erzählt, daß er eine solche Hülfe bei den Hauskatzen beobachtet und gesehen habe, wie eine ältere Katze die Nabelschnur der Kinder einer jüngeren Mutter abbiß; doch steht dieser Fall bis jetzt noch zu vereinzelt da, als daß wir von ihm folgernd etwas allgemein Gültiges sagen könnten. Sogleich nach der Geburt leckt die Mutter ihre Kleinen sorgfältig rein und wärmt sie mit ihrem eigenen Leibe. Einige Nager bauen vorher ein Nest und füttern dieses mit ihren abgerupften Haaren aus, um eine sanfte Wiege für ihre Jungen zu haben; die große Mehrzahl aber wirft dieselben auf die bloße Erde oder doch nur in eine nicht mit Nest versehene Höhle. Die Nachgeburt wird von vielen Thieren, welche sonst nie Fleisch anrühren, gierig aufgefressen, so z. B. von den Ziegen, Antilopen und Stachelschweinen.

Die neugeborenen Jungen zeigen einen sehr verschiedenen Grad der Entwickelung. Bei den Beutelthieren ähneln sie einem rohen Stücke Fleisch; sie werden aber in die diesen Thieren eigenthümliche Hautfalte am Bauche, die sogenannte Tasche, gesteckt und in ihr gleichsam ausgetragen; die meisten Raubthiere sind blind, wenn sie geboren werden, und öffnen erst nach einer oder zwei Wochen ihre Augen; diejenigen Säugethiere dagegen, welche später ein bewegtes und ruheloses Leben führen sollen, kommen sehr ausgebildet zur Welt und sind im Stande, ihrer Mutter schon wenige Stunden nach der Geburt zu folgen, bedürfen aber auch am längsten der Milch. Alle höheren Thiere gebären sehende Junge, welche jedoch so hülflos sind, daß die Mutter sie wochenlang mit sich herumtragen muß; deshalb sehen wir die Kinder der Affen und Fledermäuse lange Zeit mit allen vier Gliedern fest angeklammert an ihrer Mutter hängen.

Jede Säugethiermutter liebt ihre Kinder ungemein und vertheidigt sie mit Aussetzung ihres eigenen Lebens gegen jeden Feind, selbst gegen den Vater. Dieser bekümmert sich, streng genommen, gar nicht um sie, ja, wird ihnen im Gegentheil oft geradezu gefährlich, indem er sie auffrißt, wenn er ihrer habhaft werden kann. Selten nimmt er mittelbar Theil an der Pflege und Erziehung seiner Sprößlinge: er vertheidigt sie nämlich zuweilen, wenn der Gesammtheit eine Gefahr droht, bei welcher er überhaupt eintritt. Um so mehr thut die Mutter. Sie allein ernährt, reinigt, leitet, straft und schützt, kurz erzieht ihre Kinder. Sie bietet ihnen ihre Zitzen oder jagt später für sie, leckt und putzt sie, führt sie aus dem Schlupfwinkel oder wieder in denselben zurück, spielt mit ihnen und lehrt sie ihre Nahrung erbeuten, gibt ihnen Unterricht im Laufen, Klettern, Schwimmen etc., hält sie wohl auch durch Strafen zum Gehorsam an und kämpft für sie mit jedem Feinde, welcher es wagen sollte, sie anzugreifen. Die Liebe macht sie erfinderisch, friedliebend, mild, heiter gegen ihre Nachkommenschaft, oder auch heftig und wüthend, bösartig und zornig nach außen hin. Sie lebt und sorgt bloß für ihre Kinder und scheint, so lange sie diese vollständig in Anspruch nehmen, für nichts anderes Sinn zu haben. Selbst das ernsthafteste Thier wird als Mutter kindlich und spiellustig, wenn sein Kind dies wünscht. Ohne Uebertreibung kann man behaupten, daß ihr die Liebe und Zärtlichkeit, der Stolz und die Freude der Mutter an den Augen abzulesen sind: man muß nur einen Hund, eine Katze, ein Pferd, eine Ziege in Gesellschaft ihrer Sprößlinge beobachten – keine Menschenmutter kann stolzer als sie auf ihr Kind sein. Und sie haben auch das vollste Recht dazu; denn alle jungen Säugethiere sind, wenn sie nur erst einigermaßen Herr ihrer Kräfte geworden, allerliebste Geschöpfe, welche ja selbst uns große Freunde bereiten.

Man kann bei jeder Säugethiermutter wahrnehmen, daß sie ihr Betragen gegen ihre Jungen mit der Zeit wesentlich verändert. Je mehr das junge Volk heranwächst, um so kälter wird das Verhältnis zwischen Mutter und Kind: die Alte kennt den Grad der Bedürftigkeit des letzteren genau und bestrebt sich, wie jedes Thier überhaupt, seine Nachkommenschaft so rasch als möglich selbständig zu machen. Deshalb entzieht sie derselben nach einer gewissen Säugezeit zunächst die Milch und gewöhnt sie nach und nach, ihre Nahrung sich selbst zu suchen. Sobald dieser Zweck erreicht und das junge Thier selbständig geworden ist, endigt die Zärtlichkeit zwischen ihm und der Mutter, und jeder Theil geht nunmehr seinen eigenen Weg, ohne sich um den anderen zu kümmern. Die geistig begabtesten Thiere, wie die Pferde und Hunde, beweisen uns, daß sich Mutter und Kind sehr bald nach ihrer Trennung so von einander entfremden, daß sie sich, wenn sie wieder zusammenkommen, gar nicht mehr kennen, während wir dagegen Beispiele haben, daß das geschwisterliche Verhältnis zweier Jungen lange Zeit sich erhalten kann.

Die zur Erlangung der Selbständigkeit eines Säugethieres nothwendige Zeit ist fast ebenso verschieden wie seine Größe. Unter den Landsäugethieren bedarf der Mensch entschieden die meiste Zeit zu seiner Ausbildung, selbst der Elefant wird eher groß als er.

Wahrscheinlich erreichen nur die großen Vielhufer und die größten Meersäuger ein höheres Alter als der Mensch. In demselben Grade, in welchem die Entwickelung verlangsamt ist, nimmt das Alter zu oder umgekehrt ab. Schon mittelgroße Säugethiere können, wenn sie zehn Jahre alt geworden sind, als greise Thiere betrachtet werden; bei anderen tritt das Greisenthum vielleicht erst nach zwanzig Jahren ein: allein ein Alter von dreißig Jahren, in welchem der Mensch doch bekanntlich erst zur vollen Blüte gelangt, ist schon sehr selten. Das Greisenthum zeigt sich sowohl in der Abnahme der Kräfte wie auch im Ergrauen des Haares und in der Verkleinerung gewisser Schmuckzeichen: so setzen alte Hirsche geringere Geweihe auf als vollkräftige. Der Tod erfolgt gewöhnlich nicht durch Krankheiten, denn diese sind unter den freilebenden Säugethieren selten. Seuchen, welche in entsetzlicher Weise unter Thieren unserer Klasse wüthen, kommen zwar auch vor; die Mäuse z. B., welche sich zuweilen ins Unglaubliche vermehren, sterben in Zeit von wenig Wochen in solcher Masse dahin, daß ihre kleinen Leichname verwesend die Luft verpesten. Allein solche Fälle sind doch nur selten, und die größeren freilebenden Säugethiere scheinen von Krankheiten wenig zu wissen. Bei ihnen erfolgt der Tod gewöhnlich aus Altersschwäche.

 

» Das Thier hat auch ein Schicksal«, sagt Scheitlin. »Es hängt von seinen Verhältnissen zur Natur und den natürlichen Umgebungen zu dem Menschen, wenn es mit ihm in Verkehr kommt, zum Theil auch von sich selbst ab. Oft muß es des Menschen Schicksal und der Mensch das des Thieres theilen; es geht mit ihm zu Grunde im Feuer und Wasser, in der Schlacht und im Kampfe. Manche Pferde sind Helden, für welche keine Kugel gegossen zu sein scheint, andere streckt die erste feindliche Kugel nieder. Das junge, schöne Füllen wird fast mit Gold aufgewogen, dann zugeritten, zu freien, frohen Wettrennen benutzt, bald darauf mit Stricken an eine Kutsche gespannt, doch immer noch mit Hafer gefüttert: es ist noch der Ruhm seines Kutschers, der Stolz seines Reiters. Dann geht es an einen Lohnkutscher über; rohe Menschen quälen es beinahe zu Tode. Es muß dennoch alltäglich wie ein Sklave ziehen; es hinkt, dennoch muß es laufen. Ist es ein Postpferd geworden, so geht es ihm nicht besser. Es wird halb oder ganz blind, seine Weichen und seine Vorderrücken bluten vom Riemenwerke, sein Bauch von Bremsenstichen. Ein armer, roher Bauer hat es für wenige Thaler auf Leben und Tod gekauft; es wird noch einige Jahre lang mit Stroh gefüttert, angeflucht, mit den groben Schuhen in die Rippen geschlagen und zuletzt, wenn es zehnmal auf der Straße erlegen, todtgestochen, oder es krepirt endlich. Das ist der Fluch mancher Pferde, und diesen Fluch trägt mancher edle Hund, mancher Bär, mancher Büffel, manches andere Thier. Tagelöhner sind auch sie, und ihr Leben ist ein immerwährender Streit auf Erden. Von den höchsten Stufen der Ehre steigen sie zur tiefsten Schande herab; ihr Dasein geht vom üppigsten Ueberflusse bis zum nagendsten Hunger, von rascher Jugendfülle und Blüte zur elendesten Krankheit und Altersschwäche herab. Glücklich, daß wenigstens das tiefstehende Thier seinen Lebensfluch nicht erkennt, traurig, daß der Mensch vergessen kann, daß die höheren Thiere sehr wohl zwischen guter und schlechter Behandlung unterscheiden lernen!

»Andere Thiere aber leben in Glück und Freude von Anfang an bis zu Ende. Manches Hündchen wird wie ein Kind geliebt, gekost, geküßt, zu Tische geladen, kostbar gespeist, Aerzten übergeben, beweint, begraben; mancher gelehrige und gutmüthige Hund hat ein Schicksal, dessen Glück dasjenige der meisten Menschen übertrifft, so daß er sagen müßte: das Loos ist mir gefallen auf das lieblichste, mir ist ein schönes Erdentheil geworden. Er darf mit tanzen, mit denken, mit reisen, mit genießen, kurz, so weit er kann, gerade wie ein Mensch thun; es wird an seinem Grabe noch geschluchzt. Mancher völlig untaugliche, bissige Hund, manches blindgewordene Pferd bekommt bis zu seinem Sterben ein schönes Gnadenbrod, wie es tausende von Menschen, die es besser verdienten und eher bedürften, nicht bekommen. Auch das Thier hat sein Schicksal.«

Aber nicht bloß die wenigen Hausthiere, welche hier aufgeführt wurden, müssen dem Menschen zollen mit Leib und Leben, mit ihren Kräften, Fleisch, Haut, Haar, Horn und Dünger: er hat noch weit mehr sich unterjocht und nutzbar gemacht, selbst solche, welche nicht mit ihm seine Wohnung theilen; zum Lasttragen, Ziehen und Reiten, zum Kriege wie zur Jagd, zum Post- und Hirtendienst, zu Gauklerkünsten und Kurzweil müssen sie ihm ihre Kräfte leihen. Zur Nahrung dienen ihm ihr Fleisch, ihre Milch, ihr Schmeer und Fett, und selbst ihre eigenen gesammelten Vorräthe. Andere liefern Wohlgerüche, Spezerei und Arzneimittel, sehr viele müssen ihr Pelz- und Rauchwerk zu seiner Kleidung, ihre Haut zu Leder, ihre Wolle zu Gespinsten und Geweben, hergeben, noch andere liefern Horn, Elfenbein, Zähne, Fischbein für seine Industrie, Düngstoffe für seinen Acker. Einen solchen Nutzen kann keine andere Klasse des Thierreichs für uns aufweisen, und deshalb eben sind die Säuger bei weitem die wichtigsten aller Thiere für den menschlichen Haushalt; deshalb eben kann man sagen, daß das bequeme Leben der Menschen, wie wir es gewohnt sind, ohne die Säugethiere geradezu unmöglich sein würde. Aber wir sehen auch wiederum aus dem Nutzen, welchen die Säugethiere uns gewähren, aus der treuen Hülfe, welche sie uns leisten, aus der Verbrüderung, welche sie mit uns eingehen, – wie nahe, wie innig verbunden wir, als die höchststehenden Säuger, mit den übrigen sind, denen wir unser Joch auferlegt haben.

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